In diesen Tagen kam der Innenminister auf einer Regionalkonferenz - das war für ihn der Versuch der Notbremsung, nachdem ihm der Wind im ganzen Land entgegen blies
endlich einmal mit den kommunalen Partnern ins Gespräch, leider aber mit einer Vorgabe, die so etwas wie eine Endgültigkeit hatte, ohne ergebnisoffen mit den derzeit Zuständigen in einen Dialog einzutreten. Das war eher ein Monolog.
Nein, im Gegenteil. Vor elf Monaten gab es solche Pläne nicht, und jetzt sind darüber hinaus auch noch Gifhorn und Wolfsburg in diesem Verbund.
Er antwortete weiter - auf die zweite Frage -: Es bleibt selbstverständlich beim eigenen Wirkungskreis der Kommunen. Man strebt eine Zusammenlegung von Leitstellenbereichen auf kommunaler Ebene an.
„Eine Zuständigkeitsverlagerung der Aufgaben im Bereich der Leitstellen auf das Land ist eine langfristige Alternative, der die Landesregierung keine Priorität im Rahmen der Sachprüfung einräumt.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesen Aussagen vor elf Monaten kann man doch nur zwei Bewertungen treffen, wenn man den aktuellen Diskussionsstand kennt, der ja auch in Ihrer Fraktion, wie wir wissen, aus der kommunalen Sicht für ordentlich Furore gesorgt hat: Entweder ist die Halbwertzeit von Plänen im Innenministerium geringer als sechs Monate, oder - das ist die Alternative - der Minister hat vor elf Monaten zwar andere - Dritte -, nicht aber das Parlament nach bestem Wissen und Gewissen informiert. Nur eine Antwort kann zutreffen. Beides spricht nicht für die Seriosität seiner Politik.
Meine Damen und Herren, bei den Regionalkonferenzen, die jetzt stattfinden, hat der Minister überdeutlich gemacht, dass er für die Flächenpolizeidirektionen je zwei Leitstellenbereiche als „bunte Leitstellen“ in einräumiger Organisation fordert und für den Bereich der Polizeidirektionen Hannover und Braunschweig eine Leitstelle dieser Art. Mir hatte ein Braunschweiger Feuerwehrleiter in einer E-Mail mitgeteilt - das war überdeutlich -, dass das für die Feuerwehrkameraden der Landkreise und die Kolleginnen und Kollegen von den Berufsfeuerwehren aus Wolfsburg und Salzgitter selbstverständlich starker Tobak war. Die Hauptverwaltungsbeamten haben deutlich gefragt: Wo bleibt denn hier eigentlich die Partnerschaft mit den Kommunen, die Sie immer wie eine Monstranz hochhalten, wenn die nach den derzeit gültigen Gesetzen Zuständigen sozusagen mit vollendeten Tatsachen konfrontiert werden? - Das Motto war: Friss, Vogel, oder stirb! Das ist mein Modell. Ihr seid zuständig, aber macht dieses und kein anderes freiwillig. Das ist kein partnerschaftlicher Umgang mit denen, die zurzeit gesetzlich zuständig sind.
Meine Damen und Herren, wir verschließen uns nicht der Debatte über die Veränderung von Leitstellenbereichen. Wir wissen um die Synergieef
fekte. Wir wissen, dass man das mit heutiger Technik noch besser organisieren kann. Deswegen lässt unser Entschließungsantrag durchaus Lösungen offen, aber er gibt Paradigmen vor, die man auch denen vorgeben muss, die derzeit zuständig sind, die derzeit in den Gesetzen als Aufgabenträger genannt sind. Da ist Freiwilligkeit angesagt. Dabei kann es nicht darum gehen, denen, die zuständig sind, ein Modell überzustülpen.
Was wollen Sie denn überstülpen? Sie wollen Ihr Modell von Polizeidirektionen jetzt auch den Kommunen sozusagen überstülpen, obwohl noch heute einige nicht verstehen, warum z. B. Borkum zu Osnabrück oder Nienburg zu Göttingen gehören.
Meine Damen und Herren, bei den Kommunen hat sich das Verantwortungsbewusstsein, auch bei den Leitstellen die Wünsche der Kostenträger - Krankenkassen für den Rettungsdienstbereich zu berücksichtigen, aber auch eigene Synergieeffekte zu erzielen, schon lange durchgesetzt.
- Selbstverständlich. Aber nicht bei Ihrem Modell. Ich komme gleich darauf zu sprechen. - Darüber gibt es freiwillige Gespräche. Wenn z. B. die Landkreise Gifhorn, Celle und Uelzen ein Gefahrenpotenzial „Südheide“ - denken Sie nur einmal an Heidebrände früherer Zeit - sehen und einen gemeinsamen Leitstellenverbund vorschlagen, dann ist das ein richtiger Schritt und sinnvoll, steht aber Ihren Planungen entgegen, weil Sie mitten in diesem Gebiet eine Polizeidirektionsgrenze haben. Das kann es doch nicht sein!
Oder: Wenn die Landkreise an der ostfriesischen Küste wegen des Gefahrenpotenzials „Hochwasser“ vorschlagen, den Leitstellenbereich auf die gesamte ostfriesische Küste auszudehnen, dann stehen dem aber die Polizeidirektionsgrenzen zwischen Oldenburg und Osnabrück entgegen. Deswegen ist das aus Ihrer Sicht nicht machbar, obwohl es sinnvoll wäre.
Meine Damen und Herren, es kann nicht darum gehen, dieses System Ihrer Polizeidirektionen, das wir in der jetzigen Form nach wie vor nicht für op
timal halten, den Kommunen überzustülpen. Es darf auch nicht darum gehen, ein weiteres Mosaiksteinchen zu setzen und den Eindruck zu erwecken, dass die kommunale Aufgabe „Feuerwehr und Rettungsdienst“ jetzt sozusagen der Ordnungs- und Befehlsgewalt von Polizeipräsidenten unterstellt wird.
(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Quatsch hoch drei! - Was sagen Sie? Quatsch? (Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist Quatsch!)
- Herr Kollege Biallas, einer der Polizeipräsidenten - ich nenne jetzt keinen Namen, ich könnte ihn aber nennen - hat vor kurzem Feuerwehrchefs aus freiwilligen Feuerwehren und Berufsfeuerwehren - kommunale Ehrenbeamte und kommunale Beamte - mit den Worten begrüßt: Eigentlich bin ich ja Ihr Chef, aber ich will mal kollegial mit Ihnen umgehen.
- Ja, darüber können wir uns unterhalten. Hier im Hause sitzen Kolleginnen und Kollegen, die bei dieser Veranstaltung dabei waren. - Sie haben den Polizeidirektionen nicht nur die Aufgabe des Katastrophenschutzes zugeordnet, jetzt ist die „bunte Leitstelle“ Ihr einziges Modell.
Sagen Sie mal: Welche Funktion soll eigentlich die Landrätin bzw. der Landrat oder die Oberbürgermeisterin bzw. der Oberbürgermeister in Zukunft im Katastrophenschutz haben?
Wollen Sie denen das als nächste Aufgabe entziehen und auch die Polizeipräsidenten sozusagen zu obersten Katastrophenschützern machen? Meine Damen und Herren, Sie werden sagen: „Nein, das haben wir nicht vor“, was ich ja vernünftig fände. Sie können denen trotzdem nicht ihr EinsatzKnow-how, nämlich ihre kommunale Leitstellenorganisation, nehmen. Denn wie soll in einem Katastrophenfall das vor Ort gehandhabt werden? Es gibt viele offene Fragen.
Deswegen setzen wir, wie es jetzt in den Gesetzen steht, auf freiwillige Prozesse. Man muss Anreize geben und darf nicht mit der Keule drohen.
(Hans-Christian Biallas [CDU]: Wer droht denn mit der Keule? Die Regie- rungszeit der SPD ist vorbei! Da gibt es niemand, der mit der Keule re- giert!)
Dann kann man Kommunen auch ins Boot bekommen, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Ich habe Ihnen Beispiele genannt, wo sich diese Bereitschaft entwickelt und besteht. Sie meinen, Sie müssen die Aufgabe in „bunten Leitstellen“ an das Land ziehen. Die können dann nur im Hause der Polizei sitzen. Ich denke nur an die Feuerwehrdienstvorschrift und die Polizeidienstvorschrift 100.
Die bedingt nämlich die Existenz dieser Leitstelle auch in einer Polizeidienststelle. Das müssen die Kommunen wissen. Wir sagen: Wenn sie das freiwillig machen wollen, sollen sie das können. Aber die Leitstelle sitzt dann bei der Polizei. In diesem Falle müssen Sie diese Aufgabe als Landesaufgabe und dann auch die Finanzierung der Leitstellen übernehmen.
Aber da wird in den letzten zwölf Monaten von Ihnen in Veranstaltungen vor Ort von negativer Konnexität gesprochen, so nach dem Motto: Wir beglücken uns mit unserem Ausschließlichkeitsmodell, die Kosten stellen wir euch aber in Rechnung. - Das kann nicht wahr sein.
Es sind nicht nur die Kommunen und die Feuerwehren, die Ihnen das im Augenblick ins Gebetbuch schreiben.
Herr Kollege Bartling und ich haben mit Verantwortlichen der größten Krankenversicherung dieses Landes gesprochen, die im Bereich des Rettungsdienstes Hauptkostenträger ist. Wissen Sie, was die vermuten, warum Sie eine Debatte über die Ausschließlichkeit von „bunten Leitstellen“ führen? - Da soll in Verbindung mit der Einführung des Digitalfunks der Versuch unternommen werden, Kosten der Polizei und Regiekosten des Digitalfunks sozusagen über einen erhöhten Anteil der Kosten am Rettungsdienst auch auf die Krankenversicherung abzuwälzen.
Was ist eigentlich, wenn wir in einer Region nur noch eine „bunte Leitstelle“ ohne Rückfallebene haben? Ich habe vor kurzem erklärt, dass es in Köln beinahe einen katastrophalen Zustand gegeben hätte. Ein Gasaustritt direkt vor der integrierten Feuerwehrund Rettungsleitstelle führte dazu, dass die Berufsfeuerwehr Köln ihre Hauptfeuerwache und ihre Leitstelle räumen musste. Hätte es nicht die Polizeileitstelle gegeben, die in diesem Moment eingetreten ist, hätte Köln ein massives Problem gehabt.
(Hans-Christian Biallas [CDU]: Des- wegen gibt es auch nicht nur eine Leitstelle, sondern zehn Leitstellen!)
Fortschritte ja! Aber wer schließt aus, dass bei solchen Konzentrationen nicht ein Organisationsverschulden eintritt, das Sie dann an der Backe haben, Herr Minister Schünemann, wie Sie es jetzt schon bei der Zerschlagung der Strukturen des Katastrophenschutzes haben?
Herr Minister Schünemann sagte vor einigen Tagen zu mir, das sei doch eigentlich ein Thema, das wir ohne parteipolitischen Hickhack im Konsens hinkriegen müssten.
(Beifall bei der CDU - Hans-Christian Biallas [CDU]: Es gibt keine sozialisti- sche Leitstelle! - David McAllister [CDU]: Keine roten Leitstellen!)
Ja, das müsste man können. Aber dann muss man die Gespräche am Beginn führen. Dann kann man nicht dogmatisch bereits mit dem Endmodell auf den Markt gehen und meinen, jetzt würden alle darauf springen.