Protocol of the Session on June 22, 2005

Wir hatten allerdings einen strittigen Punkt. Der Verband der Wohnungswirtschaft sowie Haus & Grund haben die Abschaffung des § 44 Abs. 3 zur Diskussion gestellt; Frau Polat ist darauf schon eingegangen. Dieser Paragraf sieht bislang vor, dass in neuen Mehrfamilienhäusern jede achte Wohnung rollstuhlgerecht ausgeführt sein muss. Die Verbände haben gesagt, solche Wohnungen seien oft nicht an der Stelle zu vermieten, an der sie gebaut seien, und man müsse da flexibler sein. Haus und Grund sowie vdw haben sich verpflichtet, diese eigentlich notwendige rollstuhlgerechte Wohnung an anderer Stelle im Bestand nachzuweisen. Dies soll jetzt für vier Jahre erprobt wer

den. - Ich sage Ihnen: Einigen von uns ist das schwer gefallen. Trotzdem haben wir uns bewegt.

Wir hätten allerdings im Gegenzug ein Entgegenkommen der Regierungsfraktionen in der Frage der Rauchmelder erwartet. Da das ausgeblieben ist, werden wir diesem Gesetzentwurf der Landesregierung nicht zustimmen. Unser Gesetzentwurf zur Änderung der NBauO sieht den verbindlichen Einbau von Rauchmeldern in Wohnungen mit einer mehrjährigen Übergangsfrist vor.

Einzelne Abgeordnete dieses Hauses haben sich ja bereits vor Jahren ernsthaft mit dieser Frage befasst. In einer Kleinen Anfrage vom 10. September 2002 haben die CDUAbgeordneten Rita Pawelski und Rainer Beckmann festgestellt:

„Etwa 600 Menschen sterben jährlich in Deutschland durch Brände, 6 000 werden schwer, 60 000 leicht verletzt; die Sachschäden gehen in die Milliarden. Es sterben fünfmal mehr Menschen zu Hause als am Arbeitsplatz in der Industrie. Die Mehrheit davon stirbt an einer Rauchvergiftung. Viele Kinder unter den Brandopfern könnten noch am Leben sein, wenn es in den betreffenden Wohnungen Rauchmelder gegeben hätte.

Im Gegensatz zu anderen Ländern ist die Verbreitung von Rauchmeldern in deutschen Privathaushalten sehr gering. Das liegt daran, dass es einerseits keine gesetzlichen Bestimmungen für den Einbau von Rauchmeldern gibt und andererseits ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland über die Gefahren des Brandrauchs nicht oder nur unzureichend informiert ist.“

Diese Feststellung ist nach wie vor richtig. Allerdings hat seit 2002 die Entwicklung von Rauchmeldern enorme Fortschritte gemacht, was die Funktionstüchtigkeit, die Langlebigkeit, die Zuverlässigkeit und die Einsatzvielfalt angeht. Insofern ist die damalige skeptische Antwort der Landesregierung inzwischen überholt und nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Unverändert allerdings finden in Niedersachsen jährlich 50 bis 60 Menschen durch Feuer und Rauch den Tod. Diese Zahl hat die Landesregie

rung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im vorigen Jahr noch einmal bestätigt.

Die Feuerwehren machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass mit dem flächendeckenden Einbau von Brandmeldern, von Rauchmeldern viele Todesfälle und schwere Verletzungen vermieden werden können. Das geschieht u. a. mit Informationsbroschüren, die für jedermann einsehbar und einsichtig sind.

Unsere Fraktion hat in der letzten Zeit einige Zuschriften bekommen, mit denen Kreisbrandmeister ihre Haltung dazu mitgeteilt haben. Ich zitiere den Brief des Kreisbrandmeisters des Landkreises Osterholz. Er schreibt:

„Ihre Initiative zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung kann ich in vollem Umfang unterstützen. Hierzu noch einige Hinweise und Argumentationshilfen.

Erstens. Insbesondere in Mietwohnungen ist eine klare Regelung zur Installationspflicht nötig. Die Erfahrung zeigt, dass für Vermieter (Ei- gentümer) der unterste Sicherheitsstandard die absolute Obergrenze bildet. Freiwillige Nachrüstungen werden daher unterbleiben.

Zweitens. Altbauten bilden wegen ihrer Beschaffenheit (Holzbalkendecke, Holztreppen) ein besonderes Gefährdungspotential. Die Nachrüstung auch hier vorzuschreiben, ist der richtige Weg. Gut gemeinte Empfehlungen werden zustimmend zur Kenntnis genommen, aber nicht umgesetzt; siehe Anschnallpflicht im Pkw. Natürlich denken wir bei der Installation von Rauchmeldern in erster Linie und richtigerweise an den Schutz von Personen. Wir dürfen unsere Betrachtungen jedoch auf den jährlich entstehenden und zum großen Teil vermeidbaren volkswirtschaftlichen Schaden richten.“

So weit der Kreisbrandmeister aus dem Landkreis Osterholz.

In Ländern wie den USA, England und Schweden ging die Zahl der Brandopfer in den letzten Jahren um 40 % bis 50 % zurück, nachdem der Einbau

von Rauchmeldern zur Pflicht geworden war. Nichts anderes halten wir für vernünftig. Das ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs.

Sie lehnen ihn ab, weil - so haben Sie es in der ersten Beratung gesagt - er eine neue Regelung enthält und Sie ja entbürokratisieren wollen. Wissen Sie was? - Das ist kein Argument, das ist eine dümmliche Ausrede.

(Beifall bei der SPD)

Man muss doch unterscheiden können zwischen Regelungen, die Menschenleben erhalten und retten, und Regelungen, die den Menschen das Leben schwer machen.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Landtag kann dafür sorgen, dass künftig 20 bis 30 Menschen pro Jahr weniger durch Brandfolgen ums Leben kommen. Die Grünen und die SPD sind dazu bereit. Die einfache Frage ist: Sind Sie, die Abgeordneten von CDU und FDP, dazu auch bereit oder nicht?

Ich weiß nicht, ob es notwendig ist auszuführen, was Feuerwehrmänner fühlen, wenn sie Kinder aus einer brennenden oder qualmenden Wohnung holen und die Kinder aussehen, als wenn sie schlafen, aber der Tod eingetreten ist. Muss ich Ihnen sagen, wie Polizeibeamten oder Feuerwehrleuten zumute ist, wenn sie Eltern sagen müssen, dass ihr Kind ums Leben gekommen ist, wenn das Schlimmste passiert ist, was Eltern zustoßen kann? - Ich möchte das hier nicht ausführen müssen.

Mich ärgert, dass das Thema hier so en passant abgehandelt wird. Mich ärgert auch, dass eine Ministerin, die von Beruf Ärztin ist und die selber sieben Kinder hat, hier nicht kompromisslos für das Leben eintritt. Ich hoffe auf bessere Einsicht.

(Zurufe von der CDU)

Es geht in dieser Sache um das Wertvollste, das uns anvertraut ist.

(Zurufe von der CDU)

- Offenbar muss man Sie aufwecken, weil Sie nichts kapieren.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Es geht in dieser Sache um das Wertvollste, das uns anvertraut ist: um menschliches Leben. An anderer Stelle reden Sie und wir ja gerne von Gewissensentscheidungen, z. B. beim Bestattungsgesetz, und das auch zu Recht. Aber geht es hier nicht noch eine Stufe wichtiger zu?

Herr Harden, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ich komme jetzt zum Schluss.

(Zuruf von der CDU: Wir bitten dar- um!)

Die Feuerwehren erwarten diese Änderung der NBauO von uns. Die Feuerwehren im Lande leisten unzählige Hilfeleistungen, weil sie sich freiwillig dafür gemeldet haben. Jetzt erwarten sie vom Landtag, von uns Abgeordneten, eine einzige Hilfeleistung für ihre Aufgabe. Und die wollen Sie unterlassen?

Für mich ist es eine Gewissensfrage, in Kauf zu nehmen, mitschuldig zu werden am Tode von 20 bis 30 Menschen im Lande, mitschuldig, zumindest mittelbar, durch Unterlassen. Wenn ich die Frage so stelle, dann gibt es auch nur eine Antwort: Die Antwort ist Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Demagogie, was Sie da ma- chen! Übelste! - David McAllister [CDU]: So kann man doch nicht auf- treten! - Zurufe von der CDU: Das war eine dreiste Rede! Unerhört war das!)

Nächste Rednerin ist Frau Peters von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich auf etwas ganz anderes eingehen. Aber auf die letzte Rede muss ich nun doch reagieren.

(Uwe Harden [SPD]: Das wollte ich auch erreichen!)

2002 gab es bereits eine Kleine Anfrage zu dem Thema. Sie ist hier im Plenum ausführlich diskutiert worden. Sie ist auch im Plenum der 15. Wahlperiode schon einmal diskutiert worden.

(Uwe Harden [SPD]: Das war eine Kleine Anfrage! Die wird nicht disku- tiert!)

Aus dem SPD-Innenministerium ist damals klar und deutlich gesagt worden: „sicherlich sinnvoll, aber zu teuer, zu bürokratisch, unverhältnismäßig“.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der FDP: Ach nee!)

„Die Landesregierung beabsichtigt daher nicht, die gesetzliche Verpflichtung zur Installation von Rauchmeldern in Wohngebäuden, die keine Sondergebäude sind, herbeizuführen.“

Das ist gerade erst drei Jahre her, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In drei Jahren hat sich die Situation nicht wesentlich verändert.

(Beifall bei der FDP)

Selbstverständlich ist es problematisch, wenn in Niedersachsen Brände entstehen und durch den Rauch Menschenleben vernichtet werden. Das ist überhaupt keine Frage. Diese Frage wird auch niemand hier im Plenum stellen. Es ist völlig falsch, was Sie hier aufbringen.

Fragen Sie doch einmal das Plenum - wir alle sind ja verantwortungsvolle Menschen -: Haben Sie Rauchmelder im Haus?

(Zurufe von der SPD: Ja!)