Im Übrigen - das gehört auch mit dazu -: Wir sind ja gar nicht so schlau, wie mancher von uns vielleicht tut. Diese Kriterien sind ja nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern sind über Jahrzehnte durch den Wissenschaftsrat und andere hochschulpolitische Gremien, die in Deutschland durchaus Einfluss und Kompetenz haben, definiert und dann von uns übernommen worden. Nennen Sie mir bitte ein zusätzliches Kriterium, das unser Hochschuloptimierungskonzept im Wesentlichen verändern würde!
Ich habe immer gesagt, dass sie miteinander korrespondieren müssen und dass damit - Herr Jüttner, ich weiß, das ist schwierig zu verstehen, aber hören Sie bitte einmal zu, vielleicht klappt es dann ja - auch ihre Schwerpunkte unterschiedlich ausgerichtet werden müssen. Die Agrar- und Forstwissenschaften in Göttingen z. B. sind laut Wissenschaftlicher Kommission zu einem Drittel exzellent, zu einem Drittel gut bzw. befriedigend und zu einem letzten Drittel nicht so gut. Wenn ich aber feststelle, dass bei diesem Studiengang lediglich eine Auslastung von 25 bis 30 % gegeben ist,
dann kann ich es mir in Zeiten wie diesen - trotz der zu einem Drittel gegebenen Exzellenz - nicht mehr leisten, nach wie vor 100 % Lehrpersonal
(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist doch alles falsch! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Lassen Sie sich doch nicht solch einen Mist aufschreiben, der nicht stimmt!)
Herr Wenzel, zu Ihrer Kritik an den Vergleichsdaten. Ihre Kollegin Heinen hat darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir auf ihrer Grundlage rechnen würden - d. h. Zuschussvolumen statt Ausgabevolumen -, bei weit über 4 % landen würden. Wir haben daraufhin auf ihrer Grundlage gerechnet und sind auf 2,8 % gekommen.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das müs- sen Sie sowieso noch im Haus- haltsausschuss vorlegen! Da bin ich ja mal gespannt!)
Nun können Sie zwar sagen, das ist schon 1 % mehr als die 1,76 %. Aber ich sage noch einmal: Da es in diesem Land von der Rechtsform her unterschiedliche Hochschulen gibt - die Stiftungen und die normalen staatlichen Hochschulen -, können Sie mit einer Berechnung auf der üblichen Vergleichsbasis nicht mehr zu wirklich seriösen Zahlen kommen. Es ist kein Zufall, dass alle anderen Länder - auch SPD-regierte Länder -, die zurzeit kürzen, und zwar in einem viel größeren Volumen, als das bei uns der Fall ist - Stichwort Berlin -, immer das Ausgabevolumen und niemals das Zuschussvolumen nehmen. Denn auch diese Länder wissen, dass das die seriösere Basis ist, um solche Zahlen zu ermitteln.
Dritter Punkt. Wenn ich diese Kriterien nun so anwende, wie ich es beschrieben habe, dann komme ich eben zu bestimmten Ergebnissen, ob sie mir gefallen oder nicht. Und manchmal, liebe Frau Dr. Andretta, gefallen mir diese Ergebnisse auch nicht.
Nun konnte ich mir ja denken, dass Sie hier behaupten würden, bestimmte Standorte seien bevorteilt worden, weil dort Minister wohnten. Dass dies Ihren Denkkategorien entspricht, lasse ich einmal dahingestellt sein. Ich werde mich auf dieses Niveau nicht herabbegeben,
weil ich es wichtig finde, dass die Menschen in unserem Land erkennen, dass es bei uns nicht mehr nach Parteibuch, nach örtlicher Nähe oder nach irgendwelchen persönlichen Beziehungen geht, sondern dass wir für unsere Entscheidungen objektivierbare Kriterien ansetzen
Deshalb kommen wir bei Oldenburg und Osnabrück zu dem Ergebnis, dass dies zwei extrem starke Lehramtsstandorte sind. Wenn Sie wollen, dass wir bei der Lehramtsausbildung die Kapazität herunterfahren, dann sagen Sie das hier bitte ehrlich, und bekennen Sie sich dazu. Wir wollen das nicht. Wir können bei der Lehramtskapazität zurzeit keine einzige Stelle weniger gebrauchen.
Vierte Bemerkung. Wir haben es insbesondere bei Osnabrück mit einer Hochschule zu tun, in der, weil sie immer sehr schlank finanziert war - das wissen in diesem Haus doch auch alle diejenigen, die nicht aus Göttingen oder aus dem Südosten unseres Landes kommen -, immer mit schlanken Strukturen gearbeitet worden ist. Das hat z. B. dazu geführt, dass Herr Künzel schon sehr früh mit der Selbstevaluierung begonnen hat und daraus die notwendigen Strukturentscheidungen treffen konnte. Da wussten andere Hochschulen noch gar nicht, wie das geht, erst recht nicht diejenigen, die sich nicht bemühen mussten, weil sie immer über ausreichendes finanzielles Kapital verfügen konnten. Das war in Osnabrück anders.
Ich bestrafe solche Hochschulen – Osnabrück ist dafür übrigens ausgezeichnet worden - nicht dafür, dass sie schon sehr frühzeitig, zu Beginn der 90erJahre, besonders reformfreudig waren. Dazu bekenne ich mich allerdings.
Nun zu Vechta. In den Diskussionen ist mir von der SPD-Fraktion vorgehalten worden, Hochschulpolitik sei immer auch Strukturpolitik. Aber gleichzeitig haben Sie gesagt, Vechta müsse geschlossen werden. Daraufhin habe ich Sie gefragt, ob für Vechta Ihre Argumentation nicht gilt.
Seien Sie in dieser Frage bitte sehr konsequent. Vechta ist Lehramtsstandort mit mehr als 1 500 Lehramtsstudentinnen und -studenten.
Vechta hat, zumindest was die Grundstrukturen anbelangt - also Zahl der Studierenden und Zahl der Studiengänge -, die Vorgaben des Wissenschaftsrats erfüllt. Dass die Bewertungen schlecht sind, weiß ich auch.
Aber ich sage noch einmal: Ich kann zurzeit keine Kapazitätsabsenkung bei der Lehramtsausbildung gebrauchen.
Bei Buxtehude und Nienburg ist dies völlig anders. Dies sind leider zwei viel zu kleine Standorte. Wenn Sie - schlecht informiert, wie Sie waren -, darauf hinweisen, dass wir dort Studiengänge schließen, die es noch gar nicht gibt, meine Damen und Herren, dann fällt das auf Sie zurück! Wenn Sie diese Studiengänge geschaffen hätten, dann hätten wir die Probleme, die wir dort haben, heute nicht,
dann hätten wir dort Standorte, die eben nicht kritisch sind und zu denen Ihnen der Wissenschaftsrat nicht sagen würde, sie seien zu klein, um sie noch für die Zukunft zu erhalten.
Geben Sie doch zu, lieber Kollege Oppermann, dass Sie nicht das Geld dafür hatten, diese Standorte wissenschaftsratsfest zu machen. Wenn man das Geld aber nicht hat, dann muss man auch den Mut haben, die Konsequenz daraus zu ziehen, auch wenn es vor Ort außerordentlich schwer fällt.
Ich möchte an dieser Stelle das Wort an den Kollegen Dammann-Tamke als örtlichem Wahlkreisabgeordneten richten. Ich möchte mit ihm wirklich nicht tauschen. Das gilt auch für den Kollegen aus Nienburg. Er hat einen unglaublich schweren Stand, weil ein direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter - einige von Ihnen, liebe SPD-Kollegen, können sich ja noch daran erinnern, wie es ist, direkt gewählt zu sein
Interessenkonflikte gibt, wie sie sich jetzt hier auftun, ist das ein wirklich schwieriger Job. Ich habe großen Respekt vor den Kollegen, die vor Ort in dieser Weise betroffen sind.
In Buxtehude und Nienburg, lieber Kollege Gabriel, wird gute Arbeit geleistet. Aber auch an allen anderen Standorten für Bauwesen wird gute Arbeit geleistet. Das heißt, dieses Ausschlusskriterium kann ich nicht anwenden, sondern ich muss mich auf das Ausschlusskriterium „Nachfrage“ konzentrieren.
(Erhard Wolfkühler [SPD]: Die ist su- per in Buxtehude! - Sigmar Gabriel [SPD]: In Buxtehude ist die Nachfrage doch gut!)
Was nun die Nachfrage angeht, habe ich vorhin die Architektenkammer zitiert und beschrieben, wie die Situation der Architekten in Deutschland insgesamt ist. Dann muss ich auch den Mut haben, zu sagen: Wir brauchen beim Bauwesen eine Kapazitätsabsenkung, es geht nicht anders. Wir haben insofern ja auch mit Hamburg und SchleswigHolstein gesprochen. Die werden Ihnen genau das Gleiche sagen, was ich Ihnen gerade ins Mikrofon sage: Es gibt dazu keine Alternative, auch wenn ich wirklich nachvollziehen kann, dass die Menschen vor Ort alles andere als begeistert sind. Aber wegducken geht nicht mehr, wegducken können wir uns nicht mehr, auch wenn vor Ort dadurch nicht nur Zuspruch entsteht.
Eine weitere Bemerkung von Ihnen, liebe Frau Dr. Andretta, war, die niedersächsischen Hochschulen seien im Ranking in den letzten Jahren zurückgefallen, weil die Bundesregierung immer weniger Geld zur Verfügung gestellt habe.
(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ha- be ich nicht gesagt! - Sigmar Gabriel [SPD]: Das hat sie gar nicht gesagt!)
(Bernd Althusmann [CDU]: Das hat sie auf meinen Zwischenruf gesagt! - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie hat nur darauf hingewiesen, dass die For- schungsmittel nach Bayern gegangen sind: an die Max-Planck- und an die Fraunhofer-Gesellschaft!)
Ich will an dieser Stelle nur auf Folgendes hinweisen, lieber Kollege Gabriel: Unter der bürgerlich geführten Bundesregierung hatte es noch das „5 mal 5 % Steigerung“- und das „5 mal 4 % Steigerung“-Programm gegeben. Jetzt aber erfahren wir, dass der Hochschulbauplafond des HBFG auf 750 Millionen Euro zurückgefahren werden soll. Im letzten Jahr haben wir erfahren, dass Herr Schröder seine Zusagen in Bezug auf die dreiprozentige Steigerung bei der Max-Planck-Gesellschaft nicht eingehalten hat. Wir erleben bei der jetzigen Bundesregierung, dass sie alles von den Ländern an den Bund ziehen will, aber gleichzeitig die Mittel kürzt. Das passt nicht zusammen, und bitte reden Sie sich damit nicht heraus!
Abschließend noch eine Bemerkung. Das meine ich wirklich so, obwohl ich manchmal das Gefühl habe, dass es falsch ist, weil es sozusagen vorhandene Trägheiten manifestiert. Dennoch meine ich es so. Wenn wir mehr Geld hätten, würden wir mehr Geld zur Verfügung stellen. Wir würden Buxtehude und Nienburg ausbauen, würden sie wissenschaftsratsfest machen, und, lieber Kollege Gabriel, wir würden auch Goslar die nötigen Mittel zur Verfügung stellen.