Protocol of the Session on December 13, 2007

Wir gehen jetzt in die Mittagspause und treffen uns hier um 14.30 Uhr wieder.

Unterbrechung der Sitzung: 13.20 Uhr.

Wiederbeginn der Sitzung: 14.31 Uhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe auf

noch: Tagesordnungspunkt 11: Fortsetzung zweite Beratung Haushalt

2008 - Debatte über ausgewählte Haushaltsschwerpunkte (einschl. einzubringender Ände- rungsanträge) unter Einbeziehung der betroffenen Ressortminister (Kultus - Wissenschaft und Kultur - Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Umwelt - ländlicher Raum, Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz - Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien)

Die für den jetzt anstehenden Teil der Haushaltsberatungen verfügbaren Redezeiten der Fraktio

nen ergeben sich aus der Ihnen vorliegenden Redezeitentabelle. Der guten Ordnung halber weise ich darauf hin, dass den Fraktionen entgegen der zunächst ausgedruckten Fassung der Redezeitentabelle die folgenden Redezeiten zur Verfügung stehen: CDU 95 Minuten, SPD 95 Minuten, FDP 60:15 Minuten, Bündnis 90/Die Grünen 59:30 Minuten. Der Ältestenrat ist davon ausgegangen, dass die Landesregierung eine Redezeit von

60 Minuten nicht überschreitet. Ich bitte Sie wiederum, sich schriftlich zu Wort zu melden und dabei anzugeben, zu welchem Bereich Sie sprechen möchten.

Wir kommen nun zum Bereich

Kultus

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Eckel von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Ende der Legislaturperiode möchte ich meine Rede mit einem Dank beginnen, einem Dank an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kultusministeriums, die für uns immer ansprechbar waren und die uns in unserer Arbeit als Abgeordnete unterstützt haben. Herzlichen

Dank ihnen allen im Namen des Arbeitskreises Kultus der SPD-Fraktion!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung hatte bei der Aufstellung dieses Haushaltsplanes Glück, weil durch den Konjunkturauf

schwung die Steuereinnahmen sprudeln und durch die verschiedenen Ministerien verteilt

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das Glück ist mit dem Tüchtigen!)

und feste in Wahlgeschenke investiert werden können. Ich nehme jedenfalls an - das merke ich an Ihren Reaktionen -, dass auch Sie als Regierungsfraktionen dieses Glück so empfinden.

Glück ist - jedenfalls in diesem Fall bin ich ein wenig anderer Meinung -, wenn das gute Ergebnis unverhofft über einen kommt, manchmal eben auch unverdient.

(Zustimmung bei der SPD)

Genau darauf weist das Gebaren von Herrn Busemann hin. Der Kultusminister wirkt, finde ich, überrumpelt vom Geldsegen, wenn er quasi mit der Streubüchse über seinen Haushalt zieht und da ein Sandhäufchen aufbaut und hier ein paar Sandkörnchen fallen lässt. Glücklicherweise trifft er dabei auch einmal die richtige Stelle.

Aber, Herr Minister, welche Rolle spielt bei Ihrer Geldstreuung eigentlich die Nachhaltigkeit - Nachhaltigkeit in dem Sinne, dass Schule zukunftsfähig wird und zur Zukunftssicherung beiträgt? - Nachhaltigkeit im Kultushaushalt müsste sich darin zeigen, wie es gelingt, vorhandene Potenziale bei Kindern und Jugendlichen zu erschließen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Für die SPD ergibt sich daraus die Verpflichtung, soziale Herkunft und Bildungslaufbahn zu entflechten. Deswegen heißen unsere Schwerpunkte frühkindliche Bildung, individuelle Förderung und langes gemeinsames Lernen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich mir den jetzt vorgelegten Haushalt ansehe, muss ich feststellen: Was Ihrem Haushalt fehlt, ist das Planmäßige, das zur Erreichung dieses Zieles führt.

Ihre neueste Idee, Herr Minister, ist die Verschiebung des Einschulungsstichtages vom 30. Juni auf den 30. September. Damit wollen Sie wohl möglichst schnell den Auftrag des CDU-Parteitages erfüllen, das Einschulungsalter von 6,7 auf 6 Jahre zu senken - eine Angelegenheit, die unter Umständen - das kann man noch nicht absehen teuer sein kann. Denn die Zahl der Schulanfänger würde in dem betreffenden Schuljahr um 25 % steigen. Der Geldsegen - so sagte ich vorhin schon - verführt eben auch zu Schnellschüssen. Sogar aus den eigenen Reihen ernten Sie Widerspruch. Nach der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung von gestern stellt sich Herr Klare auf die Seite von Grundschulverband, SPD und Grünen. Man höre: Auch er findet eine grundsätzliche Flexibilität bei der Einschulung wichtiger als die Verschiebung von Stichtagen und verweist auf die neue Eingangsstufe.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer hat ihm das denn eingeflüstert?)

Herr Minister, kurz vor der Wahl machen Sie auch Versprechungen zur Senkung der Klassenfre

quenzen. Sie ziehen ein Kaninchen nach dem anderen aus dem Hut. Mal sehen, was Ihnen bis zum 27. Januar noch so einfällt!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich war am Montag in Berlin mit dabei, als der Deutsche Schulpreis vergeben wurde. Sie, Herr Busemann, mit strahlendem Gesicht zwischen den Schülern und Schülerinnen der Robert-Bosch-Gesamtschule zu sehen, fand ich, wie ich ehrlich gestehen muss, eher beklemmend, auf jeden Fall peinlich.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Er gewöhnt sich langsam daran, aber das war es dann jetzt auch!)

Für mich war es leichter. Ich konnte mich ja von Herzen freuen. Lassen Sie mich einen Satz aus der Laudatio zitieren. Die Robert-Bosch-Schule, so wurde gesagt, sei ein zweites Zuhause für Kinder aller Schichten und Begabungen.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese Schule schafft es, individuell zu fördern. Diese Schule schafft es, den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen aufzubrechen. Damit erreicht sie Nachhaltigkeit.

Das Recht auf individuelle Förderung ist im Niedersächsischen Schulgesetz festgeschrieben. Aber mit der Umsetzung haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP, sehr geehrter Herr Minister, ein Problem, spätestens ab Klasse 5. Da steht Ihnen Ihr statischer Begabungsbegriff im Wege, auf dem das gegliederte Schulwesen aufgebaut ist. Natürlich ist auch im gegliederten Schulwesen individuelle Förderung möglich. Das streitet niemand ab. Aber Sie setzen frühzeitig den Deckel auf die Förderung, wenn Sie Kinder zu früh auf Schulformen verteilen.

(Zustimmung bei der SPD)

Weil Sie 2003 eine Menge getan haben, um die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen zu

verschlechtern, sitzen die Deckel halt immer fester. Auf diese Weise ist die individuelle Förderung von vornherein beschränkt. Deswegen wird der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungslaufbahn im gegliederten Schulsystem nicht aufgelöst werden können.

Diese Erkenntnis ist die Grundlage für das Bildungskonzept der niedersächsischen SPD, für den Entwurf einer gemeinsamen Schule. Den Finger in

die Wunde zu legen und erfolgreiche Wege zu mehr Nachhaltigkeit und damit zu mehr Chancengleichheit vorzuzeichnen, das ist für uns Sozialdemokraten eine Verpflichtung.

Dass Sie sich nicht in dieser Pflicht der Nachhaltigkeit sehen, ist an dem vorliegenden Haushaltsplan abzulesen. Das fängt schon bei der frühkindlichen Bildung an. Wiederum haben Sie nur

6 Millionen Euro für Sprachförderung im Elementarbereich angesetzt. Die Veränderung des Verteilungsmodus im letzten Jahr macht eine Erhöhung notwendig, die nach der Finanzlage auch möglich wäre. Wir werden die Mittel auf 8 Millionen Euro erhöhen. Von der Sprachförderung profitieren nicht nur, aber vor allem Kinder mit Migrationshintergrund. Für ihre Teilhabe an Bildung wird insgesamt zu wenig getan. Ihre sprachlichen Defizite führen dazu, dass sie in Hauptschulen und vor allem in Förderschulen überrepräsentiert sind, ebenso bei den Schulabbrechern und Jugendlichen ohne Berufsausbildung. Wenn wir der Gefahr sozialer Ausgrenzung und der Entwicklung von Parallelgesellschaften vorbeugen wollen, dann muss Bildungspolitik ihren Anteil an Prävention leisten.

Durch den seit 2006 gültigen Verteilungsmodus haben vor allem Städte mit sozialen Brennpunkten, mit großem Migrantenanteil hohe Einbußen hinnehmen müssen. In Wolfsburg z. B. sanken die Zuschüsse um ein Drittel. Deswegen stockt die SPD in ihrem Änderungsantrag die Mittel für die Sprachförderung im Kindergarten um 2 Millionen Euro auf.

(Beifall bei der SPD)

Um Kindern aus einkommensschwachen Familien - dazu gehören weit mehr als die Empfänger von Hartz IV - nicht aus finanziellen Gründen den Zugang zu Bildung zu erschweren, haben wir uns entschlossen, die von Ihnen abgeschaffte Lernmittelfreiheit und die Hausaufgabenhilfe wieder einzuführen.

(Ursula Körtner [CDU]: Lernmittelfrei- heit gab es gar nicht!)

Durch die jetzige Regelung der Schulbuchmiete sind in den Schulen Gelder angespart, die wir - so sind wir überzeugt - guten Gewissens für die Lernmittelfreiheit einsetzen können. Das ist Haushaltstechnik. Wichtig ist: Mit uns wird es ab

1. August 2008 Schulbücher für jedes Kind wieder kostenlos geben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im November einen Sozialfonds beantragt, aus dem Schulen Finanzmittel für Schulmaterialien und die Teilnahme am Mittagessen abrufen können, ohne bürokratische Hürden überwinden zu müssen, und haben ihn nun mit 5 Millionen Euro unterlegt. Es gibt inzwischen besonders in den Städten viele Initiativen gegen Kinderarmut. Eine Reihe von Kommunen hat in ihren Haushalten Mittel bereitgestellt, um zu helfen. Auch wir sind der Meinung, dass all dies vorübergehende Maßnahmen sein müssen. Wir alle müssen uns dafür stark machen, dass das wirklich so ist. Es muss uns gelingen, und zwar möglichst, bevor uns der Begriff „arme Kinder“ zu leicht über die Lippen kommt.

Sie, Herr Busemann, legen einen Fonds von nur 3 Millionen Euro auf und begrenzen den Zuschuss auf das Mittagessen in Ganztagsschulen. Aber es gibt auch andere Schulen mit Mittagsangeboten. Was machen Sie, wenn eine Ganztagsschule und eine Halbtagsschule in einem Zentrum vereint sind? - Diesen Empfängerkreis und vielleicht auch die Summe insgesamt sollten Sie unbedingt noch einmal überdenken. Halbherzigkeit darf es bei diesem Thema nicht geben.