Protocol of the Session on April 30, 2004

Was nun die urheberrechtlichen Fragen angeht: Hier sagt der eine, das sei rechtswidrig, und der andere, das sei rechtmäßig. Ich sage Ihnen: Diese Fragen können Sie über noch so viele Gesprächsrunden nicht klären. Insofern kommen wir so nicht weiter.

Wir haben bei unseren Gesprächspartnern - und zwar auch beim Landesschülerrat, auch wenn er diesbezüglich andere Auffassungen vertritt - viel Verständnis für unser Leihsystem, aber insbesondere auch dafür gefunden, dass in Anbetracht der katastrophalen Haushaltslage gehandelt werden muss. Am Ende solcher Gespräche haben fast alle Schulen gesagt, das Ausleihverfahren bedeute für sie zwar eine neue Herausforderung, sei aber im Rahmen des finanziell Möglichen eine brauchbare und machbare Lösung.

Das Modell ist auch keine rücksichtslose Abzocke und kein sozialer Kahlschlag. Vielmehr wird uns ja auch in den Medien bestätigt, dass wir hier schon mit dem richtigen Fingerspitzengefühl vorgehen.

Viele Verbände - der Landeselternrat ist mir dabei in Erinnerung - sagen, das Modell ist zwar nicht ideal, aber unter den vielen nicht problemfreien Modellen ist es immer noch das beste, das verträglichste und das sozial ausgewogenste. Und auch das sei angemerkt: Wir haben von keiner Seite einen finanzierbaren Vorschlag erhalten, der sozialer und praktikabler ist als das entgeltliche Ausleihverfahren.

Meckern können viele. Aber eigene Vorschläge machen, wie es denn geht, insbesondere wie das bezahlt wird? Da werden Sie uns wahrscheinlich

auch noch in den nächsten Wochen und Monaten die Antwort schuldig bleiben.

(Zuruf von der CDU: Zumal sie es vorher selber nicht hinbekommen ha- ben!)

Die SPD tritt weiterhin für die Lernmittelfreiheit ein, aber sie sagt eben nicht, wie sie das finanzieren will. Oder doch? Sie war ja schon vor einiger Zeit, letztes Jahr, dagegen, die 2 500 zusätzlichen Lehrkräfte einzustellen. Es könnte ja sein, dass Sie nun sagen, wir sparen die 2 500 Lehrer ein, das sind über 100 Millionen Euro, und damit steht viel Geld zur Verfügung, um die Lernmittelfreiheit wieder einzuführen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Und noch andere schöne Sachen!)

Ich aber sage Ihnen: Was nützt den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Lehrkräften das kostenfreie Leih-Unterrichtsbuch, wenn wegen Unterrichtsausfällen der Unterricht gar nicht stattfindet? Wären die 2 500 zusätzlichen Lehrkräfte nicht eingestellt worden - wie Sie es z. B. wollten -, dann fielen jetzt allein bei den allgemein bildenden Schulen Woche für Woche rund 40 000 Unterrichtsstunden aus. Insofern denke ich schon, dass unsere seinerzeitige Entscheidung richtig war, 2 500 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer einzustellen.

Dass im Bildungssystem insgesamt gespart werden muss, ist der Finanznot des Landes geschuldet. Dass wir die Lernmittelfreiheit mit großer Begeisterung streichen, kann man nicht sagen, weil das ja auch technisch-organisatorische Probleme mit sich bringt. Aber ich glaube, es ist ein vertretbarer Weg.

Wir haben den Mut, den Bürgern offen und klar zu sagen, dass in schwierigen Zeiten nicht alles Wünschenswerte machbar ist, dass man sich aber mit einer gewissen Kreativität doch helfen kann, und das haben wir mit Verantwortungsbewusstsein getan.

Bei dem ganzen Verfahren können wir aber nicht auf die Elternbeteiligung verzichten. Die schlimme Haushaltslage, die wir im letzten Jahr vorgefunden haben, lässt uns gar keine andere Wahl. Entsprechend haben wir die Verordnung mit den Elternräten abgeklärt und sind dort auch auf Einsicht gestoßen. Der Vorsitzende des Landeselternrates hat uns attestiert: Ja, einverstanden, das Geld ist ein

fach nicht da, also muss man sich über entsprechende Alternativen Gedanken machen!

Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf mein Eingangsbeispiel zurück: 800 Euro für eine Familie mit vier Kindern. Ich habe vor Monaten einen Brief bekommen, der mich sehr berührt hat. Da hat mir eine Familie mit sieben Kindern geschrieben - ich glaube, ich habe es schon einmal erwähnt -: Stellen Sie sich vor, wir müssten jetzt für diese Kinder kommenden Sommer alle Bücher neu kaufen; das ist eine Belastung, die wir sozusagen vom laufenden Konto gar nicht tragen können, und über Urlaub und alle diese Dinge machen wir uns schon gar keine Gedanken.

Also, ich würde sagen, da muss man dann irgendwie zusammenstehen und aus dem Kapital, das man hat - das ist der Bücherbestand an den Schulen -, ein Leihsystem entwickeln, bei dem man die notwendigen Bücher zu etwa einem Drittel der eigentlichen Kosten bekommt. Das System wird Geld in die Kasse zurückbringen, und in den nächsten Jahren können wir dann schrittweise wieder neue Bücher kaufen und zur Verfügung stellen. Der Bücherbestand ist sanierungsbedürftig. So werden viele Probleme miteinander gelöst.

Ich sage Ihnen noch einmal: Technisch wird es gehen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächste Rednerin ist Frau Bertholdes-Sandrock von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufgabe der Lernmittelfreiheit - das sage ich insbesondere in Richtung des Kollegen Wulf

(Zuruf von der CDU: Wulf (Olden- burg)!)

ist im allgemeinen politischen Zusammenhang - auch mit der Haushaltslage, von der Sie wohlweislich nicht sprachen - zu sehen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben von Ihnen einen riesigen Schuldenberg ererbt und gerade vor wenigen Tagen gehört, dass wir künftig sinkende Steuereinnahmen zu erwarten

haben. Sie können also das Problem der Lernmittelfreiheit bei aller Berechtigung verschiedener Gedanken nicht isoliert sehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, eine Haushaltskonsolidierung zu beginnen. Der Schuldenstandsanzeiger, der bei uns im Fraktionssaal hängt und den der Bund der Steuerzahler einmal gestiftet hat, geht jetzt langsamer, da die Zinsbelastung von über 90 auf gut 70 Euro pro Sekunde gesunken ist.

Herr Wulf, das sind Tatsachen, die Sie nicht aus dem Auge lassen dürfen. - Es wird schon seinen Grund haben, warum dieser Anzeiger nur bei der CDU-Fraktion hängt. Wir leihen ihn aber gern einmal aus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist der eine Teil des Rahmens, in dem wir diskutieren. Die Haushaltskonsolidierung hat erfolgreich begonnen. Ich sage vorsichtig: begonnen; wir müssen sehen, dass das so weiter geht.

Das heißt ganz deutlich, Herr Kollege Wulf und alle anderen Kolleginnen und Kollegen: Qualität der Politik bemisst sich in dieser Zeit nicht in erster Linie nach der Höhe der Ausgaben. Es ist nicht die Politik die beste, die am teuersten ist. Insofern sind Sie auf dem Holzweg gewesen, und das hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dennoch - auch das gehört zur ganzen Wahrheit, und die Dinge werden nun einmal erst wahr, wenn man sie im Zusammenhang sieht - hat diese Landesregierung im Bereich der Bildung ihre Leistungen deutlich erhöht. Ich habe das an anderer Stelle bereits einmal gesagt; ich freue mich, dass Sie ein so aufmerksamer Leser meiner Reden sind. Dann wissen Sie auch noch, dass der Anteil des Kultusetats am Gesamthaushalt von rund 16,5 auf mehr als 17,5 % gestiegen ist. Das wollen wir anerkennen. Bei dieser Landesregierung wird also nicht irgendwie gespart, sondern mit deutlichen Akzenten.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes einzelne Ressort hat die Aufgabe, mit seinen Ressourcen sparsam umzugehen. Vor diesem Hintergrund verliert Ihre Kritik an der Abschaffung der Lernmittelfreiheit ganz kräftig an Gewicht; sie wird relativiert.

Ich möchte einigen Ihrer Vorwürfe nachgehen und sie auf den Boden der Realität zurückholen; denn wir diskutieren hier nicht irgendwo im Traumreich, sondern auf einer harten politischen Realität.

Wir waren uns doch längst einig - das sage ich gerade den Kolleginnen und Kollegen der SPD -, dass die Lernmittelfreiheit auch in der vergangenen Form längst nicht mehr zu finanzieren war. Schon die Kürzungen zu SPD-Zeiten - die ich Ihnen ja gar nicht vorwerfe - haben gezeigt, dass wir das so nicht mehr bezahlen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Also war die Aufgabe, vor der im Übrigen jede Landesregierung gestanden hätte - seien Sie froh, dass Sie sie nicht stellen - -

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ach, wir wä- ren bereit, so ist es nicht! - Bernd Althusmann [CDU]: Bereit ja, aber nicht in der Lage! - Weiterer Zuruf von der CDU: Das wollen die Bürger aber nicht!)

- Herr Jüttner, dass die Rollen nun anders verteilt sind, hängt mit der Demokratie zusammen.

Wir hatten also die Aufgabe, über ein Nachfolgemodell zu diskutieren, das mehreren Anforderungen zugleich gerecht wird: Es musste weniger belastend für das Land sein, es sollte die Einkommenssituation gerade sozial schwächerer Familien mit mehreren Kindern berücksichtigen - der Kultusminister ist darauf eingegangen -, und es hatte den vorhandenen Buchbestand ökonomisch weiter zu nutzen. Sie können nicht Bücher im Wert von rund 50 Millionen Euro einfach mal verschenken. Das hätte niemand in diesem Land verstanden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Viele von uns haben große Sympathie für das Eigentum am Buch. Ich kann Sie beruhigen, Herr Kollege Wulf: Ich stehe zu jedem Wort, das ich in den bisher wenigen Reden meiner Landtagszeit - ich bin ja erst ein Jahr dabei - gesagt habe; ich nehme nichts davon zurück. Auch ich habe Sympathie für das Eigentum der Schüler am Buch. Aber: Die Sache ist teuer, ob Sie nun die Eltern sehen, die es zu kaufen haben, oder den Staat.

Jeder Schüler kann natürlich nicht - was das allereinfachste wäre, aber für den Staat nun gar nicht

zu machen - alle Bücher vom Staat kostenlos bekommen.

(Zuruf von Wolfgang Wulf [SPD])

Das scheinen einige in diesem Raum aber im Hinterkopf zu haben, wenn sie einerseits die Beibehaltung der Lernmittelfreiheit fordern, aber andererseits die Bücher nicht abgeben wollen. Zusammen bekommen wir diese beiden Schienen sowieso nicht.

(Beifall bei der CDU)

Jedenfalls wäre das eine absolute Katastrophe, und Katastrophen haben wir genug von Ihnen bekommen, da brauchen wir nicht noch eigene zu machen.

Der Kauf des Buches aber - auch das hat der Kultusminister gesagt - sollte immer eine Option sein. Ich stehe ausdrücklich dazu. Er sollte - und das ist der Unterschied - aber nicht zum Zwang werden. Deshalb machen wir das Angebot des Mietmodells. Dass alles, was Wert hat, auch etwas kosten darf - gerade in Zeiten knapper Finanzen -, gilt auch für die Bildung und - Sie werden staunen, Herr Kollege - sogar für die Bücher.

Da die Bildung nun aber erschwinglich sein muss - da stimme ich Ihnen zu -, ist die Nutzung der Bücher für etwa ein Drittel des Neupreises zu haben. Das ist das Modell der Landesregierung.