Protocol of the Session on December 16, 2004

Kultusminister Bernd B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Staatssekretär Joachim W e r r e n , Walter H i r c h e (FDP) Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Gert L i n d e m a n n Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g , Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n Niedersächsisches Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Staatssekretär Dr. Christian E b e r l , Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Niedersächsisches Umweltministerium

Beginn: 9.01 Uhr.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 51. Sitzung im 18. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Geburtstag hat heute die Kollegin Frau Rakow von der SPD-Fraktion. Frau Rakow, auch von hier aus herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 19: Dringliche Anfragen. Es folgen Punkt 20 - Mündliche Anfragen -, Punkt 2 - Fortsetzung der Eingaben - und die Tagesordnungspunkte 21 und 22. Anschließend kommen wir zu den Abstimmungen im Rahmen der Haushaltsberatung. Danach erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.20 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin Frau Somfleth. Bitte schön, Frau Somfleth!

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Wulff, von der Fraktion der CDU Frau Schwarz und Frau Trost, von der SPDFraktion Herr Pickel und von der Fraktion der FDP Herr Hans-Werner Schwarz ab 16 Uhr.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 19: Dringliche Anfragen

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor. Ich rufe zunächst auf

a) Landesregierung als Urheberin einer umfassenden Justizreform - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 15/1512

Ich bitte die CDU-Fraktion, die Frage zu stellen. Herr Dr. Biester, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rechtsprechung ist neben der Verwaltung und der Gesetzgebung als dritte Gewalt im Grundgesetz in Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 verankert. Sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die Bundesgerichte und die Gerichte der Länder ausgeübt. Die Gewährleistung von Rechtsschutz und Rechtssicherheit ist die zentrale Aufgabe der Rechtsprechung, um den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft zu bewahren.

Seit mehreren Jahren hat die Justiz eine stetig steigende Aufgabenflut zu bewältigen, da die Fallzahlen kontinuierlich gestiegen sind und eine Vielzahl neuer Gesetze in Kraft getreten ist. Die daraus erwachsende Belastung kann seit geraumer Zeit nicht mehr durch die Bereitstellung zusätzlicher personeller und sächlicher Mittel kompensiert werden.

Es bestehen kaum noch Optimierungsmöglichkeiten durch Personalentwicklungskonzepte oder raumgreifende Technisierung. Angesichts der allgemeinen schlechten Finanzsituation der Haushalte von Bund und Ländern besteht die Gefahr, dass die Leistungsfähigkeit der dritten Gewalt in unserem Staate bei gleich bleibender Aufgabenstruktur perspektivisch immer mehr leiden wird. Um diesen Veränderungen bei der Justiz entgegenzutreten, bedarf es einer umfassenden Justizreform.

Die Niedersächsische Justizministerin, Elisabeth Heister-Neumann, hat den Reformbedarf erkannt und im Herbst 2003 eine Arbeitsgruppe aus Sachverständigen der Rechtspolitik, der Anwaltschaft, der Rechtswissenschaft und der Justiz eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe hat bis zum September 2004 das Konzept „Zukunftsfähige Justiz/Strukturreform durch Konzentration auf ihre Kernaufgaben“ erarbeitet, das die Justizministerin am 10. September 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Infolge der Initiative der niedersächsischen Ministerin haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder und des Bundes bei ihrer

letzten Sitzung am 24./25. November 2004 ausschließlich mit dem Thema „Justizreform“ beschäftigt.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Zu welchen Ergebnissen ist die Justizministerkonferenz bei ihrer Sitzung am 24./25. November 2004 gekommen?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Folgen einer Justizreform für das Land Niedersachsen?

3. Welche konkreten Auswirkungen sind durch die Justizreform für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen zu erwarten?

Frau Ministerin Heister-Neumann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit ist reif für eine umfassende Reform der Justiz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Strukturen unserer Justiz existieren seit über 100 Jahren und waren wiederholt Gegenstand rechtspolitischer Diskussionen. Seit langem bekannte Probleme bedürfen aber jetzt, in einer Zeit, in der der Druck defizitärer Haushalte im Bund und in den Ländern immer größer wird, zwingend notwendiger Reformen. Dabei geht es nicht darum, lediglich Ausgaben zurückzufahren. Vielmehr muss der sich aus der Haushaltslage ergebende Handlungsdruck als Chance gesehen werden, ein qualitäts- und zukunftsorientiertes Gesamtkonzept einer grundlegenden Justizreform zu entwickeln. Daher ist eine vorbehaltlose Prüfung des bestehenden Systems angezeigt. Die Weichen sind dafür zu stellen, dass die Gerichte auch künftig den hohen Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft gerecht werden können. Dazu bedarf es einer durchgreifenden Reform der Rechtspflege in allen Bereichen. Wenn wir die Aufgabenstruktur nicht verändern, könnte die Leistungsfähigkeit der dritten Gewalt in unserem Staate ansonsten Schaden nehmen. Eine große Justizreform, die diesen Namen auch verdient, darf sich daher nicht auf Einzelmaßnahmen, wie z. B. partielle Änderungen des Prozessrechts, be

schränken. Geboten ist vielmehr ein umfassender Ansatz mit grundlegenden strukturellen Änderungen der gesamten Justiz.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Justizministerkonferenz hat sich am 25. November 2004 auf Eckpunkte einer großen Justizreform verständigt. Es wurden mit großer Mehrheit vier Ansatzpunkte einer Umstrukturierung festgelegt:

a) Deregulierung

b) Aufgabenübertragung und Auslagerung

c) Konzentration

d) Qualitätssicherung

Diese Ansatzpunkte beinhalten im Wesentlichen Folgendes:

Zu a) - Deregulierung -: Die Justizministerinnen und -minister haben sich für eine möglichst weitgehende Vereinheitlichung der Gerichtsverfassungen und der Prozessordnungen für alle Gerichtsbarkeiten ausgesprochen. Für Verfahren der Verwaltungs-, Sozial-, Finanz-, Arbeits- und ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es eine Vielzahl von Regelungen, die sich im Laufe der Zeit immer weiter voneinander entfernt haben. In einer vereinheitlichten Prozessordnung könnten z. B. gemeinsame Regelungen zur Ablehnung von Richtern, zur Prozesskostenhilfe, zur Beweiserhebung und zur gütlichen Einigung getroffen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Justizministerkonferenz hat sich darüber hinaus für eine funktionale Zweigliedrigkeit ausgesprochen. Danach soll der Eingangsinstanz als Tatsacheninstanz grundsätzlich nur ein Rechtsmittel folgen. Ziel ist dabei die weitgehende Vereinheitlichung der Rechtsmittel. Die Möglichkeit eines flexiblen Richtereinsatzes wird ebenfalls geprüft. Insoweit kommen verschiedene Lösungsmöglichkeiten in Betracht. Beispielhaft sei hier nur die Zusammenlegung von Gerichtspräsidien genannt, die den Richtereinsatz für ihren Zuständigkeitsbereich regeln.

Zu b) - Aufgabenübertragung und Auslagerung -: Die Justizministerinnen und -minister werden die Auslagerung von Aufgaben und deren Übertra

gung auf andere Stellen prüfen. Unangetastet bleiben muss insoweit die spruchrichterliche Tätigkeit als Kernbereich der Rechtsprechung. Sie umfasst die Aufgaben, die in einem funktionierenden Rechtsstaat zwingend von unabhängigen Gerichten wahrgenommen werden müssen.

Alle weiteren Aufgaben werden auf den Prüfstand gestellt. Beispielhaft für eine Aufgabenverlagerung seien in diesem Zusammenhang Aufgabenübertragungen auf Notare genannt und sei auch die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens erwähnt.

(Beifall bei der CDU)

Zudem sollen in der Frühjahrskonferenz der Ministerinnen und Minister im Jahre 2005 geeignete Vorschläge zur weiteren Förderung der konsensualen Streitbeilegung unterbreitet werden.