Protocol of the Session on January 26, 2005

Die liberale Bürgergesellschaft ist das Gegenteil davon. Die liberale Bürgergesellschaft fordert und fördert die Übernahme von Verantwortung durch den Einzelnen. Freiheit zur Verantwortung, das ist die Grundlage der Bürgergesellschaft. Daher sind die von mir beschriebenen Ziele - Prävention, Sozialarbeit und vor allen Dingen Zivilcourage - untrennbar mit der Bürgergesellschaft verbunden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber nicht mit der Bürgerwehr!)

Es lohnt sich, hierüber sachlich und ohne ideologische Scheuklappen nachzudenken. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zum Tagesordnungspunkt 2 b) liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen dann zu

c) Antidiskriminierungsgesetz diskriminiert Arbeitslose und Wirtschaft - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/1638

Dazu hat sich Herr Dr. Rösler zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn meiner Rede möchte ich deutlich und unmissverständlich festhalten: Die FDP-Fraktion steht selbstverständlich gegen Diskriminierung und Intoleranz.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen Diskriminierung beseitigen und Minderheiten schützen. Wir wollen gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle Menschen in unserem Lande. Darin sind sich wahrscheinlich alle Parteien auch mehr oder weniger einig. Aber der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf atmet den Geist der Gutmenschen, die glauben, dass man die scheinbar widerspenstigen Bürger mit der Keule des Gesetzes eines Besseren belehren muss, und ist einmal mehr Ausdruck rot-grüner Staatsgläubigkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD und den GRÜ- NEN)

Ihr Gesetz schafft nur ein Mehr an Bürokratie. Gleich zu Beginn soll eine neue so genannte Antidiskriminierungsstelle mit einem Jahresetat von 6 Millionen Euro und dem dazugehörigen Stellenkegel - natürlich einschließlich eines Beirates - geschaffen werden.

Besser wäre es stattdessen, die zahlreich vorhandenen Beauftragten stärker zu nutzen als bisher. Warum sollen sich diskriminiert fühlende Soldatin

nen und Soldaten nicht weiterhin an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages wenden? Die brauchen keine neue Institution.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass ein Mehr an Behörde nicht zwingend zu mehr Gerechtigkeit führt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nicht nur, dass Sie damit kaum etwas gegen Diskriminierung erreichen, Sie verhindern auch noch, dass Arbeitslose in Lohn und Brot kommen; denn aufgrund der Beweislastumkehr werden sich noch weniger Unternehmen als bisher überhaupt noch trauen, frei werdende Stellen auszuschreiben. Aufgrund Ihres Gesetzes ist es künftig günstiger, Überstunden zu bezahlen, als nach einer Personalentscheidung womöglich verklagt zu werden. Das zeigt eines leider sehr deutlich: Ihr Gesetz diskriminiert die Arbeitslosen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mit einer Ausnahme natürlich: arbeitslose Rechtsanwälte. Denn künftig kann jeder, der sich diskriminiert fühlt, klagen, und der Beklagte muss dann nachweisen, dass er nicht diskriminiert hat.

Geradezu abenteuerlich ist in diesem Zusammenhang die Idee der so genannten Antidiskriminierungsverbände, an die ich als Betroffener meine Ansprüche auch noch verkaufen kann. Diese moderne Form des Ablasshandels wird zu einer Klagewelle nie da gewesenen Ausmaßes führen. Sie schadet dem Rechtsstaat. Vor allem schadet sie der Toleranz und der Integration.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mehr als absurd ist übrigens auch Ihre Idee, Gewerkschaften und Betriebsräten künftig die Möglichkeit zu geben, auch ohne Einwilligung des Betroffenen tätig zu werden, und zwar selbst bis vor Gericht. Das dient mit Sicherheit nicht einem positiven Betriebsklima und schon gar nicht dem Dialog. Wenn es überhaupt jemandem dient, dann vielleicht den schwächelnden Gewerkschaften, denen die Mitglieder weglaufen. Aber auch das schadet der Integration und Toleranz.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass der rot-grüne Gesetzentwurf zum Antidiskriminierungsgesetz nicht nur in Teilen über die EURichtlinie, sondern vor allem weit über das Ziel hinausgeht.

Wir haben es gerade gehört: Zum Thema Bürgerrechtspartei ist doch eines sehr deutlich geworden: Sie setzten nach wie vor auf den Staat als Problemlöser Nummer eins. Wir hingegen sagen sehr klar: Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Thomas Oppermann [SPD]: Sie wol- len doch auch die Umsetzung der EU- Richtlinie!)

Sie glauben, Probleme durch Gesetze und Verordnungen lösen zu können. Wir hingegen setzen vor allem auf den Menschen;

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

denn Integration und Toleranz können Sie eben nicht einfach von oben verordnen.

Das ist der entscheidende Unterschied zwischen der FDP und vor allem den Grünen. Wir sind eine Bürgerrechtspartei, und Sie sind - wenn überhaupt - nur noch eine Klagewegpartei. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Helmhold, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, wir können die Debatte zu der Aktuellen Stunde zum Antidiskriminierungsgesetz heute nicht führen, ohne auf die Äußerungen Bezug zu nehmen, die der neue CDUGeneralsekretär Volker Kauder im Zusammenhang mit diesem Gesetz gemacht hat.

(Walter Meinhold [SPD]: „Kauder- welsch“!)

Wenn Ihr Generalsekretär quasi als erste Amtshandlung von sich gibt, dass die NS-Rassegesetze und das Antidiskriminierungsgesetz in einen Zusammenhang zu stellen seien, dann sind bei Ihnen die politischen Koordinaten offenbar vollständig verrutscht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wer das miteinander vergleicht, der zeigt nicht nur eine wirklich ungeheuerliche Geschichtsverges

senheit - und die ist im Hinblick auf den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz umso unerträglicher -, sondern der hat sich auch endgültig als Teilnehmer an einer ernsthaften Debatte disqualifiziert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, muss man bei der CDU eigentlich solche Äußerungen machen, muss man solches Kauderwelsch reden, um ein 100 %Ergebnis bei der Wahl zu rechtfertigen? - Wir werden in unschöner Regelmäßigkeit Zeugen solcher Entgleisungen und eines unangemessenen Umgangs damit. Jetzt sollte ja auch Herr Hohmann als Festredner bei der Jungen Union wieder salonfähig gemacht werden.

Ihr Generalsekretär setzt die Rassegesetze der Nazis und die Gesetzesvorhaben einer demokratisch gewählten Regierung in unserem Rechtsstaat gleich. Ich finde, Sie sollten über Antidiskriminierung noch einmal vollständig neu nachdenken und vor allen Dingen vorerst schweigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nicht schweigen sollte allerdings der Ministerpräsident und stellvertretende Vorsitzende der Partei, die diesen Generalsekretär stellt, und sich hier von der Entgleisung dieses Mannes distanzieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Grundgesetz garantiert uns in Artikel 3 die Gleichheit vor dem Gesetz.

(David McAllister [CDU]: Deshalb brauchen wir dieses Antidiskriminie- rungsgesetz auch nicht!)

Es garantiert die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, es verbietet die Diskriminierung wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft usw.

(David McAllister [CDU]: Genau richtig erkannt!)

Dieses Antidiskriminierungsgesetz brauchen wir aber deswegen, Herr McAllister, weil sich die Welt nicht immer freiwillig an all das hält, was auf dem Papier steht. Oder wollen Sie sagen, dass es auch

keine Steuerhinterziehung gibt, weil sie ja verboten ist, oder dass sich Menschen nicht gegenseitig umbringen, weil dies verboten ist? - Darum geht es doch gar nicht.

(David McAllister [CDU]: Law-and-or- der-Helmhold!)