Protocol of the Session on September 19, 2003

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Leuschner, Sie haben hier verschiedene Kolleginnen und Kollegen zitiert.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ja, ich könnte noch mehr zitieren!)

Warum haben Sie denn nicht einmal sich selbst zitiert? Das wäre vielleicht ganz hilfreich gewesen. Ich werde das nachschieben. Ich habe einmal mitgebracht, was Sie in der 48. Sitzung am 31. März 2000 gesagt haben:

„Sie wissen, dass wir, um unsere Bildungsoffensive zu finanzieren, in allen Bereichen der Landesverwaltung - ohne den Bereich der Unterrichtsversorgung - diese Mittel für das Jahr 2000 in Höhe von 75 Millionen DM solidarisch erwirtschaften werden. Die Landesregierung wird diese Mittel durch eine Sperrung von insgesamt 1 011 Vollzeiteinheiten aus allen Bereichen erwirtschaften. Dessen bin ich mir sicher. Wenn Sie nun fordern, den Bereich der Steuerverwaltung außen vor zu lassen, kann ich dazu nur sagen, dass dies auch bei Abwägung der Interessen der Beschäftigten in diesem Bereich leider nicht möglich sein wird."

Das haben Sie gesagt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Aber wir haben sie trotzdem übernommen!)

Sie haben dann weiter ausgeführt:

„Aber darüber hinaus zu konstruieren, die Steuerverwaltung sei generell nicht mehr arbeitsfähig,... das ist schlichtweg unwahr, Herr Golibrzuch, und das wissen Sie auch.“

Das haben Sie damals gesagt.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Dazu stehe ich auch!)

Dann müssten Sie den Antrag heute anders formulieren. Ich stelle fest: Frau Leuschner, Sie sind offensichtlich in der Oppositionsrolle angekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben damals Stellen abgebaut und nicht anders argumentiert als wir heute auch.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Lassen Sie mich noch etwas zur Übernahmegarantie sagen. Natürlich würden wir gern alle Anwärter übernehmen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Dann ma- chen Sie es doch! Sie haben doch die Mehrheit!)

- Das können wir nicht, weil Sie uns dieses Finanzchaos hinterlassen haben.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Sie haben von allem nichts gewusst!)

Ich möchte noch einmal an die Situation in der Wirtschaft erinnern. Viele von uns gehen in diesen Tagen über Land und werben in Unternehmen dafür, Ausbildungsplätze bereitzustellen - über den eigenen Bedarf hinaus Menschen einzustellen und ihnen eine Ausbildung zu geben. Diese alle haben keine Garantie dafür, anschließend dableiben zu können. Warum soll dann der öffentliche Dienst immer sagen, dass immer alle übernommen werden können? Meine Damen und Herren, das wird es auf Dauer nicht mehr geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen bin ich bei der qualifizierten Ausbildung unserer Steueranwärter der Meinung, dass diese in der freien Marktwirtschaft gute Chancen haben, entsprechende Stellen zu erhalten.

(Zuruf von der CDU: Mit den Steuer- gesetzen, die wir aus Berlin kriegen!)

Lassen Sie mich noch etwas zum Steuersystem und zu der von Ihnen angesprochenen Steuergerechtigkeit sagen. Eine Steuergerechtigkeit und eine Akzeptanz des Steuersystems, von der Sie in Ihrer Begründung sprechen, erreichen Sie bei der Bevölkerung am besten dadurch, dass Sie ein einfaches, verständliches Steuerrecht auflegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was wir alles aus dem Hause Ihres „Blanken Hans“ aus Berlin auf den Tisch bekommen, ist nichts anderes als ein riesiges Beschäftigungsprogramm für Steuerberater, meine Damen und Herren. Das jüngste Beispiel ist die Gewerbesteuer. Sie wollen 75 000 neue Fälle übernehmen, nur um das Geld umzuverteilen. Das heißt, 75 000 Mal Gewerbesteuerbescheid, 75 000 Mal Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer - das ist eine riesige Umverteilung, die dem Staat überhaupt nichts bringt außer Beschäftigung für viele Beamtinnen und Beamte. Das ist verfehlte Politik, da muss man eingreifen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Bürgerinnen und Bürger wollen endlich ein übersichtliches, verständliches und einfaches Steuerrecht. Diesen Weg sollten Sie einschlagen, dabei mitwirken und nicht ständig neue, komplizierte bürokratische Verfahren in Gang setzen. Damit täten Sie der Steuerverwaltung einen Gefallen. Wir müssen die Abläufe in der Steuerverwaltung optimieren, verbessern - genau wie das in der Marktwirtschaft in den Unternehmen stattfindet. Wir müssen Rationalisierungsreserven herausholen. Wir müssen mit neuen Techniken arbeiten, damit wir die Aufgaben sachgerecht bewerkstelligen können.

In Ihrem Antrag sprechen Sie die Steuerehrlichkeit an. Die Steuerehrlichkeit und das Verständnis dafür sind im Wesentlichen dann gegeben, wenn die

Menschen den Eindruck haben, dass es gerecht zugeht. Wenn Ihre Bundesregierung aber bei der Besteuerung von Einkommen aus Zinseinnahmen und Kapital, das man aus dem Ausland zurückholen möchte, diejenigen, die Schwarzgeld beiseite geschafft haben, erstens nicht bestraft und zweitens noch durch die Festlegung eines niedrigeren Steuersatzes als bei all denjenigen, die ehrlich waren, belohnt, dann verkauft man diejenigen für dumm, die ehrlich waren, und schadet dem Steuersystem. Die Akzeptanz des Steuersystems leidet darunter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein Irrweg. Geben Sie das zu! Ihr Antrag ist ein reiner Showantrag. Er reiht sich in das ein, was Sie in den letzten Tagen zur Haushaltspolitik gemacht haben. Einerseits sagen Sie, dass es überall, wo wir kürzen, falsch ist, andererseits sagen Sie aber, dass wir zu wenig kürzen. Machen Sie doch besser Vorschläge! Wir laden Sie noch einmal herzlich ein, bei der Sanierung der Landesfinanzen mitzuwirken. Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Sigrid Leuschner [SPD])

Herr Hilbers, Sie haben die Vermarktung Ihrer ersten Rede wirklich gut vorbereitet, indem Sie gleich drei Fotografen engagiert haben. Teilen Sie diesen das nächste Mal bitte mit, dass sie keine Blitzlichter benutzen sollen.

(Zurufe von der CDU: Ach!)

Nun kommen wir zur nächsten Wortmeldung. Frau Peters von der FDP hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPDFraktion zielt auf eine Ausweitung des Beschäftigungsvolumens in der Finanzverwaltung ab. Ich persönlich finde es inzwischen ziemlich langweilig, immer wiederholen zu müssen, dass für eine Ausweitung des Beschäftigungsvolumens respektive der Kosten der Beschäftigung die finanzielle Basis im Landeshaushalt schlicht fehlt und auch

mittelfristig fehlen wird. Meines Erachtens müsste sich das langsam herumgesprochen haben.

Dass viele Finanzanwärter den Vorbereitungsdienst gar nicht erst angetreten hätten, wenn sie nicht von einer 100-prozentigen Übernahme ausgegangen wären, glaube ich persönlich nicht. Zum Beispiel gibt es Kriterien für die Höhe der Vergütung in der Ausbildung, die Form der Ausbildung und die Tiefe des vermittelten Stoffes. Ich selbst habe nach einer Verwaltungsausbildung eine Ausbildung im Steuerbüro gemacht und die Unterschiede kennen gelernt. Sie sind gravierend. Die Entscheidung für die Ausbildung in der Finanzverwaltung ist also sicherlich nicht nur die Hoffnung auf eine 100-prozentige Übernahme. In der Wirtschaft - das müssen wir uns klarmachen - ist es völlig normal, mehrfach im Leben den Arbeitsplatz zu wechseln - oft sogar den Berufsinhalt. Steueranwärtern muten wir nun zu, dieses Problem einmal - vielleicht noch nicht einmal im Leben nach Abschluss der Ausbildung zu haben. Wo zum Teufel ist das Problem? - Den Steueranwärtern muss in Zukunft klar sein - wie allen anderen Azubis in der Wirtschaft -, dass eine Übernahme in den öffentlichen Dienst nur bei guten Leistungen möglich sein kann. Durchfallraten von 12 bis 16 % bei den Prüfungen weisen meines Erachtens durchaus darauf hin, dass nicht 100 % der Anwärter gute Leistungen erzielen.

Der Darstellung der Verwendung auf dem freien Arbeitsmarkt - dass die Anwärter dann quasi in die sichere Arbeitslosigkeit entlassen werden - kann ich ebenfalls nicht zustimmen. Qualität findet im Bereich der Steuerberatung immer Abnehmer. Die angeführte Zahl der Arbeitslosen ist in diesem Bereich meines Erachtens irreführend.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Stichtag 31. August!)

- Ich habe den Stichtag und die Zahl gesehen. Ich habe sie nicht verifiziert,

(Sigrid Leuschner [SPD]: 983!)

aber ich glaube sie Ihnen. 983 Arbeitslose in einem Bereich sind für Niedersachsen nach meiner Auffassung noch nicht einmal sehr viel. Aber Sie müssen beachten, dass darin die Arbeitslosen aus der Prüfung Anfang Juli enthalten sind - d. h. alle die, die nicht aus den Steuerberatungsbüros übernommen werden konnten. Es ist in Steuerberaterpraxen eine durchaus übliche Vorgehensweise, dass man Ausgebildete am Schluss der Ausbildung nicht

direkt übernimmt, sondern sich andere Ausgebildete sucht, dass also eine Zeit von vier bis sechs oder acht Wochen dazwischenhängt. Die müssen Sie erst einmal abziehen, bevor Sie diese Zahlen - -

(Heinrich Aller [SPD]: Das ist ein völlig blödsinniger Vergleich, den Sie da machen!)

- Das mögen Sie so sehen. Ich sehe es nicht so. Diese Arbeitslosen müssen sich also erst einmal neu orientieren und werden dann aus den Zahlen verschwinden. Zum Teil wollen sie nicht einmal im Berufsfeld bleiben, wie ich es von eigenen Auszubildenden kenne.

Finanzanwärter werden dagegen von meinem Berufsstand nicht ungern aufgenommen. Auch Banken und Versicherungen können mit dieser Ausbildung durchaus sehr viel anfangen. Wenn die Pläne der Bundesregierung zur Gewerbesteuer tatsächlich Gesetz werden, schafft die SPD selber zusätzliche Arbeitsplätze in meinem Bereich. Denn die zusätzlichen 75 000 Steuererklärungen pro Jahr lassen sich nicht mal eben nebenbei von dem vorhandenen Personal erledigen. Rechnen wir nur mit einer Stunde pro zusätzlicher Steuererklärung - und damit wird man nicht hinkommen -, also für die Erklärungserstellung, für die Prüfung, für die Einarbeitung in die Einkommensteuererklärung, für die Besprechung mit dem Mandanten, für eventuelle Einsprüche, dann sind das 75 000 Arbeitsstunden pro Jahr. Etwa 50 Fachgehilfen werden dafür zusätzlich benötigt. Sie sehen, die SPD schafft für die nicht eingestellten Anwärter selbst die Arbeit. Es wäre ja schön, in finanzschlechten Zeiten die Betriebe nicht mit zusätzlichen, unproduktiven Kosten zu belasten. Aber das besprechen wir dann in der Debatte zur Gemeindefinanzreform.

Auch die Auffassung, dass mittel- und langfristig mit weniger Personal in der Finanzverwaltung die Aufgaben nicht zu erfüllen sind, teile ich nicht. Sicherlich ist die Betriebsprüfung ein sehr wichtiger Bestandteil der Steuerverwaltung und unverzichtbar. Sicherlich werden hier Mehrergebnisse für den Staatshaushalt erzielt. Aber ich habe noch keine Statistik gesehen, die diese Mehrergebnisse auf ihre Nachhaltigkeit bewertet. Viele Mehrergebnisse führen nämlich schlicht und ergreifend zur Verschiebung. Diese Verschiebungen werden statistisch nicht erfasst.

(Glocke der Präsidentin)

- Ja, ich komme sofort zum Ende. - Diese Verschiebungen führen dazu, dass in dem Jahr der Betriebsprüfung ein Mehrergebnis erzielt wird, das im nächsten Jahr, das nicht der Prüfung unterliegt, ein Minderergebnis bringt. Die Zahlen, die Sie unter Umständen bringen, sind also nicht unbedingt realistisch für die Entlastung des Staatshaushaltes. An irgendeiner Stelle ist das Mehr an Betriebsprüfung auch nicht mit einem Mehr an Steuereinnahmen gleichzusetzen. Ob Sie es glauben oder nicht: Es gibt auch noch ehrliche Steuerzahler.