Protocol of the Session on November 10, 2005

Frau Dr. Heinen-Kljajić, Sie müssen zum Schluss kommen. Einen letzten Satz gestatte ich Ihnen.

Angesichts der Verdoppelung der Zahl der Hochschulzugangsberechtigten bis 2011 müssen Sie jetzt handeln. Sie müssen jetzt Konzepte auflegen und schon jetzt finanzielle Mittel einplanen. Sonst werden Sie den Hochschulstandort Niedersachsen mit dem doppelten Abiturjahrgang vor die Wand fahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Dr. Heinen-Kljajić. - Als Schlussredner - zumindest liegen mir keine weiteren Wortmeldezettel vor - hat Herr Prof. Dr. Zielke von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Morgen beginnt die Karnevalszeit. Aber daran hat es nicht gelegen, wenn mir bei der Lektüre dieses Antrages spontan das Karnevalslied einfiel: „Wer kann das bezahlen, wer hat so viel Geld?“ Zur Finanzierung verlieren Sie in Ihrem Antrag kein Wort. Nein, Sie fordern uns hier zum Geldausgeben auf. Zugleich wollen Sie uns nach Bückeburg vor den Staatsgerichtshof zerren, weil wir schon jetzt zu viel Geld ausgeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ilse Hansen [CDU]: So sind sie nun einmal!)

Für wie denkunfähig halten Sie eigentlich die Menschen in unserem Land, z. B. die, die noch auf der Tribüne sitzen? Glauben Sie wirklich, die merken den Widerspruch nicht? Natürlich wäre es schön, wenn wir sagen könnten: Ja, toll, solch ein Sonderprogramm für die Hochschulen machen wir; Geld für die Bildung ist immer gut. - Aber wir haben das Geld nicht. Niedersachsen ist pleite.

Auch wenn edle Motive Sie leiten, muss man sich doch fragen, ob Sie mit Ihrem Antrag die wirklich entscheidenden Probleme unserer Hochschulen ansprechen oder ob Sie einen wichtigen, aber keinesfalls akuten Teilaspekt in völlig überzogener Weise aufbauschen. Sie beziehen sich auf die neueste Prognose der KMK. Mit Prognosen ist das so eine Sache. Die Zuverlässigkeit von Prognosen hängt maßgeblich vom Eintreffen von Annahmen ab.

Die Entscheidungen, ein Studium aufzunehmen, werden vor allem durch Veränderungen im Bildungsverhalten der Bevölkerung, die wirtschaftliche Entwicklung, die Einführung und Akzeptanz neuer Finanzierungsmodelle im Studium, den Akademisierungsgrad der Elterngeneration, die Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen, die finanziellen Vor- und Nachteile einer akademischen Ausbildung, die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Beschäftigungssituation sowie die Entwicklungen im internationalen Bereich auf den auch im Ausbildungs- und Beschäftigungsbereich konkurrierenden Märkten beeinflusst.

Die Prognose der KMK spricht von einer - ich zitiere - „Fülle der Prognoseannahmen und Komplexität der Prognoseunsicherheiten“. Zusammenfassend heißt es auf Seite 11 der Prognose:

„Für die Zukunft sind allerdings Entwicklungen zu erwarten, welche... derzeit große Unsicherheitsfaktoren darstellen. Dies sind insbesondere die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterstruktur, Veränderungen bei der Hochschulzulassung sowie die mögliche Einführung von Studiengebühren. Die quantitativen Effekte sind gegenwärtig jedoch noch nicht absehbar.“

Jetzt kommt es:

„Sie bleiben deshalb bei der Berechnung der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen unberücksichtigt.“

(Alice Graschtat [SPD]: Das habe ich gesagt!)

Aufgrund einer Prognose auf derart wackeligen Beinen, von den Verfassern selbst eingeräumt, sollen wir jetzt große Räder anwerfen?

Übrigens, Frau Dr. Heinen-Kljajić: Der Anstieg in der letzten Prognose gegenüber der vorletzten liegt einzig und allein daran, dass die KMK relativ willkürlich die erwartete Studienbeteiligung eines Jahrgangs im Schnitt von 75 auf 80 % hochgesetzt hat.

Sie fordern in Ihrem Antrag übrigens auch eine Steigerung der Platzkapazitäten in der dualen Ausbildung. Ist Ihnen eine andere Prognose der KMK entgangen, wonach die Zahl der Real- und Hauptschulabgänger im Jahr 2011 um 100 000 niedriger sein wird als jetzt und damit logischerweise auch die Nachfrage nach Lehrstellen? Die Zahl der Studienberechtigten mag in den nächsten Jahren tatsächlich etwas steigen. Aber ein Kollaps droht nun wirklich nicht.

Diese Landesregierung geht Probleme im Hochschulbereich weit vorausschauend und rechtzeitig an. Darauf können wir uns verlassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Verfrühter blinder Alarm und Aktionismus helfen niemandem weiter. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Von der Landesregierung hat Herr Minister Stratmann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Worte meines Vorredners haben sehr eindrucksvoll deutlich gemacht - herzlichen Dank dafür, lieber Herr Zielke -, dass es geradezu unverantwortlich wäre, zum jetzigen Zeitpunkt Haushaltsbeschlüsse zu fassen, wie sie von Ihnen in Ihrem Antrag eingefordert werden. Das wäre unverantwortlich. Es mag ja sein, dass Vorgängerregierungen dies so getan hätten. Aber weil das so ist, befinden wir uns gegenwärtig in dieser Haushaltsnotstandskrise.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Frau Heinen-Kljajić, Sie haben Ihre Kollegen von der SPD soeben völlig zu Recht dafür kritisiert, dass sie schlicht und einfach nur Geld einfordern, ohne zu sagen, woher das Geld kommen soll. Sie haben aber auch nicht gesagt, woher Sie das Geld nehmen wollen. Das ist die Erfahrung, die wir allenthalben machen. Ich räume allerdings ein, dass es die klassische Aufgabe einer Opposition ist, ein solches Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Wir hätten das zu Oppositionszeiten nicht anders gemacht.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Aber besser!)

Aber dennoch sei mir die Bemerkung erlaubt: Etwas verantwortlicher als so, wie es hier geschehen ist, kann man mit dieser Thematik schon umgehen.

Es ist völlig unbestritten, dass Auswirkungen infolge der Verkürzung der Schulzeit registriert werden müssen. Es ist auch völlig unbestritten, dass es bundesweit wahrscheinlich mehr Studienbewerber geben wird. Bundesweit verteilt sich die signifikant hohe Anzahl der Hochschulzugangsberechtigten auf die Jahre 2011, 2012 und 2013. In diesen Jahren liegen die Zahlen der Studienberechtigten mit Abitur mit rund 323 000, 292 000 und 312 000 deutlich über den Zahlen der Jahre davor. 2010 werden es 285 000 sein. Danach - das will ich allerdings auch erwähnen - wird ein dramatischer Rückgang eintreten, nämlich 263 000 Studienberechtigte im Jahre 2014. Das haben wir auch zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, diese Entwicklung in den westlichen Ländern kann aber dadurch abgemildert werden, dass die Abiturientenzahlen in den neuen Bundesländern etwa ab 2008 wegen des Rückganges der Geburtenzahlen in den Jahren 1988 bis 1992 auf 40 % deutlich zurückgehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Situation kann man sich natürlich auf den Standpunkt stellen: Was geht es die Verantwortlichen in Thüringen bei den dramatisch zurückgehenden Bewerberzahlen an, wenn in den alten Ländern das Gegenteil geschieht? Aber auch hierzu sei mir die Bemerkung erlaubt, dass es in Anbetracht der Summe aller Probleme in Deutschland und vor dem Hintergrund der gigantischen Transferleistungen, die auch zum Aufbau des Hochschulsystems in die neuen Länder fließen, unverantwortlich wäre, wenn man in den neuen Ländern so täte, als gingen sie die Probleme in den alten Ländern nichts an. Auch darüber müssen wir miteinander reden.

Ich will deshalb an dieser Stelle auch sagen - ich hatte erwartet, dass das hier Schwerpunkt der Kritik wird, nämlich das Ergebnis der Föderalismuskommission z. B. hinsichtlich der künftigen Zuständigkeit der Länder für die Hochschulpolitik -: In der Tat stehe auch ich ebenso wie der Kollege Rüttgers und andere auf dem Standpunkt, dass es dazu letztlich auch der Hilfe des Bundes bedarf und dass wir mit dem Bund über diese Fragen reden müssen. Ich stehe auch auf dem Standpunkt, dass dann, wenn die Zahlen tatsächlich so eintreten, wie einige jetzt behaupten, die Hochschulen diese Probleme nicht aus eigener Kraft werden lösen können.

Lassen Sie mich an dieser Stelle eine weitere Bemerkung anfügen; denn ich lasse mich ungern als jemand darstellen, der mit der Wahrheit etwas locker umgeht. Es ist richtig, dass die Frage im Hochschulausschuss der Kultusministerkonferenz durch deren Vorsitzenden eingebracht worden ist. Aber diese Einbringung geht auf Anregung Niedersachsens zurück. Es war die Aufgabe des Vorsitzenden des Hochschulausschusses, diese Anregung zu übernehmen und in den Hochschulausschuss einzubringen. Ich lege gesteigerten Wert darauf, dass es in der Tat schon vor Jahren Niedersachsen war, das dieses Thema in Person von Staatssekretär Lange auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Die Nachfrage nach Studienplätzen geht über die Landesgrenzen der Länder, auch die Grenze Nie

dersachsens, hinaus. Wir wissen, dass es in Deutschland traditionell Länder mit Studierendenexport gibt. Dazu gehört beispielsweise Niedersachsen. Die Länder, die importieren, sind traditionell die Stadtstaaten, was sich wiederum im Länderfinanzausgleich auswirkt.

In Niedersachsen wird bei der Umstellung der bisherigen Diplom-, Magister- und Staatsexamensstudiengänge auf die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge darauf geachtet, dass keine Verminderung der Absolventenzahlen eintritt. Das neue Steuerungsmodell für die Hochschulentwicklung stellt in erster Linie auf die Ergebnisse und nicht auf die Eingangsgrößen ab. Es kommt darauf an, möglichst viele junge Menschen an unsere Hochschulen zu ziehen und diesen Menschen einen erfolgreichen Studienabschluss zu ermöglichen und somit eine qualifizierte Berufsausbildung anzubieten und nicht eine nach formalen Kriterien hohe Aufnahmekapazität bei hohem Schwund und hohen Abbrecherquoten. Also ist auch der Numerus clausus für uns keine Lösung.

Dieser Systemwechsel ist über die Zielvereinbarung und den Zukunftsvertrag zwischen der Landesregierung und den Hochschulen eingeleitet. Künftige Maßnahmen zur Bewältigung einer steigenden Nachfrage müssen innerhalb dieses Systems eingeleitet werden und nicht auf der Grundlage einer bloßen Betrachtung von Eingangsgrößen wie den nach der Kapazitätsverordnung rechnerisch ermittelten Aufnahmekapazitäten.

Wir sind schon mit dem Kultusministerium und dem Finanzministerium in Gespräche darüber eingetreten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Lehrerstellen, die wegen der zurückgehenden Schülerzahlen in den Schulen nicht mehr benötigt werden, beispielsweise vorübergehend in den Bereich der Hochschulen verlagert werden können. Nach Auffassung der Landesregierung darf die Entwicklung keinesfalls zu einer Verschiebung der Nachfrage in das bereits hoch belastete System der beruflichen Bildung führen, weil dort Verdrängungseffekte zulasten ohnehin sozial benachteiligter Bewerbergruppen zu befürchten wären.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Folgen einer solchen Fehlsteuerung können wir zurzeit bei unseren westlichen Nachbarn beobachten. Wir werden daher auch mit den Hochschulen darüber verhandeln, wie durch eine fle

xible Arbeitszeitbewirtschaftung vorübergehend mehr Lehrangebot und damit mehr Studienplätze zur Verfügung gestellt werden können, wie überhaupt die Frage flexibler Arbeitszeitbewirtschaftung - hier ist das Stichwort „Deputate“ genannt worden - unabhängig von der Frage des doppelten Abiturientenjahrganges diskutiert werden muss. Das machen wir auch auf KMK-Ebene. Wir haben dieses Problem auch durch die Fusion in Lüneburg zu bewältigen gehabt, was uns, glaube ich, gut gelungen ist.

In der KMK werden wir vor allem mit den neuen Ländern, die aufgrund von rückläufigen Studienanfängerzahlen freie Kapazitäten haben, über einen substanziellen Beitrag zur Bewältigung der zusätzlichen Nachfrage sprechen. Es wäre zielführend, diese Kapazitäten nicht sofort abzubauen, sondern bis zum Abklingen der erhöhten Nachfrage zur Verfügung zu halten.

Ich betone abschließend noch einmal: Das Problem der doppelten Abiturjahrgänge kann nur gemeinsam mit allen Ländern gelöst werden. Bis diese doppelten Jahrgänge vor den Hochschulen stehen, ist ausreichend Zeit, um alle Möglichkeiten und Notwendigkeiten zu sondieren. Wir sind in dieser Frage tätig und sind keineswegs untätig geblieben. Ich bin davon überzeugt, dass wir sachgerechte Lösungen finden werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch sagen: Der ständig erhobene Vorwurf, wir hätten in Niedersachsen dramatisch Studienplätze abgebaut - eben ist sogar von einer Zahl von 4 500 Plätzen die Rede gewesen -, ist nicht haltbar. Natürlich haben wir Kürzungen vorgenommen, aber im Vergleich zu anderen Ländern stehen wir ausgezeichnet da. Das, was wir mit dem Zukunftsvertrag geschafft haben, nämlich dass wir die Finanzausstattung über einen Zeitraum von fünf Jahren sicherstellen, ist in dieser Republik einmalig. Das gibt es in keinem anderen Land, auch in keinem der so genannten reichen Ländern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Darauf sind wir sehr stolz. Dies wird über unsere Landesgrenze hinaus mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Es ist erneut deutlich geworden, dass Hochschulpolitik und Bildungspolitik im Allgemeinen in Niedersachsen einen sehr hohen Stellenwert haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die SPD-Fraktion hat noch eine Restredezeit von 5 Minuten und 42 Sekunden. Frau Graschtat, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zu der Tatsache, dass die von mir vorgetragenen Zahlen bezüglich des Rückgangs der Studienplätze um 4 200 von Herrn Prof. Dr. Zielke und auch - das finde ich noch viel bemerkenswerter - vom Minister gerade selbst in Zweifel gezogen wurden. Ich weise darauf hin, dass wir im OktoberPlenum eine Antwort auf eine Große Anfrage bekommen haben. So weit wird das Gedächtnis wohl noch zurückreichen. Diese Antwort des Wissenschaftsministeriums in der Drucksache 2163 enthält in der Anlage eine Darstellung der Entwicklung der Studienplätze, der zu entnehmen ist, dass die Zahl der grundständigen Studienplätze an Hochschulen in Niedersachsen 2002/2003 34 003 betragen hat; 2005/2006 waren es 29 811. Diese Zahl ist vom Wissenschaftsministerium im Oktober geliefert worden. Wenn man es ausrechnet, dann kommt man auf 4 200. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist; bei mir ist das so. Mich wundert schon sehr, dass Zahlen, die man vor vier Wochen selber geliefert hat, bezweifelt werden. Das lässt nicht gerade auf Seriosität schließen.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie mir noch zwei Anmerkungen zu einem anderen Thema. Herr Prof. Zielke hat aus der KMK-Prognose zitiert und hat dargestellt, dass die KMK selbst auf bestimmte Unsicherheiten in der Prognose hingewiesen hat. Er hat allerdings nicht weit genug zitiert. Diese Unsicherheiten sind in der Tat so dargestellt worden. Die KMK hat aber erklärt, dass es, wenn man alles das berücksichtigen würde, eigentlich viel schlimmer käme und dass die Studierendenzahlen und die Schulabgängerzahlen eigentlich viel höher wären. Sie gehe deswegen vom Status quo aus. Herr Prof. Zielke, wenn Sie weit genug gelesen hätten, dann hätten Sie das so darstellen müssen.

Herr Minister Stratmann hat eingefordert, auch über Geld zu reden. Natürlich muss man das zu gegebener Zeit tun, Herr Minister. Aber nachdem Sie uns in der letzten Sitzung erklärt haben, dass überhaupt keine Notwendigkeit bestehe, über dieses Problem zu reden, weil die Hochschulen schon irgendwie damit klarkämen, wollen wir Sie doch

erst einmal auffordern, sich Gedanken darüber zu machen, was man überhaupt tun könnte; denn das ist Ihre Aufgabe. Wenn uns ein Maßnahmenpaket vorliegt, dann sollten wir uns gemeinsam darüber unterhalten, wie wir es finanzieren.