Protocol of the Session on June 22, 2005

Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung: Nordhorn-Range: Belastungen minimieren - langfristig schließen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1031 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport Drs. 15/2018 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2022

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Will das Wort erteile, gestatten Sie mir noch folgenden Hinweis: Wir sind mehr als eine halbe Stunde in Verzug. Für 19.30 Uhr ist ein Parlamentarischer Abend vorgesehen. Nach dem gegenwärtigen Stand werden wir mit den Beratungen um 20.40 Uhr fertig sein. Vielleicht ist es möglich, mit wenigen Worten viel zu sagen.

(Beifall)

Herr Abgeordneter Will, Sie haben das Wort.

Ich werde mich bemühen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit vielen Jahren ist der Bombenabwurf- und Schießplatz Nordhorn-Range eine Dauerbelastung für die Menschen in der Region Grafschaft Bentheim und Emsland. Gerade aktuell finden dort wegen der guten Flugsicht verstärkt Übungen der Luftwaffen der NATO-Länder statt. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass trotz des im Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedeten Truppenübungsplatzkonzeptes derzeit nur Nordhorn-Range genutzt wird. Siegenburg in Süddeutschland ist aus technischen Gründen zeitweilig geschlossen. Der dritte Luft-Boden-Schießplatz in Wittstock kann wegen rechtlicher Auseinandersetzungen noch nicht genutzt werden.

Ziel des nunmehr gemeinsam getragenen Entschließungsantrages ist es, noch einmal deutlich die überdurchschnittliche Belastung der Menschen im Raum zwischen Lingen und Nordhorn zu benennen, verbunden mit der Forderung, diese außergewöhnliche Belastung schrittweise abzubauen. Das langfristige Ziel, den Luft-Boden-Schießplatz Nordhorn-Range zu schließen, ist und bleibt gemeinsame Auffassung, um die unerträgliche Lärmbelästigung für die Menschen in NordhornRange endlich aufzuheben.

Darüber hinaus muss das Gefährdungspotenzial während des ständigen Übungsbetriebes abgebaut werden. Das betrifft auch die Umweltbelastung des Geländes durch Bombenreste und Munition, zumal Teile des Geländes jetzt schon unter Naturschutz stehen.

(Unruhe)

Herr Kollege Will, Augenblick; ich muss noch einmal unterbrechen. - Erstens ist es wieder unerträglich laut, und zweitens bitte ich den Abgeordneten Lennartz, in den Turn- bzw. Gymnastikraum zu gehen. Hier im Plenarsaal wird nicht geturnt.

Bitte schön, Herr Kollege Will!

Meine Damen und Herren, wechselnde Bundesregierungen haben in der Vergangenheit keine entscheidenden Impulse zur Aufgabe des Schießplatzes Nordhorn-Range gegeben. Erst nach der Übernahme der Range von den Briten im Jahre 2000 hat es erstmalig ein Konzept der Bundesregierung über Anzahl und Verteilung der Übungseinsätze gegeben, in dem Obergrenzen festgelegt und Einsätze gerechter verteilt worden sind.

Aber das allein reicht nicht aus. Auch wenn wir uns wiederholt in mehreren Legislaturperioden mit diesem Thema beschäftigt haben, ist es doch wichtig, dass sich der Landtag und die Landesregierung erneut für die Reduzierung des Übungsbetriebes und die Umsetzung des Truppenübungsplatzkonzeptes einsetzen; denn derzeit trägt Nordhorn-Range als einziger Luft-Boden-Schießplatz die ganze Übungslast in der Bundesrepublik. Die Forderung, dass sich Bundeswehr und Bundesregierung nachhaltig dafür einsetzen, die Übungstätigkeit der Bundesluftwaffe und der verbündeten NATO-Luftwaffen gleichmäßiger zwischen allen Ländern zu verteilen, ist auch deshalb wichtig, um sicherzustellen, dass die Sicherheits- und Lärmbelastungen nicht einseitig den Menschen im Emsland und in der Grafschaft aufgebürdet werden.

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass die Regierungsfraktionen auf eine ernsthafte gemeinsame Haltung eingeschwenkt sind und die Substanz unseres Antrages übernehmen. Ein erneuter Klamauk wie der bei der Einbringung wäre dem Ernst des Themas auch nicht angemessen.

Gerade Anfang des Monats haben sich in verschiedenen Ausschüssen des Bundestages die Vertreter von SPD und Union gegen den sofortigen Verzicht der militärischen Nutzung von Wittstock ausgesprochen. Das heißt, Wittstock bleibt im Rahmen des bundesweiten Truppenübungsplatzkonzeptes, das im Übrigen von der rot-grünen Bundesregierung wesentlich mitentwickelt und fortgeschrieben wurde, als zukünftiger Übungsplatz weiter in der Planung. Nur dadurch kann eine gerechtere Verteilung der Belastung und eine Minimierung für Nordhorn-Range und Siegenburg erfolgreich sein.

(Zustimmung von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen daher die in den Bundestagsausschüssen getroffenen Entscheidungen ausdrücklich. Hierbei ist die Auffassung von Verteidigungsminister Peter Struck, das Areal bei Wittstock auch als Übungsplatz für die Luftwaffe einzusetzen, zu unterstreichen. Wir lehnen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen hier im Landtag ab, weil damit das Truppenübungsplatzkonzept wieder infrage gestellt würde, ohne gleichzeitig spürbare Erleichterungen für Nordhorn-Range zu erreichen.

Kurzfristig erwarten wir von der Bundesluftwaffe, die den Luft-Boden-Schießplatz im Jahre 2000 von den Briten übernommen hat, dass sie eine deutliche Entlastung von Nordhorn-Range herbeiführt und den Übungsbetrieb nicht auf diesen Schießplatz konzentriert. Wir werden deshalb dem Antrag in der geänderten Fassung zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hilbers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Nordhorn-Range ist uns allen aus der Plenardebatte, die wir vor gut einem Jahr, nämlich im Mai 2004, geführt haben, noch in Erinnerung. Seinerzeit haben Sie, Herr Will, einen völlig verunglückten Antrag eingebracht. Es handelte sich nicht um Klamauk, sondern Sie richteten damals an die Landesregierung den Appell, etwas zu tun. Das ist damals völlig verunglückt.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das kann man so nicht sehen!)

Sie haben ja gemerkt, dass Sie eigentlich dazu angehalten sind, die Dinge über Ihre Bundesregierung zu regeln. Das haben wir nun dadurch sichergestellt, dass wir die Stoßrichtung des Antrags verändert haben, indem wir einmal deutlich gemacht haben: Die Landesregierung unterstützt uns eindeutig und klar in der Forderung nach Auflösung des Platzes und nach Herbeiführung der Entlastung durch Wittstock. Als Zweites erinnern wir Gerhard Schröder an sein Wort, das er damals, als er da war, zur Auflösung des Platzes gegeben hat.

Die SPD muss damit offensichtlich zufrieden sein; denn in den Grafschafter Nachrichten war zu lesen, dass es sich - wie der Kollege Will gesagt hat - um einen gemeinsamen Antrag gehandelt hat, der in den Ausschüssen für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und für Inneres und Sport behandelt worden ist. Wir haben also offensichtlich einen guten Änderungsvorschlag eingebracht, der das völlig verunglückte Verfahren von damals einem guten Ende zuführen kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Was die Belastung angeht, auf die im Antrag eingegangen wird, so kann ich das, was hier ausgeführt worden ist, nur unterstützen. Seit mehr als 50 Jahren muss die Bevölkerung diesen Platz mit den damit verbundenen Lärm- und Umweltbelastungen ertragen. Seit Jahrzehnten versuchen Politik und die Bürgerinitiative „Notgemeinschaft Nordhorn-Range“ gemeinsam, die Abschaffung und Schließung dieses Platzes zu erreichen.

Richtig ist aber auch, dass immer in kleinen Schritten versucht worden ist, die Belastungen zu reduzieren. Diese kleinen Schritte haben erheblichen Erfolg gehabt. Das Ausmaß des Erfolges würde in der Eröffnung des Platzes in Wittstock in Brandenburg deutlich. Damit würde wirklich eine gerechte Lastenverteilung ermöglicht und eine wesentliche Entlastung der Menschen in diesem Raum in Niedersachsen erreicht.

Dagegen sprechen sich die Grünen aus. Deswegen können wir den Änderungsantrag der Grünen nicht mittragen. Richtig ist auch, dass die Menschen in der Region - ich komme von dort und weiß das - in all den Jahren, die der Kampf gegen Nordhorn-Range schon dauert, von den Grünen, aber auch von der SPD immer wieder mit Verspre

chungen konfrontiert worden sind, die später, wenn man nur einige Kilometer entfernt war, gegenstandslos waren bzw. nicht gehalten wurden.

Ich frage an dieser Stelle noch einmal die SPD, die seinerzeit den Antrag eingebracht hat: Wer regiert eigentlich noch in Berlin?

(Zurufe von der SPD)

- Weshalb fordern Sie die Landesregierung auf? Wenn Sie von Ihren eigenen Leuten in Berlin enttäuscht sind, dann sagen Sie das. Oder nutzen Sie Ihre Möglichkeiten! Sie haben alle Möglichkeiten, den Platz zu schließen. Wenn Sie das wollen - ich sage das auch an die Adresse der Grünen; denn noch sitzen Sie in der Bundesregierung -, dann schließen Sie diesen Platz, und halten Sie mit Ihrer Auffassung nicht hinterm Berg.

(Beifall bei der CDU - Dorothea Stei- ner [GRÜNE]: Sie haben den Grup- penantrag der Grünen niederge- stimmt!)

- Zu dem unseligen Gruppenantrag der Grünen komme ich gleich noch; er schadet uns mehr, als er uns nutzt.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sollen wir nun Anträge stellen oder nicht?)

Ich bin froh, dass Innenminister Schünemann am 27. Mai 2004 in diesem Hause deutlich gemacht hat, dass diese Landesregierung Wort hält und weiterhin zu dem steht, was die Menschen vor Ort fordern, nämlich Auflösung des Platzes. Insbesondere bin ich dankbar für die Aktivitäten, die der Innenminister unternommen hat, um Wittstock zügig zu eröffnen und eine Entlastung für Nordhorn-Range herbeizuführen.

Rot-Grün handelt in diesem Zusammenhang völlig widersprüchlich. Die Grünen kommen hier mit einem Antrag um die Ecke, in dem es heißt, Wittstock soll nicht eröffnet werden. Das tut man, obwohl mit Zustimmung der Grünen im Deutschen Bundestag im Jahre 2002 ein völlig neues Truppenübungsplatzkonzept beschlossen worden ist, in dem leider Nordhorn-Range, aber auch Wittstock enthalten sind. Gleichwohl stellt man hier einen solchen Antrag.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Nachtwei kommt nach Nordhorn und erzählt den Menschen, dass der Platz geschlossen werden muss. Das Gleiche erzählt er den Menschen in Wittstock. Da

frage ich mich doch mit Blick auf das Truppenübungsplatzkonzept: Was ist das für eine verlogene Politik?

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Do- rothea Steiner [GRÜNE])

- Wissen Sie was, Frau Steiner? Das ist Opportunismus pur.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Ich erklä- re es Ihnen gleich!)

Das ist Opportunismus pur. Ich sage Ihnen: Die Menschen in der Region werden das erfahren, und wenn ich letztendlich selbst noch dafür sorgen muss, dass sie es erfahren; sie werden es erfahren.

(Beifall bei der CDU)

Genauso verhält es sich mit dem, was den Leuten noch von Gerhard Schröder in den Ohren klingt. 1991 gab es eine große Demonstration. Es waren 2 500 Menschen auf der Demonstration. Der damalige Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Gerhard Schröder, war auch dort. Er erklärte: Die Unbeweglichkeit der Hardthöhe ist ein demokratischer Skandal. Er würde, wenn er könnte, mit einem Federstrich die Schließung der Range anordnen.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Mit „wenn er könnte“ meinte er damals, er müsste Bundeskanzler werden. Er forderte, der damalige Verteidigungsminister Stoltenberg müsse sich etwas bewegen, und zwar aus seinem Amt. Ich stelle fest: Der Einzige, der sich im Augenblick bewegt, ist der Bundeskanzler, und zwar aus seinem Amt; sonst hat sich dort nichts bewegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Schritt für Schritt!)

Deswegen war es völlig abwegig, wie Sie es zunächst vorhatten, die Landesregierung zu kritisieren und aufzufordern, mehr zu tun. Tun Sie etwas an den Stellen, wo Sie etwas zu sagen haben! Vernachlässigen Sie nicht die Interessen der Menschen in der Region, für die Sie hier sitzen!

Es ist wichtig, dass der schwierigen Situation bei der Range abgeholfen wird. Die Abwägung darf nicht so aussehen, dass die Entlastung gefährdet wird, weil man sich ideologisch dafür ausspricht,

diese Übungen in Deutschland gar nicht mehr durchführen zu lassen. Wir plädieren deswegen noch einmal für die Entlastung durch Wittstock. Diese ist eben auch durch den Gruppenantrag der Grünen gefährdet, weil damit die Inbetriebnahme infrage gestellt wird. Mit diesem Antrag schaden Sie den Interessen Niedersachsens, schaden Sie den Interessen von Nordhorn, Lingen, der gesamten Region, der Grafschaft Bentheim, dem Emsland und den dort lebenden Menschen. Das halten wir Ihnen vor. Das darf nicht zulasten diese Menschen gehen. Machen Sie endlich eine Politik, die realistisch ist, die auf das abzielt, was Sie hinkriegen, und versprechen Sie nicht Dinge, die Sie nicht halten können.