bewegen, um zu denken, wir hätten unsere Pflicht getan? - Ich will Sie gerade einmal rund um die Schulstrukturreform ansprechen. Sie können inhaltlich anderer Auffassung sein. Sie können mehr für Gesamtschulen, für anderes oder für was auch immer sein. Aber kann man, damit unsere Schulen in Ruhe arbeiten können, nicht einfach einmal sagen: „Diese Schulstrukturreform stellen wir nicht infrage.“? Das Inhaltliche mögen Sie ja immer gestalten, wie Sie wollen, aber die grundsätzlichen Faktoren der Schulstruktur sollte und muss man nicht unbedingt infrage stellten.
Ich darf Herrn Jüttner aus einem Beitrag der Ostfriesischen Nachrichten vom 19. April zitieren, in dem er selber zur Einsicht gekommen ist: „Mit einer Schulstrukturreform-Debatte wird man nichts gewinnen.“ So ist es dann auch wohl. Aber dann haken Sie das doch ab, und lassen Sie uns gemeinsam in die Zukunft gucken.
Meine Damen und Herren, wir wollen in Niedersachsen endlich raus aus dem PISA-Tal, in das uns die Vorgängerregierung geführt hat. Doch der PISA-Papst Jürgen Baumert, der ja sehr oft und viel zitiert wird - ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen -, hat deutlich gemacht: „Bis sich Veränderungen im Schulsystem durchsetzen und Wirkung zeigen, dauert es zehn bis 15 Jahre.“ So stand es in der WELT vom 4. September. Wir sind in Niedersachsen auf dem Weg zur Qualitätsschule; das Fundament ist gelegt. Deshalb wollen wir uns jetzt mit allen Kräften der Arbeit an unseren Schulen und der inneren Schulreform widmen. Ich will hier nur einige wichtige Maßnahmen nennen, die wir zum Schuljahresbeginn vor dem Hintergrund des Schulgesetzes und der Koalitionsvereinbarung gemeinsam umgesetzt haben:
Zentrale Abschlussprüfungen und regelmäßige Vergleichstests überprüfen und sichern schulische Qualität und sorgen für Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit in der Bewertung.
Für den Fachunterricht in den fünften und sechsten Schuljahrgängen wurden Curriculare Vorgaben entwickelt, die den Diskussionsstand der gemeinsamen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz bereits aufgreifen.
Wir erfüllen endlich den Bildungsauftrag an unseren 4 323 Kindertagesstätten mit Leben, indem wir uns gemeinsam mit allen Trägern auf einen „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Ele
Wir investieren für die gesetzlich vorgeschriebene Sprachförderung vor der Einschulung mehr als 280 Lehrerstellen. Mit den - freiwilligen - Fördermitteln des Landes für die Kindertagesstätten, die noch hinzukommen, stellen wir fast 19 Millionen Euro allein für die Sprachförderung vor der Einschulung zur Verfügung. 10 % unserer Schulanfänger haben von den Lehrkräften der Grundschulen im ersten Halbjahr dieses Jahres Sprachfördermaßnahmen erfahren. Über die Ergebnisse werden wir vielleicht schon in einigen Wochen und Monaten berichten können.
Für alle allgemein bildenden Schulen sind neue, anspruchsvolle Grundsatzerlasse vorgelegt worden. Die Pflichtstundentafeln in Grundschule, Hauptschule und Realschule wurden erhöht. Hauptschule, Realschule und Gesamtschule erhalten jeweils 179 Jahreswochenstunden in den Jahrgängen 5 bis 10. Die Kernfächer und Basiskompetenzen werden nachdrücklich gestärkt.
Die Hauptschule wurde von der Vorgängerregierung als „Rumpfschule“, „Restschule“ oder wie auch immer abgeschrieben. Wir stärken sie:
mit neuem Profil, durch eine konsequente Ausrichtung auf die berufliche Bildung mit 60 bis 80 besonderen Unterrichtstagen, mehr Deutsch und Mathematik, Schulsozialarbeiterstellen, Bevorzugung bei Ganztagsangeboten und Senkung der Klassenobergrenze. Die Aufzählung zeigt, was über Jahre versäumt wurde, meine Damen und Herren. Schließlich erweitern wir unser Netz von Kooperationsverbünden zur Hochbegabtenförderung, um im Flächenland Niedersachsen ein maßgeschneidertes wohnortnahes Angebot zu ermöglichen. Zum Schuljahresbeginn sind bereits 38 Kooperationsstandorte mit 204 Schulen vorhanden.
319 Schulen werden im neuen Schuljahr, also jetzt, als Ganztagsschulen arbeiten. Seit dem Regierungswechsel ist trotz der schwierigen finanziellen Lage des Landes die Zahl der Ganztagsschulen mehr als verdoppelt worden. 100 neue Ganztagsschulen wurden zum 1. August genehmigt. 49 davon richten ihre Nachmittagsangebote mit eigenen Mitteln und in Kooperation mit außerschulischen Partnern ein. Damit zeigen Schulen und Schulträger eine erfreuliche Bereitschaft zu
Wir haben mit dem Abitur nach zwölf Schuljahren eine weitere überfällige Entscheidung getroffen, die zum Standard in allen Bundesländern werden wird. Schon der jetzige sechste Schuljahrgang an den Gymnasien, der noch ein Jahr Orientierungsstufe bewältigt hat, wird dieses Abitur nach zwölf Schuljahren ablegen können, sodass die ersten Abiturientinnen und Abiturienten nach dem neuen Modell im Jahre 2011 ihr Abitur machen. So werden wertvolle Lebens- und Lernzeit gewonnen, aber auch ein Jahr im Berufsleben und damit mehr Beitragssicherheit und Beitragsgerechtigkeit in unserem sozialen Sicherungssystem.
Mit der entgeltlichen Ausleihe von Lernmitteln haben wir aus der Finanznot eine Tugend gemacht. Die letzte Auswertung liegt noch nicht vor, aber weit über 80 % der Eltern haben das Angebot angenommen. Durch die jüngste Gerichtsentscheidung - das hat sich herumgesprochen - stehen den Schulen weitere Finanzmittel zur Verfügung. Auch wenn es an einzelnen Schulen noch etwas knirscht - diese Neuerung wird sich schon zum nächsten Schuljahresbeginn eingespielt haben, meine Damen und Herren, und mit Erfolg. Ich werde Ihnen davon berichten.
John F. Kennedy hat einmal ausgeführt: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“ Deshalb freue ich mich, dass der Landtag unbeschadet aller dramatischen Finanznöte des Landes den Schulen 2 500 zusätzliche Planstellen mehr als vor dem Regierungswechsel zur Verfügung gestellt hat. Die neue Regierung hat Wort gehalten und das Signal „Vorfahrt für Unterricht“ unverkennbar gesetzt.
Die Vorgängerregierung hat dagegen eine desolate Unterrichtsversorgung hinterlassen - und ungedeckte finanzielle Wechsel. Ich kann an dieser Stelle nur sagen: 700 „November-Lehrkräfte“ aus 2002 lassen grüßen.
Alle frei werdenden Lehrerstellen können zum Schuljahresbeginn wieder besetzt werden. Nach dem derzeitigen Planungsstand wird die durch
schnittliche rechnerische Unterrichtsversorgung aller allgemein bildenden Schulen in Niedersachsen inklusive einer Reserve von 200 Stellen - das wird zum 1. November realisiert sein - 99,6 % erreichen. An den allgemein bildenden Schulen können 1 580 neue Lehrkräfte eingestellt werden - das ist meist schon geschehen -, an den berufsbildenden Schulen 580.
Nun muss man auch sagen: Nicht alles kann auf Anhieb perfekt gelingen. Wir haben Fachlehrermangel an Gymnasien für die Fächer Latein, Spanisch, Musik und Physik. Uns fehlen Lehrkräfte für unsere Förderschulen, wo wir - das haben wir damals auch gesagt - erst 2007 das von der Vorgängerregierung hinterlassene Defizit werden ausgleichen können. Ohne die Förderschulen läge die Unterrichtsversorgung bereits bei exakt 100 %. An den berufsbildenden Schulen macht mir die Entwicklung Sorge, wenn weiter steigende Schülerzahlen mit dem Drang in berufliche Vollzeitschulen korrespondieren. Wir werden auch im nächsten Schuljahr durch flexible Einstellungsverfahren einen Einsparbeitrag zum Landeshaushalt erbringen. Ich bin aber sicher, dass wir auch zum nächsten Schuljahresbeginn eine ähnlich gute Unterrichtsversorgung erreichen und damit unsere gemeinsame Zielsetzung umsetzen und dauerhaft verankern können.
Wir haben - auch das gehört zur Wahrheit - Einschnitte an anderer Stelle vornehmen müssen, um bei weiter steigenden Schülerzahlen und Qualitätsanforderungen die Unterrichtsversorgung auf hohem Niveau zu sichern. Dazu gehören die Streichung von Anrechnungsstunden für Lehrkräfte, die u. a. den Stundentafelerhöhungen für Schüler zugute gekommen sind. Da wir konsequent auf frühkindliche Förderung setzen, haben wir die Klassenobergrenzen an der Mehrzahl unserer Schulen - das sind unsere Grundschulen - nicht erhöht und bilden damit deutlich kleinere Klassen als etwa süddeutsche Bundesländer. Wer hier erhöht, gefährdet Schulstandorte und unseren Grundkonsens „kurze Wege für kurze Beine“. Zur Stärkung der Hauptschule haben wir z. B. die Klassenobergrenze von 28 auf 26 Schülerinnen und Schüler senken können. An den Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen ist die Klassenobergrenze auf 32 bzw. 30 Schülerinnen und Schüler erhöht worden. Auch hier gehen wir nicht so weit wie die süddeutschen PISA-Siegerländer mit 33 und mehr. Insgesamt wird sich - das ist oft nicht bekannt - die Klassengröße in den ohnehin nur betroffenen fünften, sechsten und siebenten Jahrgängen im
- Da ist so mancher Irrtum unterwegs oder wird von bestimmter Seite kolportiert. - Wir werden dort im Mittel deutlich unter 25 Schülerinnen und Schüler pro Klasse bleiben. Es zählt ja mittlerweile zur pädagogischen Binsenweisheit, dass der Lernerfolg nicht von der Klassengröße abhängt.
- Wenn die Klasse nicht homogen ist, wenn sie kompliziert ist - Hauptschule, Förderschule -, dann muss in kleinen Gruppen gearbeitet werden. Sie wollen das nicht hören. Schauen Sie sich wenigstens den jüngsten Bildungsbericht der Kultusministerkonferenz an, oder schauen Sie sich z. B. den Mathetest - erst vor kurzem ausgewertet - in den dritten Jahrgängen an. Ich rätsele noch daran, woran das denn liegt. Erstaunlicherweise war in Klassen mit einer hohen Schülerzahl das Ergebnis besser als in denen mit einer niedrigen Schülerzahl. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, dem einmal nachzugehen. Das Thema Klassengröße sollten wir also einmal mit ruhigem Blut beobachten.
Wir haben 2 500 zusätzliche Stellen geschaffen. Die Opposition hat das seinerzeit abgelehnt. Wir haben im Gegenwert von 2 700 Stellen umgeschichtet. Die Opposition hat das abgelehnt. In der Differenz sind das 5 200 Stellen, die wir für Unterricht verwerten, die Sie nicht haben wollten.
Wenn Sie Ihr Zahlenwerk umsetzen würden, gäbe es heute hier eine Unterrichtsversorgung von gerade einmal 90 %. Sie würden sagen: 90 % guter Unterricht sind besser als 100 % schlechter Unterricht. - Wir aber wollen beides. Wir wollen etwa
Goethe hat einmal gesagt: „Wer nicht vorwärts geht, geht zurück; wer nicht täglich klüger wird, wird täglich dümmer.“ Recht hat er! Die Landesregierung wird sich nicht auf ihrer Erfolgsbilanz ausruhen, sondern weitere Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung schulischer Qualität in unserem Bundesland durchsetzen. Damit haben wir begonnen: Wir sind auf dem Weg zur eigenverantwortlichen Schule, die in weitaus stärkerem Maße als bisher selbst für die Qualität ihrer Arbeit verantwortlich ist. Erweiterte Personalverantwortung, Budgetierung, eigene Qualitätssicherung, Rechenschaftspflicht, mehr Freiheit in der inhaltlichen Organisation des Unterrichts, Öffnung gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld und Einbindung in regionale Netzwerke sind Kennzeichen einer solchen eigenverantwortlichen Schule. Wir können dabei an die guten Erfahrungen aus dem Schulversuch ProReKo im berufsbildenden Bereich anknüpfen. Der war auch Ergebnis eines gemeinsamen Landtagsbeschlusses.
Eines will ich hier und jetzt deutlich machen: Eigenverantwortliche Schule heißt nicht, dass jede Schule machen kann, was sie will! Schule ist und bleibt den staatlichen Zielvorgaben verpflichtet, wie sie im Schulgesetz, in den einschlägigen Verordnungen und den Grundsatzerlassen verankert sind. Ich bekenne mich nachdrücklich zur staatlichen Verantwortung für unser Bildungswesen, weil ich gerechte Bildungschancen für alle Kinder in unserem Land durchsetzen und ein mögliches Gefälle zwischen finanzstarken und finanzschwachen kommunalen Schulträgern und Schulen verhindern will und muss. Eigenverantwortliche Schulen bleiben mehr denn je auf die Erreichung staatlich gesetzter Ziele verpflichtet. Dazu werden sie zukünftig wirksame Instrumente zur Überprüfung haben, die sowohl der einzelnen Schule als auch der Schulverwaltung klare Hinweise für notwendige Kurskorrekturen liefern werden. Dazu gehört auch die Einführung eines neuen Systems
der Schulinspektion. Es geht dabei nicht um ein billiges Kopieren ausländischer Modelle, sondern im Sinne des Benchmarkings um das Lernen von anderen. Schulinspektion, verkürzt auch „SchulTÜV“ genannt, steht für Qualitätssicherung und Systemberatung in staatlicher Verantwortung. Schulinspektion überprüft schulische Qualität im pädagogischen, didaktischen und methodischen Handeln. Schulinspektion steht für die Erstellung und Einhaltung von Qualitätsmaßstäben nach konkreten Kriterienkatalogen. In unserem Land besteht - das habe ich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder festgestellt - ein großes Bedürfnis nach Transparenz, was schulische Leistungen anbetrifft. Eltern, Schulträger und auch die Schulen selbst wollen wissen, wo sie stehen und wo Verbesserungen erforderlich sind. Eine Schule, die im Wettbewerb steht, muss auch bereit sein, sich zu öffnen, und muss im verantwortbaren Umfang transparent sein. Schulinspektion ist deshalb ein entscheidender Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht sowie zur gezielten Förderung und Forderung aller Schülerinnen und Schüler. Wir haben bereits festgelegt, dass die Zentrale der Schulinspektion in Bad Iburg ihren Sitz nehmen wird. Der Beginn ihrer Arbeit ist für Anfang 2005 geplant; der Aufbau soll bis 2007/2008 abgeschlossen sein.
Weitere wichtige Kennzeichen schulischer Qualitätsentwicklung sind die schon kurz angesprochenen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz. Im Gegensatz zu den bisherigen Rahmenrichtlinien werden die künftigen Kerncurricula zukünftig nicht vorrangig angeben, welche Inhalte von den Lehrkräften wann zu behandeln sind, sondern zu welchem Zeitpunkt welche Kompetenzen von den Schülerinnen und Schülern überprüfbar erworben sein müssen. Wir schreiben ihnen nicht mehr alles vor, sondern wir setzen das Ziel, und die Schule soll das Ziel eigenverantwortlich erreichen. Ich halte das fast schon für einen revolutionären Vorgang in unserem Bildungswesen, und ich sehe dort auch eine große Bereitschaft, das mitzutragen.
Die Länder haben zur Unterstützung ein gemeinsames „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ gegründet - ein wichtiges und unverzichtbares Stück schulpolitischer Gemeinsamkeit über alle Partei- und Ländergrenzen hinweg.
Erste Schulen sollen bereits im kommenden Jahr eigenverantwortlich arbeiten. Deshalb hat das Land Niedersachsen eine Kooperationsvereinbarung mit der Bertelsmann-Stiftung getroffen mit dem Ziel der Unterstützung dieser Pionierschulen z. B. beim Einsatz von Verfahren zur Qualitätssicherung und bei der erforderlichen Qualifizierung von Schulleitungen und Lehrkräften.
Eigenverantwortliche Schule und Schulinspektion stehen im großen Kontext der notwendigen Schulverwaltungsreform in unserem Lande.
Zum Jahresende werden - auch hier sind Wahlversprechen gehalten worden - die Bezirksregierungen aufgelöst. 300 Stellen sind im Kultusbereich einzusparen. Wir arbeiten mit Hochdruck am Konzept einer neuen Schulaufsicht, welche staatliche Bildungsverantwortung sichert und schulische Qualität fördert.
Wir haben von Anfang an alle beteiligten Gruppen intensiv in die Entwicklung entsprechender Konzepte eingebunden. Die Arbeit ist in entsprechenden Arbeitsgruppen zur Schulinspektion, zur eigenverantwortlichen Schule und zur Schulverwaltungsreform bereits in vollem Gange. Sie alle sind herzlich eingeladen - die Regierungsfraktionen wie die Oppositionsfraktionen -, unseren Entwicklungsprozess konstruktiv zu begleiten und sich nicht in die Neinsagerrolle zu flüchten. Wir wollen die besten Lösungen für unsere Schulen finden und werden deshalb sehr genau hinhören, wenn jemand gute Ideen hat. Aus dem Kultusausschuss habe ich das positive Signal vernommen, dass sich gerade auch vor dem Hintergrund eines Entschließungsantrages der SPD-Fraktion ein gemeinsamer Weg abzeichnet, der dauerhaft Bestand haben könnte.