Wir haben uns immer gefragt, meine Damen und Herren, wie lange eine solche große und traditionelle Fraktion das mitmacht. Sie haben es mitge
macht bis zum bitteren Ende, bis Sie abgewählt wurden. Die Eltern, die Lehrer, die Öffentlichkeit haben das erkannt. Am Ende, meine Damen und Herren - das ist für eine Bilanz schlimm -, wurde in der Schulpolitik alles schlechter und nichts besser, und das ist eine Katastrophe.
Was ich persönlich als unerträglich empfunden habe: Wenn Menschen bezüglich der Schulpolitik Sorgen vorgetragen haben, z. B. weil Unterricht ausfällt, dann haben Sie diese Sorgen nicht mehr ernst genommen. Sie haben gesagt: Das gibt es nicht. Das sind keine Probleme. Die gibt es nicht, weil es sie nicht geben darf, also haben sie nicht stattgefunden. - Dieses Nichternstnehmen hat dazu geführt, dass man Sie abgestraft hat.
Meine Damen und Herren, ich sage das deswegen, weil wir gerade der Frage des Dialogs eine besondere Bedeutung beimessen. Wir werden einiges nachbessern. Sie haben ja selbst Vorschläge gemacht, die wir aufnehmen werden. Sie wissen auch, welche Vorschläge wir aufnehmen werden. Deswegen ist das, was Sie hier gesagt haben, ein bisschen scheinheilig. Ich habe Ihnen schon mitgeteilt, was wir z. B. im Bereich der Gesamtschulen, aber auch woanders ändern werden.
Herr Jüttner, so locker, wie Sie über die Vergangenheit auch reden wollen - es ist aber doch alles ein bisschen schwieriger. Einiges war ja in Ordnung, und das nimmt der Minister auch auf. Aber ich fordere Sie auf: Bekennen Sie sich zu dieser verfehlten Politik. Tragen Sie die Verantwortung, wie es andere klipp und klar gemacht haben. Wer Mist macht, muss auch zu Mist stehen. Ich sage das sehr klar und deutlich.
Meine Damen und Herren, die Bremer haben es wie folgt gemacht. Henning Scherff hat erklärt: Ich stehe für eine verfehlte Bildungspolitik. - Das finde ich ehrlich, aufrichtig. Und Sie versuchen immer noch, zu kaschieren und herumzueiern. Sie tragen die Verantwortung für eine verfehlte Schulpolitik, und das heißt Verunsicherung, das heißt Demotivation, und das heißt regelrechte Vernachlässigung unserer Schulen. Was haben Sie diesen Schulen angetan, meine Damen und Herren!
In keinem anderen Bundesland ist ein solcher Bildungsabbau betrieben worden wie im Bundesland Niedersachsen. Diese Vernachlässigung ist Ihnen in der PISA-Bilanz doch ins Stammbuch geschrieben worden, meine Damen und Herren. Ich brauche die Ergebnisse nicht zu zitieren; Herr Minister Busemann hat das gemacht. Die Bilanz ist negativ, und Sie sind dafür verantwortlich. Aber zu einer Abschlussbilanz gehört auch, dass ich jetzt für Sie feststelle - weil Sie es nicht getan haben -, dass Sie keinerlei Vorsorge für die Zukunft getroffen haben, für die Probleme, für die Herausforderungen, die vor uns liegen. Ganz im Gegenteil: Sie haben ungeniert Wechsel auf die Zukunft ausgestellt, und das trotz der schwierigen Finanzlage, um die Sie wussten. Der Herr Präsident hat es in aller Klarheit gesagt. Hätte er doch ein Jahr vorher gesagt, dass das Land pleite ist! Man hätte Ihnen und uns, die wir jetzt das schwierige Erbe übernehmen müssen, vieles ersparen müssen.
Meine Damen und Herren, der Minister hat über die Altersstrukturen gesprochen. Ich habe 1995 erklärt: Machen Sie bitte etwas. - Das Alter unserer Lehrkräfte war bekannt, die Fächerkombination war bekannt. Sie aber haben das Thema ausgeklammert, und heute stehen wir vor einer dramatisch schwierigen Situation. Ich mache es Ihnen anhand eines Beispiels deutlich: Wir haben im Bereich Physik in Niedersachsen nur noch fünf Leute, die Physik für Hauptschulen studieren. Wir brauchen bis 2005 150 Lehrer. Das Gleiche gilt für Chemie. Dafür ist aber keine Vorsorge getroffen worden, und darüber müssen wir heute reden.
Oder denken Sie an die Arbeitszeitkonten. Die Arbeitszeitkonten stellen sich so dar, dass unsere Lehrkräfte in diesem Jahr 1 700 Vollzeitlehrereinheiten vorgearbeitet haben. Ab dem Jahre 2004 müssen wir, die Nachfolgerregierung, jedes Jahr 700 Vollzeitlehrerstellen an die Lehrer zurückgeben, übrigens: nicht finanziert. 20 Jahre lang, bis zum Jahr 2024, müssen wir 700 Vollzeitlehrereinheiten zurückgeben, weil Lehrer auf Arbeitszeitkonten gearbeitet haben. Das ist Realität, und da geht es um Regierungshandeln; das muss gemacht werden.
Meine Damen und Herren, zu den 700 Lehrern sage ich nichts. Sie sind nicht finanziert. Wenn Sie es ehrlich gemeint hätten, dann hätten Sie den Nachtrag einbringen müssen. So einfach ist das im Leben. Im Moment steht nichts im Haushalt drin, und es stand auch nichts im Haushalt drin. Wir finanzieren es nach. Darauf brauche ich nicht einzugehen.
PISA ist die Quittung für eine verfehlte Schulpolitik. Demotivierte, verunsicherte Lehrer sind die Quittung für Ihre Politik. Fehlender Lehrernachwuchs, brüskierte Verbände, das sind die Quittungen für Ihre Politik, meine Damen und Herren. Wer einen Neuanfang will, muss mit sich ins Reine kommen, Herr Jüttner. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen; denn ich war 1990 auch schon dabei. Wer einen erfolgreichen Neuanfang will, meine Damen und Herren, muss sich - das gebietet der politische Anstand - zu seinen Fehlern bekennen. Das ist wichtig, und das haben Sie nicht getan.
Sie kritisieren scharf. Sie sollen scharf kritisieren; das ist gar keine Frage. Wir nehmen auch davon etwas auf; denn das gehört zum parlamentarischen Spiel. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wo ist eigentlich Ihr schulpolitisches Konzept? Wenn Sie kritisieren, sorgen Sie doch jetzt, wo Sie endlich wieder selbständig denken dürfen, dafür, dass Sie erst einmal konsequent am eigenen schulpolitischen Konzept arbeiten. Im Moment haben Sie noch gar keines.
Wir haben festgestellt, dass niemand die Förderstufe will. Das haben Sie jetzt auch der Presse mitgeteilt. Wir haben Ihnen schon vorher gesagt, dass sie niemand wollte. 29 Verbände haben im letzten Jahr während der Anhörung gesagt, dass sie niemand will. Sie haben sie trotzdem eingeführt. Der liebe Gott weiß, warum, oder die alte Kultusministerin weiß, warum. Ich weiß es nicht.
Unsere Kernaufgabe, meine Damen und Herren, ist die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung. Das war sie, und das wird sie auch in Zukunft sein. Es wird nicht leichter; da gebe ich Ihnen gerne Recht. Der dramatische Unterrichtsausfall wird beseitigt. Der Minister hat auf alle Details hingewiesen. Ich fand es ausgezeichnet und wichtig, dass auch ein Signal nach draußen geht: Wir halten Wort - 4 114
neue Lehrkräfte, davon 2 500 neue. Bei den anderen handelt es sich um wiederbesetzte Stellen; das gehört zur Wahrheit dazu. Das ist die größte Einstellungsaktion, die es in der Geschichte des Landes Niedersachsen gegeben hat. Darauf sind wir besonders stolz.
Meine Damen und Herren, wie haben Sie das begleitet? Sie haben immer Zweifel geäußert, haben Misstrauen gesät und gesagt, die Stellen seien nicht zu finanzieren. Jetzt sind sie im Haushalt, jetzt sind sie ausgeschrieben, und es sind volle Stellen. Die Lehrer bewerben sich darauf, und das registrieren wir mit großer Freude. Wir haben keine virtuellen Lehrer geschaffen, Herr Jüttner.
Virtuelle Lehrer, das sind die, die Sie produziert haben, weil Sie Unterrichtsstunden gekürzt haben und weil Sie Statistikmanipulation betrieben haben. Das ist die Realität. - Sie sind früher Schulleiter gewesen. Sie wissen, was dort gelaufen ist, Herr Meinhold. Sie haben das jeden Tag um die Ohren gekriegt.
Die löchrigen Stundenpläne sind jetzt beseitigt. Wir werden wieder volle Stundenpläne bekommen, und das ist das Beste, was wir für qualitativen Unterricht machen können.
Jetzt bitte ich Sie herzlich mitzuarbeiten, Herr Jüttner. Ich biete das an, weil wir uns nach dieser jahrelangen Strukturdiskussion jetzt um pädagogische und inhaltliche Fragen kümmern wollen.
Ein Stichwort: Ich möchte gerne darüber reden, was heute eigentlich gelernt werden muss, wenn sich das Wissen der Welt alle sieben Jahre verdoppelt und wenn wir durch Computer andere Zugänge zum Wissen der Welt finden. Wir brauchen eine Straffung der Inhalte, wir brauchen eine Entrümpelung der Rahmenrichtlinie. Und nicht nur reden, sondern machen! Dafür brauchen wir Sie an unserer Seite. Für uns heißt das konkret: Lerninhalte werden auf die heutigen Erfordernisse ausgerichtet. Das bedeutet: Stärkung der Naturwissenschaften. Dort sind wir einen Weg gegangen. Das bedeutet: mehr Informationen über das Fach Wirt
schaft/Wirtschaftslehre/Hauswirtschaft. Das ist auch von Frau Schmidt in Berlin schon einmal angesprochen worden.
Wir brauchen auch eine Stärkung des Fremdsprachenunterrichts, beginnend ab der 1. Klasse. Ferner wollen wir Bildungsstandards klar definieren. Das heißt, es muss sehr klar werden, welches verbindliche Wissen und welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt haben, damit wir garantieren können: Wenn der Abschluss vergeben ist, sind damit eine bestimmte Kenntnislage und bestimmte Kompetenzen verbunden. Das müssen wir gemeinsam entwickeln.
Wir müssen darüber reden, wie heute gefordert und gefördert werden muss. In den Verlässlichen Grundschulen wurde in Zehn-Minuten-Sequenzen in verlängerten Pausen gefördert. Das war eine Katastrophe, das hatte doch mit Fördern nichts zu tun.
Der Förderunterricht wurde aus der Stundentafel gestrichen. Deswegen wollen wir darüber neu reden. Wenn uns sowohl Eltern als auch Schulleiterinnen und Schulleiter in den Grundschulen sagen, dass wir Erziehungsrückstände von drei Jahren haben, ist das eine Mammutaufgabe. Wir wissen aus PISA, dass Förderunterricht die zentrale Aufgabe ist, der wir uns widmen müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte wieder über Leistung reden, auch mit Ihnen. Das hat die Ministerin ja angestoßen. Leistungsfähigkeit in der Schule muss eine zentrale Bedeutung zurückgewinnen. In einer Gesellschaft, die auf Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft aufgebaut ist und diese von jedem abverlangt, darf doch Schule keine leistungsfreie Zone sein. Ich kann Ihnen an zig Beispielen aus Ihrer Regierungszeit belegen, wie negativ Sie über Leistung geredet haben. Wer aber eine hohe Bildungsqualität will, muss für ein Klima der Leistungsbereitschaft sorgen. Das ist von zentraler Bedeutung.
Wir werden eine weitere gesellschaftliche Aufgabe anstoßen: Schule muss der jungen Generation wieder Auskunft über Werte und Grundhaltungen
geben. Lassen Sie uns auch da etwas Gemeinsames schaffen, obwohl wir nicht überall die gleichen Werte und Grundhaltungen haben. Aber über die generelle Zielrichtung sind wir uns doch einig, sodass wir gemeinsam etwas machen können.
Dieses Ziel muss in die Schule hineingetragen werden. Schule muss Zeit haben, in dieser Zeit mit den schnelllebigen Veränderungsprozessen auch über Werte und Grundhaltungen zu reden.
Ich sage ganz konkret: Dem Religionsunterricht kommt gerade in dieser Frage eine besondere Bedeutung zu. Wenn Sie in die alten Stundenpläne schauen, stellen Sie fest: 50 % des Religionsunterrichts fanden in Ihrer Amtszeit nicht statt. Das ist ein Armutszeugnis.
Wir unterstützen den Minister auf dem Weg zur Einrichtung von Schulverbünden für Hochbegabte. Es war ein Leid, dass Hochbegabte nicht erkannt und nicht gefördert wurden. Deswegen müssen wir auf dem Weg, den Sie begonnen haben - Sie haben es gesagt -, fortfahren. Der Minister setzt es jetzt um und hat uns an seiner Seite.
Wir werden flächendeckende Angebote machen - das ist auch ein zentrales Ergebnis aus den Veranstaltungen - und die zusätzlichen Mittel dafür zur Verfügung stellen müssen. Weil dafür ein so langer Vorlauf erforderlich ist, bin ich sehr froh, dass der Minister die regionalen Förderkonzepte umgesetzt hat. Ich sehe das jedoch sehr kritisch, weil generell zu wenig Mittel vorhanden sind. Deswegen muss das auf den Prüfstand. Aber die Beteiligten, die die regionalen Förderkonzepte entwickelt haben, müssen Gewissheit haben und brauchen Verlässlichkeit. Deswegen ist es richtig, dass der Minister die Anträge, die auf dem Weg waren, genehmigt hat.
Meine Damen und Herren, wir sind auf dem Weg zur eigenverantwortlichen Schule. Es ist aber nicht damit getan, dass man sagt: Stellt einen Antrag, dann werdet ihr eigenverantwortliche Schule. Wenn man die Ressourcen nicht hat, kann man nicht eigenverantwortlich werden. Deswegen ist in Wahrheit ja auch nur ein Antrag übrig geblieben;
die anderen sind nachgereicht worden, weil das Ministerium sie abgefordert hat. Nach unserer Konzeption und unseren derzeitigen Überlegungen werden alle Schulen selbständige, eigenverantwortliche Schulen. Der Schritt dahin wird in fünf bis acht Jahren umgesetzt, sodass dann alle Schulen eigenverantwortlich sind. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit pädagogische Arbeit auf der Basis von Schulprogrammen, die die Schulen selbst entwickelt haben, vernünftig geleistet wird.
Meine Damen und Herren, ein wichtiger zentraler Punkt beim Bildungsauftrag ist die Stärkung der Grundschule. Wir werden die Grundschule stärken. Die Grundschule ist die wichtigste Schulform, weil in ihr die Grundlagen für die gesamte schulische Laufbahn gelegt werden. Wir bekennen uns dazu.
Das hat nichts mit Abwertung von anderen Schulen zu tun, sondern bedeutet eine Aufwertung dieses besonderen Elementarbereichs im Schulwesen. Hier machen Kinder ihre ersten Schulerfahrungen, hier wird für Eltern das Zutrauen zur Schule entwickelt, hier wird Lernfreude für Schüler und für Eltern entwickelt. Weil die Grundschule Maßstäbe setzt, wird sie verändert und weiterentwickelt. Die Grundschule ist auch die Schule, die Kinder behutsam an das Lernen heranführt. Sie ist eine Schule des Behütens und der Lernfreude. Aber das reicht nicht, und deshalb wird sich etwas ändern. Die Grundschule wird wieder Ort intensiven Lernens, das entscheidend auf Unterricht basiert und über Unterricht organisiert wird. Der Unterricht ist entschieden fachgezogener durchzuführen als bisher. Deswegen muss die Verlässliche Grundschule weiterentwickelt werden. Es gibt zu viele Fehler in dieser Schulform.