Protocol of the Session on October 6, 2005

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Ziele verfolgt der Umweltminister bei der Privatisierung der Abwasserentsorgung wirklich?

2. Welche Konsequenzen hat dies für kommunale Kooperationsmodelle in Niedersachsen?

3. Die Abwasserentsorgung ist als Betrieb hoheitlicher Art zu werten und unterliegt damit weder der

Körperschafts- noch der Umsatzsteuer. Diese Position ist auf Bundesebene bisher unstrittig. Gibt es dazu vonseiten der Landesregierung andere Überlegungen?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Ich vermute, der Herr Umweltminister wird antworten. Jawohl, er ist schon unterwegs. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland arbeiten die Menschen mehr als sechs Monate nur für Steuern und Abgaben. Erst danach arbeiten sie für ihr persönliches Einkommen. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger fragt, ob es ihnen recht wäre, sich Gedanken darüber zu machen, dass sie weniger Geld für die Abwasserbeseitigung ausgeben müssten, wären die Antworten, wie ich glaube, klar und deutlich. Die Bürger wissen auch sehr gut zwischen kommunalen Monopolen und privaten Monopolen zu unterscheiden. Herr Kollege Haase, Sie können immer wieder versuchen, zur Verunsicherung beizutragen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Wer ver- unsichert denn?)

Sie tun das auch durch Ihre teilweise sachlich nicht gerechtfertigten Presseerklärungen. Wir als Landesregierung werden den Bürgern aber immer wieder klar und deutlich machen, welche Vorteile im Wettbewerb liegen.

(Beifall bei der FDP)

Von daher, meine Damen und Herren, kann es nicht angehen, dass es private Monopole gegenüber kommunalen Monopolen gibt, die wir schützen wollen. Beides ist im Grunde genommen schädlich für die Gebührenzahler in unserem Lande.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung will den Weg für eine Verringerung der Belastung der Haushalte frei machen. Das geht aber nur durch mehr Wettbewerb und insbesondere auch durch mehr Transparenz bei den Gebühren. Im Zusammenhang damit möchte ich auf eine Tatsache hinweisen. Da Sie aus dem Nordwesten Niedersachsens kommen, wissen Sie das ja noch besser ich, weil es dort ja entsprechende Modelle gibt. Schon jetzt gibt es dort private Dienstleister,

die immer mehr Kanalnetze und Kläranlagen betreiben. Sie können dies billiger tun, obwohl sie dem Gebührenzahler die Mehrwertsteuer, die sie abführen müssen, nicht in Rechnung stellen können. Das heißt also: In denjenigen Kommunen, die die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf Private übertragen haben, haben die Gebührenzahler dadurch keine Nachteile hinnehmen müssen, sondern sie haben davon sogar Vorteile. Ich kann Ihnen eine Liste derjenigen Gemeinden vorlegen, in denen die Gebühren nach der Privatisierung trotz erheblicher Investitionen über zehn Jahre hinweg zumindest gehalten worden sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen macht nur das, was andere Bundesländer wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg auch schon gemacht haben. Auch wir planen, das Wassergesetz zu ändern. Wenn das erste deutsche Bundesland die Privatisierungsmöglichkeit realisiert, dann allerdings kann durch Verordnung Folgendes entstehen: Auch wir in Niedersachsen können gezwungen sein, auch von den Kommunen 16 % Mehrwertsteuer zu erheben.

Meine Damen und Herren, wir wollen Wettbewerb. Wir wollen Wettbewerb aber unter gleichen Bedingungen, und zwar sowohl bei den Privaten als auch bei den Kommunen. Herr Kollege Haase, da ich Ihre Geschichte, Ihre berufliche Entwicklung kenne, möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen: Wenn Sie über Mehrwertsteuer reden, müssen Sie bedenken, dass ein privater Betrieb erhebliche Investitionen tätigen kann, weil er die Vorsteuer abziehen kann. Das kann ein kommunaler Betrieb nicht, sondern er muss die Vorsteuer in vollem Umfang bezahlen. Die Mehrwertsteuer kann er aber nicht ausweisen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das Steu- errecht müssen Sie mir nicht erklä- ren!)

Insofern sage ich Ihnen - das ist mein Ziel, das ist das Ziel der gesamten Landesregierung -: Wir wollen mehr Wettbewerb. Wir wollen außerdem günstigere und transparente Gebühren für die Bürger.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Enno Hagenah [GRÜNE])

- Herr Kollege Hagenah, weil Sie gerade wieder dazwischen rufen: Sie sollten sich einmal an Ihre

frühere Parteichefin, Frau Gunda Röstel, wenden. Sie ist inzwischen bei einem privaten Unternehmen, nämlich der Firma Gelsenwasser, tätig. Dieses private Unternehmen hat im Osten Deutschland die Stadt Dresden voll in seiner Regie. Frau Röstel sagt: Das ist das einzige Modell, das in Ostdeutschland die Chance bietet, die dort vorhandenen überdimensionierten Klärwerke besser zu fahren. Ich stelle Ihnen die Ausführungen von Frau Röstel gerne zur Verfügung. Es ist ja interessant, wie viel Verständnis Politiker, wenn sie nach ihrer politischen Laufbahn in die Wirtschaft gegangen sind, dann für wirtschaftliche Abläufe haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mit der Änderung des Wassergesetzes will die Landesregierung eine neue Möglichkeit schaffen, nicht aber eine neue Verpflichtung, wie Sie immer wieder zu meinen glauben. Wenn das Wort „privat“ auftaucht, dann ruft dies bei Ihnen immer wieder Ängste hervor. Ich wundere mich. Bei Verbändetagen reden Sie in Sonntagsreden ja immer vom Mittelstand und von Privatwirtschaft. Wenn es dann aber ums Ganze geht, versuchen Sie immer wieder, Ihre Staatswirtschaft durchzusetzen, weil Sie von Ihrer falschen Ideologie überzeugt sind, der Staat könne alles und alles viel besser. - Das ist eben eine falsche Ideologie, Herr Kollege Haase.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Ihre Ideo- logie ist falsch!)

Insofern wollen wir Ihnen Ihre Träume lassen. Den Kommunen und den Räten werden wir aber die Möglichkeit geben, selbst darüber zu entscheiden, ob sie die Abwasserentsorgung kommunal oder privat weiter betreiben wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Insofern werden wir die Verantwortung immer wieder nach unten geben. Die Bürger vor Ort müssen darüber entscheiden.

Meine Damen und Herren, nun zu Ihren Fragen. Zu Ihrer ersten Frage kann ich Ihnen klar und deutlich sagen, dass die Landesregierung keine entsprechende Absicht hat. Sie will nur den Weg frei machen, damit die niedersächsischen Haushalte weniger Gebühren zahlen müssen. Insofern ist die Privatisierung für uns kein Selbstzweck, sondern ein Angebot an die Kommunen und an die Bürger.

Zu Ihrer zweiten Frage, welche Konsequenzen dies für kommunale Kooperationsmodelle in Niedersachsen hat, will ich Ihnen sagen: Keine. Die Privatisierung ist nämlich nicht mehr als ein Angebot.

Nun zur dritten Frage. Wenn ein Bundesland den Wettbewerb ermöglicht, gibt es nach Auffassung der Steuerexperten bundesweit die Pflicht zur Erhebung von Mehrwertsteuer. Sie wissen, dass es solche Überlegungen in Baden-Württemberg gibt. Drei Bundesländer haben dafür in ihren Wassergesetzen bereits die Basis geschaffen. Wir wollen jetzt das Land und die Bürger nur auf den Fall vorbereiten, dass es bundesweit zu dieser Regelung kommt. Wir wollen das Land, die Kommunen und die Bürger darauf vorbereiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine Zusatzfrage stellt der Kollege Haase. Bitte schön!

Herr Minister, Sie wissen, dass die Menschen in Niedersachsen wie auch die Menschen anderswo in Deutschland unter steigenden Preisen für Erdgas und Öl sowie unter steigenden Gebühren leiden. Das ist ein Tatbestand, der Ihnen sicherlich nicht entgangen ist. Gleichzeitig postulieren Sie ständig, dass Sie Politik für die Menschen machen wollen. Nun führt aber, und das ist jetzt die Frage - -

Lieber Herr Kollege, fragen Sie jetzt!

Ich frage Sie: Will die Landesregierung vor dem Hintergrund ihrer Privatisierungsambitionen in Kauf nehmen, dass die Kunden in denjenigen Kommunen, die von Ihrem Angebot aus gutem Grunde nicht Gebrauch machen wollen, zusätzlich mit 16 % belastet werden, ohne dass dafür irgendeine zusätzliche Qualität oder eine zusätzliche Leistung angeboten wird?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Kollege Haase, ich habe eben schon versucht, es Ihnen zu erklären. Wenn heute ein kommunaler Entsorger die Gebühren für eine Kläranlage ermittelt, dann muss er in seine Gebührenkalkulation die 16 % Mehrwertsteuer für Investitionsgüter und Betriebsmittel mit einbeziehen. Diese Mehrwertsteuer kann er dann im Gegensatz zu einem privaten Unternehmer aber nicht weitergeben, sondern er muss es in seinem Haushalt entsprechend organisieren. Das heißt: Im Prinzip ist es eine Steuersubvention. Die Mehrwertsteuer wird nämlich nicht ausgewiesen, sondern in die gesamte Gebührenkalkulation mit eingerechnet. Ein Privatunternehmen wie etwa die EWE - jetzt will ich deutlich werden -, die die Abwasserentsorgung im Nordwesten für etwa 1 Million Einwohnergleichwerte privat organisiert und für die Kommunen durchführt, kann für ihre Betriebsmittel und ihre Investitionen die Vorsteuer abziehen. Dem Gebührenzahler werden in der Rechnung nicht 16 % Mehrwertsteuer berechnet. Das heißt, der Private kann günstiger wirtschaften, obwohl er 16 % Mehrwertsteuer abführen muss. Aber er kann es nicht an die Gebührenzahler weitergeben, sondern er muss es in der Kalkulation mit verrechnen.

Insofern verstehe ich das gar nicht, Herr Kollege Haase.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Ich merke schon, dass Sie es nicht verstehen!)

Sie haben mit Ihrer Politik in Berlin mit Gebührenund Abgabenerhöhungen bei Gas und Öl, indem Sie Wettbewerb verhindert haben, mit dafür gesorgt, dass wir jetzt diese enormen Energiepreise haben. Sie haben das Energiewirtschaftsgesetz ein Jahr verspätet in Kraft gesetzt, um die Möglichkeit zu geben, auf Gas- und Energiepreise Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben alles, was in diesem Bereich an mehr Wettbewerb möglich ist, unterbunden.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Briese, bitte schön!

Kann mir die Landesregierung erklären, warum sie einerseits in diesem Fall bei der Privatisierung von kommunalen Abwasserstrukturen immer das Hohelied der Privatisierung, des Wettbewerbs etc. singt und andererseits z. B. bei der Zuckermarktordnung an sozialistischen Preismodellen, wie Quotenregelung und Garantiepreisen, festhält?

Herr Minister!

Herr Kollege Briese, Sie sind doch so gut über die Verhältnisse in Europa informiert, dass Sie wissen, dass es gerade im Bereich der Agrarpolitik europaweit geregelt wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir bedauern in vielen Bereichen, dass wir in der Wirtschaft zu viele Subventionen und nicht genügend Transparenz haben. Deswegen wollen wir in dem Bereich, in dem wir Verantwortung tragen, mehr Transparenz und sorgen wir für mehr Wettbewerb im Interesse der Gebührenzahler. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Dehde, bitte sehr!

Herr Minister, können Sie bitte dem hohen Hause erklären, welche und wie viele kommunale Monopole es in Niedersachsen gibt?

Herr Minister!