Protocol of the Session on September 15, 2004

vollem Herzen gefreut, endlich wieder die fünften und sechsten Jahrgänge an ihren Schulen begrüßen und kontinuierlich begleiten zu dürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In einem beispielhaften Kraftakt sind auch die aus dem Gesetz folgenden Verordnungen, Erlasse und verwaltungstechnischen Maßnahmen termingerecht fertig geworden. Für diesen engagierten Einsatz danke ich nachdrücklich allen Beteiligten: unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium, die gearbeitet haben wie noch nie und alle an einem Strang ziehen, unserer gesamten Schulverwaltung im Lande Niedersachsen, die ihre ganze Arbeitskraft in das Gelingen des Vorhabens gesteckt hat. Meine Damen und Herren, wir haben wirklich tolle Leute in unserer Schulverwaltung,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

gerade wenn man bedenkt, dass nur 1 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Belange von 81 000 Lehrkräften und 1,25 Millionen Schülerinnen und Schülern betreuen. Ich danke ausdrücklich auch unseren Personalratsvertretern für die gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mein Dank gilt aber auch den kommunalen Schulträgern, die die Herausforderung Strukturreform als Chance begriffen und konstruktiv mitgearbeitet haben. Bezeichnenderweise hat kein einziger Schulträger in Niedersachsen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Orientierungsstufe ein weiteres Jahr beizubehalten. Die Aufgabe war zu bewältigen. Beispielhaft hat dies die Landeshauptstadt Hannover gezeigt, die die größte Herausforderung frühzeitig angenommen und konsequent umgesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz besonders danken will ich aber unseren Lehrerinnen und Lehrern, die angesichts dieser Vielzahl von Neuerungen zur Vorbereitung des Schuljahresbeginns vielfältige Belastungen auf sich genommen haben, um einen reibungslosen Start für unsere Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Sie haben damit einmal mehr durch ihr aktives und engagiertes Handeln populistische Vorurteile gegen den Lehrerberuf Lügen gestraft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Immerhin ist es noch gar nicht so lange her, dass ein niedersächsischer Ministerpräsident Lehrkräfte öffentlich als „faule Säcke“ diffamiert und beleidigt hat. Diese Zeiten sind - meine ich - Gott sei Dank vorbei.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Jetzt ist er Bundeskanzler! Das ist noch schlim- mer! - Gegenruf von der SPD)

Dazu nur ein paar nüchterne Zahlen: Von den betroffenen 13 332 Lehrkräften haben nur gut 50 Widerspruch gegen ihre Versetzung eingelegt. Der Personalrat hat im Rahmen des Nichteinigungsverfahrens ganze zwei Fälle im Lande angemeldet; das sind 0,02 % aller Betroffenen. So bestätigt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - bekanntermaßen in kritischer Distanz zur schwarz-gelben Landesregierung -: „Kein Chaos an den Schulen“. So heißt es am 4. September in der Braunschweiger Zeitung.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das war schon ein tolles Kompliment!)

Dies zeigt einmal mehr, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer motiviert, leistungswillig und flexibel sind. Ich bin rundum stolz auf unsere Lehrkräfte und auf das, was wir gemeinsam geleistet haben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich danke gerade auch der Lehrerschaft für die Unterstützung und das Verständnis, auch für manche Zumutung, die mit den letzten Wochen und Monaten verbunden war.

Für die Opposition hier in diesem hohen Hause, die leider nicht immer durch konstruktive Vorschläge glänzt,

(Zuruf von der SPD: Aber meistens!)

ging der Schuss insofern vollends nach hinten los. Ich zitiere Herrn Jüttner in seiner Rede anlässlich der Verabschiedung des Schulgesetzes am 25. Juni 2003. Herr Jüttner sagte in meine Richtung:

„Sie werden den Wind zu spüren bekommen, wenn es darum geht, 10 000 personelle Einzelmaßnahmen vorzunehmen, wenn es bei den Schulträgern knirscht und wenn dann im nächsten Jahr die Umorganisation im Einzelnen stattfinden wird … Sie

haben die ersten entscheidenden Fehler gemacht“,

meinte Herr Jüttner seinerzeit.

(Reinhold Coenen [CDU]: Meinte er!)

So kann man sich täuschen, meine Damen und Herren. Hier gilt einmal mehr die alte Volksweisheit: „Wer heute den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen mit den Zähnen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Angesichts der permanenten Chaostage in Berlin wird der Begriff „Reform“ für Bürger und Politiker fast schon zum Unwort. Da ist es wohltuend, wenn die Hannoversche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 19. August kommentiert:

„So kann der Umbau des Schulwesens in Niedersachsen als Beleg dafür gewertet werden, dass Reformen in Deutschland noch möglich sind. Es gibt noch Politik jenseits des Hartz-IVTheaters. Und das Erfolgsrezept ist einfach: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, was sie vorhat, und sie hat dies Schritt für Schritt umgesetzt.“

So ist es, meine Damen und Herren, und über das Ergebnis wollen wir heute miteinander reden.

Unsere Schul- und Bildungsreform lässt sich natürlich nicht auf die Abschaffung der Orientierungsstufe reduzieren. Die Rahmenbedingungen für ein modernisiertes und zukunftsfähiges gegliedertes Schulwesen sind gesetzt worden - begabungsgerecht, durchlässig und wohnortnah. Die Schulträger haben die durch die Schulstrukturreform gebotenen Chancen genutzt, ihr Schulangebot neu zu strukturieren, durch zusätzliche Angebote zu erweitern und qualitativ zu verbessern.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung und bereits mittelfristig zurückgehende Schülerzahlen haben sie verantwortungsvoll darauf geachtet, ihr schulisches Angebot zukunftsfähig zu gestalten. Auch dazu einige Fakten: Landesweit gibt es jetzt 26 neue Schulen: vier Hauptschulen, elf Realschulen und elf Gymnasien. Drei neue gymnasiale Oberstufen, 30 neue Schulzweige und 226 Außenstellen wurden eingerichtet, davon 121 an Gymna

sien. Durch 40 Außenstellen sind in der Fläche an neuen Schulstandorten zusätzliche Schulangebote entstanden, die auch zu selbständigen Schulen ausgebaut werden können. Zum Schuljahresbeginn 2005 werden weitere Gymnasien hinzukommen. Schon Martin Luther hat es vor 500 Jahren auf den Punkt gebracht - ich zitiere ihn -: „Wenn die Schulen zunehmen, dann steht es wohl im Lande.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir können mit Fug und Recht sagen: Der eigentliche Gewinner der Reform sind die Schülerinnen und Schüler des ländlichen Raums im Flächenland Niedersachsen: Vechelde, Twistringen, Rhauderfehn und andere mit neuen Gymnasien, Hollenstedt, Jemgum, Wendeburg und andere mit Realschulzweigen, Ottersberg, Werlte, Visselhövede und andere mit gymnasialen Außenstellen. Das sind beispielhaft nur einige Orte, die für ein erweitertes und verbessertes Bildungsangebot stehen. Und aller Streit um neue Schulstandorte in Niedersachsen ist mit dieser Schulstrukturreform wohl endgültig begraben worden. Wir haben echte gymnasiale Angebote geschaffen und keine Mogelpackungen etwa im Rahmen von Kooperativen Gesamtschulen.

(Beifall bei der CDU)

Die Ausweitung von Bildungsangeboten führt natürlich zu einem veränderten Elternwahlverhalten. Im Landesdurchschnitt haben sich 21,2 % der Eltern für die Hauptschule, 38,3 % für die Realschule und 38,7 % für das Gymnasium als weiterführende Schule für ihr Kind entschieden. Dies entspricht insgesamt den Erwartungen und den Zielsetzungen. Wir können - bei allen Problemen sagen: Die Hauptschule bleibt stabil, der Anteil der Gymnasialschülerinnen und -schüler wächst angemessen, und Niedersachsen bleibt Realschulland. Sie wissen, dass ich nicht für einen Abiturquotenfetischismus stehe und dezidiert nicht der Meinung bin, dass der Mensch beim Abitur anfängt. Ich bin aber stolz darauf, dass wir jetzt Bildungschancen insbesondere auch im ländlichen Raum konsequent ausschöpfen und damit für mehr Chancengerechtigkeit sorgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch wenn es den Sozialdemokraten und den Grünen vielleicht nicht so ganz in die Richtung passt: Unterm Strich werden wir - auch mit einer gewissen Rückläuferquote z. B. nach Jahrgang 6

unserer Schulen - eine deutlich höhere Bildungsbeteiligung als die Vorgängerregierung aufweisen. Ohne die berufsbildenden Schulen, die Sie rein rechnerisch auch immer ein bisschen aus der Abiturquote weghalten wollen, lagen wir bei der SPDVorgängerregierung bei einer im Bundesvergleich sehr niedrigen Abiturientenquote von nur 21 %. Ich finde, das war ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Schulträger in unserem Lande haben die Reform zum Großreinemachen genutzt. Unser eigens eingerichtetes „Mobiles Beratungsteam Neue Schulstruktur“ hat flächendeckend Beratungsarbeit geleistet. Die Liste der Schulstandorte zeigt dies eindrucksvoll einmal mehr.

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist ebenso gleich geblieben wie die Zahl der vorhandenen Schulräume. Viele Schulträger haben durch die Schulstrukturreform sogar gespart. Der Landkreis Goslar, Herr Gabriel - wir hatten das schon einmal ausgetauscht -, weist dankenswerterweise eine Einsparung von 353 000 Euro nach. Viele haben aber auch investiert und deswegen in die kommunale Kasse gegriffen. Das Bundesbauprogramm für Ganztagsschulen hat mit einer Förderung von rund 100 Millionen Euro pro Jahr allein in diesem Jahr durchaus einen Investitionsschub ausgelöst. Auch das gehört zur Gesamtbetrachtung. Die Baumaßnahmen können aber nicht alle auf das Konto Schulstrukturreform gebucht werden. Mögliche Mehrbelastungen sind im Wesentlichen von den Kommunen selbst veranlasst und somit auch von ihnen selbst zu verantworten. Wenn Sanierungsbedarf über Jahre hinaus geschoben wird, wenn trotz Beratung vorhandener Schulraum nicht genutzt und auf Neubau gesetzt wird, wenn Kommunen wie in Twistringen, in Harsefeld oder anderswo neue Gymnasien bauen, dann kann dafür nicht die Landesregierung in geldliche Verantwortung genommen werden.

Auch hier hilft einmal mehr der Vergleich mit der SPD-Vorgängerregierung. Kein Schulträger in Niedersachsen hatte die Förderstufe - das war noch Ihr Gesetz - umgesetzt, obwohl sie doch seit August 2002 gesetzlich verankert war. Alle wussten: Die Förderstufe mit ihrer Prämisse der Vierzügigkeit zielte eindeutig auf eine Verringerung der Zahl der Schulstandorte ab. Sie war eine Kampfansage an ein gegliedertes und wohnortnahes Schulwesen insbesondere im ländlichen

Raum. Die Förderstufe hätte einen Schulkonzentrationsprozess ungeahnten Ausmaßes ausgelöst: ungenutzte Schulgebäude, explodierende Schülerbeförderungskosten und anderes mehr. Wenn die Förderstufe hätte realisiert werden müssen, meine Damen und Herren, wären die Kommunen an den Kostenfolgen erstickt. So entsteht auch hier mit dem neuen Schulgesetz nicht nur ein bildungspolitischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Gewinn.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Schulen und Schulverwaltung haben die Vorgaben des Landtages zügig und konsequent umgesetzt. Jetzt ist Zeit für Ruhe an unseren Schulen, damit unsere Lehrkräfte mit den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern unter verlässlichen Rahmenbedingungen konsequent und langfristig arbeiten können. Die unselige Schulstrukturdebatte ist ein für alle Mal beigelegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dieter Möhrmann [SPD] lacht)

- Herr Möhrmann, ich weiß gar nicht, was es da zu lachen gibt. Eigentlich wollte ich gerade auch in Ihre Richtung noch etwas ansprechen. - Wir wollen keine ideologischen Grundsatzdiskussionen mehr. Das gilt auch gerade für unsere Gesamtschulen. Auch wenn bereits die erste ihre Pforten zum Schuljahresbeginn geschlossen hat, weil die Schülerinnen und Schüler ausgeblieben sind - die Gesamtschulen in Niedersachsen bekommen bei gleichen Rahmenbedingungen eine faire Chance im Wettbewerb der Schulen. Ich habe von vielen Gesamtschulen ermutigende Signale erhalten, dass sie sich dieser Herausforderung stellen und am Reformprozess mitarbeiten werden. Die anstehenden Abschlussprüfungen und Vergleichsarbeiten werden zeigen, wo unsere Schulen wirklich stehen und wo Handlungsbedarf besteht. Die Ergebnisse werden wir dann gemeinsam bewerten, und wir werden notwendige Konsequenzen ziehen, und zwar in die eine wie in die andere Richtung.

Herr Gabriel, Herr Jüttner, wir haben ja nun über die Jahre hinweg so manchen Strauß miteinander ausgefochten. Dabei gibt es immer Meinungsverschiedenheiten und manchmal auch Rituale. Ich erinnere mich an die eine oder andere Rede von Ihnen, Herr Gabriel, in der Sie fragten: Muss es denn immer so sein: „Die Regierung hat immer Recht, und die Opposition hat immer Unrecht.“? Müssen wir uns denn immer in solchen Ritualen

bewegen, um zu denken, wir hätten unsere Pflicht getan? - Ich will Sie gerade einmal rund um die Schulstrukturreform ansprechen. Sie können inhaltlich anderer Auffassung sein. Sie können mehr für Gesamtschulen, für anderes oder für was auch immer sein. Aber kann man, damit unsere Schulen in Ruhe arbeiten können, nicht einfach einmal sagen: „Diese Schulstrukturreform stellen wir nicht infrage.“? Das Inhaltliche mögen Sie ja immer gestalten, wie Sie wollen, aber die grundsätzlichen Faktoren der Schulstruktur sollte und muss man nicht unbedingt infrage stellten.