Meiner Meinung nach würde dies die Diskussion über Hartz IV zumindest in dem Punkt, in dem das Land gegenüber den Kommunen die Verantwortung trägt, erleichtern. Aber leider müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit mit Schreiben vom 10. Februar 2004 an den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund eine Ausgleichsverpflichtung gegenüber den Kommunen ausdrücklich abgelehnt hat.
Ich möchte nun noch einmal auf die Aktuelle Stunde heute Morgen zu sprechen kommen. Die Ministerin Frau von der Leyen hat heute Morgen in der Aktuellen Stunde behauptet, dass es durch die Wohngeldreform zwar Entlastungen geben werde, aber nicht in der Höhe, wie sie von uns ermittelt worden sei, sondern dass die Zahl zu hoch sei und zudem durch den im Vermittlungsausschuss vereinbarten Ausgleich für die neuen Bundesländer eine Belastung für das Land Niedersachsen in Höhe von 95 Millionen Euro in Abzug zu bringen sei. Frau von der Leyen, vielleicht wäre es ratsam gewesen, sich bei Herrn Wulff zu erkundigen, der zusammen mit dem Hessischen Ministerpräsidenten Herrn Koch das Ergebnis des Vermittlungsausschusses mit zu verantworten hat. Vereinbart wurde im Vermittlungsausschuss - hören Sie genau hin -, dass das Land Niedersachsen durch die Wohngeldreform um 380 Millionen Euro entlastet werden soll. Vereinbart wurde auch, dass die ost
deutschen Länder zusätzlich um insgesamt 1 Milliarde Euro entlastet werden sollen, da sie weniger als die westdeutschen Länder von der Wohngeldreform profitieren. Der Anteil des Landes Niedersachsen an dieser Refinanzierung über den Länderanteil an der Umsatzsteuer beträgt 90 Millionen Euro. Damit verbleibt für das Land Niedersachsen unter dem Strich - wenn ich richtig rechnen kann - 290 Millionen Euro. Sie sollten diesen Betrag in voller Höhe an die Kommunen weiterleiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, ich erinnere Sie an eine Aussage aus Ihrem Wahlprogramm mit dem Titel „Stärkung der kommunalen Finanzen“. Da heißt es: Niedersachsen kann nur so stark sein wie seine Kommunen. Wie wahr! Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Aber was machen Sie? - Sie schwächen die Kommunen. Genau genommen schwächen Sie damit auch das Land Niedersachsen. Daher erwarten wir, dass jetzt eine eindeutige Aussage seitens der Landesregierung kommt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Verabschiedung des Hartz IVGesetzes und die damit verbundene Zusammenlegung der bisherigen Leistungen der Arbeitslosenund Sozialhilfe zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Grundlage geschaffen worden, die von der Politik und den kommunalen Spitzenverbänden schon seit Jahrzehnten gefordert worden ist. Nach den überschlägigen Berechnungen führt Hartz IV jedoch bei den Kommunen zu erheblichen Mehrbelastungen. Es muss klar sein, dass die zugesagte Entlastung der Kommunen, insbesondere der strukturschwachen Kommunen, um rund 2,5 Milliarden Euro sichergestellt werden muss. Deshalb fordern wir in unserem Antrag alle am Vermittlungsverfahren Beteiligten auf, die dem Finanztableau zugrunde liegenden Annahmen nochmals zu überprüfen und dann sicherzustellen, dass die beabsichtigte Entlastung der Kommunen auch tatsächlich eintritt.
In diesem Bereich besteht im Interesse aller Beteiligten dringender Klärungsbedarf; denn es darf nicht sein, wie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in diesen Tagen zu lesen war, dass es vielleicht zum Aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe kommt. Die Kommunen sind - das kann ich als Kommunalpolitikerin gut nachvollziehen - am Ende ihrer Geduld und sehen auf der Basis der beschlossenen Finanzierungsregeln keine Grundlage mehr. Bei dem viel beschriebenen Ritt vor die Wand ist die Wand längst da. Wir alle wissen das.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich in der Kommunalpolitik ein bisschen auskennt - ich weiß, viele von Ihnen haben kommunalpolitische Ämter -, der weiß auch, dass es vor Ort nicht mehr um theoretisch geführte und politisch motivierte Konsolidierungsgespräche geht. Es geht vor Ort um die kommunale Selbstverwaltung, um Gestaltungsmöglichkeiten und um Entscheidungen, die aufgrund der katastrophalen Finanzlage wirklich an die Substanz der Kommunen gehen. Wenn Sie unseren Entschließungsantrag genau gelesen haben - davon gehe ich aus -, dürfte unser Antrag eigentlich die Zustimmung aller hier in diesem Hause finden. Denn unsere Kommunen haben keine Zeit mehr für taktische Spielchen. Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen meines Landkreises, damit Ihnen die Tragweite richtig deutlich wird.
Der Landkreis Leer, übrigens im wunderschönen Ostfriesland gelegen, hat sich intensiv mit den Konsequenzen aus Hartz IV beschäftigt und kommt auf eine Mehrbelastung von 12 Millionen Euro. Der Haushalt des Landkreises wäre damit endgültig ruiniert. Würden diese Belastung über die Kreisumlage den Kommunen und Städten aufgebürdet werden, bedeutete dies eine Erhöhung um 12 Punkte - also völlig inakzeptabel. Sie alle kennen die Diskussion der letzten Tage und die Zusage des Bundes, das Zahlenwerk noch einmal zu überprüfen.
Meine Damen und Herren, jetzt muss aber auch das Land seiner Verantwortung gerecht werden und seine Einsparungen aus dem Hartz IV-Gesetz an die Kommunen weitergeben.
Meine Fraktion hat in den einzelnen Punkten des vorliegenden Antrages aufgeführt, worum es konkret geht: um die Verpflichtung des Landes, die Einsparungen aus der Wohngeldreform ohne Abstriche an die Kommunen weiterzugeben,
um die Überprüfung der finanziellen Folgelasten aus Hartz IV für die Kommunen und die Sicherstellung der zugesagten Entlastung und um die Einführung einer so genannten Revisionsklausel in das SGB II.
- Wenn Sie zugehört hätten, dann hätte ich „alle im Vermittlungsausschuss Beteiligten“ gesagt. - Geben Sie also den Kommunen nicht nur die Freiheit, das Optionsrecht auszuüben, sondern vor allem das Geld, das sie dringend brauchen, damit sie vor Ort noch gestalten können. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Anträge der Fraktionen der SPD und der Grünen lenken von der Notwendigkeit ab, noch eine Minute vor zwölf das Kommunaloptionsmodell für die Trägerschaft der Grundsicherung für Arbeitsuchende lebensfähig zu machen.
Inzwischen hat die rot-grüne Bundesregierung bei der Umsetzung von Hartz IV das Vertrauen der Kommunen massiv verspielt.
Der Vermittlungsausschuss hatte eine Nettoentlastung der Kommunen von ca. 2,5 Milliarden Euro zugrunde gelegt. Den Entlastungen der Kommunen bei der Sozialhilfe in Höhe von 11,3 Milliarden Euro sollten Belastungen durch Wohnkosten von nur 9,7 Milliarden Euro gegenüber stehen. Nun tritt offensichtlich eine Nettobelastung der Kommunen in Milliardenhöhe ein. Das liegt daran, dass sich die dem Vermittlungsausschuss vorgelegten Zahlen als falsch herausgestellt haben.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Haben Sie das Finanzministerium auch aufgegeben?)
Der Bund selbst - genauer: das Wirtschaftsministerium, Herr Clement - hatte die falschen Zahlen dort noch heftig gegen die Einwendungen aus Niedersachsen und anderen Ländern verteidigt. Nun haben wir den Salat.
Frau Kollegin Modder hat ja gerade gesagt, was das im Landkreis Friesland bedeutet. Der Landkreis Cloppenburg hat 8,7 Millionen Euro Mehrkosten - das ist eine Verdoppelung des Sozialhilfehaushalts. Der Landkreis Vechta schätzt seine Mehrausgaben auf rund 5 Millionen Euro, weil die Zahlen falsch waren.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie hätten doch einfach nur mitrechnen müssen! Haben Sie keinen Finanzminister?)
- Jetzt kommt es, jetzt geht es weiter. - In der noch rot-grünen Region Hannover wird sogar davon gesprochen, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe für die Region Hannover zum Finanzdebakel zu werden droht. Allein für die Landeshauptstadt Hannover sollen sich gegenüber den falsch berechneten Zahlen Mehrkosten in Höhe von 30 Millionen Euro ergeben.
Es gibt eine ganze Reihe von Rechenfehlern des Bundes, die zu diesen Mehrbelastungen der Kommunen führen. Die werde ich jetzt unter die Lupe nehmen. So fehlt für die neuen kommunalen Aufgaben der Wohnungsfürsorge, Kinder- und Sozialbetreuung ein Verwaltungskostenansatz von rund 0,5 Milliarden Euro.
Nicht berücksichtigt wurde die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf grundsätzlich nur noch zwölf Monate mit der Folge vermehrter Fälle von Arbeitslosenhilfe, also dem neuen Arbeitslosengeld II. Die Steigerung der Sozialhilfeausgaben von 2001 bis 2005 wurde mit 8,5 % viel zu hoch angesetzt. Insofern wurde die Entlastung der Kommunen im Bereich der Sozialhilfe falsch berechnet. Die Unterkunftskosten wurden vom Wirtschaftsministerium falsch berechnet: Es sind nämlich nur die Durchschnittsmieten der Arbeitslosenhilfebezieher eingeflossen. Geschätzt wurden aber nicht die Mieten der Sozialhilfebezieher, die um 10 bis 20 % niedriger liegen. Es war die Aufgabe des Wirtschaftsministers, das auszurechnen.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist doch ein Witz! Sie müssen doch mit eigenen Zahlen in solche Verhand- lungen gehen!)
Zu hoch hat der Bund die kommunale Entlastung durch Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf die Gewährung von Unterkunftskosten angesetzt; denn die Anrechnung erfolgt vorrangig auf das vom Bund gezahlte Arbeitslosengeld II. Die geschätzte Verringerung der heutigen Arbeitslosenhilfebezieher um 23 % wird nicht eintreten. Zwar sinkt die Einkommensgrenze auf Sozialhilfeniveau. Sie steigt aber gleichzeitig aufgrund der Anhebung des Leistungsniveaus durch den höheren Regelsatz, durch höhere Absetzungsbeträge bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit, höhere Vermögensgrenzen und nur noch zwei Regelsatzstufen für Kinder. Außerdem müssen die Kommunen jetzt selbst Wohngeld ersetzen, beispielsweise für Bewohner von Pflegeheimen oder von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.
Das alles fällt mit dem Finanzierungsdefizit der Kommunen zusammen, das allein im Jahr 2003 ca. 10 Milliarden Euro beträgt. Das führt zu der lo
gischen Folgerung, dass das Paket an Be- und Entlastungen der Kommunen neu aufgeschnürt werden muss, um doch noch die versprochenen 2,5 Milliarden Euro Nettoentlastung der Kommunen zu erreichen. Wie das geht, hat Niedersachsen gezeigt. Das Sozialministerium hat ein Raster zur Datenerhebung ausgearbeitet, um die Be- und Entlastungen realistisch herauszufinden. Das steht den Ländern zur Verfügung.
In diesem Zusammenhang auch noch eine Bemerkung zu den 250 Millionen Euro Einsparungen des Landes laut SPD-Antrag: Die sind völlig aus der Luft gegriffen. Es war nämlich zu hören, dass die SPD-Landesgruppe im Bundestag ganz anders gerechnet hat. Sie kommt nur auf 115 Millionen Euro Landeseinsparungen. Wovon sollen wir also nun ausgehen? Dabei ist noch der Sonderbelastungsausgleich von 95 Millionen Euro ausgeblendet. Das zeigt, dass die Datengrundlage völlig neu erarbeitet werden muss. Es gibt nichts Einfacheres, als dass Sie, Herr Gabriel, nach Berlin gehen und das kräftig auf die Beine bringen. Das ist unsere Hoffnung.
(Beifall bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Mensch, Sie sind in der Regie- rung! Sie sitzen im Bundesrat! Aber wenn ich Ihnen den Job abnehmen soll, herzlichen Dank!)