Protocol of the Session on February 25, 2005

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Haben Sie sich mit dem Vor- schlag des Ministers befasst?)

Nun wird die Landesregierung gleich auf die wunderbaren Kredite verweisen, mit denen die jungen Leute gesegnet und zum Schuldenmachen ermuntert werden sollen. Haben Sie eine Vorstellung davon, was das für junge Menschen, gerade mal 18, 19, 20 Jahre alt, bedeutet - diese herrliche Aussicht auf einen Schuldenberg? Da ist es auch kein Anreiz, wenn die Schulden erst nach dem Studium abgestottert werden müssen. Nach dem Studium sollen die Absolventen in das Berufsleben starten. Sie sollen risikobereit sein. Sie sollen mobil sein. Sie sollen den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, Familien gründen und Kinder bekommen. Geht das mit einem Berg von Schulden im Nacken?

Je nach Ort, Studium und Unterstützung der Eltern geht es um Schulden zwischen 10 000 und 90 000 Euro.

(Zuruf von der CDU: Blödsinn!)

Für einige von Ihnen mögen das Peanuts sein. Für viele Familien ist das Studium ihrer Kinder schon heute eine gewaltige Last.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Studiengebühren sind der falsche Weg. Zwar wird die Landesregierung gleich wieder sagen, das gehe nicht anders, die Hochschulen seien unterfinanziert und es sei kein Geld da. Die Hochschulen sind unterfinanziert, das stimmt. Mit dem HOK, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben Sie einen wegweisenden Beitrag dafür geleistet, dass uns dieser Zustand erhalten bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Es stimmt nicht, wenn Sie behaupten, es sei kein Geld da. - Geld für die Hochschulen wäre da. Aber dazu müssten CDU und FDP im Bundesrat ihre Blockade beim Subventionsabbau aufgeben

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch und La- chen bei der CDU)

und dürften nicht länger verhindern, dass Geld in die Kassen kommt.

(David McAllister [CDU]: Jäger 90! - Bernd Althusmann [CDU]: Das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr!)

- Hören Sie zu, Herr McAllister! Sie hören das nicht gern, aber es ist so: Allein die Abschaffung der Eigenheimzulage würde uns in Niedersachsen dreimal so viel einbringen, wie Studiengebühren dies jemals könnten, und zwar ausschließlich durch den Bundesanteil der Eigenheimzulage.

Frau Kollegin gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Althusmann?

Nein! - Doch um ihre Klientel zu schonen, plündert diese Landesregierung lieber die Hochschulen und kassiert bei den Studierenden ab. Unsere Hochschulen sind dieser Landesregierung doch egal, wenn es um Parteiinteressen geht.

(Lachen bei der CDU)

Da stoßen die Hilferufe der Hochschulen auf taube Ohren. Wo war denn der Protest aus Niedersachen, als Frankenberg und Koch jüngst den Ausstieg aus dem Wettbewerb um Spitzenuniversitäten erklärten. Der Bund solle sein Geld behalten,

tönte es aus Bayern und Hessen. Inzwischen läuft Koch komplett Amok und klagt in Karlsruhe sogar gegen das Bologna-Förderprogramm der Bundesregierung. Es geht um Gelder, von denen auch unsere Modelluniversität Lüneburg profitiert. Vielleicht können es sich Hessen und Bayern leisten, auf Geld aus Berlin zu verzichten. Niedersachsen kann das nicht. Wir fordern Sie auf: Stoppen Sie Koch, und beenden Sie endlich Ihre Reformblockade in Berlin!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Studiengebühren sind der falsche Weg, weil das Geld nicht lange in den Kassen der Hochschulen bleiben wird. Nehmen wir an, die Gebühren würden wirklich den Hochschulen zufließen, nehmen wir an, das würde sichergestellt - nach wie vor gäbe es keine Handhabe dagegen, dass die Länder im Gegenzug ihre Hochschuletats kürzen. Schauen Sie sich z. B. Großbritannien und Australien an: Die Gebühren sind dort zwar kräftig gestiegen, die Hochschuletats aber nicht. Warum soll das in Niedersachsen anders sein?

(Zuruf von der CDU: Weil wir ehrlich sind!)

Wer ließ denn die Langzeitstudiengebühren schneller im Haushalt verschwinden, als sie die Unis einkassieren konnten? - Ihr Finanzminister.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wer hat sie eingeführt? - Gegenruf von Sigmar Gabriel [SPD]: Gegen Sie!)

Haben Sie nicht erst vor kurzem beschlossen, die Verwaltungsgebühren um 50 % zu erhöhen? Wo bleiben diese zusätzlichen Millionen? - Klar, sie werden vom Finanzminister einkassiert. Sie wissen doch genau: Die Studiengebühren werden den Hochschulen noch nicht einmal so viel Geld einbringen, wie Sie ihnen eiskalt mit dem HOK weggekürzt haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage die Landesregierung: Wo bleibt denn der schon lange angekündigte Zukunftsvertrag, der den Hochschulen ihre Etats garantieren soll? - Die Hochschulen warten immer noch darauf. Nur beim Kürzen, da waren Sie bedeutend schneller.

Nun hören wir, sozialverträglich sollen die Studiengebühren sein, nach oben gedeckelt, nachgelagert. Und selbstverständlich sollen sie bei den

Hochschulen verbleiben. Ich stelle fest: Es gibt für keine einzige dieser Ankündigungen des Ministers auch nur den Ansatz eines Konzeptes.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Was sagt Oppermann dazu?)

Die FDP fragt nicht mehr, ob überhaupt Studiengebühren. Nein, die FDP will auch deren Höhe freigeben, frei nach dem Gesetz des Marktes, Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Ob Bananen oder Studienplätze - was macht das für einen Unterschied? - Für die FDP keinen!

Herr Ministerpräsident, noch vor knapp zwei Jahren haben Sie sich gegen Gebühren ausgesprochen. Bislang habe ich gedacht, Sie hätten gute Gründe dafür gehabt. Gelten diese Gründe heute nicht mehr? Haben eigentlich alle Ihre Argumente eine so kurze Verfallszeit?

Wie heißt es doch so schön? - „Diese Regierung hält, was sie verspricht.“ Meine Damen und Herren von CDU und FDP, helfen Sie Ihrem Ministerpräsidenten, dass er nicht wortbrüchig wird. Wir unterstützen Sie dabei. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Trost.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Andretta, eines möchte ich hier klarstellen. In der Begründung zu Ihrem Antrag zitieren Sie aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 4. März 2003: Das Erststudium bleibt in Niedersachsen studiengebührenfrei. - Nachweislich ist im Landtagsprotokoll über die Sitzung vom 4. März 2003 zu sehen, dass dieser Satz dort nie gefallen ist.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Gucken Sie in Ihren Internetauftritt!)

- Ich spreche über das Wortprotokoll über die Sitzung hier im Landtag.

(Sigmar Gabriel [SPD]: In Ihrem Inter- netauftritt steht das immer noch! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Peinlich, peinlich!)

Mit der Aufhebung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 26. Januar 2005

(Weitere Zurufe von der SPD)

- Sie können zuhören oder es bleiben lassen - hat das Bundesverfassungsgericht den Ländern zusätzlichen Freiraum in der Hochschulpolitik eingeräumt. Niedersachsen wird diesen Freiraum nutzen und es den Hochschulen ermöglichen, sozialverträglich ausgestaltete und moderate Studienbeiträge für das Erststudium zu erheben.

Dafür gelten für uns folgende Eckpunkte:

Erstens. Jeder junge Mensch, der die Qualifikation für ein Studium hat, muss auch studieren können. Zur sozialen Abfederung sind verschiedene Modelle wie Stipendien-, Erlass- oder Darlehenslösungen in der Diskussion.

Zweitens. Die Studienbeiträge verbleiben zur Gänze den Hochschulen, werden dort erhoben und verwaltet. Kein Cent geht in den allgemeinen Landeshaushalt.

Drittens. Die Höhe der Studienbeiträge für das Erststudium legen die Hochschulen fest. Wir sprechen uns klar für eine landesweite Obergrenze von 500 Euro pro Semester aus.

Viertens. Die Hochschulen haben die Studienbeiträge für die Lehre einzusetzen. Sie sollen die Studienbedingungen gezielt verbessern.

Fünftens. Die Studienbeiträge sind zusätzliche Mittel für die Hochschulen. Die Einnahmen aus Studienbeiträgen sollen nicht auf die staatlichen Zuschüsse angerechnet werden.

Derzeit wird mit den Hochschulen ein Zukunftsvertrag erarbeitet - damit ist Ihre Frage beantwortet -, der die finanzielle Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum anbietet. Um die Studienmöglichkeiten zu verbessern, sollen Studienbeiträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt eingeführt werden, voraussichtlich im Wintersemester 2006/2007. Wir erwarten hierbei eine transparente, unbürokratische Ein- und Durchführung. Bei der Immatrikulation kann ein Vertrag über einen Bildungskredit geschlossen werden - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Langzeitstudiengebühren werden entfallen. In den nächsten Monaten wird in Gesprächen mit den Rektoren und Präsidenten der Hochschulen, wie auch mit Studierendenvertretern ein tragfähiger Vorschlag erarbeitet werden, der dem

Kabinett und dem Landtag zum Beschluss vorgelegt werden kann.

Zur Begründung für die Einführung von Studiengebühren kann ich aufgrund der Zeitknappheit nur einige Punkte exemplarisch nennen: Studienbeiträge dienen dem Wettbewerb und sind unverzichtbar zur Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre. Gehen wir von der bisherigen Situation aus, zeigt sich folgendes Bild: Die Finanzausstattung der deutschen Hochschulen ist im internationalen Vergleich unzureichend. Darin stimmen wir überein. Unsere Steuereinnahmen brechen weg. Die öffentliche Hand kann den Finanzbedarf nicht allein auffangen. Bisher haben wir nur eine Einnahmequelle für die Lehre, nämlich die Landesmittel. Die Länder, und zwar alle Länder, haben nicht mehr die Mittel, um den steigenden Finanzbedarf der Hochschulen dauerhaft und verlässlich zu decken. Die Hochschulen müssen sich daher eine ergänzende Finanzierungsquelle selbst erschließen können.

Was erreichen wir mit der Einführung von Studiengebühren? - Zum einen mehr Qualität und Effizienz. Wir stärken die finanzielle Basis der Hochschulen. Wir eröffnen die Möglichkeit, Studiengänge nach einem Preis-Leistungs-Verhältnis einzustufen. Die Entwicklung von Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein, auch aufseiten der Studierenden, wird gefordert und gefördert. Wir erreichen zudem eine Qualitätssteigerung bei den Studienangeboten.