Ich wünsche mir, dass wir diese Debatte - so, wie wir sie heute geführt haben - ausführlich, intensiv und ergebnisoffen führen und dann - wahrscheinlich überparteilich zu einer breiten Mehrheit kommen werden. Aber die Debatte wird nicht parteipolitisch geprägt sein. Das geht bei diesem Thema nicht, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herrn, zu den Tagesordnungspunkten 1 b) und c) liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
d) Lest Marx, Genossen: Durch sozial gerechte Studienbeiträge die Qualität der Hochschulen steigern - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/ 2256
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn in Niedersachsen zum Wintersemester 2006/2007 Studienbeiträge eingeführt werden sollen, dann muss binnen sehr kurzer Zeit - binnen Tagen oder Wochen - Klarheit geschaffen werden.
Zunächst etwas Grundsätzliches: Erstens. Studienbeiträge sind fair. Wer studiert, soll an den Kosten seiner Ausbildung beteiligt werden, weil eben nicht nur die Gesellschaft, sondern derjenige selbst ganz persönlich einen individuellen Vorteil davon hat. Das ist genauso wie bei der Ausbildung des Handwerksgesellen zum Meister. Darüber regt sich auch niemand auf.
Zweitens. Studienbeiträge sind sozial gerechter als der jetzige Zustand, nämlich die alleinige Finanzierung aus dem Steuersäckel. Dabei werden faktisch die nicht akademischen Schichten zu Subventionierern der akademischen Schichten. Das wussten schon Karl Marx und auch Thomas Oppermann.
Studienbeiträge, wie wir sie ausgestalten wollen, sind sozial verträglich. Denn völlig unabhängig von der sozialen Situation des Elternhauses wird jedem Studierwilligen der gleiche Anspruch auf einen Kredit in Höhe der Studiengebühren eingeräumt. Er muss diesen Kredit erst nach dem Studium zurückzahlen, sofern er so gut verdient, dass eine Rückzahlung zumutbar ist.
Natürlich sind diverse Einzelpunkte wie Zinsen, Ausfallbürgschaften und Ausnahmebestimmungen noch zu regeln. Die kursierenden Modelle - beispielsweise Baden-Württembergs zeigen, dass vielfältige Möglichkeiten bestehen. In diesen Punkten brauchen wir Klarheit.
Aber eines ist schon jetzt klar: Es geht; das Ausland hat es uns vorgemacht: Mittlerweile haben die weitaus meisten Länder Studiengebühren. Nirgendwo hat es einen sozialen Kahlschlag gege
Das wissen auch führende kluge Politiker anderer Parteien wie der SPD. Ich nenne Herrn Gabriel, Herrn Steinbrück, Herrn Wowereit, Herrn Platzeck oder auch den neuen Fraktionsvorsitzenden und ehemaligen Bundesvorsitzenden der Grünen, Herrn Kuhn. Warum sind sie dafür? - Weil die Studierenden von den Studiengebühren profitieren, und zwar durch bessere Studienbedingungen und damit durch eine bessere Ausbildung insgesamt.
Der Benefit ist ein doppelter: Zum einen direkt, weil den Hochschulen mehr Geld für die Lehre zur Verfügung steht, zum anderen indirekt, weil der Wettbewerb um die Studierenden die Hochschulen zu besonderen Anstrengungen herausfordern wird. Den Wettbewerb muss man allerdings wirklich wollen.
Er funktioniert nur, wenn jede Hochschule den Studienbeitrag für jedes Fach selbst festlegen kann, und zwar frei nach oben und unten offen und nicht eingezwängt in irgendeinen staatlichen Korridor.
Bei einem fixen Beitrag von 500 Euro pro Semester kommt man schon ins Nachdenken. Warum nicht 430 oder 610 Euro? Warum nicht nach Lebenshaltungskosten am Hochschulstandort gestaffelt? Oder warum nicht orientiert an den tatsächlichen Kosten des Studiums? - Aber egal, welche Summe festgelegt wird: Das beinhaltet überhaupt keinen höheren Anreiz zum Wettbewerb der Hochschulen untereinander, als er jetzt besteht. Denn die Abstimmung der Studenten mit den Füßen ist unmöglich. Sie zahlen hier wie da 500 Euro.
Damit wird die entscheidende Wirkung von Studienbeiträgen verschenkt. Außer, dass die Hochschulen etwas mehr Geld bekommen - was nicht schlecht ist -, ändert sich gar nichts. Abgesehen von der Zweckbindung wäre ein Fixbetrag eine Steuer auf den Studienplatz, so wie die Kfz-Steuer auf das eigene Auto.
Dann gibt es neuerdings noch diese Überlegung mit den 15 000 Euro als pauschale Obergrenze der Zurückzahlungsverpflichtung. Ohne die Dringliche Anfrage der Fraktion der Grünen am Donnerstag vorwegnehmen zu wollen: Das hat mich verblüfft. Der Kundige weiß, dass der Zurückzahlbetrag für BAföG-Empfänger auf 10 000 Euro begrenzt ist. Aber in diesem Fall ist auch die Förderdauer begrenzt. Dann bleiben noch 5 000 Euro für Studienbeiträge. Das reicht für genau zehn Semester. Wenn aber jemand - trotz Bachelor und Master - aus welchen Gründen auch immer länger braucht, dann studiert er ab dem elften Semester kostenfrei. Wie finden das wohl seine schneller studierenden Kommilitonen? - 15 000 Euro Investition in die eigene Ausbildung: Wie gesagt, für einen Gesellen, der Meister werden will, ist so etwas durchaus normal.
Gestatten Sie mir zum Schluss eine scheinbare Abschweifung: Mindestens so wichtig wie Bildung ist das eigene Dach über dem Kopf. Trotzdem käme niemand auf die Idee, dass alle umsonst wohnen sollten.
Und wohin eine staatlich verordnete Deckelung der Mieten auf niedrigem Niveau führt, haben wir in der DDR gesehen - Stichwort „Plattenbau“.
Herr Dr. Zielke, ich gehe davon aus, dass Sie die Geschäftsordnung kennen. Ihre fünf Minuten Redezeit sind überschritten. Sie können sich später noch einmal zu Wort melden.
Natürlich fällt die bröckelnde Qualität der Bildungsabschlüsse nicht so ins Auge wie bröckelnde Fassaden, aber die Folgen sind langfristig schwerer zu flicken als Fassaden. Wir leisten uns im Bildungswesen immer noch eine Plattenbauplanwirtschafts
Ich meine, wir sollten nicht nur sonntags von Hochschulautonomie reden: Nutzen wir die Chance der Studienbeiträge, um die Hochschulen tatsächlich in den offenen Wettbewerb zu entlassen!
Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Dr. Andretta das Wort. - Bevor ich Frau Dr. Andretta das Wort erteile: Meine Damen und Herren, wir haben heute Morgen schon praktiziert, wie es auch sein kann. So ist es gut.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Au backe, die FDP hat Marx entdeckt! Aber, Herr Zielke, es hat bei Ihnen offenbar nur für den Griff in die Zitatensammlung gereicht. Hätten Sie Marx gelesen und verstanden, dann wüssten Sie, warum Marx damals Recht hatte und warum Sie heute Unrecht haben.
Damals, 1875, als Marx seine Kritik formulierte, gab es eine streng getrennte Klassengesellschaft. Arbeiterkinder hatten keinen Zugang zu den höheren Erziehungsanstalten, ganz zu schweigen von einem Zugang zu den Universitäten. Heute, 130 Jahre später, sieht die Wirklichkeit doch etwas anders aus. Unsere Hochschulen sind offen. Die SPD-regierte Bundesregierung hat es geschafft, das von der Kohl-Regierung heruntergewirtschaftete BAföG wieder in einen Zustand zu versetzen, der es ermöglicht, dass auch Arbeiterkinder in Deutschland studieren können.
Einmal angenommen, Sie hätten Recht damit, dass die Armen den Reichen das Studium finanzieren - Finanzwissenschaftler haben übrigens
schon längst das Gegenteil bewiesen -, dann ändern Sie daran mit Ihren Studiengebühren nichts, denn Ihre Studiengebühren müssen ja nicht nur die Reichen bezahlen - Ihre Studiengebühren zahlen alle. Wir sind sehr gespannt darauf, wie der Gesetzentwurf aussehen soll. Der Minister erklärt, es wird eine Deckelung geben. Die FDP erklärt, es wird keine geben. Wir sind also sehr gespannt, was da kommen wird.