Protocol of the Session on October 27, 2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Das machen Sie selbst, Herr Minister!)

Das haben Sie sich zuzurechnen!

Wenn Sie nun etwas dagegen sagen, möchte ich Ihnen vorhalten, was Sie behauptet haben. Wir würden Umzugskarawanen in Gang setzen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ja!)

Nichts davon ist richtig.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Schauen wir mal!)

Sie haben sogar an die Wand gemalt, dass eine allein erziehende Verwaltungsmitarbeiterin mit zwei Kindern von Oldenburg nach Hannover abgeordnet werden müsse. - Nichts davon ist richtig.

Sie haben jetzt die Gelegenheit - ich hoffe, dass Sie die Größe dazu haben -, dies richtig zu stellen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht noch weiter verunsichert werden. Das ist aber eigentlich auch nicht möglich, weil sie wissen, was sie an uns, die wir eine vernünftige Verwaltungsreform machen, haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Abschaffung der Bezirksregierungen bedeutet eine Zäsur, einen Einschnitt, der mit einer Stärkung der berufsständischen und kommunalen Selbstverwaltung einhergeht. Zahlreiche Aufgaben, deren Erledigung bisher Landesbehörden oblag, werden auf Kammern oder Kommunen übertragen. Wir übertragen dabei nicht nur die Aufgaben, sondern auch das Geld. In dem Entwurf des Ihnen vorliegenden Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 finden Sie einen Ausgabeansatz in Höhe von 13,3 Millionen Euro zugunsten der Kommunen. Dieser gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ermittelte Betrag gleicht die den Kommunen entstehenden Kosten für die Wahrnehmung bislang dem Land obliegender Aufgaben aus. Wir haben unseren Teil der Vereinbarung erfüllt. Ich bin ganz sicher, dass auch die Kommunen ihren Teil der Vereinbarung erfüllen werden, indem sie 100 Mitarbeiter aus der

Landesverwaltung in kommunale Behörden übernehmen.

Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man den Begriff „Konnexität“ mit Leben erfüllen kann. Wir haben einen unabhängigen Moderator eingesetzt. Wir haben die Zahlen auf den Tisch gelegt, wir haben sie bewertet und dann entschieden. Die kommunalen Spitzenverbände haben dies unisono unterstrichen und bestätigt.

Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen, wenn es uns gelingen würde, endlich das Konnexitätsverfahren in die Verfassung aufzunehmen. Wir haben dafür einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Er befindet sich bei Ihnen in der Beratung.

(Zuruf von der SPD: Das hat lange genug gedauert!)

Ich gebe zu, dass das lange genug gedauert hat. Aber jetzt liegt der Entwurf vor. Damit liegt die Verantwortung auf Ihrer Seite, meine Damen und Herren. Sie können nun zeigen, ob Sie, nachdem Sie vor 18 Monaten auf den Oppositionsbänken Platz genommen haben, Mitverantwortung tragen, diesen Weg mitgehen und das Konnexitätsprinzip mit in die Verfassung aufnehmen wollen. Ich bin gespannt! Die Kommunen in unserem Land schauen auf den linken Teil des Hauses.

Mit der Abschaffung der Bezirksregierungen und der Einführung des zweistufigen Verwaltungsaufbaus ordnen wir weite Bereiche der Landesverwaltung neu. Das staatliche Handeln wird auf die Kernaufgaben des Landes konzentriert. Zahlreiche überkommene Landesaufgaben fallen weg oder werden von Privaten bzw. von Dritten wahrgenommen. Dazu gehören die weitere Reduzierung der Vermessungsarbeiten durch die Vermessungsund Katasterverwaltung, die Konzentration der Wirtschaftsförderung bei der NBank, die Übertragung von Aufgaben der Städtebauförderung auf die LTS und die weitgehende Zuweisung von denkmalpflegerischen Aufgaben an die Gemeinden und Landkreise. Die verbleibende Landesverwaltung wird zukunftsträchtig ausgerichtet. Wir konzentrieren die Fachaufsicht in den Ministerien. Wir führen die Vermessungs- und Katasterverwaltung mit Teilen der Agrarstrukturverwaltung ressortübergreifend zusammen. Wir organisieren die Kommunalprüfung und die Landesforstverwaltung in eigenständigen Anstalten des öffentlichen Rechts. Wir wickeln die Sportförderung mit dem

Landessportbund und die regionale Kulturförderung mit den Landschaften und Landschaftsverbänden ab. Wir stellen die Landessozialverwaltung mit dem Landesjugendamt und den bislang noch selbständigen Versorgungsämtern völlig neu auf. Wir entwickeln das Landesamt für Straßenbau unter Einbeziehung von Verkehrsaufgaben zu einem Landesbetrieb weiter. Wir stärken den Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz im Zuge der Auflösung des Landesamtes für Ökologie. - All diese Beispiele machen deutlich: Für uns hat die Schaffung einer leistungsfähigen, zukunftsorientierten und effizient arbeitenden Verwaltung oberste Priorität.

Meine Damen und Herren, ein wichtiger Schwerpunkt der Verwaltungsreform ist die Kommunalisierung. So richtig es ist, dass es Aufgaben gibt, die sich besser und wirtschaftlicher erledigen lassen, wenn sich einzelne Gemeinden oder Landkreise mit benachbarten Kommunen zusammentun, so falsch ist es, aus dieser Erkenntnis die Forderung nach einer von oben verordneten Gebietsreform abzuleiten.

Mit dem im Februar vom Landtag verabschiedeten Gesetz über interkommunale Zusammenarbeit ist eine hervorragende Grundlage geschaffen worden, durch kreisübergreifende Aufgabenerledigung Einsparungen zu erzielen. Sie als Opposition fordern die Kooperation mehrerer Kommunen im Nahverkehr, in der Abfallwirtschaft, bei der Planung und Erschließung von Gewerbeflächen. Das alles findet bereits statt und wird künftig noch viel häufiger stattfinden, ohne dass es dafür eines Neuzuschnitts der Kreisgrenzen bedarf. Im Gegenteil bin ich der Auffassung, solche Kooperationen würden erschwert, wenn eine Landesregierung sie mit der Absicht einer Gebietsreform vorantreiben würde. Dort, wo es zu einer kreisübergreifenden Zusammenarbeit kommt, ist diese nicht zuletzt deswegen problemlos und erfolgreich zugleich, weil mit ihrer Realisierung niemand eine Gebietsreform zu fürchten braucht.

Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass wir uns einer Neugliederung von Verwaltungsgrenzen in den Weg stellen, wenn dieses vor Ort mehrheitlich so gewünscht wird. In den letzten Jahren gab es bekanntlich einige Male den Wunsch, Samtgemeinden in Einheitsgemeinden umzuwandeln. Der Landtag hat das dann auch so beschlossen.

Aktuell - Sie kennen dieses Beispiel - gibt es im Wendland eine Diskussion über die Zukunft des

Landkreises Lüchow-Dannenberg und seiner Gemeinden, die sich dadurch auszeichnet, dass sie eben von unten vorangetrieben wird, dass in den Kommunen selbst diskutiert und eben nicht vom Land vorgeschrieben wird. Ob nun das Modell von Landrat Aschbrenner umgesetzt wird, ob das das Richtige ist oder das, was jetzt von den Bürgermeistern dort erarbeitet wird, das werden wir uns ganz genau anschauen.

Meine Damen und Herren, es ist klar, dass wir gerade in diesem Bereich zu viel Verwaltung, zu viel Personal haben. Deshalb müssen wir einen Weg finden, auch hier Bürokratie abzubauen. Dabei muss aber oberster Grundsatz sein, dass das ehrenamtliche Engagement der Kommunalpolitiker erhalten bleibt. Denn darauf ist gerade die Kommunalpolitik, aber auch unsere Demokratie insgesamt angewiesen. Darauf muss auch diese Neuordnung Rücksicht nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Bildung anonymer Großkreise oder künstlicher Regionen entspricht nicht der Politik dieser Landesregierung. Wir wollen Kooperation zwischen den Landkreisen fördern. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass insbesondere bei der Verteilung von Fördermitteln, aber auch von Bedarfszuweisungen sinnvolle Formen der kreisübergreifenden Zusammenarbeit entwickelt werden. Wir wollen und werden die Kommunen aber nicht gegen ihren Willen verschmelzen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein drittes und letztes Mal Professor Hesse zitieren, der vor dem Innenausschuss zutreffend ausgeführt hat:

„Die Regionalisierung wird nicht gehen, weil wir in der Notwendigkeit, Strukturreformen durchzuführen, spezifische positive Traditionen, fast kulturelle Tatbestände unseres Verwaltungssystems, nicht aufgeben können. Neue Verwaltungsebenen passen nicht in die Landschaft, auch die Regierungsbüros sind keine neue Verwaltungsebene, aus guten Gründen nicht.“

In der Tat stehen die Regierungsvertretungen in Braunschweig, Lüneburg, Nienburg und Oldenburg nicht für eine neue oder auch nur für eine modifizierte alte Verwaltungsebene. Diese Einrichtungen

sind vielmehr der Ansprechpartner der Landesregierung in der Fläche, aber auch Moderator einer kreisübergreifenden Aufgabenerledigung, wo immer diese von den Kommunen selbst für sinnvoll erachtet wird. Es wird ein Schwerpunkt der Regierungsvertretungen sein, diesen Prozess vor Ort in den Kommunen voranzutreiben und zu moderieren. Es ist auch deshalb wichtig, die raumordnerische Steuerung dort anzusiedeln. Dies entspricht nicht nur den Wünschen der niedersächsischen Wirtschaft, sondern auch praktischen Erwägungen.

Auch in einem anderen Punkt kommen wir den Wünschen der niedersächsischen Wirtschaft nach. So wird die staatliche Gewerbeaufsicht deutlich aufgewertet. Denn durch alle Kernprozesse unternehmerischen Handelns zieht sich bisher ein Problem: Es gibt zu viele behördliche Ansprechpartner und parallele Verfahren. Wirtschaftsverbände und Betriebe fordern seit Jahren immer wieder eine Anlaufstelle oder einen Kundenbetreuer - ein Anliegen, dem wir mit der Verwaltungsmodernisierung endlich Rechnung tragen.

Jeder weiß, die Personalkosten sind der größte Ausgabenblock im Landesetat. Mit dem Abbau von knapp 7 000 Stellen, haushaltswirksam bis 2009, verfolgt die Landesregierung ein ehrgeiziges Programm, das in dieser Form ohne Beispiel ist. Durch die vom Kabinett beschlossene so genannte Fünftelungregelung wird sichergestellt, dass wir bereits im Haushaltsjahr 2005 zu spürbaren Entlastungen des Etats kommen werden.

Wir streichen allerdings nicht nur Stellen. Wir sind auch gezwungen, die Kosten jeder einzelnen verbleibenden Stelle nachhaltig zu senken. Hat es in der Vergangenheit bereits eine Verlängerung der Arbeitszeit für Beamte und eine Verkürzung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gegeben, so werden diese Leistungen im kommenden Jahr völlig gestrichen. Vor allem bedeutet Letzteres für die Betroffenen schmerzhafte Einkommensverluste.

Meine Damen und Herren, ich habe mit vielen Beamten gesprochen, die A 7, A 8 bekommen. Natürlich ist das für sie ein schmerzhafter Einschnitt, gerade wenn sie auch Familie haben. Das ist überhaupt keine Frage. Aber, meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Wochen auch viele Gespräche in meinem Wahlkreis mit Arbeitnehmern in der privaten Wirtschaft geführt, die schon lange nicht mehr über die Vierzigstundenwoche reden, die schon lange nicht mehr über Weihnachtsgeld und Sondergratifikationen reden, die

aktuell in einer strukturschwachen Reform Angst davor haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Deshalb ist es an der Zeit, den Bürgern in unserem Lande die Wahrheit zu sagen, nämlich dass wir ernsthafte Einschnitte machen müssen und dass dieses auch an der eigenen Person, an dem eigenen Geldbeutel nicht vorbeigeht. Das ist deshalb alternativlos, weil wir unser Land zukunftsfähig machen müssen. Wir müssen wieder auf die Überholspur, damit wir noch Arbeitsplätze in unserem Land haben. Deshalb müssen wir leider Gottes diese Einschnitte beschließen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, es hat auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Deshalb sage ich das auch ganz deutlich als derjenige, der für Beamte, für den öffentlichen Dienst besonders Verantwortung trägt. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir das, was wir den Beamten zumuten, auch den Angestellten und Arbeitern zumuten müssen. Das müssen wir an dieser Stelle ehrlich sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Wenn ich das alles aufzähle, dann auch um deutlich zu machen: Bei allen Anstrengungen und notwendigen Kürzungen gibt es Grenzen der Zumutbarkeit, auch für Beamte. Alle, die noch mehr Einschnitte fordern, müssen sich sagen lassen, dass solche Forderungen unbillig, aber auch ungerecht sind. Niedersachsen geht mit seiner Sparpolitik einen alternativlosen Weg, der zumindest gegenwärtig unter den Bundesländern noch ohne Beispiel ist.

(Zuruf von der SPD: Alternativen gibt es immer!)

Ich empfinde es als befremdlich, wenn ausgerechnet uns, die wir bei der Straffung der Verwaltung, beim Abbau der Personalkosten, insgesamt beim Sparen mehr tun als alle anderen Bundesländer, auf Landesebene vorgeworfen wird, wir täten noch zu wenig. Meine Damen und Herren, so verspielen Institutionen ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie uns noch weiter klar zu machen versuchen, dass wir darüber hinausgehen sollten. Das ist allerdings mit uns nicht zu machen. Das muss hier deutlich gesagt werden.

Natürlich können wir mit dieser Politik die über Jahre hinweg aufgestauten Haushaltsprobleme Niedersachsens nicht in kürzester Zeit lösen. Es ist doch hinreichend bekannt, dass uns die SPDRegierung einen völlig desolaten Landeshaushalt hinterlassen hat.

(David McAllister [CDU]: Wohl wahr!)

Wir wissen das. Die Presse weiß das. Die Grünen wissen das. Auch viele in der SPD wussten doch schon vor zwei Jahren, dass man angesichts der hochalpinen Schuldenberge nicht länger Nordic Walking in der niedersächsischen Finanzlandschaft veranstalten kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich frage Sie deshalb: Ist es denn wirklich so schwer, einmal zuzugeben, dass das, was diese Landesregierung umsetzt, der radikalste Reformansatz der Bundesländer ist und dass wir dafür in Finanzwissenschaft, bei Verwaltungsfachleuten und bei Praxiskennern heute schon nicht nur Aufmerksamkeit, sondern Anerkennung erfahren? Ist es denn wirklich so schwer einzugestehen, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen darf, sondern dass tatsächlich der Wegfall einer ganzen Verwaltungsebene vonnöten ist, um auf Sicht eine finanzierbare Verwaltungsstruktur vorhalten zu können?

Ich jedenfalls würde mich sehr freuen - ich freue mich wirklich, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD hierher kommt und sich vielleicht auch noch an der Debatte beteiligen wird -, wenn er einräumte, dass er Mitverantwortung für die Schuldenlast trägt, die unser Land drückt. Meine Damen und Herren, ein solches Eingeständnis wäre vonnöten und längst überfällig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie ich heute gelesen habe, hat der Fraktionsvorsitzende der SPD einen Einsparvorschlag unterbreitet, indem er gesagt hat, dass wir Beamte nur noch in den Bereichen Polizei und Justiz brauchten und ansonsten alle Mitarbeiter Angestellte sein sollten. Über diesen ordnungspolitischen Vorschlag können wir gerne diskutieren, möglicherweise sind wir an dieser Stelle gar nicht so weit voneinander entfernt. Aber, meine Damen und Herren, es ist wirklich abenteuerlich, diesen Vorschlag als einen entscheidenden Beitrag zur Haushaltskonsolidierung vorzustellen,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Pensionsfalle!)

und zeigt, dass Sie nicht in der Lage sind, den Haushalt in irgendeiner Weise zu sanieren.