Protocol of the Session on April 30, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Drittens. Es wird für die Eltern wenig nachvollziehbar sein - daran wird das Modell vermutlich scheitern, meine Damen und Herren -, dass sie im Schnitt 60 Euro und mehr für die Ausleihe relativ alter und gebrauchter Bücher zahlen sollen. Sie müssen mit dieser Leihgebühr sogar den Verwaltungsaufwand mitfinanzieren. Die Landesregierung entledigt sich der Aufgabe, die Lernmittel bereitzustellen, indem sie die Kosten vollständig auf die Eltern abwälzt.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie machen Sie das denn jetzt?)

Wer die Kosten der Schulbuchmiete für Sozialhilfeempfänger bezahlen soll, darüber schweigen Sie sich aus. Dafür haben Sie zwar für 2004 eine Lösung, für 2005 aber schon nicht mehr; und der Kultusminister hat sich gerade wieder herausgewunden. Die Einhaltung des Konnexitätsprinzips können Sie nicht zusichern.

Noch schlimmer ist aber Ihre Vernebelungstaktik mit dem Familienrabatt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Busemann hat unter dem Druck unserer Anfragen im März-Plenum behauptet: Ja, es gibt einen Familienrabatt.

Die Presse hat das gern aufgegriffen und bejubelt.

(Glocke der Präsidentin)

Was ist passiert? - Die Verordnung ist in diesem Punkt genauso geblieben wie vorher.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Die ist doch noch gar nicht da! Die Verordnung gibt es doch noch gar nicht!)

Die Schulen können einen Familienrabatt einräumen, wenn sie wollen, sie müssen es aber nicht. Und diesen Familienrabatt müssen die Eltern finanzieren, die nur ein oder zwei Kinder haben, weil das Modell sich sonst nicht rechnet. Die Familien mit ein oder zwei Kindern müssen mehr einzahlen oder die Bücher viel öfter als dreimal ausleihen. Sonst funktioniert das doch nicht, und es soll sich doch rechnen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber die Verordnung ist doch noch gar nicht da!)

Frau Korter, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Der Minister hat gesprochen; vielleicht darf ich eine Minute länger sprechen.

Nein, Sie haben erst danach gesprochen. Sie haben die verabredete Redezeit von fünf Minuten einzuhalten. Bitte kommen Sie zum Schluss!

Andere Länder haben sich für die Lernmittelfreiheit bessere Lösungen einfallen lassen. Ich habe Ihnen versprochen, dass ich Ihnen das sagen wollte.

Der Minister sagt, die Regelung in Sachsen-Anhalt sei nichts, sie sei zu aufwändig. Ich sage Ihnen: Sie ist kostengünstiger für die Eltern, und das Land zieht sich nicht völlig aus der Verantwortung.

Ich möchte Ihnen aber die Berliner Lösung vorstellen. Dort kaufen Eltern Bücher bis zu einer Höchstgrenze von 100 Euro, die in den untersten Klassen sowieso nicht erreicht wird. Auch hier zahlt das Land den Rest, das meiste zahlen aber die Eltern. Dafür besitzen sie aber die Bücher. Sozialhilfeberechtigte bekommen die Bücher gestellt.

Frau Korter, letzter Satz!

Ich komme zum Schluss. - Wenn ich dauernd unterbrochen werde, ist die Zeit natürlich weg.

(Zurufe)

Frau Korter, jetzt reicht es! Sie haben das Präsidium nicht zu kritisieren.

Ja. - Man kann dann die Bücher auf dem Secondhandmarkt billiger kaufen.

Ihr Modell ist phantasielos. Es ist die schlechteste aller Lösungen. Sie bringt nämlich überhaupt keinen Vorteil. Ich hätte Ihnen geraten, sich das Berliner Modell, das auch von dem VdS-Bildungsmedien empfohlen wurde, einmal genauer anzusehen.

(Die Präsidentin schaltet das Mikrofon ab.)

Dann hätten wir vermieden, dass die schwarzgelbe Schulpolitik zur Bildungsverschlechterung beiträgt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Schwarz von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Themen fordern ja immer wieder zu Vorbemerkungen heraus.

Die neue Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP haben intensiv und hart gearbeitet, um in Niedersachsen mit einem neuen Schulgesetz den Schülern in unserem Land wieder neue Chancen für die Zukunft zu eröffnen. Das geschah manchmal in der Tat in wirklich unglaublichem Tempo, getragen von dem Willen, so schnell wie möglich das in den zurückliegenden

Jahren schlingernde Bildungsschiff wieder auf Kurs zu bringen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Aufgabe, ein zukunftsfähiges Schulgesetz zu entwickeln, hat die Politik in Zusammenarbeit mit den einzelnen Verbänden, den Schulen und den Trägern zu erfüllen gehabt.

Zur Umsetzung der Schulstrukturreform geht es nun direkt in die betroffenen Systeme, direkt an die Basis. Ich glaube schon, dass hier enorme Herausforderungen an die Schulen herangetragen werden. Unmittelbar oder mittelbar betroffen sind Tausende von Lehrkräften durch die Abschaffung der OS, das Abitur nach zwölf Jahren und das Zentralabitur, um nur einige Stichworte zu nennen.

Bedingt durch die katastrophale Haushaltssituation war jetzt auch die Lehr- und Lernmittelhilfe nicht mehr zu halten. Zahlen sind heute in dieser Diskussion sehr ausführlich bereits genannt worden. Ich möchte Ihnen eigentlich nur noch einmal sagen, dass es in der Tat nicht einfach ist, eine vernünftige Alternative zu entwickeln, wenn man keinen einzigen Cent in der Tasche hat.

Natürlich ist durch das vorgelegte Angebot des Ausleihmodells, berechtigterweise aus meiner Sicht, auch eine gewisse Unruhe entstanden. In unseren Abendveranstaltungen, die wir ja alle zu diesem Thema gemacht haben, sind wir diesbezüglich auch mit zahlreichen Fragen konfrontiert worden.

Ich glaube aber, Herr Wulf, dass insbesondere die Aussage des Vorsitzenden des Landeselternrates bezeichnend ist. „Von allen schlechten Möglichkeiten ist das noch die beste“, sagte Herr Vogel. Ich sage Ihnen: Dahinter steckt ja auch so etwas wie

(Wolfgang Wulf [SPD]: Resignation! - Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach! Irgendwann gibt man auf!)

Verständnis, wenn man die ausgesprochen schwierigen finanziellen Bedingungen zur Kenntnis nimmt, die Sie uns hinterlassen haben.

Wenn es aufgrund leerer Landeskassen schon nicht mehr gelingen kann, die Lehr- und Lernmittelhilfe vorzuhalten, muss man sich doch zuerst einmal vor Augen führen, was denn eine Familie

mit zwei oder drei Kindern aufzubringen hätte, wenn sie diese Kosten komplett tragen müsste.

Insofern war Kreativität gefragt. Nach meinem Eindruck war in den ersten Tagen und Wochen nach Bekanntgabe des Modells die Resonanz überwiegend skeptisch, teilweise auch aggressiv. Die Situation hat sich aber nach sehr intensiven Diskussionen vor Ort eindeutig entkrampft. Zwar ist es nicht so, dass die Lehrkräfte vor Ort sich jetzt mit wehenden Fahnen dieser neuen Aufgabe widmen, aber sie zeigen eindeutig Bereitschaft zur Kooperation. Ich finde, das ist positiv.

Ein weiterer positiver Aspekt bei dieser ganzen Angelegenheit ist, dass die Schulen Mittel einnehmen, über die sie auch verfügen können.

Sozialhilfeempfänger werden - das ist gesagt worden - zunächst einmal freigestellt.

Herr Minister, ich gehe außerdem davon aus, dass es in Zukunft möglich sein muss, Bücher zum gegebenen Zeitpunkt auch zu veräußern und an den Mann zu bringen, insbesondere in diesem Bereich.

Wenn man es recht betrachtet, verändert sich gegenüber der bisherigen Situation tatsächlich nicht allzu viel.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Es kostet nur Geld!)

Allerdings ist von den Beteiligten wirklich die Bereitschaft aufzubringen, sich konstruktiv in dieses Verfahren einzubringen. So wie ich meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen kenne, werden sie das auch tun. Ziel muss sein, die Schülerinnen und Schüler vernünftig mit Material zu versorgen und sie entsprechend auszustatten. Das wird sichergestellt.

Darüber hinaus muss aber auch sichergestellt sein, dass die Eltern finanziell entlastet werden. Die Abrechnungsverfahren müssen allerdings so schnell wie möglich geregelt werden, wenn das vor Ort noch nicht der Fall sein sollte. In der vergangenen Woche gab es noch Unstimmigkeiten beim Einrichten von Konten durch Geldinstitute. Das sind handwerkliche Fehler, die zu Verärgerung führen und die dringend abgestellt werden müssen.

Fazit: Man kann sich Besseres vorstellen, aber unter den derzeitigen Bedingungen gibt es kaum eine andere Lösung. - Ich bedanke mich.