Protocol of the Session on June 22, 2005

Als Letztes möchte ich auf eine von den Vertretern der Regierungsfraktionen angeregte Änderung des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ eingehen, die als neue Nr. 1/1 in den Artikel 3 eingefügt worden ist. Sie soll ermöglichen, dass - anders als bisher - die bei der rechtmäßigen Befischung der Miesmuschel im Nationalpark als Beifang anfallende Pazifische Austern nicht zurückgeworfen werden müssen, sondern verwertet werden können. Für die übrigen Küstenbereiche der Nordsee soll dies eine entsprechende Änderung der Küstenfischereiordnung sicherstellen, die in Vorbereitung ist. Nach mehrheitlicher Auffassung der Ausschüsse ist diese in der Nordsee nicht heimische Tierart im Nationalpark noch weniger schützenswert als in den übrigen Teilen der Nordsee. Die Vertreter der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben der Änderungsempfehlung ihre Zustimmung schon deshalb versagt, weil sie erst im abschließenden Beratungsdurchgang des federführenden Ausschusses eingebracht worden sei und deshalb in ihrer Berechtigung und ihren Auswirkungen nicht mehr hinreichend beurteilt werden könne.

Ich beende damit meinen Bericht. Der Umweltausschuss bittet Sie, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 15/1999 zuzustimmen.

Mir liegt eine Wortmeldung von Herrn Haase von der SPD-Fraktion vor. Herr Haase, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute steht in erster und abschließender Beratung wieder einmal eine Änderung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes zur Abstimmung an. Die Betonung liegt dabei auf „wieder einmal“ und „Änderung“, denn wir warten nun mittlerweile seit fast zweieinhalb Jahren auf die vom Umweltminister immer wieder fast vollmundig angekündigte große

Novelle zum Niedersächsischen Naturschutzgesetz. Leider war bislang Fehlanzeige zu verzeichnen.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Umweltminister offensichtlich nicht in der Lage ist, die notwendige Novelle dieses Gesetzes fristgerecht vorzulegen - die Frist zur Anpassung an das Bundesgesetz ist bereits am 25. März 2005 abgelaufen; diese Frist ist seit Jahren bekannt -, hat er seit dem Regierungswechsel immer wieder kleinere Änderungswünsche formuliert, die jetzt in Form von Gesetzesanpassungen umgesetzt werden mussten.

Meine Damen und Herren, was wir heute hier wirklich ernsthaft anprangern - das muss erneut gesagt werden -, ist die Art, wie die Landesregierung mit dem Parlament und der parlamentarischen Beratung umgeht.

(Beifall bei der SPD)

Eine notwendige, tief gehende inhaltliche Auseinandersetzung mit den Änderungen des Naturschutzgesetzes ist aufgrund des vorgegebenen Verfahrens nicht wirklich möglich gewesen. Diese Kritik kommt im Übrigen auch von den Verbänden. Zugegeben: Am Anfang haben wir diesem Verfahren zugestimmt. Aber damals ging es nur um die Änderung in Bezug auf die Verbandsrechte,

(Anneliese Zachow [CDU]: Nein, es ging um mehr!)

d. h. nur darum, den anerkannten Verbänden ihre Beteiligungsrechte nach § 60 des Bundesnaturschutzgesetzes zu sichern. Doch obwohl die Fristen für das Gesetzgebungsverfahren schon überschritten waren, wurde in der Beratung immer wieder draufgesattelt, und aus einer formalen Änderung wurde zunehmend eine umfassende inhaltliche Änderung. Das machen wir - das sage ich Ihnen in aller Offenheit - nicht mit, das ist kein ordentliches Gesetzgebungsverfahren mehr.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dass dem Umweltminister der Naturschutz in Niedersachsen nicht wichtig ist, hat er durch seine Taten mehr als einmal bewiesen -in diesem Fall erneut. Ich erspare es mir, noch einmal die lange Liste seiner Katastrophen aufzuzählen. Aber den Landtag für die Umsetzung seiner Salamitaktik zur Aushöhlung

des Naturschutzrechtes zu missbrauchen, ist meiner Meinung nach mehr als schäbig.

Weitgehende inhaltliche Änderungen ohne ausreichende Beratungszeit und ohne umfassende Anhörung der betroffenen Verbände - das zeigt wieder einmal, dass dieser Minister Politik nach Gutsherrenmanier betreibt. Politik mit den Menschen, Herr Sander, ist das allemal nicht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so notwendig die formale und kurzfristige Anpassung des Gesetzes an das Bundesrecht in Bezug auf die Verbandsrechte auch ist - ich betone noch einmal: wäre nur diese Anpassung Bestandteil der Novelle, so könnten wir hier einstimmig beschließen -, so deutlich sage ich Ihnen: Herr Minister, die SPD-Landtagsfraktion lässt sich von Ihnen nicht mehr vorführen. Wir werden aus diesem Grund - neben verschiedenen anderen inhaltlichen Punkten bzw. Bedenken - den Gesetzentwurf ablehnen.

Zu den Inhalten dieser Novelle ließe sich noch eine Menge sagen, wenngleich die heutige Debatte naturgemäß keine ausreichende Zeit dazu bietet. Höchst spannend ist allerdings die Begründung, die das Umweltministerium für einige der nachgeschobenen Änderungen abgegeben hat. Im mitberatenden Agrarausschuss wurde von den Regierungsvertretern auf Nachfrage bestätigt, dass die Änderung zu den Naturparken in § 34 auf ein Problem im Emsland zurückzuführen sei. Dort wolle man bei der Ausweisung eines Naturparks nicht mehr als die Hälfte - das Bundesgesetz spricht von einem überwiegenden Teil; das sind mehr als 50 % - an Landschaftsschutz- oder Naturschutzgebieten ausweisen. - Na, dann ändern wir doch einfach das Gesetz! Hier haben wir so etwas wie eine Lex Emsland oder eine Lex Bröring.

Herr Haase, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zachow?

Nein, im Moment nicht, vielleicht nachher. Ich muss gucken, dass ich fertig werde.

(Christian Dürr [FDP]: Das wäre aber interessant gewesen!)

Meine Damen und Herren, darüber hinaus ignoriert der Minister - auch das muss ich zum erneuten Male sagen - seinen Amtseid; denn nicht nur nach dem Grundgesetz, sondern auch nach der Verfassung des Landes Niedersachsen ist er dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet. Als Umweltminister, Herr Sander, sollte dies für Sie besonders gelten.

Die Streichung des Biotoptyps „artenreiches mesophiles Grünland“ als besonders geschütztes Biotop nach § 28 a des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes wird nach Aussage des NLWKN die Sicherung der verbliebenen Vorkommen dieses landesweit bereits stark gefährdeten Biotoptyps deutlich erschweren.

(Anneliese Zachow [CDU]: Was?)

- Lesen Sie das nach! Der Bund Deutscher Forstleute, der BUND und andere sehen hier ebenfalls ähnliche Probleme. Frau Zachow, haben Sie sich die Unterlagen nicht angeguckt? - Aber was interessieren diesen Hilfslandwirtschaftsminister denn schon die natürlichen Lebensgrundlagen!

Meine Damen und Herren, weitere inhaltliche Kommentierungen sind an dieser Stelle überflüssig, obwohl die neuen Fristen beim § 28 a oder die Regelung bezüglich des Ödlands nach § 33 a sicherlich mehr als diskussionswürdig wären. Aber auch hier gab es nur ein salamimäßiges Nachschieben im Rahmen der Beratungen.

Ob diese Novelle überhaupt hält, was sie im Titel suggeriert, nämlich eine Stärkung des Vertragsnaturschutzes, wird sich spätestens bei den anstehenden Haushaltsberatungen zeigen. Dort werden wir sehr genau gucken, wie die Mittel für den Vertragsnaturschutz ausgestaltet sind. Erst dann wird dieses Gesetz seine Nagelprobe bestehen, wenn auch in dieser rudimentären Form.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir dann wieder zu einem konstruktiven Dialog mit Ihnen bereit sind, wenn Sie sich wieder im Rahmen der parlamentarischen Gepflogenheiten bewegen, wenn Sie ein ernsthaftes Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung zeigen und vor allem, Herr Minister, wenn Sie die lange versprochene, von Ihnen mehrfach angekündigte und von uns immer wieder eingeforderte gründliche Novelle des Naturschutzgesetzes vorlegen. Es wird Zeit. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat die Kollegin Annette Schwarz von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Naturschutzes in Niedersachsen sind wir, wenn es heute zur Beschlussfassung kommt, mit Sicherheit ein Stück weiter. Das ist vergleichbar mit der Änderung, die wir vor etwas mehr als einem Jahr beschlossen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Gesetzentwurf und den Änderungen, die im Laufe der Beratung eingefügt worden sind, geht es um eine Akzeptanz- und Effektivitätssteigerung im Sinne des Landschafts- und Naturschutzes.

Meine Damen und Herren, wer direkt mit den Grundstückseigentümern und den Bauern gesprochen hat, weiß, dass sie Angst vor der „Naturschutzfalle“ haben. Wer heute eine naturnahe Entwicklung seiner Fläche zulässt, trägt das Risiko, dass sein Grundstück in die Bestimmungen der §§ 28 a oder b hineinwächst. Dann drohen ihm Auflagen, Beschränkungen, Nutzungsuntersagungen usw. Von daher lassen sich viele Leute auf Vertragsnaturschutz gar nicht erst ein. Andere machen mit, aber sie achten darauf, dass die Fläche ja nicht zu wertvoll wird. Beides ist für die Entwicklung von Natur und Landschaft nicht gerade förderlich.

Wir nehmen den Leuten die Angst vor der „Naturschutzfalle“. Sie können künftig darauf vertrauen, dass sie beim Vertragsnaturschutz die Verfügungsgewalt über ihre Flächen behalten.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Stellen Sie auch Geld zur Verfügung?)

Die Leute können dann die Erfahrung machen, dass die naturnahe Entwicklung von Teilflächen mit den betrieblichen Belangen und den Eigentumsgarantien oft besser vereinbar sind, als sie vorher dachten. Künftig bleiben 15 Jahre Zeit, um zur Bewirtschaftung zurückzukehren. Es braucht also niemand mehr den gerade gewachsenen guten Zustand wieder platt zu machen, nur damit er nicht in die „Schutzfalle“ läuft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie werden sehen: Langfristig wird so für Natur und Landschaft viel mehr herauskommen als mit der Keule der Schutzausweisung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Zusammenhang finde ich es bemerkens- und begrüßenswert, dass der NABU in der Anhörung einen guten Vorschlag zur besseren Handhabung der 15-Jahres-Regel und zur weiteren Vertrauensbildung bei den Landwirten gemacht hat. Das war ein gutes Beispiel sachlichkonstruktiver Anregungen. Wir sollten gerade bei dem Thema Anerkennung von Vereinen zukünftig besonders auf den Aspekt der Leistungsfähigkeit bei der sachgerechten Verfolgung der Naturschutzziele achten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Aufregung um das mesophile Grünland, die bei Herrn Haase und anderen in Teilen laut wurde, ist kaum nachvollziehbar. Im ersten Zug wurde jede bessere Wiese als mesophiles Grünland kartiert, im Übrigen häufig mit einem irrsinnigen Aufwand.

(Zustimmung bei der CDU)

Nachdem die Zustände unhaltbar und der Kartierschlüssel auf wirklich artenreiches Grünland zugeschnitten worden war, fiel auf, dass es kaum echtes artenreiches mesophiles Grünland gibt.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Wenn man es umdefiniert!)

Dieses Grünland ist das Ergebnis einer besonderen und aufwendigen Bewirtschaftung. Diese Bewirtschaftung sichern wir nicht mit der Einordnung in § 28 a und schon gar nicht mit irgendwelchen Verboten. Nein, wir müssen um das Vertrauen und um die Mitarbeit der Landwirte werben. Sonst ist dieser Gründlandtyp bald gänzlich am Ende.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Aufwand, der für die Erfassung betrieben worden ist, sollte künftig besser in die Unterhaltung gesteckt werden.

Meine Damen und Herren, die Aufregung konnte auch im Zusammenhang mit der Neufassung der Naturparkregelung festgestellt werden. Auch hier ist sie nicht nachvollziehbar. Wir wollen, dass die Naturparkausweisung von kleinräumigen Raum

ordnungszielen unabhängiger wird, dass sie stärker auf die Landschaftsentwicklung ausgerichtet wird und dass der Tourismus und die nachhaltige Regionalentwicklung eine deutliche Rolle spielen. Davon dürften längerfristig alle profitieren.