Protocol of the Session on October 29, 2004

Völlig unverständlich ist nach wie vor, mit welch erbittertem Rigorismus Bundesbildungsministerin Bulmahn die Habilitation bekämpft hat. Das Ziel der Bundesregierung bei ihrem verfassungswidrigen Hochschulrahmengesetz

(Ralf Briese [GRÜNE]: Das wissen Sie doch gar nicht! Hören Sie mal!)

- ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes - „liegt in der Verdrängung und Unterbindung der Habilitation als Zugangsvoraussetzung für das Amt des Universitätsprofessors“.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Aha!)

Der Wissenschaftsminister das Landes RheinlandPfalz, Zöllner, SPD, seit 1991 im Amt und bestimmt einer der profundesten Kenner der Materie, sagt - ich zitiere -:

„Das Habilitieren de facto zu verbieten, um die Juniorprofessur durchzusetzen, war sowieso keine gute Idee.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

„Es widerspricht dem Grundsatz, den Hochschulen mehr Freiheit zu geben. Wenn wir die Besten haben wollen, ist es doch egal, wie sie den Nachweis dafür erbringen.“

Ich zitiere weiter aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes:

„Dass das Reformmodell ‚Juniorprofessur‘ bei einer Konkurrenz mit anderen Qualifizierungsvoraussetzungen sich möglicherweise nicht als überlegen durchsetzt, vermag die Erforderlichkeit einer solchen Regelung“

- gemeint ist das Verbot der Habilitation

„nicht zu begründen.“

Sie wollen in dem Antrag die Juniorprofessur „absichern“. Wenn das heißen soll, sie gegen Konkurrenz durch Habilitierte abzusichern, dann nicht mit uns. Der oder die Bessere soll sich im Einzelfall durchsetzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wie sieht die Realität denn aus? Sind Juniorprofessoren wirklich so viel mobiler als Habilitanden? Jünger sind sie jedenfalls nicht, sondern einer Untersuchung zufolge bei der Einstellung im Durchschnitt 34 Jahre alt und damit am Ende der sechsjährigen Qualifikationsphase genauso alt wie Habilitanden im Durchschnitt. Ins Ausland können Wissenschaftler beider Kategorien jederzeit wechseln. Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist ohnehin international und jede nationale Einheitsqualifikation damit von begrenztem Wert.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist hier wieder zu laut. Man kann der Diskussion nicht folgen.

Nun zum behaupteten Erfordernis der Bundeseinheitlichkeit, Stichwort „Flickenteppich“. Zitat aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts:

„Der Bundesgesetzgeber hat jedenfalls keine durchgreifenden Argumente dafür geliefert, dass durch divergierende Zugangsregelungen in den einzelnen Ländern ein Missstand zu erwarten ist, dem allein auf Grund bundeseinheitlicher Vorschriften begegnet werden kann.“

Frau Heinen-Kljajić, ich kann Ihnen nur sagen: Um vernünftig Berufungen durchzuführen, ist kein komplizierter Staatsvertrag nötig. Ich habe in x Berufungskommissionen gesessen. Da war es uns völlig egal, ob jemand habilitiert war oder nicht. Wir haben versucht, den Besten zu nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun hat Frau Bulmahn - unverdrossen brain up gerade vor zwei Tagen ein neues, angeblich verfassungsfestes Hochschulrahmengesetz vorgelegt. Nichts gegen zügige Beratungen. Aber wollen Sie im Ernst, dass wir abschließend zu einem Gesetz, das seit zwei Tagen vorliegt, Stellung nehmen, es jetzt befürworten und die Landesregierung auffordern, es im Bundesrat zu befürworten? - So stelle ich mir parlamentarische Beratungen, die etwas in die Tiefe gehen, nun wirklich nicht vor.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber die Kernfrage bleibt - die müssen wir für uns beantworten und Sie auch -: Wäre es gut, den Ländern die Kompetenzen in der Bildungspolitik wegzunehmen und auf den Bund zu übertragen? Wir meinen, nein. Wir setzen auf den Wettbewerb zwischen den Bundesländern um die besten Lösungen im Bildungsbereich, und wir wollen weder den Berliner Zentralismus noch den Gleichheitsföderalismus der Vergangenheit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Dr. Andretta noch einmal um das Wort gebeten. Frau Dr. Andretta, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass wir die Juniorprofessur brauchen, dann hat ihn der Herr Kollege Professor Dr. Zielke hier eben geliefert.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das müssen Sie einmal erklä- ren!)

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die seit September bekannte Initiative unterstützen, die darauf zielt, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, um die eingetretene Unsicherheit zu beseitigen. Dazu fordern uns alle Wissenschaftsorganisationen, alle Hochschulen und alle Forschungseinrichtungen auf. Wir sollten dies unterstützen.

Ich freue mich sehr, dass Herr Stratmann noch das Wort ergreifen wird, um vielleicht zu sagen, wo es langgehen soll; denn aus der Rede von Frau Trost konnte ich nicht entnehmen, ob sie BadenWürttemberg oder der Initiative folgen will. Es wird nur mit Nebelkerzen geworfen. Wer uns hier vorwirft, dass wir eine zügige Beratung wollen, und dieses als unparlamentarisch bezeichnet, dem sage ich: Wir beraten seit Monaten in den Ausschüssen Anträge, die von Sitzung zu Sitzung geschoben werden, weil sich CDU und FDP nicht vorbereiten.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Wir brauchen hier eine Entscheidung und wollen sie auch von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Herr Minister Stratmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Dr. Andretta, zunächst einmal sage ich: Man soll sich nicht zu früh

freuen. Wir reden hier - ich versuche, das noch einmal herauszuarbeiten - über zwei unterschiedliche Sachverhalte. Der eine Sachverhalt ist sozusagen die rechtliche Bewertung eines Tatbestandes, der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden ist. Der andere Sachverhalt ist die Frage, wie wir inhaltlich mit dem Thema Juniorprofessur und Habilitation umgehen.

Zunächst einmal zu der rechtlichen Bewertung. Ich will nicht beckmesserisch wirken, aber möchte für die Kolleginnen und Kollegen, die die lesenswerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eventuell noch einmal nachschlagen wollen, einen kleinen Hinweis geben - das ist bei der Fundstellensuche wichtig -: Die Entscheidung ist nicht am 26. Juli, sondern am 27. Juli ergangen. Ich sage das deshalb, weil man nicht bei Ihnen, Frau Kollegin, und auch nicht bei Ihnen, Frau Heinen-Kljajić, aber bei der Kollegin Bulmahn manchmal den Eindruck hat, als ob sie Verfassungsrecht in Deutschland herzlich wenig interessiere. Ihr ist ja bereits 2001 ein verfassungskonformer Vorschlag zur Regelung der Juniorprofessur vorgelegt worden und sie hat wider besseres Wissen diesen verfassungskonformen Vorschlag nicht aufgegriffen. Sie hat dafür letztlich die Quittung vom Bundesverfassungsgericht bekommen, und zwar zu Lasten der Hochschulen in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich mir die Überschrift Ihres Antrages anschaue, die deutlich macht, dass Sie, obwohl das Bundesverfassungsgericht Sie genau zum Gegenteil aufgefordert hat, die Juniorprofessur erneut im Hochschulrahmengesetz verankert wissen wollen, dann zeigt mir auch dies, dass die rechtliche Bewertung bei der SPD-Fraktion offensichtlich noch nicht so angekommen ist, wie sie eigentlich hätte ankommen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das zur rechtlichen Bewertung. Ich möchte an der Stelle auch gleich etwas zum Korrekturgesetz sagen. Wir haben, weil wir damit Probleme haben - alle Länder haben damit Probleme -, gesagt, dass wir so schnell wie möglich ein Korrekturgesetz brauchen. Eine Randbemerkung: Seit Juli haben wir die Entscheidung, aber erst jetzt wird ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt. Es ist viel kostbare Zeit verloren gegangen. Wir wollen das Korrekturgesetz gemeinsam bis Ende dieses Jahres verabschieden, damit wir keine Probleme

bekommen, insbesondere was die befristeten Arbeitsverträge angeht.

Wir haben in Niedersachsen bereits erste Klagen von Betroffenen, die gesagt haben: Aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts klagen wir uns jetzt unbefristet ein. - Wenn das gelänge, weil die Rechtssituation nicht korrigiert wird, dann hätten wir in Niedersachsen Riesenprobleme; denn es kämen Kosten in zweistelliger Millionenhöhe auf uns zu. Ganz abgesehen davon hätten wir die Flexibilität, die wir gemeinsam durch die Befristung und auch durch die Juniorprofessur erreichen wollen, ad absurdum geführt.

Es besteht also bei allen Einigkeit darin, dass wir schnell zu einem Korrekturgesetz kommen müssen. Einigkeit besteht aber auch darin - diese Einigkeit hat sich auch in Gesprächen mit der Bundesbildungsministerin gezeigt -, dass in diesem Korrekturgesetz noch keine inhaltliche Bewertung dazu vorgenommen wird, wie es um die Zukunft des Hochschulrahmengesetzes und auch um die Zukunft des Föderalismus in Deutschland bestellt ist. Ich möchte deutlich hervorheben: Es geht jetzt darum, dass wir die Interessen der Hochschulen in Deutschland nicht aus dem Auge verlieren und sofort Rechtssicherheit wieder herstellen. Das wollen wir gemeinsam machen.

Nun einige wenige Ausführungen zur inhaltlichen Bewertung. Da kann ich meinen Vorrednern nur Recht geben: Wir stehen zur Juniorprofessur. Das hat auch der Kollege Professor Dr. Zielke eben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Aber wir sind auch der Meinung, dass zu mehr Wettbewerb in Deutschland auch gehört, dass wir die Habilitation zukünftig zulassen. Das werden wir, soweit dieser Landtag das beschließt, im neuen Niedersächsischen Hochschulgesetz verankern.

Wenn ich nicht dieser Auffassung wäre, dann - darüber müssen wir auch in aller Ernsthaftigkeit miteinander diskutieren - würde ich außer Acht lassen, dass die Habilitation und die Juniorprofessur seit langem nicht nur eine deutsche Frage ist.

Im Übrigen ist festzustellen - das ist das, was Herr Dr. Lange gemeint hat; wir sehen das anhand der Statistiken, die vorliegen -, dass sich die Juniorprofessur fast ausschließlich auf die Naturwissenschaften und die Ingenieurwissenschaften bezieht - das ist bei vergleichbaren Modellen im Ausland genauso -, während bei den Geisteswissenschaften nach wie vor der Habilitation der Vorrang ge

geben wird. Im Ausland spricht man vielleicht nicht von Habilitation wie bei uns. Da wird von einem zweiten Buch die Rede sein, also einer zweiten großen Schrift nach der Dissertation. Wir müssen aber anerkennen, dass es diesen Wettbewerb, international betrachtet, seit langem gibt. Warum sollen ausgerechnet wir in Deutschland wieder klüger sein wollen als andere? Lassen wir doch diesen Wettbewerb im Rahmen der Hochschulautonomie zu!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das hat auch etwas - damit bin ich wieder bei der rechtlichen Bewertung - mit unserer Verfassung zu tun, nämlich mit Artikel 5, der uns Wissenschaftsfreiheit in Deutschland garantiert. Solange die Verfassung weiterhin so existiert - wir haben nicht die Absicht, sie wesentlich zu ändern -, solange gedenken wir uns daran zu halten. Das kann ich zumindest für die Regierung und wahrscheinlich auch für die Regierungsfraktionen erklären. Lassen Sie uns doch den Mut haben, den Wettbewerb auch an dieser Stelle zuzulassen!

Damit bin ich bei einem weiteren Vorwurf, den zu entkräften mir wichtig ist. Ich gebe freimütig zu - ich habe damit überhaupt keine Probleme -, dass bei der Diskussion im Zusammenhang mit der Neuordnung des Föderalismus in Deutschland gerade im Bereich der Hochschulen und der Forschungslandschaft der Eindruck entsteht, einige der handelnden Akteure könnten so etwas wie Kleinstaaterei im Kopf haben. Dieser Eindruck entsteht bei manchen, insbesondere an den Hochschulen. Das ist nicht gut. Das räume ich freimütig ein. Aber ich kann für diese Leute nicht sprechen; das ist deren Problem. Für die Niedersächsische Landesregierung kann ich erklären, dass wir alles andere als Kleinstaaterei im Kopf haben. Im Gegenteil; Ich habe, ohne Widerspruch dafür zu erfahren, z. B. im Bereich der Norddeutschen Wissenschaftsministerkonferenz erklärt. Wissenschaftspolitik, Hochschulpolitik kennt in Norddeutschland keine Ländergrenzen mehr; denn wir sind uns bewusst, dass wir es alleine, wenn Sie so wollen - um Ihre Vokabel aufzugreifen als Kleinstaater, nicht mehr hinbekommen.