Protocol of the Session on June 22, 2005

Wir hatten 215 neue Anträge für Ganztagsschulen. 130 Schulen haben ausdrücklich gesagt, sie würden ein Ganztagsangebot auch nach der so genannten Ziffer 8.2, also zumindest einstweilen ohne zusätzliche Ressourcen, vorhalten.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Ohne Geld!)

Ich habe die Zahlen für Niedersachsen einmal durchgerechnet. Wir alle können uns glühend für mehr Ganztagsschulen aussprechen - das tue ich ja auch -, aber wenn ich morgen 3 500 Schulstandorte zu Ganztagsschulen machen würde und von einem jährlichen Kostenaufwand für das Land von 200 000 Euro pro Schule ausgehe, müsste ich dem Herrn Finanzminister sagen: Das ist eine wunderbare Zielsetzung, aber 700 Millionen jährlich dürfen es denn wohl sein. Auch Sie wissen, dass jede Regierung an Grenzen stößt, die sie nicht vernachlässigen kann. Wenn man weiterkommen will, muss man etwas Pragmatismus an den Tag legen und gemeinsam überlegen, wie man miteinander weiterkommt.

Herr Busemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage. Die Zeit ist in der Aktuellen Stunde eh zu kurz.

Die Finanzlage, die Sie uns hinterlassen haben, ist nun einmal so, wie sie ist. Ich muss Ihnen allen nicht erklären, dass man bei den Voraussetzungen, die Sie geschaffen haben, hier keine großen Sprünge mehr machen kann.

Ich will aber noch einmal auf den Erlass hinweisen. Der Erlass „Die Arbeit in der öffentlichen Ganztagsschule“ vom 16. März 2004 bietet verschiedene Wege, eine Ganztagsschule zu errichten.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

Neben dem Weg, einen Antrag auf Errichtung einer Ganztagsschule mit einem Nachmittagsangebot an vier Tagen in der Woche und einer Personalausstattung durch das Land zu stellen, ist es auch möglich, die Regelung nach Ziffer 8.2 des Erlasses, die mittlerweile jedermann bekannt ist, zu nutzen. Danach ist auf Antrag eine Genehmigung einer Ganztagsschule möglich, wenn die Schule im Einvernehmen mit ihrem Schulträger eine ständige Kooperation mit Trägern der Jugendhilfe oder anderen Kooperationspartnern vereinbart, um damit ein der offenen Ganztagsschule vergleichbares Angebot einzurichten. Die Nachmittagsangebote sind bei einer Genehmigung nach Ziffer 8.2 des Erlasses an drei Tagen vorzuhalten. Bisher - das sagt der Erlass auch - stellt das Land dafür keine zusätzlichen Ressourcen bereit.

Die Antragsteller haben die Bestimmungen ganz genau gelesen. Sie wissen, worauf sie sich einlassen, und sind kreativ genug.

(Zuruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

Sie staunen über die Reden, die hier gehalten werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Jacques Voigtländer [SPD]: Meinen Sie Ihre eigenen Reden?)

Was war die Ausgangslage für diese Ziffer 8.2 des Erlasses?

(Jacques Voigtländer [SPD]: Erpres- sung ist das gewesen!)

Ausgangslage war der Wunsch vieler Schulträger, die gesagt haben: Die Entwicklung geht in Richtung Ganztagsschulen. Wir können nicht alles vom Land erwarten. Aber wir haben in unserem Bereich Standorte mit einem kompletten Schulangebot. Bevor Schülerbewegungen entstehen,

(Jacques Voigtländer [SPD]: Schüler- bewegungen?)

wollen wir selbst ein für uns stimmiges eigenes Angebot machen dürfen. Also gebt uns die entsprechenden Möglichkeiten.

Manche Standorte verweisen auf das frühere Programm des freiwilligen Nachmittagsangebots. Nach ihrer Meinung ist der Staat zuständig für das Pflichtstundenprogramm, für die Unterrichtsversorgung. Aber sie wollen an den Schulen möglichst selbst gestalten und mit geeigneten Kooperationspartnern weitere Dinge wie Förderunterricht oder Arbeitsgemeinschaften im Sportbereich, im musisch-kulturellen Bereich und anderes mehr anbieten. An diesen Standorten wird tolle Arbeit geleistet. Sie und Frau Bulmahn machen mit Ihren Reden diese freiwillige, oft ehrenamtliche Arbeit der Kooperationspartner vor Ort schlecht. Sie sollten sich die Schulen wirklich einmal anschauen. In dem Zusammenhang von Mogelpackung zu reden, ist großer Blödsinn.

(Zustimmung bei der CDU - Jacques Voigtländer [SPD]: Haben Sie nicht zugehört?)

Die Antragsteller wissen genau, um was es geht. Sie haben genau das bekommen, was sie beantragt haben. Da ist genau das drin, was auch drauf steht.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Und wa- rum dauert das so lange?)

Es gibt noch eine weitere Variante. Warum wollen einige Schulen Ganztagsschule werden? Sie gucken natürlich auch auf die Baumittel des Bundes.

(Zurufe von der SPD)

Natürlich stammen die Baumittel vom Bund, aber es sind eben „nur“ Baumittel. Der Bund haut ein

Bundesbauprogramm für die Länder raus, obwohl er eigentlich gar nicht zuständig ist - wir haben uns über die Geldverteilung ja auch noch geeinigt -, und alle Länder tun sich schwer, die neuen Standorte mit Ressourcen entsprechend zu begleiten. Da muss man sich doch gegenseitig helfen. Lassen Sie uns im Interesse der Antragsteller die Dinge doch erst einmal auf den Weg bringen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nun sprin- gen Sie auch mal über Ihren Schat- ten, und geben Sie zu, dass das gut war! Es ist doch peinlich, was Sie ma- chen!)

Sie brauchen keine Sorge zu haben. Die Baumittel aus Berlin, jetzt Landesmittel, werden wir im Lande entsprechend verteilen. Sie werden vielleicht schon in wenigen Tagen sehen, was sich da entwickelt hat. Ich will noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass an unseren Schulen von den Kooperationspartnern, von den Eltern enorm viel Kreativität gezeigt wird. Sie kommen ja wahrscheinlich auf Jahrzehnte nicht in die Verlegenheit, wieder regieren zu müssen.

(Glocke der Präsidentin)

Aber Sie sollten überlegen: Wenn die öffentliche Hand wirklich pleite ist, dann hat es doch gar keinen Sinn, irgendwelche Szenarien von Verteilungsmodellen alter Jahre zu entwickeln und zu sagen: Wir geben da und dort einen aus. - Das glaubt Ihnen doch niemand mehr. Man muss doch überlegen, wie man miteinander Schule weiterentwickelt, ohne immer nach dem Geld zu schreien. Das machen viele Schulstandorte mit Erfolg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Busemann, die fünf Minuten sind um.

Solange Sie das nicht verinnerlichen, werden Sie auch nicht wieder regierungsfähig sein. Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Machen Sie sich darüber mal keine Sorgen!)

Jetzt kommen weitere 130 Standorte dazu. Herr Bartling, wir haben im Lande ab August wohl 455 Standorte für Ganztagsschulen. Die Schulen sind

dafür ausgesprochen dankbar. Sehen Sie sich das an. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der nächste Redner ist Herr Jüttner von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, wir wissen auch um die finanzielle Lage aller Bundesländer. Aber hier gehört etwas mehr Redlichkeit auf den Tisch.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Erstens. Sie fordern Frau Bulmahn auf, sich um das zu kümmern, wofür sie zuständig ist, und sagen in der Föderalismusdebatte, dass sich der Bund hier heraushalten soll.

Zweitens. Im Widerspruch dazu akzeptieren Sie, dass der Bund genau hierbei Anregungen schafft und 4 Milliarden Euro zur Verfügung stellt.

Drittens kommen Sie und Herr Klare und diffamieren das als „Finanzierung in Mauern“. Meine Damen und Herren, so geht das nicht!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie wissen doch, warum Frau Bulmahn nur in Beton finanzieren darf: Weil sämtliche Bundesländer unter Hinweis auf die Verfassung verhindert haben, dass diese Mittel auch anders ausgegeben werden können. Das ist die Situation - auch des Bundesfinanzministers.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

Ich finde es gut, dass wir jetzt die 400 Millionen Euro für Niedersachsen haben. Daraus muss man das Beste machen. Das ist auch in Ordnung. Aber Ihre Haltung ist wirklich eine Unverschämtheit gegenüber denjenigen, die die Arbeit vor Ort tragen.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Zynis- mus ist das!)

Wir diffamieren nicht diejenigen, die das nachmittags machen. Aber wir stellen fest: Erstens haben Sie null Vorstellung davon, was „ganztags“ als pädagogisches Konzept bedeutet. Das interessiert Sie nämlich nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Wenn Sie und Herr Albrecht den Eindruck vermitteln wollen, dass diejenigen, die einen Antrag stellen, so oder so auf den Gedanken gekommen waren, das ehrenamtlich und freiwillig zu machen, und meinen, dass dies das Gelbe vom Ei ist, dann ist das die glatte Unwahrheit. Die Praxis ist: Schulen reichen Anträge mit einem Konzept ein. Dann wird den Schulen gesagt: Ihr geht jetzt mal nach Hause und beschließt in der Gesamtkonferenz im Einvernehmen mit dem Schulträger, dass ihr das Ganze kostenfrei machen könnt. Wenn ihr diesen Beschluss nicht vorlegt, dann schmeißen wir euch von der Liste der Antragsteller sofort heraus. Das ist die Situation.