Drittes Kriterium: Wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus? 80 % unserer Studierenden erwarten von den Hochschulen vor allem eine hochqualifizierte Berufsausbildung, die Arbeitsmarktgesichtspunkten Rechnung trägt.
Viertes Kriterium. Wie hoch ist eigentlich der quantitative Anteil Niedersachsens im bundesweiten Vergleich bei der Ausbildung in den unterschiedlichen Studiengängen? Wir haben geprüft, in welchen Bereichen Niedersachsens überproportional zu seinem Bevölkerungsanteil ausgebildet wird.
Meine Damen und Herren, wir haben übrigens bewusst keine Formel für die Verteilung der Mittel nach diesen vier Kriterien gebildet. Man kann die Hochschulen in Niedersachsen nicht alle über einen Kamm scheren. Ich muss unterscheiden zwischen ausbildungsorientierten und forschungsstarken Hochschulen. Ich muss schauen, wo die derzeitige Situation Kapazitätsabsenkungen auf keinen Fall verträgt. Dies alles kann nicht zu einer
schlichten Formel führen, sondern diese Kriterien korrespondieren im Einzelfall miteinander und führen dann zu einem Ergebnis.
Übrigens, die Absprachen, die dazu in den letzten Monaten getroffen worden sind, waren, wie ich fand, alles in allem sehr produktiv, und sie sind sehr vertraulich verlaufen. Das war auch Voraussetzung, um überhaupt zu positiven Ergebnissen zu kommen. Ich kann verstehen - auch das sage ich hier ausdrücklich -, dass sich die eine oder andere Präsidentin oder der eine oder andere Präsident nun in der Öffentlichkeit äußert. Zumindest das Wissenschaftsministerium aber hat die Gespräche weiter so behandelt wie vereinbart, nämlich vertraulich.
Meine Damen und Herren, wir haben still, aber intensiv und zielorientiert gearbeitet. Auch das hat den einen oder anderen erstaunt, der am liebsten morgens oder abends seine jeweils neuesten Einsichten in irgendwelche Mikrofone diktiert. Aber alle Beteiligten werden bestätigen, dass wir nicht in der Einsamkeit des stillen Kämmerleins Entscheidungen getroffen haben, sondern dass wir uns immer wieder bei allen Betroffenen rückversichert haben, ob die Ergebnisse auch mit dem tatsächlichen Sachverhalt übereinstimmen. In den letzten Monaten hat es allein mehr als 50 Gespräche mit den Präsidien der Hochschulen gegeben. Wir haben die Landeshochschulkonferenz regelmäßig informiert. Die Wissenschaftliche Kommission war informell einbezogen. Und wir haben das Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen zu Arbeitsmarktperspektiven befragt und die Positionen von Berufsverbänden und Berufsfachverbänden berücksichtigt.
Das Hochschuloptimierungskonzept ist also - so gut es unter einem solchen Zeitdruck, der von mir bereits kritisiert worden ist, überhaupt geht - gemeinsam vorbereitet worden, auch wenn damit dem Minister und der Landesregierung nicht die Verantwortung abgenommen werden kann. Zu dieser Verantwortung stehe ich und steht diese Landesregierung.
Meine Damen und Herren, wie wird die Umsetzung nun aussehen? - Im ersten Schritt leisten die Hochschulen über die Kürzungen ihren Beitrag zur Sanierung des Landeshaushalts. Das sind mehr als 50 Millionen Euro oder 1 100 Stellen, die damit bei den Hochschulen in den Jahren 2004 und 2005
wegfallen. Dies freut keinen von uns; auch das habe ich immer wieder betont. Aber wer sich gleich hier wieder hinstellt und behauptet, es gebe Möglichkeiten, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, der argumentiert an der Realität vorbei.
Die Hochschulen sind mit ihrer Ausstattung in vielen Bereichen an einem Punkt angelangt, an dem diese Kürzungen letztlich Einschnitte bei der Substanz nach sich ziehen würden. Daher kürzen wir in den Jahren 2004 und 2005, wie bereits beschrieben, nicht linear, sondern strukturell. Wir behalten damit die Fundamente, auf denen wir im zweiten Schritt wieder aufbauen können. Wer unterschiedlich kürzt, setzt Schwerpunkte. Schwerpunktbildung bei zurückgehenden Mitteln bedeutet, starke Bereiche nicht oder nur geringfügig zu kürzen und schwache Bereiche stärker zu kürzen oder zu schließen. Das, meine Damen und Herren, ist gestaltende Hochschulpolitik, und genau das wollen wir in diesen Zeiten auch erreichen.
Nur dann übrigens kann der zweite Schritt ab 2006 greifen. Wir werden dann noch einmal 500 Stellen aus ihrer jetzigen Zuordnung nehmen und unmittelbar wieder in die Bereiche investieren, in denen die Hochschulen ausgewiesene Stärken in Forschung und Lehre haben. Dass wir davon rund 150 Stellen benötigen, um Schattenprofessuren - d. h. bei nur befristeter Finanzierung unbefristet besetzte Professorenstellen - weiter zu finanzieren, ist hier nur eine Randbemerkung, Herr Kollege Oppermann, zeigt aber deutlich, mit welchen Altlasten wir auch zu kämpfen haben. Dies ist ein Vorgehen, das ich bis heute nicht begreifen kann und das ich für außerordentlich unseriös halte.
Ich will die Schmerzhaftigkeit des ersten Schrittes, der im kommenden Jahr greift, überhaupt nicht klein reden. Ich habe mir persönlich diese Entscheidung auch wirklich nicht leicht gemacht. Wir haben alle notwendigen Daten nach der Entscheidung des Kabinetts Ihnen sowie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ich will die inhaltlichen Eckpunkte hier noch einmal nennen.
Meine Damen und Herren, wir schlagen dem Landtag vor - dies ist vielleicht die schwierigste Entscheidung dieser Legislaturperiode -, zwei Hochschulstandorte zu schließen, nämlich Nienburg und Buxtehude. Wir haben diesen Schritt immer und immer wieder gründlich debattiert, übrigens auch im Kabinett.
Ich kann mich an keine Diskussion im Kabinett erinnern, die so viel Zeit beansprucht hat wie die Diskussion zu diesen beiden Standortschließungen. Aber wenn man die vorgenannten Kriterien anlegt - also bundes- und landesweite Kapazitäten, studentische Nachfrage, Gebäude und Unterbringung - und dazu noch fragt, wo die entwicklungsfähigen Einheiten und Standorte, nicht nur in Studiengängen des Bauwesens, liegen, dann, meine Damen und Herren, kommt man hier leider nicht an einer Schließung vorbei.
Auch die Hochschulleitungen selbst haben gegenüber dem MWK übrigens klare Aussagen gemacht, so z. B. für Nienburg - ich zitiere -: Es fehle an den dringend erforderlichen Ausstellungsflächen, ferner an den notwendigen studentischen Atelierflächen, ohne die eine moderne Architekturausbildung nicht möglich sei. Der Gebäudebestand in Nienburg sei eine frühere Bauschule und strukturell für das Architekturstudium ungeeignet. Daran würde auch die längst überfällige Grundsanierung der Altbauten nichts ändern.
Das hat man vor einem Jahr erklärt, und diese Hinweise, meine Damen und Herren, waren richtig. Die alte Landesregierung hätte diese Hinweise ernst nehmen und investieren müssen, aber sie hat es nicht getan. Das ist der entscheidende Punkt.
Wenn jetzt aus diesem Bereich das genaue Gegenteil behauptet wird, nämlich dass die Gebäude und Einrichtungen bestens für eine gute Ausbildung geeignet seien, dann kann ich dieses nachvollziehen. Verstehen kann ich es aber nicht.
Übrigens hat uns auch die Architektenkammer Niedersachsen in einer Stellungnahme nachdrücklich dazu aufgefordert. Ich zitiere:
„Ziel von Kürzungen muss der Abbau von Kapazitäten, nicht die Streichung oder Ausdünnung von Inhalten sein. In der gesamten Bundesrepublik besteht seit langem Ausbildungsüberkapazität. Es liegt im Interesse der Absolventen, der Berufsangehörigen, in Folge aber auch der Hochschulen, die Kapazitäten abzubauen. Der Erhalt von Studiengängen aus rein standort
politischen Gründen schadet der Qualität und ist damit weder im Interesse der Absolventen noch des Berufstandes. Kürzungen müssen mit politischem Mut und ohne taktisches Kalkül nach fachlichen Kriterien erfolgen.“
Meine Damen und Herren, wenn Sie in diesen Tagen Zeitung lesen, werden Sie merken, dass immer und immer wieder darauf hingewiesen wird, dass wir mittlerweile 50 % der Absolventen in diesem Bereich in die Arbeitslosigkeit schicken, dass das Durchschnittsgehalt der Architekten unter 2 000 Euro gesunken ist und dass wir in der Bundesrepublik Deutschland so viele Architekten ausbilden wie im gesamten Resteuropa nicht zusammen. Das ist die Realität, auf die wir zu reagieren haben.
In Hannover und Braunschweig, auch in Oldenburg - das will ich hier ausdrücklich erwähnen werden wir übrigens auch Kapazitäten in diesem Bereich absenken: allein in Braunschweig und Hannover so viel wie an den beiden Standorten Nienburg und Buxtehude zusammen.
In Lüneburg werden wir die Universität und die Fachhochschule zusammenlegen. Aus diesen beiden Hochschulen werden wir eine Modelluniversität für Deutschland entwickeln, in der alle Studiengänge auf die international anerkannten Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt werden. Dies ist dort in der Region mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen worden, obwohl die Beteiligten wissen, dass damit auch Stellenstreichungen verbunden sind. Eine gesamte Verwaltungsebene wird mittel- und langfristig wegfallen. Ich finde, es muss hier auch einmal gesagt werden, wie verantwortlich damit umgegangen wird, gerade auch vor Ort.
Die Lehrerausbildung für die Grundschulen, Hauptschulen und Realschulen werden wir von Hannover nach Hildesheim verlagern.
Damit, liebe Kollegin Harms, setzen wir eine Empfehlung der Wissenschaftlichen Kommission um, die uns in ihrem Gutachten um diesen Schritt gebeten, uns diesen Schritt nahe gelegt hat. Ich meine, in Bezug auf die Wissenschaftliche Kom
(Rebecca Harms [GRÜNE]: Gilt bei den Lehrern dasselbe wie bei den Ar- chitekten, dass sie quasi eine Arbeits- platzgarantie haben?)
- Sie wissen doch sehr gut, Frau Harms, dass wir uns im Lehramtsbereich zurzeit überhaupt keine Kapazitätsabsenkung leisten können, nicht im geringsten.
Das ist etwas, was das Kriterium Nachfrage betrifft. Die Verlagerung nach Hildesheim kompensiert übrigens auch den Verlust an Studierenden durch die Schließung des Studienganges Wirtschaftswissenschaften, der uns nicht leicht gefallen ist, aber einer Empfehlung der Hochschulleitung der Fachhochschule entspricht.
Der vierte Punkt betrifft besonders die technischen Hochschulen. Wir werden die Profilbildung in den Ingenieurwissenschaften gezielt unterstützen und fördern, besonders die Zusammenarbeit in der Forschung, im „Consortium Technicum“ zwischen den Universitäten Braunschweig, Clausthal und Hannover.
Ich möchte an dieser Stelle vor allem etwas zu Clausthal sagen. Wir mussten in Clausthal handeln, meine Damen und Herren. Die Nachfrage nach einzelnen Studiengängen vonseiten der Studierenden ist dort in den letzten Jahren förmlich weggebrochen. So liegt die Annahmequote - d. h. das Verhältnis zwischen den angebotenen Studienplätzen und den nachfragenden Studienanfängern - im Bereich Geowissenschaften, Geotechnik, Bergbau zwischen 10 und 40 %. In den maschinenbauverwandten Studiengängen Verfahrenstechnik, Umweltschutztechnik, Kunststofftechnik wurde in den letzten Jahren 30 % nicht überschritten. Gleiches gilt für Physik und Werkstoffwissenschaften. Es gibt also Bereiche, in denen wir 100 Studienplätze für zehn Studienanfänger finanzieren. Das können wir uns in Zeiten wie diesen nicht mehr leisten, auch wenn es wünschenswert wäre.
verlieren. Jede Hochschule muss in der Lage sein, auf die veränderte Nachfrage, auf den gesteigerten Kapazitätsbedarf entsprechend zu reagieren. Das heißt, es bleibt jeweils ein Nukleus vorhanden, der dem Ziel „atmende Hochschule“ Rechnung trägt.
In Clausthal werden wir eine Umstrukturierung und Konzentration des bisherigen Studienangebotes gerade in den zentralen Fächern der TU, also Geophysik, Geologie, Bergbau, Erdöl- und Erdgastechnik, unterstützen. Das bedeutet den endgültigen Abschied von den Diplom-Studiengängen hin zu neu aufgestellten Bachelor- und MasterAbschlüssen in Energie- und Rohstoffversorgungstechnik sowie in Petroleum Engineering.
Meine Damen und Herren, gerade die TU Clausthal besitzt in für unser Land wichtigen Bereichen fantastische Potenziale, wenn ich etwa an die Exploration von Rohstoffen z. B. im Offshore-Bereich in der Nordsee denke. Diese fantastischen Potenziale werden wir keineswegs negieren. Wir werden die Voraussetzungen schaffen, dass diese Potenziale wieder dort erwachsen, wohin sie gehören, nämlich an die Spitze - dorthin, wo Clausthal in vielen Bereichen immer gestanden hat, was heute leider nicht mehr in allen Bereichen der Fall ist.
Während in Clausthal die unzureichende Nachfrage im Mittelpunkt der Umstrukturierungen steht, haben wir uns beispielsweise bezüglich der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen neben der unzureichenden Auslastung auch auf die Empfehlungen der Wissenschaftlichen Kommission bezogen. Ich darf aus dem Bericht der Wissenschaftlichen Kommission zu den Agrarwissenschaften zitieren:
„Bei den besetzten Professuren in Göttingen sind bei immerhin etwa einem Drittel unterdurchschnittliche Forschungsleistungen identifiziert worden.“
Die Wissenschaftliche Kommission hat auch gesagt, dass bei einem Drittel exzellente und bei einem weiteren Drittel gute bis befriedigende Forschungsleistungen festzustellen seien, aber bei einem Drittel sind es unterdurchschnittliche Forschungsleistungen.
Meine Damen und Herren, das ist eine Empfehlung von anerkannten Fachleuten aus der Agrarwissenschaft, auf die wir hören und der wir nachkommen werden.
Ich räume ein, die notwendigen Einschnitte sind eine harte Belastung nicht nur für die Hochschulen als Institutionen, sondern auch für die einzelnen Wissenschaftler. Sie haben natürlich auch zu einer Verunsicherung unter den Studierenden geführt. Allerdings will ich noch einmal klarstellen: Jede und jeder kann sein Studium bis zu einem Abschluss in der Regelstudienzeit an dem von ihm gewählten Standort fortsetzen. Die Betreuung der Studierenden bis zur Beendigung ihres Studiums wird an allen Standorten sichergestellt. Dies rufen wir allen Studierenden, die betroffen sind, zu.