Nachdem dies im Bereich des Versammlungsrechts nicht gelungen ist, weil die Entscheidungen der Polizei und der Versammlungsbehörden durchweg gerichtlich bestätigt wurden - bis hin zum Bundesverfassungsgericht -, sind nun die Ingewahrsamnahmen an der Reihe.
Sehr geehrter Herr Briese, wenn Sie sich schon Sorge um die Bewahrung des Rechtsstaats machen, sollten Sie nicht unerwähnt lassen, dass es bei den Transporten regelmäßig durch Demonstranten zu massiven Rechtsverstößen, Angriffen auf die Transportstrecke und auf polizeiliche Einsatzkräfte kommt.
Allein beim letzten Transport 2003, der von mir durchaus zusammenfassend als friedlich bezeichnet wird, mussten wiederum 85 Strafverfahren und 234 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden. Das ist das Bild, das die CASTOR-Transporte leider immer wieder prägt und polizeiliches Handeln erfordert.
nicht-rechtsstaatliches Verhalten von Demonstranten in irgendeiner Weise zu legitimieren. Aber es ist doch exorbitant wichtig, dass sich gerade der Staat, die Exekutive, rechtsstaatlich verhält. Um nichts anderes geht es in unserem Antrag.
Ich freue mich, dass Sie das noch einmal dargestellt haben. Ich habe das erst einmal in einen Gesamtzusammenhang gestellt. Dass Sie das bestätigen, freut mich außerordentlich. Ich darf jetzt zu dem kommen, was Sie gerade noch einmal angemerkt haben.
Meine Damen und Herren, das Landgericht Lüneburg hält zudem eine persönliche Anhörung der Betroffenen durch die Amtsgerichte für erforderlich, und das mittlerweile zwei Jahre nach der Maßnahme. Die Sinnhaftigkeit solcher nachträglichen Anhörungen hat der zuständige Richter beim Amtsgericht Dannenberg, der immerhin Direktor dieses Gerichts ist, in Zweifel gezogen.
Das Landgericht hat um Prüfung zweier Aspekte gebeten: die Begründung der Gefahrenprognose und die Zeitdauer der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung. Beides unterliegt aus Sicht der Polizei bei der Massen-Ingewahrsamnahme beim letzten Transport von ca. 1 240 Personen besonderen Bedingungen. Hier wird es letztlich einer obergerichtlichen Klärung bedürfen.
Nach dem Bericht der Bezirksregierung Lüneburg befanden sich einige der betroffenen Personen beim Transport im November 2001 in einer größeren Sitzblockade auf einer Landesstraße, für die das Versammlungsverbot entlang der Transportstrecke galt. Es sind dort diejenigen in Gewahrsam genommen worden, die der dritten Aufforderung zum Verlassen der Straße nicht nachkamen. Eine andere Gruppe hat sich nach 22.30 Uhr, also im Dunkeln, aus dem Gelände auf die bestehende Straßenblockade zubewegt und war davon nur durch Ingewahrsamnahme abzubringen.
Die Anforderungen an die Gefahrenprognose dürfen nicht überzogen werden. Auch bei dem Handeln einer Gruppe müssen alle Teilnehmer in Gewahrsam genommen werden können, wenn es keine Differenzierungsansätze für die Entlastung Einzelner gibt. Schließlich geht es um eine Prognose. Gefahrenabwehr macht nur dann Sinn, wenn die Polizei anders als bei der Strafverfolgung bereits im Vorfeld tätig werden kann. Die Prognose, die Grundlage des polizeilichen Handelns ist, kann nicht erst dann erfüllt sein, wenn sich die Gefahr der Begehung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten bereits realisiert hat.
Zur Unverzüglichkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom Mai 2002 zum Abschiebegewahrsam anerkannt, dass eine Verzögerung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein kann. Nicht vermeidbar sind danach z. B. die Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder ver
gleichbare Umstände bedingt sind. Die Erreichbarkeit eines Richters soll jedenfalls während der Tageszeit, also von 6.00 bis 21.00 Uhr, gewährleistet sein.
Diese Grundsätze müssen für die Bedingungen von Massen-Ingewahrsamnahmen in besonderer Weise gelten. Dort lässt sich die Schnelligkeit der Herbeiführung richterlicher Entscheidungen nicht beliebig steigern, zumal wenn gleichzeitig umfangreiche Begründungen für Gefahrenprognosen erstellt werden sollen.
Die angestrebte Beschleunigung stößt bei MassenIngewahrsamnahmen strukturell auf technische und personelle Grenzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Betroffenen durch zum Teil bewusst, zum Teil dem Anschein nach rechtswidriges Verhalten erst die Ursache für diese Situation gesetzt haben.
Soweit der Polizei anlässlich des letzten Transportes u. a. vorgeworfen wird, sie habe teilweise die Aufnahme der in Gewahrsam genommenen Personen in der Gefangenensammelstelle bewusst verzögert, so sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Polizei in dem in Rede stehenden Fall die festgesetzten Personen nur deshalb langsam transportieren konnte, weil die berechtigte Sorge bestand, es könnten Krähenfüße oder Nagelbretter auf der Fahrroute liegen.
Das Landgericht Lüneburg hat die Verfahrensweise im Übrigen auch nicht für unzulässig erachtet, sondern lediglich um Prüfung und insbesondere um Konkretisierung der Begründung von Zeitverzögerungen gebeten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein an dem betreffenden Einsatztag 525 Personen in die Gefangenensammelstelle Neu Tramm aufgenommen wurden. Man kann der Polizei nicht auferlegen, für jede dieser Personen womöglich einen Bediensteten zur Fallbearbeitung zuzuweisen, zumal auch die richterlichen Kapazitäten dann überschritten würden.
Insgesamt wird bei den CASTOR-Transporten bereits sehr viel Aufwand seitens der Polizei und Justiz betrieben, um die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren zu gewährleisten. Nach jedem Transport wurden und werden Optimierungsmöglichkeiten durch die Polizei und auch in Gesprächen mit der Justiz untersucht. So hat das Ministerium für Inneres und Sport rechtzeitig vor dem letzten GorlebenTransport die Bezirksregierung Lüneburg beauf
tragt, die Abläufe der Ingewahrsamnahme zu analysieren. Das Konzept sollte dahin gehend überprüft werden, ob beispielsweise durch organisatorische Maßnahmen oder Veränderung der Handlungsabläufe die Verfahrensdauer verkürzt werden kann.
Herr Minister, ich unterbreche Sie kurz. Meine Damen und Herren, ich darf noch um eine Viertelstunde Aufmerksamkeit bitten. Es ist sehr schwer, den Redner zu verstehen.
Ich gebe ja zu, dass es eine nicht ganz einfache Materie ist. Aber es ist wichtig, einmal genau die Abläufe zu schildern, damit das, was vorhin gesagt worden ist, richtiggestellt werden kann.
Im Ergebnis wurde eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen erarbeitet, die während des letzten Polizeieinsatzes zur Anwendung gekommen sind. Zu einer Überprüfung bedarf es mithin keiner Aufforderung durch den vorliegenden Entschließungsantrag. Es ist schon bemerkenswert, dass hier die Polizei auf der Basis laufender Gerichtsverfahren zu rechtsstaatlichem Handeln aufgerufen wird, während die Protestveranstaltung massenhaft zu Rechtsbrüchen der Demonstranten führt. Eine substantiiert begründete Gefahrenprognose zum letzten Transport können Sie übrigens dem Versammlungsverbot entlang der Transportstrecke entnehmen, das die Bezirksregierung Lüneburg erlassen hat.
Meine Damen und Herren, hier hat der Staat absolut rechtskonform gehandelt, wie das immer so ist. Insofern war es notwendig, Ihnen das in dieser Länge auch einmal darzustellen, damit Sie in Zukunft solche Anträge nicht mehr stellen müssen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion unterstützt das Ziel der Grünen, bei CASTOR-Transporten in das Zwischenlager Gorleben dafür Sorge zu tragen, dass rechtsstaatliche Grundsätze auch gegenüber Demonstranten eingehalten werden.
Dennoch haben wir ein Problem mit diesem Entschließungsantrag. Wir sind uns nicht sicher, ob das inhaltlich zweifellos unterstützenswerte Ansinnen wirklich einen Entschließungsantrag rechtfertigt. Auch wir gehen davon aus, dass sich die Landesregierung und damit auch die Landespolizei bei der Durchführung der CASTOR-Transporte an Recht und Gesetz hält, ohne dazu ausdrücklich aufgefordert werden zu müssen. Es ist nicht die Aufgabe des Parlaments, die Landesregierung präventiv aufzufordern, sich an Gesetz und Recht zu halten. Diese Aufgabe ist in der Verfassung geregelt. Gemäß Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes sind vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden.
Meine Damen und Herren von den Grünen, beim Lesen Ihres Entschließungsantrages kann man den Eindruck gewinnen, die Landesregierung würde rechtsstaatswidrig handeln, wenn sie für die Sicherheit des CASTOR-Transports sorgt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Gegenteil richtig ist.
Es ist die rechtsstaatliche Pflicht der Landesregierung, für die Sicherheit und Durchführung der CASTOR-Transporte zu sorgen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Atomtransporte inhaltlich ablehnt, wie SPD und Grüne das tun, oder ob man das Wendland zum Atomklo der ganzen Republik machen will, wie es CDU und FDP offenbar vorhaben.
Bei der Atompolitik handelt es sich um ein Thema, das in den Parlamenten streitig miteinander ausgetragen werden muss. Es ist gut, dass die Bürgerinnen und Bürger gegen die Atompolitik, deren Müll in Niedersachsen nicht zwischen- oder endgelagert werden soll, protestieren und auf die
Straße gehen. Ich selbst - da spreche ich sicherlich auch für viele meiner Kollegen - unterstütze friedliche Demonstrationen, weil ich der Meinung bin, dass die Atomenergie eine Technologie von gestern ist, von der sich unsere Gesellschaft so schnell wie möglich verabschieden sollte.
Meine Damen und Herren, kein Verständnis habe ich für Demonstranten, die die CASTORTransporte bewusst zum Anlass nehmen, um mit Gewalt auf ihren Standpunkt hinzuweisen
und sich dabei Stellvertretergefechte mit der Polizei liefern. Hier muss der Rechtsstaat einschreiten; denn die CASTOR-Transporte sind ja nicht per se rechtswidrig. Sie unterstehen dem staatlichen Schutz, ob uns das gefällt oder nicht. Dabei darf der Staat natürlich nicht die Rechtsstaatlichkeit verlassen.
Schwierig könnte es künftig für den Innenminister werden, wenn er seine Idee umsetzt, die Bezirksregierungen abzuschaffen. In der Vergangenheit war die Vernetzung zwischen Polizei und ziviler Versammlungsbehörde unter dem Dach der Bezirksregierung Lüneburg ein Garant dafür, dass die unpopulären, aber notwendigen Demonstrationsverbote bis hin zu den höchsten Gerichten standgehalten haben. Im Entschließungsantrag der Grünen wird darauf hingewiesen, dass einige Beschlüsse der Amtsgerichte Uelzen und Dannenberg zur nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsbeschränkung vom Landgericht Lüneburg aufgehoben wurden. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Amtsgerichte die erforderliche Sachverhaltsaufklärung nur unzureichend durchführten. Die Amtsgerichte orientierten sich bei ihren Entscheidungen nach eigenen Angaben allerdings am praktisch Machbaren. Deshalb steht die Landesregierung jetzt und künftig in der Pflicht, die Personalsituation bei den von den CASTOR-Transporten betroffenen Amtsgerichten spürbar zu verbessern, um rechtsstaatliche Einzelfallentscheidungen zeitnah zu ermöglichen und diese nicht mangels praktischer Machbarkeit unterbleiben müssen.
Ich hatte die Gelegenheit, am Samstag vor dem CASTOR-Transport ein Konfliktberatungsteam der Polizei zu begleiten. Die dabei geführten Gespräche mit Einsatzkräften und Anwohnern haben bei mir die Erkenntnis verstärkt - auch unter dem Ein
druck der gewaltigen Polizeipräsenz -, dass die Politik gefordert ist, Lösungen für die Endlagerproblematik nicht nur zu suchen, sondern auch zu finden, und zwar Lösungen, die von den Betroffenen akzeptiert werden.