Protocol of the Session on May 20, 2005

„Die nach Auflösung von PPS zusätzlich durch die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten wahrzunehmende Opferbetreuung wird nicht zu Mehr

belastungen führen, die einen personellen Mehrbedarf rechtfertigen.“

Diese Aussage kann ich nur so verstehen, dass PPS jetzt nichts macht, was in Zukunft von anderen innerhalb der Polizei wahrzunehmen wäre, dass hier also seit 1979 überflüssige Arbeit geleistet wird. Das wäre allerdings fatal. Oder aber - ich vergleiche nun mit dem Zitat, das ich eben aus Ihrer Rede in Hameln herangezogen habe Sie widersprechen sich in gravierendster Weise einerseits in Ihrer Rede in Hameln und andererseits in Ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage. Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat sich noch einmal der Kollege Bartling gemeldet. Bitte schön, Herr Bartling!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte Ihnen das gerne erspart, aber Herr Ahlers hat seine Rede so gnadenlos vorgelesen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was heißt hier „gnadenlos“? Er hatte hier Redezeit, und er hat eine Rede gehalten!)

- Gnadenlos. Ich habe versucht, Sie ein bisschen zu entlasten. Aber das geht natürlich nicht, wenn hier Dinge in den Raum gestellt werden, auf die zumindest reagiert werden muss.

Die Ausgangslage für die Einrichtung von PPS in Hannover war und ist es auch heute noch, dass die Polizei mit einer Fülle von Problemlagen konfrontiert wird, deren Erledigung nicht von der Polizei geleistet werden kann. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind die primären Aufgabenstellungen, nicht aber die Ausfüllung sozialarbeiterischer Arbeitsfelder, wie z. B. Familienberatung, Krisenintervention und Betreuung von Menschen in psychischen Notsituationen.

Krisen können in Straftaten von Kindern und Jugendlichen als Indikatoren für Schwierigkeiten in der Familie, in der Schule, in der Ausbildung, im Umgang mit Geld und Freizeit sichtbar werden. Familienstreitigkeiten können, falls nicht zeitnah Hilfsangebote gemacht werden, sehr schnell auch Straftaten nach sich ziehen, z. B. Sachbeschädi

gungen, Körperverletzung und Kindesmisshandlung. Dazu gehört auch der Tatbestand Gewalt in der Familie.

Die Betreuung von Opfern, z. B. von älteren Menschen nach einem Raub oder Wohnungseinbruch, von Frauen als Opfer von häuslicher Gewalt und von Vergewaltigung, waren und sind auch heute noch Bereiche, um die sich die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bei der Polizei hier in Hannover kümmern; denn nach solchen Ereignissen ist die psychische Verfassung außerordentlich beeinträchtigt. Diese Menschen kann man nicht ohne weitere Unterstützung nach Hause schicken und sie dort mit dem Erlebten und ihren Ängsten allein lassen.

Natürlich werden auch unsere Polizeibeamtinnen und -beamte im Rahmen ihres Studiums, für dessen Erhalt wir uns, wie Sie wissen, nachdrücklich einsetzen, auf diese Aufgaben vorbereitet. Die polizeilichen Lösungen haben aber stets im Rahmen der Zuständigkeit zu erfolgen. Sie finden also eine ganz natürliche Grenze im Recht. Aus der Sicht der Konfliktbetroffenen besteht aber oft auch über diese Grenze hinaus ein definitiver Bedarf an Hilfe und Unterstützung. Genau diese professionelle Hilfe wird von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern des Präventionsprogramms PolizeiSozialarbeit geleistet. Das möchten wir erhalten sehen, weil es ein Erfolgsmodell ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Joachim Alb- recht [CDU]: Das ist kein Präventi- onsprogramm!)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt gar keinen Zweifel: Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hier bei der Polizeidirektion Hannover haben eine sehr gute Arbeit geleistet; das ist überhaupt keine Frage. Das Problem ist nur, dass wir die finanzielle Situation des Landes nicht ausblenden können. Deshalb müssen wir leider Gottes alles, was nicht Kernaufgabe der Polizei ist, auf den Prüfstand stellen. Wir müssen auch bei der Polizei eine Aufgabenkritik durchführen. Dazu haben Sie mich, Herr Dr. Len

nartz, in einer der letzten Plenarsitzungen ausdrücklich aufgefordert.

Ich bin froh, dass es in der Innenpolitik zwischen der SPD und den Grünen tatsächlich Unterschiede gibt. Herr Dr. Lennartz hat dargestellt, dass diese ganze Arbeit zur polizeilichen Arbeit gehört. Herr Bartling hat eben noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Arbeit der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eben nicht zu den Kernaufgaben der Polizei gehört.

Für mich ist ganz wichtig, dass wir im gesamten Land Ansprechpartner und Ansprechstellen haben, wenn Menschen in Not sind. Dazu gibt es eine Fülle von Angeboten. Auch in Hannover gibt es nicht nur das PPS, sondern es gibt Wohlfahrtsverbände und Opferbüros, die Herr Pfeiffer zu Recht mit angeschoben hat; das darf man einmal darstellen. Insofern können wir uns parallele Angebote in der heutigen Zeit schlichtweg nicht erlauben.

In Braunschweig, in Oldenburg, in Holzminden und anderswo können Sie darauf nicht zurückgreifen. Aber auch dort gibt es parallele Angebote. Sonst würde das bedeuten, dass all das, was hier in Hannover gemacht wird, in der Fläche und anderen Bereichen überhaupt nicht angeboten werden könnte. Das wäre sicherlich fatal.

Herr Dr. Lennartz, Sie haben Aufgaben dargestellt, die natürlich zur Polizeiarbeit gehören. Präventionsarbeit muss auch die Polizei leisten. Aber es ist etwas anderes als die Tätigkeit, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten. Natürlich haben wir durch die Polizeireform Arbeitsgruppen eingesetzt, die nur und hauptamtlich für Präventionsarbeit zuständig sind. Auch für die Schulen haben wir Polizeibeamte als Ansprechpartner zur Verfügung gestellt. Das ist ganz wichtig, damit wir Gewalt an den Schulen und auch Jugendkriminalität präventiv angehen. Aber das hat mit dem, was PPS leistet, nichts zu tun.

Natürlich würde ich gerne parallele Strukturen im gesamten Land aufbauen - das ist keine Frage -, weil es das Angebot erhöht. Aber die finanzielle Lage in unserem Lande können wir nicht ausblenden. Deshalb sollten wir auch nicht darum herumreden. Wir können uns das im ganzen Land nicht leisten. Daher sollten wir auf die Strukturen zurückgreifen, die es in unserem Land gibt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Damit sind wir am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend die Ausschüsse für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie für Haushalt und Finanzen. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! Dann wird so verfahren.

Der Tagesordnungspunkt 41 ist bereits am Mittwoch überwiesen worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 42: Erste Beratung: Größere Spielräume für Wissenschaft und Forschung - Finanzminister Möllring muss Wissenschaftstarifvertrag jetzt verhandeln! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1908

Ich erteile der Frau Kollegin Graschtat das Wort zur Einbringung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Forderung nach einem Wissenschaftstarifvertrag steht schon seit Jahren im Raum; denn unsere Hochschulen brauchen gute Rahmenbedingungen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Wer würde das bestreiten wollen? Diese Forderung muss allerdings durch konkretes Tun mit Leben erfüllt werden. Das vermissen wir bei den Ministerpräsidenten der CDU-regierten Bundesländer und speziell bei unserem Ministerpräsidenten leider völlig.

Das Thema Wissenschaftstarifvertrag ist ein weiterer Akt in dem Trauerspiel „Blockade um jeden Preis“, das von einigen wenigen profilierungssüchtigen Herren zulasten der Bildungspolitik im Allgemeinen und der Hochschulen im Besonderen schon viel zu lange aufgeführt wird.

(Reinhold Coenen [CDU]: Jetzt ma- chen Sie mal halblang!)

Mit den so genannten Potsdamer Beschlüssen haben sich Anfang Februar die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mit Bund und Kommunen auf

eine Reform des seit mehr als 40 Jahren geltenden BAT verständigt. Ab 1. Oktober 2005 gilt der Tarifvertrag öffentlicher Dienst, ein vereinfachtes und modernisiertes Tarifrecht, in dem z. B. an die Stelle der bisherigen Lebensaltersstufen und Bewährungsaufstiege Erfahrungs- und Entwicklungsstufen treten. Dies ist auch für die Beschäftigten an den Hochschulen ein richtiger Weg.

(Zustimmung bei der SPD)

Dazu muss dieser Tarifvertrag allerdings auch dort Geltung erhalten. Leider verweigert die Tarifgemeinschaft der Länder mit ihrem Verhandlungsführer, Finanzminister Möllring, bisher jede Übernahme für die Bundesländer.

(Zuruf von der CDU: Das ist auch gut so!)

Für die Wissenschaft bedeutet das: Ab dem 1. Oktober wird in den Forschungseinrichtungen des Bundes das neue Tarifrecht, an den Niedersächsischen Hochschulen und den Forschungseinrichtungen Niedersachsens weiterhin der 40 Jahre alte BAT gelten.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Das wird zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen zulasten unserer Einrichtungen führen. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, dies zu verhindern. Der Tarifvertrag öffentlicher Dienst muss für die Beschäftigten der Länder und damit auch für Niedersachsen übernommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Einstieg für die Hochschulen, der allerdings nicht ausreicht. Die neuen Regelungen entsprechen nicht vollständig den Anforderungen in Forschung und Lehre. Die Hochschulrektorenkonferenz, der Wissenschaftsrat, die Präsidenten der Forschungsgesellschaften, die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften - also eigentlich alle sind dabei auf unserer Seite. Es gibt ein, wie der Wissenschaftsrat es nennt, unbestreitbares öffentliches Interesse, die Wissenschaft in die Lage zu versetzen, Arbeitsbedingungen attraktiv zu gestalten. Die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen müssen bei der Konkurrenz mit der Privatwirtschaft um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem In- und Ausland mithalten können. Spitzenleistungen erfordern attraktive Arbeitsbedingungen.

Was tut unser Wissenschaftsminister Stratmann, um hier voranzukommen? - Leider nichts! Deshalb haben wir mit diesem Antrag die Initiative ergriffen, damit sich endlich etwas bewegt.

(David McAllister [CDU]: Das wird ihn schwer beeindrucken!)

- Ja, das hoffe ich, Herr McAllister. Das ist auch notwendig. - Warum brauchen wir für den Wissenschaftsbereich gegenüber dem übrigen öffentlichen Dienst eigene tarifvertragliche Regelungen?

(Zuruf von der CDU: Sie werden es uns erzählen!)

- So ist es. Wenn Sie zuhören, werden Sie hinterher hoffentlich ein bisschen klüger sein. - Die Antwort: In der Wissenschaft muss vorrangig gestaltet statt verwaltet werden. Der Kreativität und der Qualität der Ergebnisse kommen eine zentrale Bedeutung zu. Auch der internationale Austausch und das Ziel, z. B. ausländische Teams für Forschungsprojekte zu gewinnen, sind in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes in dieser Form eher selten zu finden. Die Arbeitsanforderungen, die Flexibilität und die Fluktuation unterscheiden sich von anderen staatlichen Einrichtungen. Kooperationen zwischen Industrie und Hochschulen, der so genannte Wissenstransfer, erfordern zudem eine hohe Mobilitätsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen wird auch über die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und damit über die Verhandlungsbereitschaft von Finanzminister Möllring entschieden.

Meine Damen und Herren, wie viele andere Fragen in diesem Bereich stehen auch die Frage der Tarifverträge und die Frage, wer verhandelt, im Spannungsverhältnis von staatlicher Verantwortung auf der einen und weitgehender Hochschulautonomie auf der anderen Seite. Das wird an den unterschiedlichen Auffassungen zwischen der Hochschulrektorenkonferenz auf der einen und den Gewerkschaften sowie - nach meinen Informationen - auch den Bundesländern auf der anderen Seite zu der Frage, ob es einen eigenständigen Tarifvertrag für die Wissenschaft oder ein Spartenfenster innerhalb des Tarifvertrages des öffentlichen Dienst geben sollte, deutlich. Die SPDFraktion spricht sich eindeutig für ein Spartenfenster innerhalb des Tarifvertrages öffentlicher Dienst aus. Auf der Arbeitgeberseite müssen auch in Zukunft die Länder im Rahmen ihrer staatlichen

und insbesondere finanziellen Verantwortung für die Hochschulen verhandeln. Damit können alle spezifischen Fragen für die Hochschulen zufrieden stellend gelöst werden. Selbstverständlich soll die Hochschulrektorenkonferenz mit ihrem Sachverstand von den Ländern in die Verhandlung einbezogen werden.

Meine Damen und Herren, der Bund hat seinerzeit das Thema „Wissenschaftstarifvertrag“ nach dem Ausstieg der Länder wegen der Länderzuständigkeit für die Hochschulen und aus Respekt vor dieser Länderzuständigkeit nicht weiter behandelt. So viel zu den Behauptungen von gewisser Seite, der Bund mische sich hier unzulässigerweise ein.

Jetzt, nachdem die Länder wieder in die Tarifverhandlungen eingestiegen sind, wird es allerhöchste Zeit, auch das Thema Wissenschaftstarif endlich anzupacken.