Wir kommen damit zurück zu den Vorbemerkungen zu der Tagesordnung. Ich möchte Sie noch auf ein paar Dinge hinweisen.
Erstens. Ich möchte auf die Ausstellung „Antonius Corvinus - Leben und Werk des Calenberger Reformators“ hinweisen. Sie haben gesehen, dass wir diese Ausstellung in der Wandelhalle präsentieren, die auch in der Öffentlichkeit eine sehr große Resonanz gefunden hat.
Zweitens. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik präsentieren in der Wandelhalle Daten und Analysen zu regionalen Strukturen und Entwicklungen unter dem Motto „Regionale Perspektiven in Niedersachsen - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft“. Ich empfehle beide Veranstaltungen Ihrer Aufmerksamkeit.
Ich weise auf das Prozedere im Hinblick auf die Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, hin.
Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerpräsident Herr Wulff. Der Minister für Inneres und Sport, Herr Schünemann, wird von 15.45 Uhr bis 17.15 Uhr abwesend sein. Von der SPD-Fraktion hat sich Frau Dr. Trauernicht entschuldigt.
Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema „Hochschuloptimierungskonzept“ Unterrichtung - Drs. 15/496
Zunächst gibt der Minister für Wissenschaft und Kultur, Herr Stratmann, die Regierungserklärung ab. Danach treten wir in die übliche Debatte ein. Ich erteile Herrn Minister Stratmann das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hochschulpolitik des Landes muss mit einer Situation umgehen, die finanziell schwieriger ist als alles, was das Land Niedersachsen seit seiner Gründung 1946 zu bewältigen hatte. Unser Land ist heillos überschuldet. Niedersachsen ist pleite. Wir dürfen nicht länger mehr ausgeben, als wir einnehmen, und wir müssen vor allem finanzielle und damit auch politische Handlungsspielräume zurückgewinnen, die wir in Niedersachsen gerade für die wichtigen Bereiche Hochschule, Forschung und Technologie so dringend bräuchten.
Wer trotz schwierigster Rahmenbedingungen weniger Mittel zur Verfügung hat, der muss diese Mittel – meine Damen und Herren, ich glaube, das ist eine Binsenweisheit - gezielter, intelligenter einsetzen.
Die Landesregierung hat in dieser Situation nach eingehender Beratung mit allen Hochschulleitungen ein umfassendes und in sich geschlossenes Konzept entwickelt. Das Kabinett hat diesem Konzept am letzten Dienstag zugestimmt. Wir zeigen damit auf, wie wir bei geringer gewordenen Mitteln die neuen Anforderungen, die sich an den Hochschulen stellen, bewältigen können.
Ich habe den Ältestenrat des Landtages um die Möglichkeit der Abgabe dieser Regierungserklärung gebeten, damit ich Ihnen unser Hochschuloptimierungskonzept erläutern kann.
Lassen Sie mich mit einem Zitat des Universalgelehrten Lichtenberg beginnen, ein Zitat, das auch zu den Lieblingszitaten meines Vorgängers gehörte:
„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“
Auch wenn Menschen niemals von sich behaupten können, sie machten alles richtig, so bin ich doch zutiefst davon überzeugt, dass wir mit dem Konzept zumindest das meiste richtig machen. Eines ist auch sicher, meine Damen und Herren: Nichts
Wie sind nun die Ausgangsbedingungen? Ich will die dramatische Haushaltssituation des Landes Niedersachsen nicht erneut referieren.
Jeder von uns weiß - ich glaube, das wissen auch Sie, Frau Harms -, wie es um die Finanzen unseres Landes bestellt ist. Viel wichtiger ist es daher, deutlich zu machen, dass wir unmittelbar nach der Regierungsübernahme zu handeln begonnen haben. Wir reden nicht mehr nur, sondern wir handeln, und das rasch.
Wir reduzieren die Ausgaben, statt sie weiter zulasten unserer Kinder und Enkel aufzublähen; denn das wäre wirklich unverantwortlich. Das bedeutet für den Hochschulhaushalt konkret:
Zunächst einmal müssen wir die Hochschulbudgets im Jahre 2004 um rund 40,6 Millionen Euro stark unterproportional - ich komme darauf noch zurück - gegenüber dem Grundhaushalt 2003 zurückfahren. Ich sage hier auch, weil ich überhaupt nichts beschönigen will: Dies sind keine Einsparungen. Sparen tut man, wenn man Geld hat und es für besondere Zwecke zur Seite legt. Hier geht es um Kürzungen, weil wir kein Geld mehr haben, das wir zur Seite legen können.
Deshalb bin ich auch nicht bereit, dies mit Begriffen wie Sparen weiterhin schönzureden. Wir müssen - das zeigt die mittelfristige Finanzplanung - im Jahre 2005 weitere 10 Millionen Euro aus den Haushalten der Hochschulen nehmen.
Gleichzeitig haben wir in der mittelfristigen Finanzplanung festgelegt, dass ab 2006 keine weiteren Kürzungen auf den Hochschulbereich zukommen. Darauf, wie wir dies im Einzelnen fixieren, komme ich später zurück.
Das ist die eine Seite, die finanzielle Ausgangslage. Aber auch die zweite, die hochschulpolitische Seite zwingt uns zu wirklich raschem Handeln. Seit Jahren ist bundesweit vom Generationenwechsel in der Professorenschaft die Rede. Die alte Lan
desregierung hat dieses Thema oft genug betont. Sie hat aber leider nicht die richtigen Konsequenzen daraus gezogen. Sie hat die Chancen, die sich schon seit Jahren daraus ergeben, nicht genutzt. Sie hat trotz der Finanzlage mit einem behäbigen oder entschlossenen „Weiter so!“ versucht, sich aus der Affäre zu ziehen.
Wie es in guten Jahren besser geht, zeigt das baden-württembergische Beispiel. Dort hat man schon Mitte der 90er-Jahre durch eine Hochschulstrukturkommission die einzelnen Standorte prüfen lassen und betreibt seitdem eine Neuausrichtung. So etwas hätte ich mir für unser Land auch gewünscht. Manches Problem wäre heute nicht so schwer zu bewältigen, wie es der Fall ist.
Ein weiterer Punkt ist folgender: Die niedersächsischen Hochschulen sind im bundesweiten Ranking in den letzten Jahren massiv zurückgefallen. Dies ist etwas, was in der alleinigen Verantwortung der Vorgängerregierung liegt.
Der Personalkostenanteil unserer Hochschulen mit im Durchschnitt rund 80 % ist ebenso wie der Anteil der Betriebskosten mit 15 % eindeutig zu hoch. Der Sachkostenanteil für die Mittel für Forschung und Lehre ist mit rund 5 % viel zu gering.
Nächster Punkt. Demografisch bedingt steigt die Zahl der Studienberechtigten in den nächsten Jahren. Daraus ergibt sich auch ein Anstieg der Zahl der Studienanfänger. Angesichts dessen frage ich Sie: Darf ich vor diesem Hintergrund die Studierenden von morgen und übermorgen weiterhin in dieselben Studiengänge schicken, die viel zu lange dauern, die dazu geführt haben, dass die Akademiker in der Bundesrepublik Deutschland, die gerade ihren Abschluss gemacht haben, im Durchschnitt 28 Jahre alt sind? Das ist im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten viel zu hoch.
Des Weiteren frage ich: Dürfen wir uns weiterhin Abbrecherquoten leisten, die in einigen Studiengängen bis zu 50 % betragen? Ich meine, die Antwort darauf lautet ganz klar und deutlich: Nein!
Meine Damen und Herren, das ist die Lage, die wir im März dieses Jahres vorgefunden haben. Wir waren gezwungen, unter äußerstem Zeitdruck zu arbeiten, damit wir Ihnen jetzt zu den Haushaltsbe
ratungen das Hochschuloptimierungskonzept vorlegen können. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Ich bedauere diesen Zeitdruck außerordentlich. Ich hätte mir gewünscht, dass man sich rechtzeitig auf die herannahende schwieriger werdende finanzielle Situation vorbereitet hätte. Das ist leider nicht geschehen. Wir haben 2004 einen Haushalt vorzulegen, der den schwierigen Bedingungen Rechnung trägt. Dadurch stehen wir leider unter diesem Zeitdruck. Ich bitte daher um Verständnis dafür, dass manches, was die Kommunikation anlangt, nicht so laufen konnte, wie auch ich es mir gewünscht hätte. Aber die Zwänge sind so, wie sie sind. Wir kommen darum nicht herum.
Es gab übrigens - auch das will ich erwähnen, Herr Kollege Oppermann - alte Strukturkonzepte, die noch die Albrecht-Regierung entwickelt hat. Sie lagen 1990 vor. Damals hatte die neue Regierung nicht den Mut, die Strukturkonzepte aus den Schubladen zu holen, einmal hineinzuschauen und die Vorhaben umzusetzen. Diesen Mut haben Sie niemals gehabt.
Die Landesregierung ist in der aktuellen Situation meiner Empfehlung gefolgt, bei den Kürzungen nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und zu sagen: Wir kürzen einfach bei allen Hochschulen rund 1,8 %; damit haben wir die Einsparsumme zusammen. - Nach den vielen Erfahrungen, die ich in den letzten Wochen gemacht habe, weiß ich, das dies der bequemere Weg gewesen wäre. Alle hätten natürlich ein wenig kritisiert. Alle hätten auch ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Aber jeder hätte nach links und nach rechts geschaut und gesagt: Die sind ja genau so betroffen wie ich. Also halte ich lieber meinen Mund. - Dies ist der Weg des geringsten Widerstandes, der aber in Zeiten wie diesen nicht mehr der richtige Weg sein kann, weil wir damit in Niedersachsen flächendeckende Mittelmäßigkeit erzeugen. Das ist allerdings etwas, was wir verhindern müssen.
Ich habe der Landesregierung deshalb vorgeschlagen, einen anderen Weg zu gehen, nämlich den Weg der strukturpolitischen Vorgaben. Strukturelles Vorgehen heißt, an einigen Stellen mehr und an anderen Stellen weniger zu kürzen. Das heißt, Schwerpunkte zu setzen. Dies ist schwieriger. Ich weiß, wovon ich rede; das können Sie mir wirklich glauben. Aber alles andere wäre eine Bankrotterklärung gewesen. Ich bin nicht als Wis
senschaftsminister angetreten, um den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, sondern ich möchte gerade in Zeiten wie diesen eine gestaltende Hochschulpolitik machen.
An welchen Kriterien haben wir uns bei der Formulierung des HOK, des Hochschuloptimierungskonzeptes, orientiert? Ich will vier entscheidende Kriterien nennen.
Erstes Kriterium: Qualität der Hochschulen in Forschung und Lehre. Ich will mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich bei der alten Landesregierung dafür bedanken, dass sie durch die Einrichtung der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur, ZevA, und durch die Einrichtung der wissenschaftlichen Kommission die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Unabhängige Experten beschreiben und evaluieren, wie es um die Studiengänge in Niedersachsen bestellt ist. Darauf greifen wir jetzt zurück. Es ist auch richtig, darauf zurückzugreifen; denn ich finde sonst niemanden, der bereit ist, in solchen Gremien mitzuarbeiten. Dies muss sich in politischem Handeln niederschlagen.
Zweites Kriterium: Studentische Nachfrage. Welche Bereiche sind schon seit Jahren unterausgelastet, und welche Gründe gibt es dafür?
Drittes Kriterium: Wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus? 80 % unserer Studierenden erwarten von den Hochschulen vor allem eine hochqualifizierte Berufsausbildung, die Arbeitsmarktgesichtspunkten Rechnung trägt.