Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ende der Schonzeit“ heißt es in einer kürzlich erschienenen Broschüre aus dem Bundesumweltministerium zur Umsetzung der 1996 verabschiedeten EU-Luftqualitätsrichtlinie - und das zu Recht.
Mehr als acht Jahre sind also seit der Verabschiedung ins Land gegangen. Lange haben einige Bundesländer - ich fürchte, auch Niedersachsen und viele Kommunen das Problem der Luftverschmutzung und die Richtlinie, die das Problem bekämpfen soll, verdrängt. Vor allem in Metropolen - in Niedersachsen trifft es insbesondere die Städte Hannover, Osnabrück und Braunschweig; auch das hat Frau Steiner schon gesagt - sammeln sich Feinstäube und Stickstoffoxide an verkehrsreichen Straßen. Zwar sind ohne Frage in den vergangenen Jahrzehnten die Smogbelastungen aus Industrieanlagen und Auspuffrohren dank moderner Filter und Katalysatoren zum Teil stark zurückgegan
gen. Aber da gleichzeitig das Verkehrsaufkommen und die Nutzung Sprit sparender Dieselfahrzeuge rasant gestiegen sind, hat sich dieser positive Trend schließlich ins Gegenteil verkehrt.
Dass Feinstäube die Atemwege und die Lunge belasten, dass die winzigsten Teile über Atemwege und Blut direkt in viele Organe des Körpers und auch in das Herz gelangen, ist unter Experten unstrittig. In ihrem Gesundheitsbericht 2002 hat die WHO konkrete Zahlen genannt: Danach sterben ca. 100 000 Menschen in Europa Jahr für Jahr an den unsichtbaren Feinstaubwolken. Der Münchner Umweltepidemiologe Heinz-Erich Wichmann schätzt auf Basis jahrzehntelanger Forschung, dass in Deutschland jährlich zwischen 10 000 und 19 000 Menschen vorzeitig an Rußabgasen sterben, die meist unsichtbar aus den Auspuffrohren von Diesel-Pkw und -Lkw geschleudert werden. Es sterben also - das möge man bedenken - daran mehr als doppelt so viele Menschen wie durch Unfälle im Straßenverkehr. Besonders gefährdet sind - das gilt es zu bedenken - Kleinkinder, Menschen mit geschwächter Immunabwehr und alte Menschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen also: Dringender Handlungsbedarf ist gegeben. Deshalb ist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mehr als nötig, vor allem weil - wie wir ja gehört haben seit dem 1. Januar 2005 die neuen Grenzwerte für Feinstaub gelten.
Dass die Einhaltung der neuen Grenzwerte und die Aufstellung sowie Umsetzung von Luftreinhalte- und Aktionsplänen nicht nur ein niedersächsisches Problem darstellen, zeigt der Beschluss des Bundesrates vom Juni letzten Jahres, in dem die Länder darauf hinweisen, dass zurzeit - speziell im Hinblick auf die Kurzzeitgrenzwerte für Feinstaub in vielen Städten in Deutschland der Grenzwert überschritten wird. Es sei davon auszugehen, heißt es dort, dass ohne Einleitung einschneidender Maßnahmen in ca. 70 bis 120 Kommunen in Deutschland mit einer Überschreitung des Grenzwertes zu rechnen ist. Diese Feststellung, meine ich, muss uns allen zu denken geben.
Frau Steiner hat es schon erwähnt: Der Bund hat seine Hausaufgaben bereits gemacht. Die Siebente Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und die 22. Bundes-Immissionsschutzverordnung sind verabschiedet. Nun sind die Länder und die betroffenen Kommunen in der Pflicht.
Ich habe versucht, mich im Internet schlau zu machen. Auch ich bin auf die Homepage des Umweltministeriums gestoßen, auf der unter den Links „Technischer Umweltschutz“, „Luftqualität“ und „Situation in Niedersachsen“ nachzulesen ist, dass - wie gesagt - seit 2000 jährlich Messdaten zur flächendeckenden Beurteilung der Luftqualität erstellt werden. Aufgrund dieser vorgelegten Messdaten wird konstatiert, dass in Niedersachsen an zahlreichen Messstationen der Tagesgrenzwert für Feinstaub nicht eingehalten wird, sodass Maßnahmen nach den zu erstellenden Luftreinhalteund Aktionsplänen nötig werden, um die neuen Immissionsschutzgrenzwerte einzuhalten.
Dort kann außerdem nachgelesen werden, dass jetzt - etwas spät zwar, aber immerhin - für die Landeshauptstadt Hannover - dort für die Göttinger Straße - ein Entwurf für einen Luftreinhalteplan vorgelegt worden ist. Bei allen Schwierigkeiten, die bei der zügigen Umsetzung dieser Luftreinhalteund Aktionspläne bestimmt noch zu lösen sein werden, hoffe ich, dass fraktionsübergreifend Einigkeit darüber hergestellt werden kann, dass zum Wohle der betroffenen Bevölkerung dringlicher Handlungsbedarf besteht. Über die einzelnen Aspekte im Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir in den beiden Fachausschüssen sicherlich trefflich streiten können. Wir müssen alles tun, um diese Luftreinhalte- und Aktionspläne zügig zu erarbeiten und umzusetzen. Ich hoffe sehr, dass wir in den Ausschüssen konstruktiv diskutieren werden, und zwar zum Wohle der betroffenen Bevölkerung. - Schönen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man aufgefordert ist, zu einem Antrag Stellung zu nehmen, setzt man sich zunächst einmal damit auseinander und liest den Antrag. Mein erster Eindruck war: Das ist ein ernstes Thema, und es besteht auch Handlungsbedarf. Dann habe ich mir den Antrag noch einmal angesehen und mich gefragt: Worum geht es denn nun konkret? Geht es um Probleme in Hannover? Geht es um die Lkw-Maut? Geht es um die Steuerbefreiung für Rußfilter? Wenn man noch weiter recherchiert
und sich über die Hintergründe dieses Antrages informiert, kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass die Stoßrichtung wieder einmal ein Angriff auf unseren Umweltminister war, was Frau Steiner in den ersten Sätzen ihrer Rede auch bestätigt hat. Natürlich hätte mir das gleich klar sein müssen, aber man geht ja immer unvoreingenommen an die Anträge heran.
Frau Steiner, wissen Sie, wie man das nennt, was bei Ihrem Antrag herausgekommen ist? - Das ist, um einen Anglizismus zu benutzen, Friendly Fire; denn Sie schießen auf Hans-Heinrich Sander und haben Jürgen Trittin getroffen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Das wäre jetzt aber nicht das Schlimmste!)
- Das wäre nicht das Schlimmste, Herr Kollege Gabriel. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. - Ich kann im Grunde nur raten, das öffentliche Feuer auf Herrn Sander einzustellen und Herrn Trittin intern Feuer zu machen; denn der Bundesumweltminister hätte die Möglichkeit gehabt, im Rahmen der EU-Luftqualitätsrichtlinie von der so genannten Revisionsklausel Gebrauch zu machen.
Ich will noch einmal deutlich machen, worum es in der Luftqualitätsrichtlinie der EU geht. Es geht um den so genannten PM10-Wert. Es geht also um Feinstäube mit einem Durchmesser unter einem 100stel Millimeter, und die Konzentration muss unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Leider ist diese Richtlinie - das wurde eben schon angesprochen - sehr undifferenziert; denn es wird kein Unterschied gemacht bei der Schädlichkeit der verschiedenen Feinstäube. So werden auch Salzstäube, so genannter Sea Spray, in dieser Richtlinie genannt. Meine Damen und Herren, wir verstehen unter Sea Spray das so genannte Reizklima. Wegen dieses Reizklimas fahren viele Menschen auf die Ostfriesischen Inseln, um sich dort zu erholen und dieses Reizklima zu genießen. Vor dem Hintergrund macht es nun wirklich gar keinen Sinn, dass auch diese Stäube in der Luftqualitätsrichtlinie enthalten sind.
Der entscheidende Punkt ist die Hintergrundbelastung bei den Feinstäuben. Bei der Feinstaubbelastung sind 75 % überregionalen Ursprungs und nur 25 % lokalen Ursprungs. Da liegt das Hauptproblem, und es wäre sinnvoll gewesen, dass Herr Trittin die Revisionsklausel gezogen hätte, um eine entsprechende andere Grundlage in der Luftqualitätsrichtlinie vorzusehen. Es geht hier z. B. um Großfeuerungsanlagen, die zum Teil außerhalb Deutschlands liegen. Das Ziel muss sein, die Staubemission insgesamt zu senken.
Ich will auch auf einen Antrag des Bundeslandes Berlin hinweisen. Berlin steht ja zurzeit nicht gerade im Geruch, von Schwarzen oder Gelben regiert zu werden. Berlin hat den Umweltminister aufgefordert, diese Revisionsklausel zu ziehen. Für diese Forderung gab es auch eine breite Mehrheit im Bundesrat. Herr Trittin ist dieser Forderung nicht nachgekommen. Er hat sich diesem Wunsch des Bundesrates verweigert, meine Damen und Herren.
Ich möchte auch auf das Thema Dieselruß eingehen, weil es eben sehr massiv angesprochen wurde. Die Schädlichkeit von Dieselruß ist sicherlich unbestritten, keine Frage. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass nur 10 % der Feinstäube von eben diesem Dieselruß verursacht werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir nicht in der Lage sein werden, die Grenzwerte einzuhalten, wenn wir uns nur auf den Dieselruß konzentrieren.
Der Bundesumweltminister tut also nicht das, was er tun müsste, wenn er hier verantwortlich handeln wollte. Ich will auch noch darauf hinweisen, dass es ein Bundesemissionsrecht gibt, das so heißt, weil es eben Bundesrecht ist. Deshalb ist Rot-Grün in Berlin hier in der Verantwortung.
Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass Euro 5 kommen wird. Die Norm wird 2005 in Kraft treten. Hierbei sind die Stickoxyde ein besonderes Problem. Auch in diesem Bereich muss etwas geschehen. Aber aus Berlin habe ich zu dem Thema bisher noch nichts gehört. Stattdessen tönt Herr Trittin und fordert die Steuerbefreiung für Dieselfilter. Das ist eine schöne Forderung. Aber wenn man die Stickoxyde außer Acht lässt, greift diese Forderung zu kurz. Wir sind auch absolut dagegen, dass die Länder allein die Zeche zahlen; denn die KfzSteuer ist Ländersteuer. Es geht hier um 2,2 Milliarden Euro, und die Länder werden Ausfälle in dieser Höhe nicht schultern können.
Meine Damen und Herren, im Übrigen verweigert sich der Bundesfinanzminister. In der taz vom Dienstag war in der Unterüberschrift zu lesen: „Der Bundesfinanzminister verweigert dem Umweltminister einen Termin zur Vorbereitung der steuerlichen Förderung.“ Das heißt, auch der Bundesfinanzminister will sich nicht in die Tasche greifen lassen.
Deshalb mein Vorschlag an die Damen und Herren von den Grünen: Kümmern Sie sich zunächst einmal darum, dass Einigkeit auf Bundesebene erzielt wird.
Noch ein paar Anmerkungen zum Antrag im Einzelnen: Der erste Punkt Ihrer Feststellungen im Antrag ist schlichtweg falsch, Frau Steiner. Der Luftreinehalteplan für die Göttinger Straße in Hannover steht, wie es vorgeschrieben ist, seit Ende 2004 und ist im Januar 2005 veröffentlicht worden.
Ich kann nicht erkennen, dass das zu spät war. Wenn Sie das so sehen, bitte. Aber ich sage Ihnen dann auch, dass dafür die Landeshauptstadt Hannover verantwortlich ist.
Die Verzögerungen sind durch die Landeshauptstadt verursacht worden. Ich könnte Ihnen den Zeitablauf der Gespräche schildern. Aber der Kollege Dürr wird wohl gleich im Detail auf diese Gespräche und Kontakte eingehen. Mir scheint, dass im Fall von Hannover ideologische Motive das entscheidende Kriterium waren. Man ist nämlich gegen eine Grüne Welle, weil man allgemein gegen Verkehr ist. Dabei wäre die Grüne Welle der wichtigste Schritt, um hier zu positiven Ergebnissen zu kommen, denn Verkehr muss fließen.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das allein hilft aber auch nicht viel!)
Es geht eben nicht nur um die Abgase, sondern es geht auch um den Abrieb von Bremsen und Reifen. Damit dieser Abrieb möglichst gering ist, muss Verkehr fließen können. Wenn Sie in Ihrem Antrag nun die für Hannover gemachten Vorschläge als unzureichend bezeichnen, dann richtet sich dieser Vorwurf letztendlich in erster Linie an die Stadt
Meine Damen und Herren, zu den Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufstellen, kann ich nur sagen: Es läuft alles bereits. Die Luftreinhaltepläne für Braunschweig werden bis Ende 2005 - das ist das Datum, das für diese Pläne gesetzt ist - vorliegen. Gegebenenfalls werden, wenn es erforderlich ist, bis Ende 2005 auch die Pläne für Osnabrück veröffentlicht werden.
Zusätzliche Messpunkte sind bzw. werden eingerichtet. Sie sind gerade auch im Hinblick auf ein Ausweichen des Lkw-Verkehrs von den mautbewehrten Autobahnen auf Bundesstraßen bereits in Arbeit.
Ihrer Forderung nach Reduzierung der Hintergrundbelastung kann ich in der Tat nur zustimmen, Frau Kollegin Steiner. Aber auch dazu kann ich nur wiederholen: Hier ist Berlin in der Verantwortung. Herr Trittin hat es also in der Hand, dass es hier zu Verbesserungen kommt.
Meine Damen und Herren, abschließend bleibt zu sagen: Ihr Antrag trifft in großen Teilen nicht zu oder nicht den Kern der Sache. Unser Umweltministerium hat seine Hausaufgaben erledigt. Ich schlage Ihnen vor, Ihre Anträge in Zukunft direkt nach Berlin zu schicken. Dort sind Sie besser aufgehoben. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war heute bei der Rede des Kollegen Gabriel zum Thema FFH schon sehr erstaunt, aber ich bin noch mehr erstaunt, wenn ich mir den Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ansehe. Sie kritisieren die Landesregierung, die Luftqualitätsrichtlinie nicht fristgerecht umzusetzen, und nennen die Städte Hannover, Braunschweig und Osnabrück.
Für Osnabrück wird derzeit geprüft, ob Maßnahmen überhaupt erforderlich sind. Für Braunschweig sind die Maßnahmen ab dem 1. Januar 2006 notwendig. Aber bei Hannover, das hat der
Kollege Behr eben schon angesprochen, wird es schon ein bisschen spannender. Die Landeshauptstadt Hannover musste mehrfach darauf aufmerksam gemacht werden, Vorschläge für einen Luftreinhalteplan zu unterbreiten. Es waren nämlich Versäumnisse der Stadt und nicht etwa des Umweltministeriums, die zu den Verzögerungen geführt haben.
Ich will Ihnen das chronologisch aufzeigen. An dieser Stelle sei auch der Hinweis erlaubt, dass der Umweltstadtrat von den Grünen kommt; das spielt in diesem Zusammenhang ja vielleicht auch eine Rolle. Am 14. Mai 2004 wurde die Stadt Hannover angeschrieben und zu einem gemeinsamen Gespräch für den 22. Juni 2004 eingeladen. Das erste Gespräch findet an diesem Tag statt. Dabei wird folgende Absprache getroffen: Bis Ende September sollen die bereits von der Stadt getroffenen Maßnahmen aufgelistet werden.