Protocol of the Session on September 17, 2004

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich meinen Ausführungen voranstellen, dass die Landeszentrale für politische Bildung in der Vergangenheit auf vielen Gebieten Positives geleistet hat. Sie hat seit ihren Anfängen Kommunalpolitiker für ihre Tätigkeit qualifiziert. Sie hat Lehrkräfte fortgebildet, insbesondere Geschichts- und Politiklehrer. Sie hat Unterrichtsmaterial zu neuen politischen Themenfeldern erarbeitet. Sie hat früher sogar manchen Lehrkräften mit ihren Broschüren und Büchern kostenlos die privaten und schulischen Bücherregale gefüllt. Seit über 40 Jahren hat die Landeszentrale Studienreisen für Multiplikatoren nach Israel und in die übrigen Staaten des Nahen Ostens angeboten. Zahlreiche Landtagsabgeordnete konnten sich von der Qualität dieser Reisen selbst überzeugen. Ähnliches gilt auch für die Türkei, für Polen und für das Baltikum. Fortbildungsangebote der Landeszentrale richteten sich auch an die Führungskräfte der Polizei und der Justiz. Das alles ist ohne Zweifel anzuerkennen. Aber die Zeiten haben sich geändert.

So ist das Verteilen von Büchern schon vor Jahren gestoppt worden. Das Informationsangebot im Bereich der politischen Bildung, das Erwachsene und junge Menschen nutzen können, ist in den letzten Jahren viel größer geworden. So bietet das Internet Informationen zu allen politischen Fragen in Hülle und Fülle. Diese Informationsquelle wird insbesondere von Schulen, Schülerinnen und Schülern zunehmend genutzt. Studienreisen mit kulturellen oder politisch-bildenden Schwerpunkten werden von vielen Anbietern vorgehalten. Seminarveranstaltungen zur politischen Bildung und Fortbildungsveranstaltungen werden von nahezu allen Trägern der Erwachsenenbildung angeboten. Die Landeszentrale hat sich einfach in vielen Teilen überlebt. Vor diesem Hintergrund und in dem Wissen um die desolate Finanzlage des Landes war die getroffene Entscheidung zwingend gebo

ten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in Zukunft politische Bildung in staatlicher Verantwortung nicht mehr stattfindet. Historisch-politische Bildungsarbeit wird zunächst einmal grundlegend und überparteiisch in unseren Schulen geleistet. Wir haben in den neu gefassten Grundsatzerlassen für die Schulform des Sekundarbereichs I die Wochenstundenzahl für die Fächer Geschichte und Politik am Gymnasium verdoppelt; darauf ist hingewiesen worden. Das belegt eindrucksvoll, dass die Landesregierung der historisch-politischen Bildung der Schülerinnen und Schüler einen hohen Stellenwert zumisst. Auch in der staatlichen und nichtstaatlichen Jugendarbeit ist sie fest verankert. Ferner wird die Aufgabe auch von politischen Stiftungen und zahlreichen Institutionen und Organisationen der Erwachsenenbildung wahrgenommen. Diese Einrichtungen orientieren sich an den Bedürfnissen der Abnehmer. Sie sind in der Lage, den Bedarf an Information und Aufklärung aufzudecken. Für spezielle Bereiche der politischen Bildungsarbeit haben wir das Europäische Informationszentrum, die Ausländerbeauftragte der Landesregierung und den Landesbeauftragten für Vertriebene und Aussiedler. Zu den besonderen Aufgaben im Bereich der politischen Bildung gehört die gesamte - -

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Toll, dass Sie Herrn Götz einbeziehen!)

- Wie bitte, Herr Bachmann?

Das war keine Zwischenfrage, Herr Schünemann. Sprechen Sie einfach weiter.

Ich nehme das Parlament wirklich ernst. Deshalb möchte ich auf einen Zwischenruf reagieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es ist doch gar kein Unterbau da! Da ist doch gar keine Möglichkeit, solche Arbeit zu leisten!)

- Ich kenne mich dabei genau aus, weil er in meinem Geschäftsbereich angesiedelt ist.

Meine Damen und Herren, Sie haben 13 Jahre lang Zeit gehabt, auch in diesem Bereich Akzente zu setzen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Haben wir doch! - Dorothea Steiner [GRÜ- NE]: Das ist jetzt gerade wirklich ver- fehlt, so etwas zu sagen!)

- Sie haben von Herrn Götz als Landesbeauftragtem gesprochen. Jetzt darf ich Ihnen sagen, welche Arbeit er leistet, damit Sie diesen Zwischenruf beim nächsten Mal vielleicht nicht mehr machen.

Sie haben die Möglichkeit gehabt, diesem Bereich eine besondere Bedeutung zuzumessen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich darf auch an die Politik meines Vorgängers in diesem Bereich und an die Initiativen, die er im Bereich der Spätaussiedler ergriffen hat, erinnern Ich bin froh, dass wir im Bundesrat jetzt eine andere Initiative eingeleitet haben. Herr Götz ist Ansprechpartner für Spätaussiedler und für Heimatvertriebene, meine Damen und Herren. Er wird im Ministerium insgesamt unterstützt. Wir versuchen, als Lotsen zu fungieren, damit man eine vernünftige politische Bildung bekommt. Es ist ganz wichtig, dass diejenigen, die zu uns kommen, gerade auf die Verfassung, auf das, was in unserem Staat wichtig ist, hingewiesen werden. Dabei hat Herr Götz eine ganz wichtige Aufgabe und Lotsenfunktion, die er hervorragend wahrnimmt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, jetzt haben Sie den Herrn Kollegen Bachmann herausgefordert. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich hoffe, dass er mich herausfordern kann.

Herr Minister, da Sie den Eindruck erwecken, ich hätte eine Bemerkung gegen den Kollegen Götz gemacht: Der Hintergrund meines Zwischenrufs war etwas anderes. Ist Ihnen bekannt, dass Sie im Augenblick das von uns geschaffene Netzwerk Integration mit zahlreichen Integrationsstellen auch für die Spätaussiedler im ganzen Land, von den Wohlfahrtsverbänden getragen, die wesentliche Integrations- und politische Bildungsarbeit geleistet haben, zerschlagen? Jetzt tun Sie aber so, als ob

der ehrenamtliche Aussiedlerbeauftragte diese Arbeit in Zukunft alleine fortsetzen kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin sehr froh, dass ich Gelegenheit gehabt habe, bei dem Zuwanderungsgesetz und auch in der Arbeitsgruppe mitwirken zu können. Auch auf unsere Initiative - so bescheiden darf ich sein - und auch auf meine Initiative hin ist es geglückt, dass die Erstberatung für die Aussiedler, aber auch für Migranten, die hierher kommen, jetzt insgesamt von der Bundesregierung übernommen wird, weil dort die Verantwortung liegt. Meine Damen und Herren, da das so ist, ist es richtig, dass wir uns jetzt auf unsere Aufgabe konzentrieren. Wir haben mit dafür gesorgt, dass jetzt auch die nachholende Integration Gott sei Dank von der Bundesregierung mit ins Auge gefasst worden ist. Das haben wir erreicht. Ich habe gerade gestern mit den Vertretern der AWO gesprochen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sie hätten mal bei der Demonstration sein sollen!)

- Ich habe ihnen gesagt, es ist sehr viel sinnvoller, wenn wir ein vernünftiges Gespräch führen. Ich habe sie eingeladen, und wir haben über eine halbe Stunde vernünftig miteinander geredet. Natürlich haben wir auch in diesem Bereich finanzielle Nöte. Aber wir sind dabei, ein Netzwerk zu erarbeiten, das auf die Nöte, die im Land durch das Zuwanderungsgesetz entstehen, tatsächlich eingeht. Meine Damen und Herren, Sie werden sehen, dass wir die Integration in diesem Lande ernst nehmen und dafür sorgen, dass diejenigen, die hierher kommen, sich so schnell wie möglich wohlfühlen. Das ist völlig klar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD] - Reinhold Coenen [CDU]: Das ist eine ganz klare Linie!)

Meine Damen und Herren, da die rote Lampe leuchtet und schon etwas zur Gedenkstättenarbeit gesagt worden ist, kann ich mir das schenken, weil es sonst nur eine Wiederholung wäre. Vielleicht nur ein Satz dazu: Auch wegen der Herauslösung der Gedenkstättenarbeit, die zu einer deutlichen Verringerung des jetzigen Personalbestandes der

Landeszentrale führt, war zu prüfen, ob die Einrichtung Landeszentrale mit den verbleibenden Aufgaben noch zu rechtfertigen gewesen wäre. Die Antwort heißt eindeutig Nein. Wichtige Aufgaben werden allerdings fortgeführt. Ich nenne die Betreuung der 165 niedersächsischen Schulpartnerschaften mit Polen, den Schülerwettbewerb des Landtages zur politischen Bildung, Programme und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Gewalt. Ich habe Ihnen gestern bei der Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen genau aufgezeigt, was wir sogar zusätzlich gemacht haben. Ich darf noch einmal an das Landesamt für Verfassungsschutz erinnern, das sofort sehr zielgerichtet eingegriffen hat. Ferner werden wir ein Konzept politischer Bildung außerhalb der Schule entwickeln, das Jugendbildungsstätten in freier Trägerschaft und Einrichtungen der Erwachsenenbildung einschließt.

Meine Damen und Herren, Frau Seeler, Sie haben ja selbst darauf hingewiesen: Bereits 1994 hat das Landeskabinett - damals in Ihrer Verantwortung beschlossen, die Landeszentrale für politische Bildung abzuschaffen. Sie haben damals aber nicht den Mut gehabt, das tatsächlich umzusetzen.

(Silva Seeler [SPD]: Nicht den Willen gehabt!)

- Sie haben nicht den Willen gehabt, die Beschlüsse Ihrer Landesregierung umzusetzen. Gut, das nehmen wir zur Kenntnis. Aber wenn tatsächlich der Schuldenberg 1994 noch längst nicht so aufgetürmt gewesen ist wie im Jahr 2003, dann muss man wenigstens darüber nachdenken, ob man nicht bei der Struktur, bei Verwaltungsaufgaben - wie politische Bildung organisiert wird - ansetzt und die notwendigen Maßnahmen, gerade auch im Bereich Rechtsextremismus, trotzdem noch zur Verfügung stellt. Weniger Verwaltung auf das Notwendige konzentrieren, das ist in der heutigen Zeit erforderlich. Wir haben den Mut dazu. Sie haben den Mut damals nicht gehabt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb sollten Sie keine Krokodilstränen vergießen. Sie können sicher sein, die Landeszentrale geht, die politische Bildung geht weiter. Insofern wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, nicht, dass Sie das als Aufbruch verstehen. Wir haben noch einige Punkte abzuarbeiten. - Zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich noch einmal Frau Kollegin Seeler von der SPDFraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Ich freue mich, wenn es heißt, die politische Bildung soll weitergehen. Aber ich frage mich: Was ist das für eine politische Bildung, die nicht von einem unabhängigen und parteiübergreifenden Kuratorium kontrolliert wird? Soll jetzt der Innenminister oder sonst irgendein Minister über die Inhalte der politischen Bildung bestimmen? - Das ist für uns keine überparteiliche Bildung. Herr Schünemann, wenn es, wie Sie gesagt haben, nach der Herauslösung der Gedenkstättenarbeit aus der Landeszentrale nicht mehr zu verantworten ist, die Landeszentrale weiterzuführen, dann frage ich mich, warum Herr Busemann genau das versprochen hat, obwohl schon klar war, dass die Gedenkstätten in eine Stiftung überführt werden sollen, und warum Herr Saager noch in der JuniSitzung des Kuratoriums versprochen hat, dass es weiterhin 15 Fachreferenten für eine überparteiliche politische Arbeit geben wird. Was heißt das eigentlich? Wie sind die Versprechungen der Landesregierung einzuordnen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜ- NE]: Das ist die Halbwertszeit von Zu- sagen dieser Landesregierung! - Ina Korter [GRÜNE]: Wo ist denn Herr Busemann?)

Für die Landesregierung hat sich noch einmal der Innenminister Herr Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Ich darf nur kurz sagen - weil Sie Herrn Busemann fordern -, dass mit Herr Möhrmann abgestimmt war, dass ich zu diesem Thema spreche. Ich bin auch für die Verwaltungsreform zuständig.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Aber nicht mit allen Fraktionen abgestimmt!)

Von 1994 bis 1998 war ich erwachsenenbildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Insofern kenne ich mich etwas aus, auch wenn es sicherlich in den Jahren danach weitergegangen ist. Aber aus dieser Zeit weiß ich noch, Frau Seeler, dass wir gerade im Bereich der Erwachsenenbildung eine enorme Pluralität haben. Darauf sind wir unheimlich stolz.

(Zustimmung von Ulrike Schröder [CDU])

Meine Damen und Herren, Sie tun so, als ob über diese Pluralität, über die Angebote in dem Bereich keine vernünftige politische Bildung mehr stattfinden kann. Das sollte man diesen Einrichtungen aber beim besten Willen nicht unterstellen, weil das meiner Ansicht nach dem Auftrag überhaupt nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben versucht, darzustellen, dass Herr Saager Sie in die Irre geführt hat. Nun muss man wissen, dass danach, im Juli, die Haushaltsklausur des Kabinetts stattgefunden hat. Dort sind uns alle Zahlen präsentiert worden. Sie wissen - ich muss es nicht wiederholen -, 1,9 Milliarden Euro mussten erwirtschaftet werden, weil wir uns eben nicht von dem Weg abbringen lassen, meine Damen und Herren, dass dieses Land wieder handlungsfähig werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, mussten wir so entscheiden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Glauben Sie denn wirklich - - - Wollen Sie dazu Fragen stellen? Bitte!

Ich wollte Sie fragen. Aber Sie haben schon im Vorfeld dazu etwas gesagt, Herr Minister Schünemann. - Frau Seeler!

Herr Schünemann, soll das heißen, dass Sie im Juli, als dem Kuratorium diese Versprechen gegeben wurden, von der Finanzlage noch keine Ahnung hatten?

Natürlich hatten wir Ahnung, dass es schwierig werden wird. Aber in einer Haushaltsklausur bekommen Sie die Fakten auf den Tisch, und dann müssen die einzelnen Ressorts Einsparvorschläge vorlegen. Herr Aller, Sie als Finanzminister wissen doch noch genau, wie das läuft.