Protocol of the Session on January 16, 2008

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses konnte auf keinen Fall eine Prognose bezüglich der Entwicklungsdynamik der Containerverkehre getroffen werden. Ein wirtschaftlicher und politischer Alleingang verbot sich deshalb. Sicherheits- und Risikoteilung gewährleisteten den wirtschaftlichen Erfolg. Und: Herr Hirche selbst hat in den Vernehmungen im Untersuchungsausschuss betont, dass es keine vertraglichen Veränderungen nach dem Regierungswechsel gegeben hat. Es sei eben gute Sitte, in die vertraglichen Grundlagen der alten Landesregierung einzutreten; allerdings seien sie auch in der Sache richtig.

Bei zwar unterschiedlicher Interessenlage wurde aber doch einmütig die Bedeutung des Projektes für ganz Norddeutschland in den Vernehmungen von den Herren Aden, Scherf und Gabriel bestätigt. In wesentlichen Fragen und unternehmerischen Entscheidungen gab es jedoch Einigungs

zwang. Wie auch anders? - Unabhängig von der gegenseitigen Abhängigkeit, was Planung, Bau, Kosten und Ertrag betraf, haben Vertreter beider Länder im Einzelfall jedoch immer wieder versucht, für das eigene Bundesland jeweils Vorteile durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, nun zu den zeitlichen Verzögerungen. Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass das Planfeststellungsverfahren erhebliche Zeit beanspruchte, weil es u. a. auch vom Umweltministerium handwerklich schlecht

begleitet und unnötig verzögert wurde.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere an die fehlende Meldung bei der EU bezüglich der Rohrdommel durch Herrn Umweltminister Sander.

(Jörg Bode [FDP]: Das haben wir im Untersuchungsausschuss gar nicht behandelt!)

Kein Wunder, dass die EU daraufhin die Meldung eingefordert hat und dadurch das Verfahren verzögert wurde. Dafür trägt Herr Sander die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ausschreibung erfolgte EU-weit als beschränkte Ausschreibung. Im Juni 2005 erfolgte die Veröffentlichung des Teilnehmerwettbewerbs. Die Angebotseröffnung fand dann am 4. Mai 2006 statt. Dann wurden die Zuschlagsfristen vom 17. August 2006 viermal verschoben. Erst am 27. April 2007, also acht Monate später, wurde der Zuschlag erteilt. Dagegen sagt die Mipla des Landes deutlich, dass der Baubeginn bereits 2006 geplant war. So wurde es auch dem Landtag immer wieder verkauft. Nur: Der Fertigstellungstermin wurde stets für 2010 prognostiziert, unabhängig von den eingetretenen Bauverzögerungen.

Mit dem Planfeststellungsbeschluss war auch die Anordnung des sofortigen Vollzugs verbunden. Wegen der angeblichen Unsicherheit der schwebenden Verfahren vor dem OVG Lüneburg wurde ein umfassender Baubeginn von der Landesregierung bisher nicht freigegeben. Dieses Verhalten ist ausschließlich der hilflose Versuch, Zeit zu schinden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer den sofortigen Vollzug eines Vorhabens durchsetzt, muss auch mit dem Bau beginnen. Weshalb sonst sofortiger Vollzug?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist eine gute Frage!)

Nun zu den absehbaren Kostensteigerungen. Wegen der Verzögerung der Baumaßnahme ergeben sich erhebliche zusätzliche Kostenrisiken für den Bau selbst, aber auch für den zukünftigen laufenden Betrieb des Hafens: je später der Baubeginn, desto schwieriger die Bindung der 50 Millionen Euro EU-Mittel, die bekanntlich bis Ende 2008 abgerechnet sein müssen.

Ich darf auch auf die Engpässe des Stahlmarktes sowie auf die benötigten 80 000 t und die rasant gestiegenen Baustoffpreise an den Märkten hinweisen. Bekanntlich bestand bis Dezember 2007 ein Verbot für die Firma Bunte, Stahl zu ordern. Auch hier ist die Realisierungsgesellschaft bzw. das Land selbst kostentreibend aufgetreten.

(Zustimmung bei der SPD)

Die allgemeinen Kostensteigerungen beim Personal seit Mitte 2006 müssen weiter berücksichtigt werden. Es sind auch weitere Kostensteigerungen durch den notwendigen Mehreinsatz von Arbeitskräften und Geräten, um den Zeitrückstand aufzuholen, zu erwarten. Nicht zuletzt drohen Pönalen durch die Betreibergesellschaft Eurogate gegen die JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft.

Falls der Hafen nicht wie geplant im Jahr 2010 in Betrieb gehen kann und Eurogate keine Ausweichkapazitäten hat, können Vertragsstrafen auf die Realisierungsgesellschaft durchschlagen. Eurogate hat nach Aussage des Eurogate-Vorstandes bereits zwei Verträge mit Kunden auf den Zeitpunkt 2010 hin geschlossen. Hierbei werden Millionenbeträge im Spiel sein, die von der Realisierungsgesellschaft allein nicht geschultert werden können. Das ist ein in jeder Bedeutung des Wortes durchschlagendes finanzielles Risiko für den Landeshaushalt Niedersachsens. Es ist zu verantworten durch Herrn Hirche als zuständigen Minister und Herrn Wulff als Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zum Kern des Untersuchungsauftrages, dem Vergabeverfahren selbst. Hat es nun Verstöße gegen das Vergaberecht durch unrechtmäßige Einflussnahme auf die JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft durch die Niedersächsische Landesregierung gegeben?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an mindestens fünf Stellen ist in irregulärer und unverantwortlicher Weise in das Vergabeverfahren eingegriffen worden.

Ein erster Verstoß gegen das Vergaberecht erfolgte auf Initiative der Herren Werren und Holtermann nach einer gemeinsamen Besprechung am

20. Februar 2007. Erstmals ging es darum, die Vergabe nach politischer Opportunität anstatt nach Vergabekriterien und aktueller Gutachtenlage

durchzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Herren Werner, Erdmann und Holtermann verständigten sich auf einen radikalen Kurswechsel, der dem bis dahin vom Vergabeteam der JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft einvernehmlich mit Herrn Werner erarbeiteten Vergabevermerk - Vergabe an die Firma Bunte, Ausschluss von Hochtief - völlig widersprach.

Bereits einen Tag später wurde im Vorfeld eines Klärungsgespräches zur Ankerlösung dem überraschten Leiter des Vergabeteams Starke im Beisein von Herrn Werner und Herrn Erdmann von bremenports als neue Vergabelinie vorgegeben: Vergabe an Hochtief auf Grundlage des Amtsentwurfs und Ausschluss der Firma Bunte.

Tags darauf hatte der Projektleiter, Herr Starke, unverzüglich Herrn Staatssekretär Werren informiert. Er schlug Alarm wegen der tags zuvor vollzogenen 180-Grad-Wende zugunsten von Hochtief. Er warnte vor Korruption und bat nun dringend um klare Vorgaben aus Hannover und um Rückendeckung. Dazu verweise ich im Übrigen auf das Vergabetagebuch von Herrn Starke, das er bereits am 19. April 2007 seinem Anwalt zur arbeitsgerichtlichen Verwendung übergeben hat.

Eindeutiger geht es nun wirklich nicht mehr!

Herr Werren hat diesen Hilferuf des Vergabeteams nicht ernst genommen. Weshalb sollte er auch? Denn er gehörte ja mit zu den Verursachern der

politischen Einflussnahme für die Firma Hochtief. Er hat Herrn Starke schlichtweg nur hingehalten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein zweiter Verstoß gegen das Vergaberecht erfolgte durch Herrn Holtermann. Während des Vergabeverfahrens führte er Nachverhandlungen mit Hochtief. Dazu verweise ich auf den Vermerk vom 28. Februar 2007 an Herrn Werren und Herrn Färber. Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass auf Arbeitsebene einvernehmlich in abgestimmten Aufklärungsgesprächen durch bremenports eine Reduzierung der Kosten erreicht werden konnte.

Meine Damen und Herren, ein dritter Verstoß im Vergabeverfahren wird durch die verschiedenen Nötigungsversuche gegen gesetzestreue Mitarbeiter der JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft und die Bunte-Gruppe deutlich. Einerseits sollte die Biege Bunte mit finanziellen Angeboten und Ersatzaufträgen in die Partnerschaft mit Hochtief gelockt werden. Andererseits wurde nach ihrer Weigerung massiv gedroht, sie wegen angeblicher Urkundenfälschung zukünftig von öffentlichen Auftragsvergaben auszuschließen, falls Bunte eine Verfahrensrüge oder einen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer oder bei Gericht stellen werde.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wirklich un- verschämt!)

Das findet sich auch in einem Vermerk der Staatskanzlei bei der Sprachregelung für den MP wieder. Allein das, für sich gesehen, meine Damen und Herren, ist ein unglaublicher Vorgang!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiterer Verstoß gegen das Vergaberecht ergibt sich aus der fristlosen Kündigung des sogenannten Störfaktors Starke. Vor dem Vergabezuschlag

verhandelte auch Professor Erdmann noch mit Hochtief nach. In einem abgekarteten Aufklä

rungsgespräch erfüllte Hochtief nun alle Vergabekriterien. Der Aufsichtsrat der Realisierungsgesellschaft bestätigte daraufhin die Vergabe und die von Herrn Holtermann ausgesprochene fristlose Kündigung von Herrn Starke. Massive rechtliche Bedenken wurden einfach weggewischt.

Der Einzige, der bei diesem Verfahrensstand die Notbremse gezogen hat, war der Finanzminister, der ein weiteres Gutachten forderte, um die Vergabe an Hochtief zusätzlich zu legitimieren. Spätestens hier ist klar, dass er dem Wirtschaftsminister, dem Staatssekretär und den weiteren verantwortlich Handelnden bei ihrer Handwerkelei nicht mehr über den Weg traute und sich rechtlich - völlig verständlich - zusätzlich absichern wollte.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Verstoß gegen das Vergaberecht erfolgte auf Initiative von Staatssekretär Werren selbst. Das Land Bremen hatte hohes Interesse, die Betreiberlizenz für den Tiefwasserhafen an Eurogate zu vergeben. Herr Werren nutzte dies als Druckmittel gegenüber Bremen. Ausweislich eines Schriftwechsels mit seinem Bremer Kollegen, Staatsrat Färber, hielt er die Absendung der Verdingungsunterlagen durch die JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft bewusst auf, um Bremen vorher zu Zugeständnissen bei Nachverhandlungen zur Hafenfinanzierung zu bewegen. Das war ein weiterer unzulässiger Eingriff in die Vergabe, die nach VOB allein in der Verantwortung der JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft lag. Hier wurde wie auf dem Basar versucht, für Niedersachsen eine Erbpacht gegen die absehbare Vergabe der Betreiberlizenz an Eurogate in Bremen einzuhandeln. Dabei weiß Herr Werren genau, dass dies rechtlich unzulässig ist, wie er später auch in seiner Vernehmung zu seiner Aufsichtsratsrolle deutlich gemacht hat.

Nun zur abschließenden Bewertung. In einem Schreiben von Professor Erdmann an Herrn Ministerialrat Hoffmeister im Niedersächsischen Fi

nanzministerium zur Vorbereitung des Gesprächs mit Ministerpräsident Wulff und den Ministern Hirche und Möllring wird auf Folgendes hingewiesen: Gegen die kostengünstigere Variante der Ankerlösung durch die Firma Bunte habe inhaltlich gesprochen, dass in einem persönlichen Gespräch der Vorstand von Eurogate, also die Geschäftsleitung des Nutzers, in Abstimmung mit den weiteren Partnern erklärt hat, dass wegen des großen Geländesprungs in Wilhelmshaven diese Lösung

ausscheide. Die Vergabe solle deshalb auf Basis des Ausschreibungsentwurfes mit Nebenangeboten zeitnah an die Bietergemeinschaft Hochtief erfolgen.

Hier wird die eindeutige Festlegung der Landesregierung auf die Vergabe an Hochtief bereits Anfang März 2007 deutlich. Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt war auch Ministerpräsident Wulff

über den Verfahrensstand und die politischen Zielvorgaben informiert, möglicherweise hatte er daran auch mitgewirkt.