d) Käfiglobbyist Ehlen will Freilandhaltung in die Pfanne hauen - unseriöse Debatte über Dioxinbelastung im Ei - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1640
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit tausenden von Jahren ernähren sich die Menschen von Gemüse, das auf und sogar in der Erde wächst, von Korn, das unter freiem Himmel gedeiht, von Fleisch und anderen Tierprodukten, von Tieren, die in der freien Natur oder unter menschlicher Aufsicht draußen weiden und leben. Und, oh Wunder: Die Menschheit hat es überlebt und hat sich dabei sogar ganz schön vermehrt.
Ich gebe zu, dass es eine Zeit gab, in der diese Ernährungsweise in Gefahr war. Industrialisierung und Motorisierung haben Boden, Luft und Wasser zur Gift- und Schadstoffdeponie gemacht, und das „Endlager Mensch“ wurde in die Diskussion eingeführt. Aber nicht zuletzt dank der grünen Bewegung konnte diese Entwicklung gestoppt und umgekehrt werden.
Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, daran, dass Sie und Ihre altvorderen Parteifreunde es waren, die diese Umkehr immer wieder verzögert haben und es bis heute tun. Es gibt kaum eine Maßnahme der Schadstoffminimierung, die von Ihnen nicht bekämpft wird, sei es im Bereich Immissionsschutz, bei der Stickstoff
Und jetzt plötzlich kommt die Wende. Minister Ehlen gibt Dioxinalarm und wirft sich schützend zwischen Verbraucher und Freilandeier.
Eine einzige Eiprobe von 200 im letzten Jahr, die bundesweit genommen werden, macht für ihn alles klar: Das Freilandei wird zum Gesundheitsrisiko erklärt.
Da werden Horrorszenarien zu Rückruf- und Vernichtungsaktionen entworfen, manipulierte Zahlen in die Welt gesetzt und die Lage abenteuerlich und willkürlich interpretiert.
Aber, meine Damen und Herren, es ist leider sehr schnell deutlich geworden, dass es hier nicht um Verbraucherschutz geht, sondern darum, dass Käfigeier, die überall aus dem Handel fliegen - inzwischen selbst bei den Discountern -, den Verbrauchern wieder schmackhaft gemacht werden sollen. Das wurde dadurch deutlich, dass die Verzehrsempfehlung für Käftigeier relativ schnell ausgesprochen wurde, verbunden mit dem gleichzeitigen Angriff auf Renate Künast. Die Bundesministerin soll weich geklopft werden, damit sie das Käfigverbot aufhebt und den Widerstand gegen die neuen Käfige einstellt.
Während unserem Landwirtschaftsminister sonst die Sorge um die wirtschaftlichen Bedingungen der Käfigeierfabriken den Schlaf raubt, nimmt er in diesem Fall ohne weitere Prüfung nach nur einem Ei - ich wiederhole es - billigend in Kauf, dass die Freilandhalter, von denen noch viele in bäuerlichen Zusammenhängen arbeiten, wirtschaftlichen Ruin erleiden und ihre Betriebe schließen müssen. Er wiederholt das Ganze sogar noch, nachdem Verbraucherzentralen, das Bundesamt für Risikobewertung, die Tierärztliche Hochschule, ja selbst das Landvolk und die Geflügelwirtschaft schon Entwarnung gegeben haben. Er wiederholt es, wohl wissend, dass weder die niedersächsischen Daten noch die wenigen verfügbaren bundesweiten Ergebnisse geeignet sind, solche Schlussfolge
Im Gegenteil: Ältere Daten zeigen, dass in allen Haltungsformen vereinzelt überhöhte Dioxinbelastungen nicht ausgeschlossen werden können. Das ist ein bekanntes Problem, und das ist auch logisch. Natürlich kann der Boden ein Eintragsweg sein, wenn er durch industrielle Vorbelastungen kontaminiert ist. Aber natürlich kann Dioxin auch über Einstreu oder über das Futter eingetragen werden. Herr Minister, jedes Jahr erhalten Sie über das Schnellwarnsystem der EU mindestens 20 bis 30 Warnmeldungen über mit Dioxin belastetes Futter. Wenn da einmal etwas durchrutscht, dann kann es natürlich auch einmal dem Käfighuhn schaden. Abgesehen davon sind auch individuelle Quellen möglich, sei es der falsche Anstrich oder sei es das Osterfeuer im Hühnerauslauf, das es auch noch geben soll.
Bezüglich der gesundheitlichen Bewertung hat das Bundesamt für Risikobewertung sehr schnell reagiert und ganz deutlich formuliert: Auch bei gelegentlicher Überschreitung besteht für die Verbraucher kein erhöhtes Gesundheitsrisiko und keine Notwendigkeit, auf den Verzehr von Freilandeiern zu verzichten.
Und wie lautet dieselbe Aussage im Originalton Ehlen? „Man sagt, dass auf Dauer der Genuss dieser Eier gesundheitsschädlich ist.“ - Meine Damen und Herren, so schürt man Verunsicherung!
Und im gleichen Interview heißt es dann auch noch: „Frau Künast muss deshalb ihre Blockade gegen die Kleinvoliere aufgeben.“ - Herr Minister, wenn Sie diese Logik zu Ende denken, dann landen Sie im Hochsicherheitslabor, wo mit einem Extruder je nach Wunsch Schweine-, Rinder- oder Geflügelfleisch synthetisiert wird. Da kann ich nur sagen: Guten Appetit!
Die Erpressungsversuche, die Sie, Herr Minister, im Bundesrat fahren, um das geltende Käfighaltungsverbot zu kippen, sind schon schlimm genug.
Aber jetzt sind Sie mit Ihrem einseitigen Lobbyeinsatz für die Käfigeierindustrie eindeutig zu weit gegangen. Das war verantwortungslose Verbrau
chertäuschung. Aber die Verbraucher werden Ihnen nicht auf den Leim gehen; dafür haben Sie einfach zu dick aufgetragen.
Natürlich gehört Dioxin nicht in unsere Nahrung, und wir werden weiter daran arbeiten, dass diese Werte zurückgehen.
Ich komme zum Schluss. - Aber, Herr Minister, Dioxin taugt nicht, um Tierquälerei zu legitimieren. Es wird Ihnen nicht gelingen, einen Keil zwischen Renate Künast und die Verbraucher zu treiben, sondern es bleibt dabei: kein Ei mit der Drei!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie mich versuchen, einige in der Debatte genannten Fakten, die heute erneut in den Raum gestellt wurden, gerade zu rücken. Vorab möchte ich aber sagen, dass mir daran gelegen ist, eine unvoreingenommene und nicht eine emotionale Debatte darüber zu führen, welches das beste Haltungssystem ist.
Mir ist daran gelegen, die aufgeworfenen Fragen zu beleuchten und im Sinne der Verbraucher zu beantworten.
Aber was sind nun die tatsächlichen Fakten? - Seit dem 1. Januar 2005 gilt für Eier aus Freilandhaltung ein neuer Grenzwert für die Dioxinbelastung. Dieser Grenzwert von 3 Pikogramm pro Kilogramm Fett ist nicht vom Himmel gefallen, sondern es ist seit langem bekannt, dass er kommt und dass seine Einhaltung gegebenenfalls Probleme macht.
Warum könnte es solche Probleme geben? - In der Freilandhaltung können Hühner auf dem Boden scharren und picken. Beim Picken nehmen sie zwangsläufig Dioxine mit auf, die sich in unserer
Umwelt befinden; so jedenfalls erklärt es Frau Fiedler vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen im aktuellen Spiegel.
Da Hühner in geschlossenen Haltungssystemen, also in Bodenhaltung, Käfighaltung oder Volierenhaltung, nicht mit der Erde in Berührung kommen, können sie auch keine Dioxine beim Picken aufnehmen. Eier aus Freilandhaltung haben insofern zwangsläufig einen höheren Grad an Gefährdung als Eier aus geschlossenen Haltungsformen. Das ist systembedingt. Darf man deswegen aber keine Eier mehr aus Freilandhaltung essen, oder sollte man die Freilandhaltung gar verbieten? - Sicherlich nicht. Dennoch müssen wir ein gesteigertes Augenmerk auf die Einhaltung der Grenzwerte legen, egal bei welcher Haltungsform.
Im Sinne der Verbraucher ist es wichtig, die Sachlage transparent darzulegen. Hier hat Frau Ministerin Künast in der Vergangenheit Fehler gemacht. Denn wenn es darum geht, Hühnerhaltungsformen zur Produktion von Eiern zu entwickeln, hat Frau Künast immer den Tierschutz vor den Verbraucherschutz gestellt. Man muss sich nur die Kampagne des Bundesministeriums „Freiheit schmeckt besser“ ansehen. Solche populistischen Aussagen taugen aus meiner Sicht gar nichts. Im Sinne der Verbraucher muss man sachlich und klar darstellen, wo die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Haltungssysteme liegen. Das nenne ich sachgerechte Verbraucherinformation.
Frau Künast hat in der Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag ausgeführt, dass 6 von 66 Proben in der Käfighaltung zwischen 1999 und 2003 über dem zulässigen Höchstwert gelegen haben. Das ist wieder mal nur die halbe Wahrheit. Diese Vorfälle sind klar und nachvollziehbar auf menschliches Versagen zurückzuführen. Sie sind eben nicht haltungs- oder systembedingt.
Allerdings wundert man sich im Laufe der Debatte schon, dass gerade diejenigen, die bei jedem Verdachtsfall und bei jeder Grenzwertüberschreitung in der Lebensmittelproduktion den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören und die Gesundheit der Verbraucher aufs Spiel gesetzt sehen, bei der Frage von Dioxin in Eiern abwiegeln und sagen „Ach, das ist alles gar nicht so schlimm“.
Die Frage der Kollegin Stief-Kreihe und der anderen Kollegen der SPD-Fraktion aus dem Agrarausschuss in der Mündlichen Anfrage „Besteht eine akute Gefahr für unsere Bevölkerung?“ muss man sicherlich mit Nein beantworten. Aber welche akute Gefahr bestand denn bei der Frage nach BSE? Wie viel Rinderhirn hätte man essen müssen, um Creutzfeld-Jakob auszulösen?
Bei diesem Thema, Frau Kollegin Stief-Kreihe und Herr Kollege Klein, geht es nicht um eine akute Gefahr, sondern um die schleichende Gefahr, dass wir mit unserer Nahrung zu viel Dioxin aufnehmen. Daher ist es so wichtig, Frau Kollegin, dass die Grenzwerte eingehalten werden.
Ich bin sehr froh, dass Minister Heiner Ehlen angekündigt hat, die Anzahl und den Umfang der Stichproben bei Eiern aus allen Haltungsformen zu erhöhen. Grenzwerte sind da - ich wiederhole das -, um eingehalten zu werden, und in der Landespolitik sind wir dafür verantwortlich, dass diese Grenzwerte eingehalten werden, egal bei welcher Haltungsform.
Abschließend möchte ich noch einmal auf die Legehennenhaltungsverordnung eingehen. Ich möchte an dieser Stelle nicht das eine oder andere Haltungssystem verteufeln, sondern ich möchte eine unvoreingenommene Diskussion darüber, welche Haltungsformen wir in Deutschland zulassen wollen. Aus meiner Sicht muss diese Diskussion drei Bereiche gegeneinander abwägen: den Tierschutz, den Verbraucherschutz und die Wirtschaftlichkeit. Leider hat Frau Künast in der Vergangenheit immer nur den Tierschutz und im Bereich des Tierschutzes nur die Frage des Platzbedarfs und nicht die Frage nach Tierkrankheiten oder Mortalitätsraten im Auge gehabt, Herr Klein.