Protocol of the Session on June 22, 2005

Vielen Dank, Herr Kollege. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Das ist so ähnlich wie beim Bungeespringen mit angerissenem Seil: Sie landen hart.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Wenzel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rösler, wenn eine Partei, die sich den Wettbewerb auf die Fahnen geschrieben hat, nicht mehr erkennt, wo Wettbewerb wirkt und wo Kartelle und Monopole am Strommarkt wirken, dann ist das wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir bei Norsk Hydro im Moment erleben, ist ein beispielloser Machtkampf der Kartelle um die Strompreise in Deutschland für den industriellen Sektor. Die Härtefallindustrien sind bei der Ökosteuer fast freigestellt; maximal 0,1 Cent pro Kilowattstunde tragen sie zum Preis bei. Aber allein die Durchleitungskosten, die Netzentgelte, die Vattenfall aufgrund seiner Marktposition geltend macht, betragen mindestens 0,75 Cent pro Kilowattstunde. Allein diese Zahl macht deutlich, über welche Dimensionen wir reden. Daran, dass der Strompreis an der Strombörse in den letzten drei Monaten um 30 bis 40 % angestiegen ist, Herr Rösler, sind zum Teil die Rohstoffpreise schuld. Aber selbst die Marktbeteiligten an der Strombörse sagen: Damit ist dieser massive Preisanstieg nicht erklärbar. Das sagen die Energiehandelsgesellschaft West, das Handelshaus Stromallianz, der Verband der industriellen Kraft- und Energiewirtschaft. Mit Marktdaten ist das nicht erklärbar. Der Verdacht ist ein anderer: Hier sanieren sich Kartelle. Hier saniert sich das Kartell der Großen: RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall und RWE. Die machen Preispolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotz massiver Gewinnsteigerungen bei E.ON wollen Sie den Haifischen jetzt noch Futter geben, indem Sie die Laufzeiten der Atomkraftwerke in Zukunft verlängern wollen. Wir brauchen nicht diese Regelung, wir brauchen nicht noch mehr Macht für die großen Konzerne, sondern wir brauchen mehr Wettbewerb. Wir brauchen ein Ende der Diskriminierung der Kleinen. Das Quotenmodell, das Sie befürworten, ist nichts anderes als eine Bekämpfung der kleinen Wettbewerber, die jetzt über das EEG die Chance haben, sich am Markt zu etablieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Energiewirtschaftsgesetz wird hoffentlich mehr Transparenz bringen. Wir hätten uns hier aber noch deutlich mehr Wettbewerb am Markt gewünscht.

Meine Damen und Herren, die FDP und die CDU halten hier den Steigbügel für die Kartelle in der Stromwirtschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

- Sprechen Sie mit den Marktbeteiligten an der Strombörse. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir die erneuerbaren Energien noch besser an den Markt kriegen. Hier ist schon eine ganze Menge getan worden. All das, was Sie im Atombereich tun wollen, können wir viel besser, indem wir in Effizienz investieren und das, was heute hier an Atomstrom produziert wird, schlichtweg einsparen. Dazu ist die deutsche Industrie in der Lage. Das werden wir auch realisieren; denn es ist technisch machbar und ökonomisch sinnvoll. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Gansäuer zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestatte mir die Bewertung, dass ich es eigentlich nicht gut finde, dass wir seit einer Reihe von Jah

ren so holzschnittartig über diese wichtigen Probleme reden. In Wahrheit gibt es kein Entwederoder, entweder Windenergie oder Solarenergie oder etwas ganz anderes, sondern es gibt nur beides. Dazu haben wir uns immer bekannt.

Lieber Herr Wenzel, ich muss Sie daran erinnern, dass es die von CDU und FDP geführte Landesregierung unter Ernst Albrecht war, die das Windenergieinstitut in Wilhelmshaven und das Solarinstitut in Emmerthal gegründet hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das heißt, wir brauchen da wirklich keine Belehrungen, Frau Kollegin Langhans. Wir haben die Problematik schon viel länger begriffen, als es die Grünen überhaupt gibt; das muss ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das ist jetzt aber übertrieben!)

- Liebe Frau Steiner, ich stelle ganz sachlich fest - -

Herr Abgeordneter Gansäuer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich habe zu wenig Redezeit; ansonsten gern.

Ich stelle ganz sachlich und ruhig fest - da können Sie mir auch nicht widersprechen -: Deutschland hat die höchsten Energiepreise in Europa. Wenn das so ist, dann kann man nicht behaupten, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden; das kann man nun wirklich nicht behaupten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb kann ich nur sagen: Forschen ist ganz wichtig; da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Umgekehrt muss aber ein anderes Primat gelten, nämlich, solange wir forschen und nicht den entscheidenden Durchbruch erzielt haben, Energie günstig anzubieten und nicht mit hohen Energiepreisen subventionierte Arbeitsplätze zu erhalten. Wenn man alle Subventionen nehmen würde, die man da hineinsteckt, dann könnte man viele Leute beschäftigen. Es geht also darum, Arbeitplätze zu schaffen, die sich auch rentieren. Auch darüber muss man reden; da gebe ich Ihnen völlig Recht.

Vor mir liegt ein Sonderdruck des Spiegel, der ja nun wirklich nicht verdächtig ist, der CDU nahe zu stehen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Inzwi- schen ja!)

- Doch? Das ist ja etwas ganz Neues, toll! - Der Spiegel hat das Ergebnis der Untersuchungen des Club of Rome - eine Institution, die, so glaube ich, weltweit wissenschaftlich völlig unbestritten ist und die mit Energieriesen und Ähnlichem nichts zu tun hat - veröffentlicht. Ich zitiere:

„Wir schlagen schweren Herzens vor, auch die Option auf die Kernspaltung offen zu halten, da diese vermutlich weniger gefährlich ist als die Verbrennung von Öl und Kohle.“

Meine Damen und Herren, das ist die Position, die meine Partei seit vielen Jahren innehat. Wir werden diese Position auch weiter verfolgen.

Ich will nur beispielhaft auf Folgendes hinweisen: In den Industriestaaten leben 20 % der Menschen. Sie verbrauchen aber 75 % der Energie. Wenn die Chinesen - letzte Woche hatte ich hier eine Delegation; wir haben darüber diskutiert - nur die Hälfte der Energie verbrauchen würden wie wir Deutschen, müssten sie entweder 2 000 Kohlekraftwerke oder 1 200 Kernkraftwerke bauen. Auf der Welt sind zurzeit 556 Kernkraftwerke in Betrieb. Das heißt, wenn das erreicht werden soll, was wir gemeinsam wollen, nämlich dass es in diesen Staaten eine wirtschaftliche und industrielle Erholung gibt, dann werden sie mehr Energie brauchen. Eine Bedarfsdeckung lässt sich mit Ihren Windmühlen nicht erzielen, auch wenn Sie es möchten.

Jetzt noch eine Bemerkung, die ich mir wirklich nicht verkneifen kann, zu den Sozialdemokraten; denn das Wort „Gorleben“ fällt immer wieder. Meine Damen und Herren, man kann seine Meinung ändern; das respektiere ich. Aber man kann nicht aus seiner eigenen Vergangenheit aussteigen, sondern muss die Konsequenz seiner ehemaligen Politik tragen, auch wenn es schwer fällt. Im Juli 1956 haben Sie einen Bundesparteitag über die Atomenergie gemacht. Ich zitiere aus Ihrem Beschluss:

„Die Atomenergie“

- steht darin

„kann zu einem Segen für hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben.“

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich zitiere den letzten Satz:

„In solchem Sinne entwickelt und verwendet, kann die Atomenergie entscheidend helfen, die Demokratie im Inneren und den Frieden zwischen den Völkern zu festigen. Dann wird das Atomzeitalter das Zeitalter werden von Frieden und Freiheit für alle.“

Das haben Sie beschlossen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Auch wenn Sie Ihre Meinung geändert haben, müssen Sie die Konsequenz dieser von Ihnen gewollten Politik, z. B. auch in Bezug auf Gorleben, weiterhin tragen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe - Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn es etwas leiser wird, kann ich den nächsten Redner aufrufen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Rösler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal ist es in der Medizin so: Wenn man nicht von zwölf bis Mittag denken kann, liegt es daran, dass man kein gutes Gedächtnis hat. Ich will nur sagen: Wir haben im September letzten Jahres an dieser Stelle schon einmal im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die Strompreise diskutiert.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Auch da haben Sie sich mit Kalauern aus der Affäre gezogen statt mit Sachkennt- nis!)