Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Konzept zur Neuordnung der Kulturförderung in Niedersachsen hat nicht überall Zustimmung gefunden.
Allerdings wird von den Kritikern eher gemeint und behauptet als argumentiert. Das gilt ebenso für die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates wie die des akku oder der Kulturpolitischen Gesellschaft. Die ändert übrigens ab und zu gerne ihre Meinung. Noch 1997 hieß es in den von ihr herausgegebenen Kulturpolitischen Mitteilungen, Heft 3, über Niedersachsen - ich zitiere -:
„Die in der Struktur der Landschaftsverbände angelegten Möglichkeiten werden bisher nicht konsequent in die Kulturpolitik des Landes integriert.“
(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil! - Bernd Althusmann [CDU]: Wer war denn da Minister?)
In zwei Punkten hat uns die Kritik allerdings überzeugt, wir sind ja lernfähig. Es ist in der Tat nicht Aufgabe des Staates bzw. der Landesregierung, den Kulturverbänden vorzuschreiben, wie sie sich untereinander organisieren sollten. Das haben wir in unserem Antrag geändert. Aber eines ist auch klar: Welche Arten von Zusammenschlüssen das Land angesichts extremen Sparzwanges als förderungswürdig erachtet, ist Sache des Landes. Die Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern gebietet es, die Mittel effizient einzusetzen.
Wir haben, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, Verbände, die bisher schon Fortbildung für Kulturschaffende anbieten, in unseren Änderungsantrag ausdrücklich einbezogen.
Aber nun zum Kern der Diskussion. Ist das bisherige Konzept des beliehenen Unternehmers in der Kulturförderung wirklich das Erfolgsmodell, als das es die Nutznießer dieses Systems - aus ihrer Sicht
ja sehr verständlich - darstellen? Wenn es in allen anderen Bundesländern als beispielhaft angesehen würde und wir darum beneidet würden, Frau Dr. Andretta, warum hat es dann noch kein anderes Land eingeführt? Es liegt doch kein Patent darauf.
(Thomas Oppermann [SPD]: Die trau- en sich das nicht zu! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das macht keinen Sinn!)
Oder ist es vielleicht eher so, dass das wieder einer jener niedersächsischen Sonderwege war, den andere aus guten Gründen gar nicht erst gegangen sind, ähnlich wie die unselige Orientierungsstufe?
Ein beliehener Unternehmer wie die LAGS erhält für die Vertragsdauer Geld vom Staat. Er kann damit im Rahmen der Vertragszwecke, vereinfacht ausgedrückt, schalten und walten, wie er will. Er prüft und bewilligt. Er ist natürlich gut beraten, vernünftig zu agieren. Aber das sollte ohnehin jeder.
Aber ist dieses Modell „alles in einer Hand“ im Kulturbereich wirklich optimal? Besteht nicht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass sich auf die Dauer eine Art closed shop etabliert, eine geschlossene Gesellschaft, bei der Außenstehende Schwierigkeiten zumindest befürchten müssen, an Fördergelder zu kommen? Gerade im Kulturbereich wollen wir doch auch dem Neuen, dem Querliegenden eine Chance geben.
Wenn die LAGS von Insidern der Kulturszene gern als „erste Behörde“ tituliert wird, dann mag das spaßig gemeint sein, aber eben mit einem Körnchen Wahrheit. Übrigens fallen allein durch die Konstruktion des beliehenen Unternehmers bei der LAGS Kosten von rund 20 000 Euro in Form von Mehrwertsteuer an, die sonst in Projekte fließen könnten.
Ganz am Rande, aber symptomatisch: Monopolisten wie die LAGS neigen dazu, skurrile Regularien zu entwickeln. So soll jeder Förderantrag an die LAGS zwei Unterschriften tragen, von denen mindestens eine von einer Frau stammt. Also, zwei Frauen können bei der LAGS gemeinsam einen Antrag stellen, ein Mann und eine Frau auch, aber zwei Männer gemeinsam nicht. Was soll das?
Wir meinen, die Kulturverbände sollten die ihnen angemessene Funktion, nämlich die fachliche Beratung, wahrnehmen. Von Verwaltungsaufgaben wollen wir sie entlasten. Die Verwaltung der Fördergelder ist richtig bei denen angesiedelt, deren tägliches Brot die Verwaltung von öffentlichen Geldern ist. Die Trennung von Beratung und Vergabe der Mittel bringt auch die Klarheit und Transparenz nach außen, welche die Bürger von uns zu Recht erwarten, gerade die Bürger, die sich in der Kultur engagieren oder erst noch engagieren wollen. Vielen Dank.
Bevor ich Herrn Minister Stratmann für die Landesregierung das Wort erteile, möchte ich das Parlament darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den Tagesordnungspunkt 26 noch vor der Mittagspause zu behandeln.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Zielke, herzlichen Dank für Ihren Beitrag. In der Tat, wenn man sich die Kulturförderstrukturen in Niedersachsen der vergangenen Jahre anschaut, drängt sich fast ein wenig der Verdacht auf, dass man tatsächlich, so wie Sie, Mathematik und Medizin studiert haben muss, um das so sauber analysieren zu können, wie Sie das gerade hier getan haben.
Umgekehrt muss ich sagen, habe ich in diesem Haus selten von der Opposition so viel Unsinn gehört wie in den beiden Reden, die eben gerade gehalten wurden.
Liebe Frau Heinen-Kljajić, insbesondere bei Ihnen war ich die letzten Jahre etwas verwöhnt und bin umso enttäuschter. Was Sie hier zum Verfahren geschildert haben, ist falsch. Wir werden künftig, wenn unsere Gespräche zu einem guten, konstruktiven Ende geführt worden sind - wir sprechen ja mit den Verbänden; es sind gute Gespräche, viel besser, als nach außen hin der Eindruck erscheint -, ein Verfahren haben wie wir es in allen anderen Bereichen seit Jahren immer schon mit Erfolg praktiziert haben. Da wird es überhaupt
Wie ich den Kollegen Oppermann kenne und schätze, wenn der sich in seiner Zeit als Minister etwas intensiver mit seiner Kulturpolitik befasst und das nicht ausschließlich seiner Abteilungsleiterin überlassen hätte, was auf Grund der damaligen Finanzlage vielleicht auch möglich war, bin ich sicher, hätte er sehr frühzeitig ähnliche Wege beschritten, wie wir es jetzt tun, weil sich diese Wege einfach als richtig aufdrängen.
Jetzt will ich ein Weiteres sagen. Wer, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bestimmt eigentlich in dieser Republik, was modern, was rückwärts gewandt, was dirigistisch ist? Offensichtlich ist das Thema Modernität von Rot-Grün gepachtet. Wohin uns diese Modernität in dieser Republik geführt hat, das wird in diesen Tagen immer wieder allzu deutlich.
Ich sage jetzt einmal ganz systematisch: Wir gehen einen Weg, bei dem es uns vor allem darauf ankommt, dass das wenige Geld, das wir in Niedersachsen - es ist zu wenig; keine Frage, es ist der Haushaltssituation geschuldet - für Kulturförderprojekte zur Verfügung haben, mit einem möglichst hohen Anteil insbesondere bei den Kulturschaffenden ankommt. Weiter versuchen wir die Mittel, die wir bisher den Verbänden - in diesem Fall sind das vor allem die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur oder der LaFT - zur Verfügung gestellt haben - vor allem für Personal- und Sachkosten; ich kritisiere das nicht, ich stelle nur diesen Sachverhalt dar -, zu reduzieren, um sie den Kulturschaffenden in höherem Maße zur Verfügung zu stellen. Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Dirigismus oder gar Staatsnähe zutun, sondern ist in dem Punkt genau das Gegenteil, nämlich Staatsferne.
Staatsnähe ist genau das, was in den letzten Jahren gemacht worden ist, nämlich Verbände ausschließlich am Gängelband staatlicher Zuschüsse zu führen. Deshalb ist doch die Aufregung jetzt so groß, weil nämlich bestimmte Personalkosten durch unsere Absicht zurückzuführen, so nicht mehr in den Landesverbänden finanziert werden können. Aber das bedeutet doch nicht, dass wir
uns anmaßen - das sage ich ausdrücklich an die Anwesenden, auch hier hinten in der Loge -, ausgerechnet als bürgerliche Koalition Vorschriften darüber zu machen, ob es weiter diese Verbände gibt und welche Aufgaben diese Verbände wahrzunehmen haben. Das geht uns überhaupt nichts an. Als Einziges sagen wir, unser Ziel ist es, so wie wir es auch in anderen Bereich getan haben, dafür Sorge zu tragen, dass möglichst unbürokratisch möglichst viel Geld bei den Menschen ankommt, die Kulturförderanträge stellen.
Ich will einen weiteren Punkt zu dem Vorwurf dirigistisch und mehr Staat aufgreifen. Meine Damen und Herren, wir haben eine komplette Mittelinstanz, nämlich die Bezirksregierung abgeschafft. Das hat doch nichts mit mehr Staat, sondern mit weniger Staat zu tun.
Die Kulturförderdezernate, die es da bisher gab, gibt es jetzt nicht mehr. Stattdessen machen das für uns die Landschaften. Die Landschaften sind, wie jeder weiß, doch eher staatsfern als staatsnah, weil sie aus ihren Mitgliedern bestehen. Auch da ist doch hier viel Unsinn geredet worden, um nicht zu sagen, sogar die Unwahrheit verbreitet worden. Es hat in den letzten Wochen Berichterstattung gegeben, die mich zugegebenermaßen ärgert; das ist doch völlig klar. Das hat eben auch damit zutun, dass diese Berichterstattung vor allem auf der Grundlage falscher und unwahrer Sachverhalte entstanden ist. Ich nehme das zur Kenntnis. Ändern kann ich es leider nicht. Ich bedanke mich ausdrücklich bei all denjenigen, die gegenwärtig und in der Vergangenheit, gerade auch im Bereich der Soziokultur, hervorragende Arbeit geleistet haben.
Es geht überhaupt nicht um die inhaltliche Bewertung. Allerdings will ich eines einschränkend sagen - Herr Zielke hatte das erwähnt, und das, lieber Thomas Oppermann, ist uns aufgefallen; ich finde es ein bisschen schade, dass das in den vergangenen Jahren nicht thematisiert worden ist -: Der Kreis derer, die sozusagen Empfänger von staatlichen Leistungen in bestimmten Bereichen der Kulturförderung waren, war über einen Zeitraum von fast zehn Jahren hinweg im Großen und Ganzen leider immer derselbe. Ich stelle das hier völlig wertneutral dar. Es wird immer wieder gefragt, warum das so gewesen ist und warum man das nicht geändert hat.
Wir ändern und öffnen das jetzt. Wir sagen: Jeder in Niedersachsen hat eine Chance, wenn er nachweist, dass das, was er macht, mit qualitativen Gesichtspunkten in Übereinstimmung zu bringen ist. Jeder hat eine Chance, im Rahmen der verfügbaren Budgets an staatliche Mittel heranzukommen, wenn die Begutachtungen positiv ausfallen. Diese Begutachtungen werden auch künftig etwa durch Vertreter der Soziokultur vorgenommen werden. Das maßen wir uns als Staat nicht an. So wie wir es im Theaterbereich, in den Bereichen der bildenden Kunst und der Literatur tun, werden wir auch in der Soziokultur die Verbände so intensiv mit einbinden, wie wir es auch in der Vergangenheit schon getan haben.
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Es ist wahr: Wir haben durch die Abschaffung der Bezirksregierungen in allen Häusern, auch im MWK, zusätzliche Mitarbeiter bekommen, deren Aufgaben auf der Ebene der Bezirksregierungen entfallen sind. Da wir diese Menschen nicht nach Hause schicken wollen und können, haben wir sie zum Teil in unsere Ressorts aufgenommen. Dieses Thema ist an anderer Stelle ja bereits ausgiebig diskutiert worden. Diese Mitarbeiter haben z. B. in den Dezernaten 406 der Bezirksregierungen die letzten Jahre diese Zuwendungsbescheide im Bereich der Kulturförderung geprüft. Sie sitzen jetzt z. B. in meinem Haus und - ich überspitze das etwas - drehen Däumchen. Soll ich mir denn jetzt, da mir dieser Sachverhalt bekannt ist, die Kompetenz und die Leistungsfähigkeit dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu Eigen machen, um im Bereich der Kulturförderung etwas voranzubringen? - Der Bund der Steuerzahler, der Rechnungshof und andere würden mich zu Recht kritisieren, wenn ich dies nicht täte. Wir tun das. Dies ist eine Folge der Abschaffung der Bezirksregierungen. Das räume ich freimütig ein. Trotz dieser Haushaltssituation soll ich gleichzeitig noch zusätzlich Leute finanzieren, die die gleichen Aufgaben übernehmen? Meine Damen und Herren, das passt doch nicht zusammen. Das hat nichts mit Staatsferne oder Staatsnähe, sondern mit pragmatischem Handeln zu tun und auch mit der Verantwortung, der ich mich als Minister im Umgang mit Steuergeldern zu stellen habe.
Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 23. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.
Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 24. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP und dann über die Beschlussempfehlung des Ausschusses im Übrigen ab.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses im Übrigen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.
Tagesordnungspunkt 25: Zweite Beratung: Niedersachsen zum Musterland für bürgerschaftliches Engagement entwickeln - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/840 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/1885