Protocol of the Session on June 22, 2005

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, mit dem Titel Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde sprechen dem Minister in der heutigen Zeit doch ein ganz großes Lob aus. Mein Eindruck ist, Sie bewundern insgeheim diese tolle Idee, ohne zusätzliches Geld ein so fantastisches Angebot zu kreieren. Mit ein bisschen innerer Größe können Sie dies auch ruhig öffentlich zugeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Der Erste, der uns richtig durchschaut hat!)

Nächste Rednerin ist Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Landesregierung hat begriffen, dass es einen großen Bedarf an Ganztagsschulen gibt. Deshalb hat Herr Minister Busemann extra eine Pressekonferenz einberufen, um zu verkünden, dass er 130 Schulen erlaubt hat, sich jetzt „Ganztagsschule“ zu nennen.

Ganztagsschulen sind inzwischen zu einem Standortfaktor geworden, auch für Kommunen auf dem Lande und auch in konservativen Regionen. Allein im Emsland hat Minister Busemann 17 Genehmigungen ausgesprochen.

Die Eltern wollen aber nicht nur eine ausreichende Betreuung, sondern sie wollen auch eine optimale Bildung für ihre Kinder. Deshalb brauchen wir Ganztagsschulen, die ihren Namen auch verdienen, mit pädagogisch sinnvollen Angeboten und mit Unterrichtsmöglichkeiten am Nachmittag. Der Kultusminister ist aber immer noch nicht bereit, dafür eigene Mittel bereitzustellen. Stattdessen behilft sich Herr Busemann mit der Mogelpackung „Ganztagsschule light“, von der Frau Eckel schon gesprochen hat. In Wirklichkeit wird der Ausbau der Ganztagsschulen in Niedersachsen vollständig von der rot-grünen Bundesregierung und zu 10 % von den Kommunen finanziert. Zusätzliche Mittel für pädagogisches Personal gibt es nicht. Die schwarz-gelbe Landesregierung tut nicht einen Cent und nicht einen Euro dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch vor kurzem, Herr Minister Busemann, haben Sie das Ganztagsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ als Betonprogramm beschimpft. Der Bund investiere in Beton, wie ich eben wieder von Herrn Klare gehört habe, und die Landesregierung in Köpfe.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Steine!)

- Ja, von Mauern und Steinen haben Sie gesprochen. - Was für eine völlige Verdrehung der Tatsachen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hindert Sie natürlich nicht daran, die fast 400 Millionen Euro der Bundesregierung für die niedersächsischen Schulen zu nehmen und hier als eigenen Erfolg zu verkaufen, wie das Herr Albrecht unter völliger Verdrehung der Tatsachen soeben versucht hat, obwohl Sie von der Niedersächsischen Landesregierung nichts, aber auch gar nichts hinzugeben - weder Stunden noch Kontingente, noch Geld.

(Ursula Körtner [CDU]: Know-how!)

Ihre Investitionen in Köpfe, Herr Busemann und Herr Klare, sucht man in Niedersachsen vergeblich.

Herr Busemann, meine Damen und Herren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, eines müssen Sie doch zugeben: In den letzten Jahren hat fast kein anderes Programm eine so entscheidende Reformwirkung in den Schulen entfacht wie das Ganztagsprogramm der Bundesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Na, na, na, Frau Kor- ter! Selektive Wahrnehmung!)

Hunderte von Schulen in Niedersachsen haben sich darum beworben, Ganztagsschule zu werden. Sie wollen die Herausforderungen von PISA annehmen. Was aber tun Sie? Was tut Herr Busemann? - Nichts, nichts kommt von Ihnen: keine Idee, kein Vorschlag für mehr Ganztagsstunden, kein Budget, kein Nachmittagsunterricht, keine Vorschläge dafür, wie Nachmittagsstunden vom Land unterstützt werden könnten. Nein, Herr Busemann ist da einfallslos und gibt lieber die Devise aus, die Schulen bräuchten sich jetzt keine Gedanken mehr über Konzepte und Ganztagsschulanträge zu machen, weil das Programm sowieso überzeichnet sei. So, meine Damen und Herren, nimmt man den Schwung aus einer Reformbewegung.

Andere Bundesländer geben selbst Geld in dieses Investitionsprogramm hinein. Dazu aber ist unsere Landesregierung hier nicht bereit. Lieber diffamieren CDU-Abgeordnete wie die Kollegin aus Lüchow-Dannenberg vor Ort die Schulen, die sich

angesichts einer Genehmigung ohne Ressourcen nicht in der Lage sehen, einen vernünftigen Ganztagsbetrieb auf die Beine zu stellen. Ich nehme an, Herr Albrecht und Frau BertholdesSandrock, dass Sie in Ihrer Freizeit dort sicherlich ehrenamtliche Angebote übernehmen werden.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn die Landesregierung schon selbst nichts dazugibt, hätte sie dieses Programm zumindest administrativ besser unterstützen können. Stattdessen hat sie das Bewilligungsverfahren so verzögert, dass notwendige Umbauten an den Schulen bis zum Schuljahresbeginn kaum mehr möglich sind. Herr Busemann, warum dauert das bei Ihnen eigentlich so lange? Das frage ich mich schon lange.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ganztagsschulgenehmigungen und die Bewilligung der Bundesmittel schieben Sie auf die lange Bank. Man könnte fast meinen, Sie nehmen aus wahltaktischen Interessen in Kauf, dass zahlreiche Schulträger nicht rechtzeitig Planungssicherheit bekommen, damit die rot-grüne Bundesregierung im Sommer keine Erfolge vorweisen kann. Den Preis dafür, Herr Busemann, bezahlen die Kinder, die nach den Sommerferien in den Baustellen sitzen. Ich bin gespannt, wie Sie diese Genehmigungspraxis gleich erklären wollen. Herr Busemann, wenn Sie auch noch so viele Pressekonferenzen bzw. -abende veranstalten, Sie werden in Niedersachsen niemanden darüber hinwegtäuschen, dass die Ganztagsschulen bei Ihnen eine Mogelpackung sind, genauso, wie es die Nordwest-Zeitung sehr treffend kommentiert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Sie, Herr Bookmeyer, in dieser Legislaturperiode als neuen Abgeordneten in unserer Mitte begrüßen. Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Wirken zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger. Herzlich willkommen!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Nächster Redner ist jetzt Herr Schwarz von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach meinem Eindruck ist es in der Tat so, dass sich alle Fraktionen dafür ausgesprochen haben, Ganztagsschulen zu installieren. Verehrte Frau Korter, wenn Sie uns insgesamt Einfallslosigkeit vorwerfen, dann gebe ich das zurück: Sie müssen sagen, wie Sie es denn gern finanzieren wollen. Das müssen Sie irgendwo festmachen. Sonst kommen wir an der Stelle nicht weiter.

Seit 2003 begleitet uns das Thema Ganztagsschule, und die Position der FDP ist hinreichend bekannt. Wir wünschen uns das flächendeckende Angebot. Wir unterscheiden uns allerdings von Rot-Grün in der Frage von Verbindlichkeit oder Freiwilligkeit. Eine Verpflichtung zum Besuch einer Ganztagsschule bedeutet übrigens für Eltern, die ihre Kinder nicht zwingend in die Hände des Staates geben wollen, sondern ihre Schwerpunkte in der familiären Erziehung suchen, eine eindeutige Benachteiligung.

(Zustimmung bei der FDP)

Das ist eine gesellschaftspolitische Frage, mit der wir uns hier auseinander zu setzen haben. Wir setzen uns für die Freiwilligkeit u. a. deshalb ein, weil wir dem Problem Bedeutung beimessen, dass Eltern ihre Kinder einfach in der Schule abstellen, was aus unserer Sicht leider viel zu oft vorkommt.

Nächster Punkt: Das Programm von Frau Bulmahn ist ja hilfreich.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

Allerdings wissen wir - jedenfalls in der FDPFraktion wissen wir das, und deswegen machen wir auch immer wieder darauf aufmerksam -: Wer als Schulträger oder als Schule einen Antrag stellt, dieses Angebot wahrnehmen zu wollen, der muss sich über zwei Dinge im Klaren sein.

Die Schulen müssen wissen, dass es der falsche Weg ist, allein wegen der in Aussicht gestellten Mittel den Antrag zu stellen; denn wenn man kein Konzept für eine Ganztagsschule hat, sollte man die Finger davon lassen. Es gibt zurzeit Schulen, an denen Lehrkräfte freiwillig, sozusagen über den Durst, Dienst an genehmigten Ganztagsschulen leisten, und zwar ohne die Zusicherung, dass zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt werden kann. Die erwarten, dass sie irgendwann

zusätzliches Personal bekommen. Eine solche Situation kann natürlich zu Frust und Ärger führen, aber die Schulen haben diesen Weg selbst gewählt. Obwohl sie zu Beginn auf diese Problematik aufmerksam gemacht worden sind, gehen sie davon aus, dass die Sache schon irgendwie geregelt wird, wenn sie sich jetzt über den Durst hinaus engagieren.

Der Schulträger muss wissen, dass nach der Errichtung mit den 10 % Komplementärmitteln das Thema nicht durch ist; denn es entstehen entsprechende Folgekosten, die bei der heutigen finanziellen Ausstattung der einzelnen Kommunen nicht überall problemlos bewältigt werden können.

Natürlich wünschen wir uns insgesamt eine deutlich komfortablere Situation. Wir verschließen aber nicht die Augen vor den derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Es ist Ihr gutes Recht, all das zu fordern, was Ihnen in der Vergangenheit nicht gelungen ist.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Aus unserer Sicht hat das Thema Ganztagsschule, auch wenn es durch die ständige Behandlung in der Tagesordnung nicht unbedingt spannender wird, eine hohe Bedeutung.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben uns alle doch sofort an Ihrer Seite, wenn Sie uns auch nur einen halbwegs akzeptablen Vorschlag zur Finanzierung der personellen Ausstattung auf den Tisch legen. Darauf warten wir, darauf freuen wir uns, und dann kommen wir auch zueinander.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt erteile ich Herrn Minister Busemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Opposition und vor allem Sie, Frau Korter, reden höre, dann müsste ich ja den 130 genehmigten Standorten die Genehmigung wieder entziehen, weil das alles nicht taugt. Was meinen Sie, was dann im Lande los wäre!

(Zustimmung bei der CDU - Ina Korter [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt!)

Unter Vernachlässigung der finanzpolitischen Wahrheiten wird einfach gesagt: Das Land hat keinen Cent dazubezahlt. Dazu will Ich Ihnen sagen: In Niedersachsen genau wie anderswo ist Schule eine staatliche Veranstaltung, die aus Steuermitteln finanziert wird und nicht von einzelnen Ministern. Und zum Ganztagsschulwesen: Bis zur Stunde haben wir 323 Ganztagsschulstandorte. Als ich als Kultusminister in die Regierung eintrat, gab es 150 Standorte. Das ist eine deutliche Steigerung. Wir geben bis dato 46,1 Millionen Euro nur für unsere Ganztagsschulen aus, stellen also die Ressourcen wie Lehrerstunden, Budgets, pädagogische Mitarbeiter. Das ist eine Menge Geld. Deswegen kann ich auch die Vorhalte aus Berlin, wir schickten keinen einzigen Lehrer, und diese Eifersuchtstiraden von Frau Bulmahn langsam nicht mehr hören.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Aber das haben wir in ein paar Wochen auch hinter uns. Die Dame begreift einfach nicht, wofür sie zuständig ist und wofür sie nicht zuständig ist. Das ist aber auch egal.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir hatten 215 neue Anträge für Ganztagsschulen. 130 Schulen haben ausdrücklich gesagt, sie würden ein Ganztagsangebot auch nach der so genannten Ziffer 8.2, also zumindest einstweilen ohne zusätzliche Ressourcen, vorhalten.