Protocol of the Session on September 15, 2004

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Wenzel. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich erst einmal bei der CDUFraktion dafür bedanken, dass sie diese Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wir haben auch überlegt, ob wir das machen sollen, Herr Dinkla; denn nach den jüngsten Preisanstiegen ist das Thema natürlich in aller Munde.

Ich kann an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Die Strategie „Weg vom Öl!“ ist richtig und dringend umzusetzen. Das, denke ich, wird hier auch niemand mehr versuchen wegzudiskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die neuen Studien zu dem Thema zeigen - egal wen man nimmt -, dass wir den Gipfel der Ölförderung noch in diesem Jahrzehnt überschritten haben werden. Einige Studien sagen, das dauert noch fünf Jahre länger. Aber das ist hier nicht die Frage. Klar ist: Die eingeleitete Wende hin zu den regenerativen Energien braucht noch mehr Drive und noch mehr Druck. Wir brauchen noch mehr Druck in Bezug auf die Nutzung von Wind, Solarthermie, Fotovoltaik, Wasserkraft, Biomasse, Geothermie. Wir brauchen die effiziente Nutzung von Blockheizkraftwerken und Brennstoffzellen, und wir brauchen die Wasserstofftechnologie als Speicher- und Transportmedium. Das, meine Damen und Herren, ist die gigantische Herausforderung, vor der wir als Gesellschaft, insbesondere auch im Bereich von Forschung und Entwicklung stehen. Herr Dinkla, das ist ein Weg ohne Alternative; ich hoffe, dass Sie mir an dieser Stelle Recht geben. Das ist ein Weg, der eine klare Strategie, aber auch den festen Willen braucht, das umzusetzen.

Meine Damen und Herren, diese hohen Preise - egal ob für Öl oder für Strom - rütteln alle auf. Wir brauchen Alternativen zum Öl, aber wir brauchen auch funktionierende Energiemärkte. Diese haben wir leider nicht. Netzgebundene Systeme - und dazu gehört nun einmal der Strommarkt - brauchen regulierte Märkte und nicht freie, sozusagen ungebundene Wettbewerbssituationen; denn die können am Ende nur die Großen ausnutzen.

Minister Rexrodt, Herr Rösler, hat 1998 eine überstürzte Liberalisierung des Strommarktes eingeleitet. Dabei hat er keine Regulierung vorgesehen, sondern lediglich eine freiwillige Verbändevereinbarung. Davon profitiert haben die ganz großen Kunden und Produzenten, die den Markt unter sich

aufgeteilt haben. Sie machen die kleinen Wettbewerber platt und sorgen dafür, dass die Durchleitungspreise zu hoch sind. Sie erschweren den Wechsel zwischen den Lieferanten. Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, die Konzerne werden diese Monopole nicht freiwillig aufgeben.

An dieser Stelle, Herr Rösler, gibt es zwei Einflüsse: einmal das, was Herr Rexrodt 1998 gemacht hat. Interessant ist aber auch das, was die Kollegen Hirche und Sander am letzten Freitag im Bundesrat gemacht haben: Selbst die beiden FDPMinister haben unterschiedlich abgestimmt, als der Antrag von Hessen auf die Tagesordnung gekommen ist, in dem gefordert wurde, dass der Vorschlag der Bundesregierung bezüglich der Regulierung und der Kontrolle der Märkte durch die Regulierungsbehörde noch verschärft wird. Offensichtlich redet Herr Hirche in der Öffentlichkeit anders, als er es tut, wenn es in die Abstimmung im Bundesrat geht. Das können wir nicht verstehen, meine Damen und Herren. Ich hoffe, dass wir Aufklärung darüber erhalten, welche Position die FDP und welche die CDU tatsächlich vertritt.

Mit Marktradikalismus allein, Herr Rösler, kommen wir hier nicht klar. Wir haben von daher eine große Sympathie für eine Verschärfung der Möglichkeiten der Regulierungsbehörde, um diesen Markt funktionsfähig zu machen. Aber dafür müssen wir jetzt handeln, und dafür brauchen wir nicht nur Sprüche, sondern konstruktive Arbeit auch im Bundesrat; der Bund hat vorgelegt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Also eine neue Bundes- regierung!)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Meinhold. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Preiserhöhungen, egal bei welchen Produkten, sind eigentlich nie gut.

(Christian Dürr [FDP]: Keine ökonomi- sche Aussage!)

Wenn sie allerdings die Energiewirtschaft betreffen - und wir wissen, dass die Energie sozusagen der Saft für jede Wirtschaft ist -, dann ist klar, dass eine ganz andere Debatte ausgelöst wird. Deshalb

ist es auch verständlich, dass nach einer solchen Ankündigung der drei großen Energieversorger in der Bundesrepublik eine solche Debatte entsteht.

Diese Energieversorger - Herr Dinkla, da teile ich Ihre Auffassung - organisieren eben nicht das, was wir unter Wettbewerb verstehen. Deshalb kann ich nicht verstehen, dass Sie der Meinung sind, Schuld hat am Ende die SPD-geführte Bundesregierung. Das war ein bisschen zu schlicht.

Es ist auch zu schlicht, wenn die großen Energieversorger lediglich auf die ständig steigenden Ölpreisnotierungen auf dem Weltmarkt verweisen. Das reicht nicht aus. Deshalb teilen wir die Auffassung des Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement, der vor dem Energiegipfel beim Kanzler in aller Klarheit gesagt hat: Die Preiserhöhungen müssen von der Tagesordnung abgesetzt werden. Wir müssen über die Frage, wie wir mit veränderten Bedingungen auf dem Weltmarkt umgehen, sachlich diskutieren und nicht nur alleine sozusagen eine Marktmacht ausspielen. - Das darf nicht sein.

Nun zu Ihrem Hinweis, Herr Dinkla, dass die Maßnahmen, die die Bundesregierung in Sachen Stromsektor, erneuerbare Energien und KraftWärme-Kopplung getroffen hat, dafür verantwortlich sind, dass das alles so schlimm ist. Dazu kann ich Ihnen nur in aller Klarheit sagen: Wir müssen in der Energiepolitik umsteuern.

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Jetzt komme ich nicht mit dem Thema, das Sie von mir erwarten. Ich sage nichts zur Kernenergie. Sondern: Wir müssen den Weg gehen, mehr und mehr von den fossilen Energieträgern unabhängig zu werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Denn solange die Fragen der fossilen Energieträger unsere Energiepolitik bestimmen, sind wir abhängig; beim Gas von einigen wenigen Förderländern, die logischerweise ihre Bedingungen stellen.

Deshalb ist der Weg der Bundesregierung richtig. Wir müssen die Brücke bauen: Raus aus dem Zeitalter der Energieversorgung durch fossile Energien - auch der Kernenergie -, hin zur kompletten Bandbreite der erneuerbaren Energien.

Ich habe neulich einen Fernsehbericht über die Bundesvorsitzende der CDU, Frau Merkel, in Mag

deburg gesehen; soweit ich weiß, war sie dort bei Enercon. Sie hat gesagt: Ich gehe dorthin, wo die tollen Produkte sind. - Wissen Sie, was sie vergessen hat zu sagen? Dass es etwas mit der Politik der Bundesregierung zu tun hat, dass genau in diesen Bereichen moderne, sichere, zukunftsorientierte und dazu auch noch gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Da muss man schon wissen, in welche Richtung man gehen will.

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD] - David McAllister [CDU]: Trotz der Bundesregierung!)

Eine andere Geschichte. Wenn Sie die Ökosteuer ansprechen: Wollen Sie die Lohnnebenkosten für die Rentenversicherung hochtreiben? - Wir sind doch heilfroh, dass wir sie noch unter 20 % halten. Wir können das natürlich streichen.

(David McAllister [CDU]: Tanken für die Rente!)

- Machen wir! Und noch etwas: Selbst Herr Stoiber würde die Ökosteuer wegen einer möglichen Erhöhung der Lohnnebenkosten nicht anfassen.

Wir haben in der Bundesrepublik ein anderes Problem, und zwar das der Durchleitung - Herr Wenzel hat es angesprochen -: aufgrund der Verbändevereinbarung. Sie wissen, wir werden jetzt eine Regulierungsbehörde bekommen, die klar fordert, die Gründe offen zu legen, warum man bestimmte Durchleitungsentgelte nimmt.

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf eine Sache hinweisen: Bezüglich der Versorgungssicherheit steht Deutschland an der Spitze in der Welt. In keinem Land der Erde sind die Stromausfälle so gering wie in Deutschland. Für eine funktionierende Wirtschaft ist das mehr denn je wichtig. Das heißt, auch da muss man genau abwägen: Was ist Mitnahmeeffekt, und was ist dazu da, die Systeme entsprechend aufrechtzuerhalten?

Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen. Es ist richtig, in die erneuerbaren Energien zu gehen und Kraft-Wärme-Kopplung zu forcieren. Aber alle Experten sagen, dass etwas anderes noch viel wichtiger wäre, nämlich: Wir haben das Potenzial, das uns durch Energiesparen zur Verfügung steht, noch lange nicht ausgenutzt. Stattdessen verbrauchen die privaten Haushalte von Jahr zu Jahr mehr. Nun gibt es eine Möglichkeit, um sich als Verbraucher gegen Preiserhöhungen zu wehren

- die Unternehmen machen das, weil sie auf der Kostensenkungsseite schon aktiv arbeiten -: Man sollte z. B. schlicht und einfach überlegen, ob jeder Kilometer mit dem Auto gefahren werden muss und ob jedes Gerät auf Stand-by geschaltet werden muss.

Solche Einsparungen dienten zwei Dingen: einmal dem Portemonnaie, was ich allen gönne, und andererseits der Umwelt, was noch viel wichtiger ist. In diesem Sinne muss die Debatte geführt werden. Ich gehe davon aus, dass der Energiegipfel beim Kanzler eine ganze Menge bringen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mir liegt eine letzte Wortmeldung vor. Herr Kollege Dr. Rösler von der FDP-Fraktion, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem nun die Kollegen von Rot und Grün gesprochen haben, ist es, meine ich, dringend an der Zeit, das eine oder andere sachlich und fachlich richtig zu stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich fange mit dem Wichtigsten an. Die 1998 von unserem damaligen Bundeswirtschaftsminister Dr. Günter Rexrodt eingeleitete Liberalisierung der Strommärkte war und ist ordnungspolitisch eindeutig richtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])

- Ah, Sie sind auch da. Schön, Sie nach dem Urlaub zu sehen.

Denn nicht die Liberalisierung, Herr Kollege Wenzel, ist Schuld an der momentanen Preissteigerung, sondern, ganz im Gegenteil, die fehlende Konsequenz bei der Liberalisierung. Die nur halbherzige Einführung von Wettbewerb ist der wahre Grund für die Preissteigerung von heute, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Verantwortung hierfür liegt einzig und allein bei Ihrer rot-grünen Bundesregierung, die viele Dinge verschlafen hat. Ich erinnere nur daran, dass die EU-Beschleunigungsrichtlinie für den Elektrizitätsund Erdgasbinnenmarkt, die eigentlich zum 1. Juli 2004 hätte umgesetzt werden müssen, erst am 28. Juli 2004 durch Beschluss des Bundeskabinetts ins Verfahren gegangen ist. Das ist wieder einmal ein Beispiel für die handwerkliche Inkompetenz dieser rot-grünen Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir repa- rieren jetzt das, was Rexrodt verbockt hat!)

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang die Ministererlaubnis zur Übernahme der Ruhrgas durch E.ON. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat den Wettbewerb mit Sicherheit nicht gestärkt; durch solche monopolartigen Strukturen ist der Wettbewerb im Gegenteil noch geschwächt worden.

(Beifall bei der FDP)

Dieser wettbewerbspolitische Super-GAU ist volkswirtschaftlich durch nichts zu entschuldigen. Ich frage Sie dennoch, Herr Wenzel: Wo waren denn damals die Grünen, als Staatssekretär Tacke dieser Monopolisierungstendenz im Prinzip stattgegeben hat, trotz aller Hilfeschreie der Monopolkommission und des Kartellamtes? Wenn man wirtschaftspolitisch von den Grünen schon nichts erwarten kann - das tut wohl niemand hier im Haus -, dann hätte doch wenigstens die Verbraucherschutzministerin an dieser Stelle einmal ihre Stimme erheben können, anstatt nachträglich einfach nur stumpf nach mehr Regulierung auf den Strommärkten zu rufen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Neben der Verhinderung von Wettbewerb - das wurde schon zu Recht angesprochen - gibt es das eine oder andere Bundesgesetz, das die Preise mit in die Höhe treibt. Ökosteuer, Kraft-WärmeKopplungs-Gesetz, Erneuerbare-Energien-Gesetz - diese drei Gesetze haben dazu beigetragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der staatliche Anteil am Strompreis heute 40 % beträgt. Die von Ihnen ideologisch-politisch gewollten Steuern und Abgaben waren ungefähr nur dieser Teil - 500 Millionen Euro im Jahre 1998 - und sind auch heute, im Jahre 2004, auf mehr als 10 Milliarden Euro gestiegen. All das sind Kosten, die die