Protocol of the Session on May 19, 2005

(Bernd Althusmann [CDU]: Also las- sen wir sie alle draußen!)

Das Beispiel, das Sie hier gerade angeführt haben, ist in meinen Augen völlig schief. Die Jugendstrafe mit Bewährungsauflage scheint ja sehr gut zu wirken, sie entfaltet ihre Wirkung. Sie bestreiten das aber immer. Sie sehen das als Freispruch zweiter Klasse, deswegen entfaltet das keine Wirkung. Genauso ist es eben nicht. Das entfaltet seine Wirkung und ist eine sehr gute Sanktionsmöglichkeit. Die Jugendlichen verstehen sehr gut, dass sie eine Strafe auf Bewährung bekommen haben. Sie werden danach weniger als nach einem Arrest rückfällig. Genau das müssen wir als Gesetzgeber doch wollen.

Zweitens. Herr Kollege Nacke hat ja hier eine sehr schöne Rede dazu gehalten, wie das Verfassungsrecht auszusehen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Es war Ihr eigener parlamentarischer Geschäftsführer, der in der EnqueteKommission von der Regierung gefordert hat, die Exekutive solle das Parlament unterrichten, wenn es Bundesratsinitiativen mache, das würde das Parlament sehr stark vitalisieren und wäre ein großer Fortschritt, um die Parlamente ein Stück weit lebendiger zu machen. Halten Sie sich also an die Beschlüsse, die Ihre eigenen parlamentarischen Geschäftsführer in den Enquete-Kommissionen fordern!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Drittens. Es ist wirklich unglaublich billig und fast schon eine kleine Beleidigung für den Geist, die Schuld für alles und jeden in dieser Republik den 68ern zu geben.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Sind Sie Jahrgang 68?)

Herr Kollege Albers, Sie haben für drei Minuten das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber David! Frau Ministerin, ich habe zum einen die Antwort richtig und gut gelesen. Zum anderen habe ich aber auch die Stellungnahmen der Professoren gelesen, die zitiert worden sind und eine klare Sprache sprechen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie haben sie nicht verstanden!)

Wenn klar ist, dass ein Arrest im Durchschnitt eine Rückfallquote von 70 % und eine Strafe auf Bewährung nur eine Rückfallquote von 55 % hat, dann wird selbst in Zeiten von PISA die CDU erkennen, dass 55 besser als 70 ist, oder? - So viel zum ersten Punkt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Frau Ministerin, Sie haben ein sehr gutes Beispiel für die Politik dieser Regierung gebracht. Ich meine, das ist populistisch. Sie haben einen Einzelfall herausgegriffen und erklärt: Wenn hier anders geurteilt worden wäre, dann wäre vieles besser geworden. - Sie fordern auf der Basis von Einzelfällen, bei denen Sie auch noch sagen „Das wäre wahrscheinlich anders gekommen“, eine generelle Verschärfung des Jugendstrafrechts. Das kann doch keine ordentliche Politik sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat noch einmal der Kollege Nacke für drei Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, ich verstehe das nicht so ganz.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Erklären Sie mir bitte, warum Sie ein Problem damit haben, wenn man Jugendrichtern im JGG eine zusätzliche Variante an die Hand gibt, damit sie auf die Straftat eines Jugendlichen oder Heranwachsenden angemessen reagieren können. Warum hegen Sie gegenüber Jugendrichterinnen und Jugendrichtern ein so starkes Misstrauen, dass sie diese Möglichkeit nicht ordnungsgemäß anwenden? Das begreife ich nicht und werden Sie hier nicht erklären können. Sie wollen im Grunde genommen ein völlig anderes Jugendstrafrecht. Das werden wir nicht mitmachen, weil es an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind damit am Ende der Besprechung der Großen Anfrage.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Keine Länderzusatzsteuer - Wettbewerbsföderalismus verhindern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1827

Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Lestin. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vom Jugendstrafrecht nun in die Niederungen der Finanzpolitik. Das Thema, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, heißt: Wettbewerbsföderalismus oder Solidarität zwischen den Ländern bzw. zwischen Bund und Ländern?

Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion ist unsere Reaktion auf eine Pressemitteilung der CDU. Unser Ansinnen ist es, Schaden vom Lande abzuwenden. In dieser Pressemitteilung fordert die CDU, den Ländern ein Zuschlagsrecht für bestimmte Steuern einzuräumen, und beruft sich dabei auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF. Die wesentlichen Punkte dieses Gutachtens sind zum einen grundsätzliche ökonomische Aspekte von Haushaltskrisen in Bundesstaaten und zum anderen Haushaltsnotlageverfahren. Genannt werden dort eine Reihe sicher beachtenswerter Vorschläge, insbesondere zur Vorbeugung und Vermeidung von Haushaltsproblemen. Damit haben wir uns auseinander zu setzen, z. B. mit der Frage, ob es richtig ist, dass ein Land, in Haushaltsnotlage befindlich, Ausgaben tätigt, die sich andere Länder nicht leisten können. Als Beispiel nenne ich das Saarland und die teilweise Befreiung von Kita-Beiträgen.

Viele der Vorschläge des Gutachtens müssen aber einer Landesregierung wie der Landesregierung in Niedersachsen, die erklärt hat, bis 2008 keinen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen zu können, wie das Vorzeigen der Folterinstrumente erscheinen, z. B. die vorgeschlagene Möglichkeit der Insolvenz eines Landes. Haben Sie einmal ausgerechnet, was diese Möglichkeit der Insolvenz an zusätzlicher Zinslast bedeuten würde? Aber aus all diesen mehr oder weniger akzeptablen Vorschlägen dieses Beirates macht die CDU ausgerechnet das zum vorrangigen Thema, was für Niedersachsen das Gefährlichste ist, nämlich das Zuschlagsrecht für bestimmte Steuerarten, und fordert außerdem die schnellstmögliche Umsetzung. Die Frage ist: Ist das ein Thema für Niedersachsen? Der momentane Stand ist: Alle öffentliche Haus

halte leiden unter Einnahmeschwäche, aber die Haushaltssituation ist nicht überall gleich. Niedersachsen gehört zu den Ländern, deren Finanzlage schlechter ist als die Situation anderer Länder.

(Zuruf von der CDU: Nach 13 Jahren SPD ist das auch kein Wunder!)

Niedersachsen gehörte immer zu denen, die finanzschwächer sind als andere. Diesen Zustand zu beseitigen, ist auch Ihrer Landesregierung nicht gelungen.

(Zuruf von der CDU: Noch nicht! - Sil- ke Weyberg [CDU]: Wir sind auf gu- tem Weg!)

- Ihre Hoffnungen in Gottes Ohr. Ich erinnere an Ihre Personalmaßnahmen, die ja dazu geführt haben, die Lage weiter zu verschlechtern, z. B. Lehrer einzustellen, die keinerlei Nutzen für die Unterrichtsversorgung bringen, weil sie - -

(Bernd Althusmann [CDU]: Aber bei den Ganztagsschulen haben Sie es beklagt! Für Ganztagsschulen fordern Sie Lehrer! Ich glaube, es hackt! - Weitere Zurufe von der CDU - Unru- he - Glocke der Präsidentin)

- Sie kennen doch die Zahlen. Sie wissen doch genau, dass diese Stunden in Ihrer unsinnigen Schulstrukturreform versickert sind. Sie bringen keinen Nutzen. Sie stehen heute schlechter da als vorher. Sie haben nur höhere Personalkosten.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Sie wollten 2 500 Lehrer streichen, oder?)

Zurück zu Ihrem Vorschlag: Man sollte meinen, Jubel über die Vorschläge der Kommission würde vor allem bei den Ländern laut werden, die besser dastehen als Niedersachsen. Aber nein: Gerade die CDU in Niedersachsen fordert dieses Instrument der Länderzusatzsteuer vehement. Wirkung: Niedersachsen als Hochsteuerland. Können wir uns das wirklich wünschen?

(Bernd Althusmann [CDU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Irgendwie klingt das wie eine Geschichte von Münchhausen. Sie kennen das von Münchhausen, nicht wahr? Er soll sich angeblich am eigenen Zopf aus dem Sumpf gezogen haben. Vergleichen Sie es mit der Realität!

(Zuruf von der CDU: Sie sitzen immer noch auf der Kugel!)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich werden Unternehmen und auch Menschen, die etwas zu erben haben, gern die erhöhten Steuern in Niedersachsen zahlen. Oder etwa nicht?

(Bernd Althusmann [CDU]: So ein Quatsch!)

Wir alle beklagen doch die Entwicklung, dass Unternehmen Wege suchen und dorthin auswandern, wo man mit weniger Steuern auskommt. Das kennen Sie alles im internationalen Vergleich. Das sollen wir uns nun auch nach Niedersachsen holen? Das wollen Sie doch!

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie waren doch mit in der Schweiz! Da war es nicht so!)

Ziel muss es doch sein, eine Angleichung der Steuern auf europäischer Ebene zu erreichen. Und Sie wollen die Angleichung in Deutschland aufheben? - Sie alle kennen die Möglichkeiten der Vermeidung. Man muss nicht einmal Produktionsstätten irgendwo hin verlagern, sondern man muss nur die Gewinne dorthin bringen, wo weniger zu bezahlen ist. Die Kreativität kennt keine Grenzen. Unsere Finanzämter laufen ihnen hinterher, um die Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Das ist der zweite Versuch, die Solidarität aufzuheben. Sie kennen das. Ich erinnere an den Länderfinanzausgleich. Es war damals das wesentliche Verdienst unseres Finanzministers Heinrich Aller - -

(Zurufe von der CDU: Was? Der hat Verdienste gehabt? - Dann bin ich aber gespannt!)

Er hat unsere Interessen mit Erfolg vertreten und günstige Lösungen für Niedersachsen herausgeholt, während andere Länder, so genannte reiche Länder wie Bayern - jahrzehntelang ein Empfängerland, nun gerade zum Geberland geworden -, nichts mehr dazu beitragen wollten. Sie von der CDU wollen diesen Weg jetzt wieder verlassen: Weg von einem solidarischen System hin zu einem Wettbewerb um Einnahmen. Ahnen Sie wirklich nicht, wer bei diesem Wettbewerbsföderalismus gewinnen wird und wer Verlierer sein wird?

Wettbewerb ja, aber unter gleichen Bedingungen. Dabei können Sie in der Regierungsverantwortung

nun Kreativität beweisen. Beispiele für diese Kreativität: Erstens: Mehr Kreativität bei der Begrenzung der Ausgaben, nicht nur zulasten der Behinderten und zulasten der Kommunen. Zweitens: Planvolles Handeln bei der Verbesserung der Einnahmen, z. B. indem Sie Ihre Blockadehaltung beim Abbau von Subventionen aufgeben.

(Zuruf von der CDU: Kohlesubventi- on!)

Erfolgreiches Handeln auf diesen beiden Feldern würde uns in Niedersachsen ganz erheblich weiterbringen. Unsere Forderungen an die Landesregierung lesen Sie in unserem Antrag. Ich hoffe auf eine gute Beratung in den Ausschüssen und vor allem auf Ihre Einsicht über den Unsinn Ihrer Veranstaltung.