Protocol of the Session on November 21, 2003

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Die Vorschläge aus dem MWK basieren aber größtenteils auf den Ergebnissen der Wissenschaftlichen Kommission.

In der Pressemitteilung vom 10. Oktober 2003 zur Schließung des Fachhochschulstandorts Buxtehude schreibt Frau Dr. Andretta: „Unser wertvollstes Kapital ist das in den Köpfen unserer jungen Menschen.“ Richtig! Allerdings ist dies auch der einzige richtige Satz.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Warum kann man nicht einfach einmal sagen, dass man mit seinem Konzept ge- scheitert ist?)

Es kann nicht angehen, dass einfach die Erhaltung des Status quo gefordert wird, ohne an die Auswirkungen auf die Zukunft zu denken.

Frau Trost, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wulf?

Nein, das ist zeitlich nicht möglich. - Es kann nicht angehen, dass wir unserer Verantwortung gegenüber den jungen Menschen nicht gerecht werden. Ich will dies an einem Beispiel untermauern. Wir haben hier in Niedersachsen derzeit 1 100 arbeitslose Architekten. Statistisch gesehen stehen einem Architekten 737 Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen gegenüber. Die entsprechende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, denen ein Arzt gegenübersteht, ist nicht wesentlich geringer. Einmal ganz im Ernst: Einen Arzt brauche ich in meinem Leben häufiger als einen Architekten. Ich frage mich, ob wir tatsächlich weiterhin am Arbeitsmarkt vorbei ausbilden und den jungen Menschen guten Gewissens ein Studium empfehlen können, nach dessen Absolvierung eine Anstellung unwahrscheinlich ist.

Nun komme ich auf den Antrag betreffend Schließung der Fachhochschulstandorte Buxtehude und Nienburg zu sprechen. Auch hier gehe ich zunächst auf einige Fakten ein. Bereits 1990 hat die Hochschulstrukturkommission für das Land Nie

dersachsen empfohlen, dass ebenso wie im Falle der Universitäten auch bei den Standorten von Fachhochschulen hochschulpolitische Überlegungen bei den Entscheidungen Vorrang vor regionalpolitischen Gesichtspunkten haben sollten. Ich zitiere jetzt - Sie haben es vielleicht auch gelesen; ich hoffe zumindest, dass Sie es gelesen haben, Frau Dr. Andretta -:

„Auf Dauer nutzt es weder einer Region noch dem Land Niedersachsen, wenn Einzelstandorte von Fachhochschulen aufrechterhalten werden, die den gegenwärtigen und erst recht den zukünftigen Bedingungen der Hochschulentwicklung nicht mehr genügen.“

In diesem Zusammenhang werden insbesondere Buxtehude und Nienburg erwähnt. Ich zitiere weiter:

„Die Kommission empfiehlt deshalb der Landesregierung sowohl aus Kosten-Nutzen-Erwägungen als auch aus bildungspolitischen Überlegungen, diese Nebenstandorte aufzugeben.“

Nachzulesen in dem Bericht auf Seite 335, Frau Dr. Andretta.

Seit 1990 haben die Landesregierungen die Empfehlungen der Hochschulstrukturkommission, die Fachhochschulen auszubauen, dankenswerterweise zum Teil aufgegriffen. Diese Regierungen haben es jedoch fahrlässig vernachlässigt, die Umsetzung der zugegebenermaßen schwierigen Strukturempfehlungen zur Steigerung der Effizienz auch nur in Erwägung zu ziehen. 13 Jahre sind nicht genutzt worden, um dort eine Möglichkeit aufzuzeigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir verschließen die Augen nicht vor notwendigen Veränderungen. Natürlich machen wir uns Gedanken darüber, wie wir auf eine Schließung der Fachhochschulstandorte Buxtehude und Nienburg eventuell doch noch verzichten können. Natürlich sehen wir die Bedeutung dieser Fachhochschulstandorte in der Region. Natürlich begrüßen wir die Aktivitäten dort in der Region. Natürlich befinden wir uns vor Ort auch in Gesprächen mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die Kürzungen selbst können wir nicht zurückziehen. Aber ich sage Ih

nen: Unsere Fraktion befindet sich derzeit in intensiven Beratungen über die Frage, wie die Ausbildungsstandorte in Buxtehude und Nienburg möglicherweise noch gehalten werden können.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Ich denke, das lohnt sich nicht! Das haben Sie eben gesagt!)

Wir legen aber Wert darauf, dass diese Standorte solide, deutlich und klar auf die Zukunft ausgerichtet sind.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ach! Das sind die jetzt nicht? Das wird ja immer doller!)

Wir werden dort keine Luftnummern als Erfolge buchen.

Meine Damen und Herren, geben Sie uns Ihre Gegenfinanzierungsvorschläge zu den Kürzungen. Wir wären sehr dankbar, wenn wir sie hätten. Wir würden sie gern intensiv beraten. Wir werden allerdings auch die Anträge intensiv beraten. Ihren Antrag auf sofortige namentliche Abstimmung lehnen wir jedoch ab,

(Lachen bei der SPD)

weil es unsere Hochschulen - auch Nienburg und Buxtehude - verdient haben, dass wir uns mit der Sache intensiv befassen und seriös damit umgehen. - Danke.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist Professor Zielke von der FDPFraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn überall gespart und gekürzt werden muss, wenn mehr als 4 Millionen Menschen vergeblich nach Arbeit suchen, wenn der Staat nahezu pleite ist, dann kann man die Hochschulen nicht mit einem Zaun umgeben. Dass die Hochschulen das anders sehen, ist verständlich. Dennoch: Sie werden noch vom Steuerzahler über den Staat finanziert. Sie sind staatliche Einrichtungen, und sie können von den Kürzungen bei allen Staatsausgaben nicht ausgenommen werden.

(Beifall bei der FDP - Rebecca Harms [GRÜNE]: Natürlich!)

Übrigens trifft es nicht zu, dass bei den Hochschulen insgesamt überproportional gekürzt wird. Die Landesausgaben sinken insgesamt um rund 4 %, die Landesausgaben für die Hochschulen - ohne durchlaufende Kosten, wohlgemerkt - um 3,5 %. Wir glauben, dass dies zu verkraften ist. Schwer, aber es muss gehen.

In der Vergangenheit sind manche Umstrukturierungen im Hochschulbereich auf die lange Bank geschoben worden - Frau Trost hat darauf hingewiesen -, obgleich Probleme wie etwa die der monostrukturierten Standorte seit Jahrzehnten bekannt waren. Das Hochschuloptimierungskonzept versucht, aus der Not eine Tugend zu machen, d. h. die Dramatik der Haushaltslage als Chance für eine Verbesserung der Gesamtstruktur zu nutzen.

(Beifall bei der FDP)

Nun zu einigen konkreten Punkten. Der Antrag fordert, „dass die Strukturmaßnahmen eigenverantwortlich von den Hochschulen getroffen werden“. Das ist wünschenswert; keine Frage. Das klappt auch in vielen Fällen ganz hervorragend, aber eben nicht immer. Wenn eine Hochschule innerhalb von ein paar Wochen zwei völlig verschiedene Konzepte vorlegt, dann gibt das zu denken. An anderen Standorten behindern interne Querelen bisher jeden Fortschritt in der Planung. Von daher bleibt dem Land gar nichts anderes übrig, als seine Verantwortung wahrzunehmen und angemessen einzugreifen. Es gibt eben nicht nur die im Antrag völlig zu Recht gelobten eingeleiteten Erneuerungsprozesse, sondern auch einfaches Beharren nach dem Motto: Uns kann sowieso keiner. - Natürlich, Frau Dr. Andretta, gibt es in jedem Einzelfall ein Für und ein Wider, und man kann die Dinge so oder anders darstellen. Zum Entscheiden aber gibt es keine Alternative.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Auch wenn es falsch ist!)

Ein anderer Punkt. Ja, der Wissenschaftsrat hat eine 40 %-Quote für die Fachhochschulen empfohlen. In Niedersachsen haben wir jetzt aber gerade erst 25 % erreicht. Das stimmt.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Wenn die Sache so einfach ist, warum dann keine namentliche Abstimmung?)

- Darauf komme ich noch. - Erstens stammt dieses 40 %-Ziel aus einer Zeit, zu der von Bachelor- und Masterstrukturen noch niemand geredet hat. Manches wird anders aussehen, wenn die Universitäten in ein paar Jahren dieselben kurzen berufsqualifizierenden Studiengänge anbieten werden wie die Fachhochschulen.

Zweitens kann es trotz des jetzigen geringen Gesamtanteils von 25 % Studierenden an Fachhochschulen in einzelnen Studiengängen durchaus ein Überangebot geben, oder die Lücke zwischen Absolventenzahl und Jobangebot kann immer weiter auseinander klaffen. Ich kann ja verstehen: Die globale Sicht auf Prozentzahlen ist einfach. Sie kann aber die Betrachtung einzelner Fächer nicht ersetzen.

Zu Buxtehude und Nienburg: Angesichts der drohenden Schließung sind viele Dinge in Bewegung gekommen, die vorher niemand für möglich gehalten hätte. Viele sind daran beteiligt, sind auf der Suche nach alternativen Lösungen, die aber - auch das ist ganz klar - auf ihre Tragfähigkeit hin sorgfältig geprüft werden müssen. Wenn wir Ihren Antrag beschlössen, würden diese Prozesse sofort zum Stillstand kommen. Ihr Antrag ist ehrenwert. Wenn Sie es aber genau überlegen, dann ist er letztlich kontraproduktiv.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Stratmann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja schon sehr vieles gesagt worden,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie brau- chen nur noch Ja zu sagen!)

z. B. in einem Zusammenhang, der sich vor einigen Wochen um die Regierungserklärung rankte. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe jetzt das Bedürfnis, hier vor diesem hohen Hause noch einige Dinge - insbesondere an Ihre Adresse, Frau

Dr. Andretta anzumerken. Zunächst einmal möchte ich mich bei Frau Wörmer-Zimmermann und auch bei Frau Hemme dafür bedanken - ich tue dies wirklich von ganzem Herzen -, dass sie sich hier, wie ich fand, sehr sachlich eingelassen haben, ohne auf Beleidigungen zurückzugreifen. Den Redebeitrag von Frau Dr. Andretta aber fand ich ungeachtet dessen, dass er nicht einen einzigen Lösungsvorschlag beinhaltete, beleidigend und in gewisser Weise auch diffamierend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Er zeigt mir sehr deutlich, dass Sie nunmehr versuchen, davon abzulenken, dass die SPD-Fraktion nicht nur in der Vergangenheit davor zurückgeschreckt ist, unpopuläre Maßnahmen, richtige Strukturmaßnahmen zu ergreifen, sondern dass die SPD-Fraktion - was ich für schlimmer halte heute in ihrer Rolle als Opposition noch nicht einmal in der Lage ist, uns auf diesem schwierigen Weg zu begleiten, der absolut unabweisbar ist, wenn man die Finanzprobleme unseres Landes in den Griff bekommen will.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich kann - das gilt sowohl für die Kollegen der Regierungsfraktionen als auch für die Kollegen der Oppositionsfraktionen, Frau Wörmer-Zimmermann, Frau Hemme - die betroffenen Kollegen vor Ort in Buxtehude und Nienburg sehr gut verstehen. Ich habe es wiederholt gesagt. Ich sage an dieser Stelle auch sehr deutlich - jetzt ist der Chefredakteur der Harke leider nicht mehr auf der Pressetribüne -, dass ich denjenigen, die vor Ort für die Berichterstattung verantwortlich sind, für die eine oder andere Formulierung in keiner Weise gram bin; denn ich weiß doch - das erfahre ich doch seit vielen Monaten -, wie viele Parolen durch die Hochschulen geistern. Ich weiß auch, wie schwierig der Job von Journalisten vor Ort gerade dort ist, wo es ein solch hohes Maß an Betroffenheit gibt.

Es ist meine Aufgabe und im Grunde auch meine Verantwortung, dass ich dann manches in den richtigen Kontext setze und nicht so bewerte, wie man das vielleicht unter anderen Umständen täte. Das ist mir auch wichtig zu sagen. Deshalb nochmals herzlichen Dank für Ihre sachlichen Einlassungen.

Ich muss überhaupt auch sagen, dass überall da, wohin ich komme, liebe Frau Dr. Andretta, auch jüngst etwa hier in der Universität in Hannover - die

Berichterstattung dazu haben Sie vermutlich gelesen -, selbst diejenigen, die ihren Protest völlig nachvollziehbar zum Ausdruck bringen, nicht mehr behaupten, dass dieses Land nicht alles Erdenkliche tun müsse, um die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen, gerade weil dies im Interesse der jüngeren Generation ist.