Ich will nicht auch noch das vorlesen, was am 19. Juli 2004 in einem Vermerk des Niedersächsischen Landkreistages über die Belastungen der jetzigen Landesregierung gegenüber den Kommunen ausgeführt wird, die, wie der Kollege Bartling schon gesagt hat, bewusst vor der Einbringung des Gesetzentwurfes auferlegt worden sind.
Herr Ministerpräsident, nur eine Bemerkung habe ich schon noch an Sie. In Anbetracht der Tatsache, dass Sie sich hier nicht als Ministerpräsident, sondern als Quasi-Fraktionsführer hinstellen und Mitglieder meiner Fraktion, wie Herrn Bartling, schulmeistern, sollten Sie sich die folgende Lebensweisheit merken:
Amnesie, das ist eine Krankheit, Herr Ministerpräsident, die man haben kann. Aber Verlogenheit, das ist eine Untugend für jeden von uns, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Die Frage des Stils in diesem Haus ist von der Landesregierung nicht zu kommentieren. Sie ist nur zu registrieren.
Herr Kollege Gabriel, die gestrige Diskussion hat ergeben, dass wir Ihnen heute durch Benennung des Protokolls nachweisen mussten, dass Sie lesen sollten. Wir müssen Ihnen heute den Wunsch vortragen, dass Sie zuhören sollten. Ich habe soeben in der Debatte gesagt, dass wir uns mit den kommunalen Spitzenverbänden in den wesentlichen Punkten grundsätzlich einig sind, und habe darauf hingewiesen, dass es eine Abweichung gibt. Diese Abweichung betrifft das Klagerecht. Dr. Wulf Haack vom Städte- und Gemeindebund, den Sie soeben zitiert haben, ist ein ausgewiesener Anhänger des Verbandsklagerechts. So etwas ist mit dieser Landesregierung aber nicht zu ma
Das wissen die Beteiligten. Deswegen ist die Formulierung der kommunalen Spitzenverbände stets die gewesen, die Sie soeben richtig zitiert haben. Insofern werfe ich Ihnen gar nichts vor. Die Formulierung heißt: nach österreichischem Vorbild, nach österreichischem Modell. - Ein Vorbild wird übertragen nach dem Vorbild. In einem Land, in dem es für Kommunen kein Klagerecht gibt, braucht es eines Klagerechtes für den Verband, weil sonst niemand klagen könnte. In einem Land wie Niedersachsen, in dem jede Kommune - unabhängig von ihrer Größe - klagen kann, braucht es keines Klagerechtes eines Verbandes. Deswegen ist das Verbandsklagerecht für die kommunalen Spitzenverbände nie zugesagt worden.
Der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund halten dieses Verbandsklagerecht ebenfalls für nicht zwingend erforderlich. Herr Kollege Gabriel, es wird sehr spannend sein zu sehen, ob der Städte- und Gemeindebund am Ende des Tages möchte, dass die Position der SPD vertreten wird und dass daran eine Verfassungsänderung scheitert, oder ob er die Verfassungsänderung akzeptiert und auf das Verbandsklagerecht des kommunalen Spitzenverbandes verzichtet.
Eine zweite Bemerkung des Kollegen Gabriel betraf die Frage der Einbringung von Gesetzentwürfen durch die Fraktionen. Ich lege Wert darauf, dass sich die Landesregierung nicht dazu äußern wird, ob sich die Fraktionen dem gleichen Prozedere unterwerfen wollen, dem die Landesregierung sich zu unterwerfen bereit ist.
Für die Landesregierung können wir sagen, dass wir das begrüßen, was CDU und FDP hier einbringen, und bereit sind, uns dem zu unterwerfen. Bei den Parlamentsfraktionen muss es eine eigenständige Willensäußerung geben, ob sie sich diesem Prozedere ebenfalls unterwerfen wollen; denn sie müssten sich dann eigener Rechte begeben. Die Frage ist immer, wie weit sich ein Landesparlament am Ende der Möglichkeiten begeben will, die es hat, um den Wünschen des Volkes gemäß das Gemeinwohl herbeizuführen und richtige Ent
scheidungen abzuwägen und zu treffen. Diese Frage ist in den Ausschüssen des Landtags zu behandeln. Dazu hat sich die Landesregierung überhaupt nicht zu äußern. Insofern bleibt der Konflikt bezüglich des Verbandsklagerechts, den wir sehenden Auges eingehen, weil wir davon überzeugt sind, dass es falsch ist, Verbände in diesem Lande klagen zu lassen, wenn nicht ein einziges der Mitglieder dieses Verbandes den Mumm aufbringt, selbst Klage zu erheben. Das ist ein Punkt, der im Dissens bleibt. Ich habe darauf hingewiesen. Insofern waren Ihre Angriffe ziemlich daneben. Aber das ist nicht zum ersten Mal in diesem Hause so gewesen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, dass wir uns über das Ziel in diesem Hause einig sind. Dieser Eindruck zieht sich jedenfalls durch alle Redebeiträge. Trotzdem habe ich den Eindruck gewonnen, dass hier von verschiedenen Seiten wieder Öl in das Feuer gegossen wird, sodass man sich fragt, ob wir uns am Ende einig werden. Ich bin aber nach wie vor guter Hoffnung, dass wir am Ende zusammenkommen werden.
Herr Wulff, Sie sagen, dass es ein kleiner Fauxpas war, dass dieser Gesetzentwurf nicht in den ersten 100 Tagen vorgelegt worden ist. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gesetzentwurf eigentlich nur einen sehr kurzen Text enthält, haben wir dafür wenig Verständnis. Wir haben unsere Kritik daran deutlich gemacht. Wir haben, nachdem ein Jahr vergangen war, ohne dass ein Gesetzentwurf vorgelegt worden war, entschieden, einen eigenen Gesetzentwurf zu schreiben. Dieser eigene Gesetzentwurf ist für uns die Diskussionsgrundlage. Auf dieser Diskussionsgrundlage wollen wir in diesem Hause zum Ergebnis gelangen. Der Gesetzentwurf enthält z. B. nicht das Wort „unabweisbar“. Wir haben uns ganz bewusst auf das Urteil des Staatsgerichtshofs bezogen, das eine Interessensquote vorsieht. Wir haben aber in unserem Entwurf auch deutlich gemacht, dass wir uns nicht vorstellen können, dass man für die Zukunft per se eine Interessensquote einbaut und immer davon
ausgeht, dass 15 % der Kosten die Gemeinden tragen. Das kann nicht sein. Unser Gesetzentwurf schließt diese Lücke. Das heißt, dass das Wörtchen „unabweisbar“ in seiner Wirkung sehr ernsthaft zu diskutieren ist.
Wir haben ferner deutlich gemacht, dass wir, wenn dieser Gesetzentwurf zum Tragen kommt, im übertragenen Wirkungskreis und im eigenen Wirkungskreis natürlich eine Wirkung erzielen wollen.
Meine Damen und Herren, klar ist auch, dass wir eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Deshalb sind wir auch bereit, eine Brücke in Richtung SPD zu bauen und zu sagen: Lasst uns den Vorschlag aufgreifen und ein Verbandsklagerecht einführen. - Ich meine, dass auch Sie, Herr Wulff, über dieses Stöckchen springen müssen. Das ist die Sache wert, wenn es am Ende gelingt, einen Konsens zu erreichen. Das Verbandsklagerecht würde den Kommunen auch die Möglichkeit eröffnen, beispielsweise per einstweiliger Anordnung direkt klären zu lassen, ob eine bestimmte rechtliche Situation ein sofortiges Einschreiten des Staatsgerichtshofes erfordert. Das ist nicht das von Ihnen geforderte Vetorecht. Dieses Vetorecht mit der Mehrheit, die dazu gebildet werden muss, und dem Mechanismus, den Sie dort beschrieben haben, halten wir für eindeutig zu weit gehend. Das Verbandsklagerecht aber ist ein Punkt, über den wir uns hier wohl verständigen könnten. Die anderen Punkte werden wir auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfes sehr ernsthaft diskutieren. Ich hoffe, dass wir am Ende zu einem einheitlichen Stimmverhalten gelangen. - Herzlichen Dank.
Herr Gabriel, Sie haben sich nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung noch einmal zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.
Herr Wenzel, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie, insbesondere im Bereich des Verbandsklagerechtes, den Weg zu einer Brücke geebnet haben. Aber es kommt darauf an, dass über diese Brücke nicht nur wir, sondern auch andere gehen.
Herr Ministerpräsident, ich wiederhole: Sie haben das österreichische Vorbild vorgeschlagen. Sie wussten doch - so nehme ich jedenfalls an - in Ihrer Zeit als Oppositionsführer oder, als Sie bereits zum Ministerpräsidenten gewählt waren und eine Regierungserklärung abgegeben haben, was das bedeutet. Ich unterstelle jedenfalls, dass Sie die Ratschläge, die Sie anderen geben, nämlich zu lesen und zuzuhören, selbst befolgt haben, bevor Sie öffentlich erklärt haben, Sie seien für das österreichische Vorbild.
In diesem österreichischen Vorbild steht etwas über das Verbandsklagerecht und - ich wiederhole - auch über das Vetorecht. Auch dieser Begriff kommt aus Ihrer Fraktion.
Deswegen sage ich Ihnen: Wir wollen nicht nach dem Motto „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“ verfahren - in diese Rolle möchten Sie die Kommunen ja gerne bringen. Dass alle Kommunen lieber unserem Gesetzentwurf zustimmen würden, in dem ihnen ein echtes Vetorecht eingeräumt wird, ist doch völlig klar. Aber die Kommunen wissen auch, dass in beiden Fällen eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist.
Natürlich haben Sie die Hoffnung - weil Sie die Mehrheit haben und die Minderheitenfraktionen zustimmen müssen -, die Kommunen in eine Rolle zu bringen, in der sie sagen: Das ist zwar nicht das, was wir eigentlich wollten - das ist noch nicht einmal das, was Sie versprochen haben, Herr Ministerpräsident -, aber bevor wir gar nichts bekommen, möchten wir, dass die SPD-Fraktion wenigstens mitmacht. - Ich sage Ihnen aber: Wir gehen diesen Weg nicht mit.
Wir gehen ihn mit, wenn sich substanziell etwas in die Richtung bewegt, die Herr Wenzel eben angedeutet hat. Dann sind wir bereit, mitzumachen. Aber wenn Sie nicht bereit sind, das mitzumachen, wenn Sie sich nicht an Ihrem Wort, das Sie uns gegeben haben, orientieren wollen, dann werden Sie für Ihren Wortbruch nicht unsere Mithilfe beantragen können.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Gabriel, Sie kritisieren, dass wir das in 100 Tagen nicht gemacht haben. Ich stelle fest, dass wir nach 18 Monaten mehr erreicht haben als Sie in 13 Jahren.
Die heutige Debatte sollte Ihnen doch zu denken geben. Drei von vier Fraktionen, fast zwei Drittel des Hauses, sind sich im Prinzip einig. Es hängt jetzt ausschließlich an Ihnen, am linken Drittel des Hauses.
Ich fände es gut, wenn wir diese Verfassungsänderung tatsächlich gemeinsam mit den Stimmen aller vier Fraktionen beschließen könnten. Wir als CDU-Fraktion setzen auf die guten, konstruktiven Beratungen der Innen- und Rechtspolitiker in den nächsten Wochen und Monaten.
Ihre Einlassung, Herr Gabriel, passt allerdings ins Bild: Sie wollen gar keine Einigung, Sie wollen Ihre parteipolitischen Spielchen machen. Das ist gegenüber den Kommunen nicht in Ordnung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle mir immer die Frage: Was schreckt die Menschen am meisten von der Politik ab?
Spätestens heute ist die Antwort gekommen: Es ist die Unfähigkeit, in diesem Hause vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Sie haben völlig Recht, es ist Aufgabe der Opposition, sich immer wieder an eine Regierungserklärung zu erinnern,