Protocol of the Session on December 7, 2005

Das wäre allemal besser als die Fortsetzung der Unverfrorenheiten und Frechheiten, mit der uns Kabinett und Mehrheitsfraktionen hier befassen.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich führe nur zwei Beispiele an. Die Regierung prahlt mit den finanzpolitischen Erfolgen im Rahmen der Verwaltungsreform, ist aber auf Nachfrage im Haushaltsausschuss überhaupt nicht in der Lage nachzuweisen, welche finanziellen Vorteile und Konsequenzen sich aus der Abschaffung der Bezirksregierungen darstellen lassen. Was ist das für Aufblähen? - Nichts ist dahinter. Oder wie sollen wir damit umgehen, wenn Herr Althusmann mit Vehemenz die Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich verteidigt, gleichzeitig die Höhe der kommunalen Kassenkredite in Niedersachsen mit dem Argument begründet, dass die Möglichkeiten der kommunalen Steuergestaltung nicht ausgeschöpft würden? Ich meine, dass die Kommunen Sie mit ihrer geplanten Verfassungsklage hier noch eines Besseren belehren werden.

Das Thema „Verfassungswidrigkeit“ wird uns hier weiterhin beschäftigen. Die ersten Beschlüsse der großen Koalition zum Thema „Subventionsabbau“ sind der Beweis dafür, dass die Landesregierung ihre Spielräume nicht ausgeschöpft hat und dass Sie hätten anders agieren können. Die bisherige Argumentation von Herrn Möllring ist damit obsolet. Aber es kann ja sein, dass er sich geschmeidig zeigt und Herrn Steinbrücks Argumentation mit der Störung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts folgt. Das würde uns allerdings veranlassen, die Frage der Verfassungswidrigkeit erneut zu prüfen. Wir sind gespannt, wie sich Regierung und Mehrheitsfraktionen hier positionieren.

Konsolidierung ist die eine Hälfte der Therapie, die andere heißt Wachstum, heißt Investitionen. Meine Damen und Herren, hier finden wir in Niedersachsen mit dem Wirtschaftsministerium eine weitere Großbaustelle vor. Die zentrale Frage lautet: Hat der Bauherr keinen Plan, wie das niedersächsische Handwerk meint, oder hat er einen Plan, der allerdings die Belange des Landes mit Füßen tritt? - Ich glaube, Herr Hirche hat einen Plan - seine Roadmap Niedersachsen 2021.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

- Ohne Anglizismen geht heute nichts mehr!

(Heiterkeit)

Auf dieser Basis lässt er denken. Wahrscheinlich wird dabei auch international gedacht. Wenn ich weiter vortrage, werden Sie es nachvollziehen können. Dieser Impetus prägt seine Entscheidun

gen. Ich will zitieren: In der heutigen Ausprägung stellt die soziale Marktwirtschaft den Schutzaspekt in den Mittelpunkt. Für die Zukunft ist entscheidend, dass der Wettbewerb seine Funktion als Entdeckungsverfahren wieder erfüllen kann.

(Axel Plaue [SPD]: Siehe Conti!)

Das hat Herr Wennemer offensichtlich wörtlich genommen, meine Damen und Herren, und sich auf Entdeckertour begeben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hirche, Sie haben einen Amtseid zur Wahrnehmung der Belange des Landes Niedersachsen abgelegt. Vor dem Hintergrund sind solche Grundlagen der Politik schon eine ganz beachtliche Nummer, die hier zu diskutieren ist.

Ein weiteres Zitat: Es ist zentrale Aufgabe der Unternehmen, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Aufgabe der Politik ist es, den Unternehmen die dazu erforderlichen Freiräume zu schaffen. Meine Damen und Herren, ein Wirtschaftsministerium, das im Übrigen auch noch für Arbeit zuständig ist, das sich derartig einseitig positioniert und das Belange von Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und Schutzfunktionen für die Beschäftigten in dieser Weise ignoriert, vergeht sich an den Interessen des Landes Niedersachsen und seiner Bevölkerung. Das ist nicht akzeptabel!

(Beifall bei der SPD - Ursula Körtner [CDU]: Wer das alles selbst glaubt!)

Die CDU muss daraus doch die Konsequenzen ziehen. Herr Wulff, Sie haben am 18. September 33,6 % bekommen, einen Prozentpunkt weniger als vor vier Jahren, obwohl Sie in der Zwischenzeit Ministerpräsident, heimlicher Kanzlerkandidat und vorgeblich großer Sympathieträger sind. Das muss doch richtig weh getan haben.

(Beifall bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Er stand doch gar nicht zur Wahl!)

Nun müssen Sie sich von Herrn Schoeppner, einem der Gurus der Demoskopie, an diesem Montag auch noch anhören, dass niemand in Niedersachsen weiß, wofür die niedersächsische CDU steht. Sie müssen sich finden. Das glaube ich schon. Ich weiß auch nicht, wofür Sie stehen.

(Zuruf: Das wäre auch nicht Ihr Prob- lem!)

- Das ist auch nicht mein Problem! - Ich weiß aber, wofür die FDP steht. Das Wirtschaftsministerium, das Umweltministerium und das eine Stockwerk im Erweiterungsgebäude des Niedersächsischen Landtags begreifen sich als unumstößlicher Hort des Marktradikalismus. Das werden wir in aller Deutlichkeit immer wieder herausposaunen, damit Sie mit solchen Geschichten nicht durchkommen und damit die CDU in die Situation gerät, sich davon distanzieren zu müssen.

(Beifall bei der SPD)

Bei dieser Positionierung sind natürlich auch die Konsequenzen nicht überraschend. Da wundert es nicht, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen überproportional steigt, der Minister aber zulässt, dass im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit die Mittel gekürzt werden. Da wundert es nicht, wenn beim Vergaberecht entgegen allen Zusagen Bauindustrie und Handwerk düpiert werden, wenn der Privatisierung öffentlicher Güter Tür und Tor geöffnet werden und wenn den Kommunen durch Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich die Gestaltungsspielräume eingeengt werden. Herr Wulff hat uns kritisiert, als die Investitionsquote während unserer Regierungszeit bei 10 % lag. Und was lassen Sie, Herr Wulff, bei Ihrem Wirtschaftsminister durchgehen? - 7,1 % im Jahre 2006, im Folgejahr liegt die Quote unter 7 % - Schlusslicht in Deutschland, meine Damen und Herren! Niedersachsen braucht Investitionen in die Zukunft und keine Ideologen, die weder dicke noch dünne Bretter bohren können.

(Beifall bei der SPD)

Mit den Investitionen sind wir beim landespolitischen Thema Nummer eins: Bildung, Forschung, Innovation. Herr Wulff war in der vergangenen Woche auf dem Philologentag und hat dort augenscheinlich bedauert, dass die Lehrer eigentlich zu wenig verdienten. Diese Aussage hat mich gewundert, weil sich jemand, der die Gehaltskürzung um 10 % zu verantworten hat, da doch eher zurückhalten sollte.

(Heiterkeit bei der SPD)

In bildungspolitischer Hinsicht aber war sehr interessant, dass Sie sich zum höheren Bedarf an schulischen und wissenschaftlichen Abschlüssen geäußert haben. Richtig. Wir brauchen mehr Abschlüsse. Ich gehe sogar noch weiter: Wir dürfen nicht zulassen, dass jemand ohne Abschluss ins

Berufsleben eintreten muss. Das ist ein gesellschaftliches Versagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind der festen Überzeugung, dass Bildungschancen das ökonomische und soziale Thema mindestens dieses Jahrzehnts sind. Aber, Herr Wulff, wo sind Sie, wenn es darum geht, die Voraussetzungen dafür zu schaffen? - Sie haben hier durchgesetzt, dass die Lernmittelfreiheit in Niedersachsen abgeschafft wird, Sie haben zu verantworten, dass die Hausaufgabenhilfe gestrichen wird, Sie haben die Mittel für Sprachförderung reduziert,

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Immer mehr Geld!)

Sie sorgen dafür, dass durch ein antiquiertes Schulsystem Durchlässigkeit untergraben, eine zweite Chance neben der sozialen Herkunft nicht angeboten wird.

(Ursula Körtner [CDU]: Quatsch!)

Der Selbstgefälligkeit und dem Aktionismus des Kultusministers setzen wir ein Konzept entgegen, das Niedersachsen nicht in die Welt von vorgestern zurückwirft, sondern es zukunftsfähig macht.

(Beifall bei der SPD - Ursula Körtner [CDU]: Welches Konzept habt ihr denn?)

Dazu gehört zunächst ein Ausbau der frühkindlichen Bildung. Wenn wir wirklich allen Kindern einen optimalen Start auch in das Berufsleben schaffen wollen, dann müssen wir hier in den kommenden Jahren neue Akzente setzen. Mehr Erziehungsberatung der Eltern, bessere Voraussetzungen bei Kriseninterventionen, Beratungen für die Eltern bei Erziehungsproblemen im Vorschulbereich

(Ursula Körtner [CDU]: Wie in den vergangenen 13 Jahren!)

und vor allem qualitativ verbesserte Hilfen bereits in den vorschulischen Kinderbetreuungseinrichtungen sind dabei die Eckpunkte.

(Ursula Körtner [CDU]: Wie in den vergangenen 13 Jahren!)

Hier müssen wir im Rahmen der sich erweiternden Finanzspielräume der nächsten Jahre einen ganz zentralen Schwerpunkt setzen. Dazu gehört für

uns ein Finanz- und Zeitkonzept für die Freistellung der Eltern von den Kindergartengebühren. Für uns ist dabei klar: Dies darf nicht zulasten der Kommunen gehen. Mit den Kommunen und den Eltern gemeinsam müssen und wollen wir auch eine Veränderung des schulischen Bereichs angehen. Aufbauend auf der schon jetzt hervorragenden Arbeit der Grundschulen streben wir eine Veränderung des Sekundarschulbereichs an. Ihrer ideologischen Fixierung auf die Strukturen eines dreigliedrigen Schulsystems setzen wir unsere Priorität auf eine Chancenschule für jede Schülerin und für jeden Schüler entgegen.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Chancenschule?)

- Ja, wir sind für mehr Chancen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Was ist denn eine Chancenschule?)

Sie wissen wie ich, was bei Ihnen alles auf der Strecke bleibt. - Mehr Qualität, mehr Fordern und Fördern für alle, für Lernstarke und für Lernschwache und eine passgenaue Ausrichtung der Schulen auf die Bedingungen ihres sozialen Umfeldes sind dabei unsere Eckpunkte.

Erreichen wollen wir dies gemeinsam mit den Eltern, den Kommunen und den Lehrkräften. Das Ziel ist die selbständige Schule, die mit mehr Eigenverantwortung bei der Gestaltung des Unterrichts und mit den sächlichen und personellen Voraussetzungen ausgestattet werden muss. Die Grabenkriegsdebatte über die Schulstrukturen wollen wir dabei nicht führen, aber ich sage Ihnen, wir fürchten sie auch nicht, weil wir sicher sind, die von Ihnen propagierte starre Dreigliedrigkeit ist nicht erst seit den Erkenntnissen aus PISA oftmals eine unüberwindliche Hürde für die Verbesserung einer guten Ausbildung für alle.

(Beifall bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: In PISA steht etwas anderes, Herr Jüttner!)

Reden wollen wir jedoch mit allen Beteiligten an Schule und dabei vor allem mit den Kommunen über die finanziellen und strukturellen Voraussetzungen einer solchen wohnortnahen Qualitätsschule. Denn bei aller angestrebten Vielfalt muss das Land als Garant für gleiche Bildungsstandards eintreten und darf sich auch bei einer Verlagerung der administrativen Kompetenzen auf die kommu

nale Ebene finanziell nicht aus der Verantwortung stehlen.

Mit unseren Vorschlägen für den Haushalt und die Finanzplanung der kommenden Jahre schaffen wir die Voraussetzungen dafür. Unsere Vorschläge setzen genau an den neuralgischen Punkten Ihres Entwurfs an. Wir setzen mehr Geld ein für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Bildung,

(Ursula Körtner [CDU]: Na klar!)