Protocol of the Session on November 16, 2007

mann die IGS Franzsches Feld in Braunschweig?

Die Debatte zum Errichtungsverbot von Gesamtschulen benutzt Kultusminister Bernd Busemann, um einzelne Gesamtschulen zu bewerten. In der Braunschweiger Zeitung vom 17. Oktober 2007 stellt Busemann fest: „Erfolgreiche Gesamtschulen wie die IGS Franzsches Feld in Braunschweig pickten sich vielmehr Schüler mit Gymnasialempfehlung heraus, so Busemann. Bei 120 Plätzen in vier Klassen seien zudem nur 98 Schüler aufgenommen.“

Noch im Dezember 2006 gratulierte der Kultusminister der IGS Franzsches Feld anlässlich der Preisverleihung in Berlin für den Deutschen Schulpreis. Die IGS war als einzige Schule aus Niedersachsen ausgewählt worden. Die IGS Franzsches Feld gehört darüber hinaus zu den Beraterschulen im Projekt „Reformzeit - Schulentwicklung in Partnerschaft“. Das Projekt wird von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Robert-Bosch-Stiftung durchgeführt.

Bei der von der Zeitschrift Capital durchgeführ

ten Studie „Deutschlands beste Schulen 2005“ befindet sich die IGS Franzsches Feld bundesweit auf Platz 31.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie steht sie zu der Tatsache, dass die o. g. Situation der Platzvergabe an der IGS Franzsches Feld mit dem Schulträger explizit aufgrund der räumlichen Situation vereinbart wurde?

2. Mit welcher Berechtigung kritisiert der Kultusminister das Losverfahren an der IGS Franzsches Feld?

3. Ist dieses Verhalten mit der Fürsorgepflicht eines obersten Dienstherrn vereinbar?

Die Landesregierung anerkennt die Leistungen, die an den Schulen Niedersachsens erbracht werden. Sie hat dies wiederholt deutlich zum Ausdruck gebracht und das Engagement aller Beteiligten öffentlich gewürdigt. Die Landesregierung erkennt ausdrücklich auch die gute und vorbildliche Arbeit an, die an der IGS Franzsches Feld in Braunschweig von den Schülerinnen und Schülern, vom Lehrkörper, von der Schulleitung sowie der Elternschaft geleistet wird. Die Landesregierung behält sich allerdings gleichwohl vor, stets zu hinterfragen und zu analysieren, unter welchen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen Leistungen erbracht und Ergebnisse und Erfolge erzielt werden. Das Gebot der Fairness gebietet dies. Nur wenn die Relationen klar sind, können aussagefähige Vergleiche gezogen werden. Und nur wenn die Verhältnisse klar sind, lassen sich Leistungen und Erfolge richtig einordnen und bewerten. Die Aufdeckung des Hintergrundes einer Leistung, eines Ergebnisses oder eines Erfolges ist nicht mit einer Herabwürdigung gleichzusetzen.

Zu den Rahmenbedingungen an der IGS Franzsches Feld ist vor diesem Hintergrund Folgendes festzustellen: Nach Nr. 3.1 des Runderlasses vom 9. Februar 2004 über die Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung an den allgemeinbildenden Schulen ist für Integrierte Gesamtschulen bis zum 10. Schuljahrgang für die Bildung von Klassen eine Schülerhöchstzahl von 30 vorgegeben. Eine vierzügige IGS müsste mithin 120 Schülerinnen und Schüler in Klasse 5 aufnehmen. Der IGS Franzsches Feld in Braunschweig wurden allerdings wegen der besonderen Beschaffenheit des Schulgebäudes mit Verfügung der Bezirksregierung

Braunschweig vom 21. April 1997 - d. h. vor mehr als zehn Jahren - im Einvernehmen mit dem Schulträger (Stadt Braunschweig) Kapazitätsobergrenzen - differenziert nach den Klassenraumgrößen

genehmigt. In Klassenräumen mit bis zu 50 m2

beträgt die Obergrenze 26 Schülerinnen und Schüler, in Klassenräumen mit bis zu 54 m2 27 Schülerinnen und Schüler und in Klassenräumen mit bis zu 56 m2 28 Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich I. Die IGS Franzsches Feld fährt den Jahrgang 5 vierzügig, sodass nach dem o. a. Zugeständnis - eine notwendige Unterbringung in den kleinsten Klassenräumen von bis zu 50 m2 vorausgesetzt - 104 Plätze hätten vergeben werden können. Diese Zahl verringerte sich jedoch auf 98, da sechs Integrationskinder aufgenommen wurden

(für die zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung gestellt werden). Die IGS Franzsches Feld liegt damit hinsichtlich der zu beschulenden Schülerinnen und Schüler mehr als deutlich unter den Vorgaben, denen sich andere Schulen stellen. Schule und Schulträger haben es in den vergangenen Jahren versäumt, durch ein verbessertes Raumangebot die Zügigkeit und die aufzunehmende Schülerzahl auszuweiten. Die Beteiligten sind folglich in hohem Grade für die Ablehnungszahlen verantwortlich. Die Gesamtschule ist nach ihrem Bildungsauftrag des § 12 Abs. 2 des Schulgesetzes eine Schule für alle Schülerinnen und Schüler, d. h. für Schülerinnen und Schüler, die sonst Hauptschule, Realschule oder Gymnasium besuchen würden. Die aktuellen Zahlen lassen diesbezüglich Zweifel aufkommen. Zum Beginn des laufenden Schuljahres wurden 98 Schülerinnen und Schüler aufgenommen, 215 wurden abgelehnt. Bei den Schülerinnen und Schülern mit einer Gymnasialempfehlung wurden von 99 Bewerberinnen und Bewerbern 52 angenommen, mithin rund 53 v. H. Hingegen wurden bei den Schülerinnen und Schülern mit einer Hauptschulempfehlung von 69 Bewerberinnen und Bewerbern 9 angenommen, folglich lediglich 13 v. H., und bei den Schülerinnen und Schülern mit einer Realschulempfehlung von 139 Bewerberinnen und Bewerbern 31 angenommen, mithin nur 22 v. H. Im Vergleich zu anderen Gesamtschulen ist damit der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung (56,5 v. H.) auffallend hoch (Durchschnitt 23,9), der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulempfehlung (9,8) ist hingegen bemerkenswert niedrig (Durchschnitt 28,5).

An der IGS Franzsches Feld wurde ein Losverfahren durchgeführt, indem 50 v. H. der Plätze an leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, 30 v. H. an leistungsdurchschnittliche Schülerinnen und

Schüler und 20 v. H. an leistungsschwache Schü

lerinnen und Schüler (§ 59 a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 NSchG) vergeben wurden. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler haben folglich eine wesentlich größere Chance, einen Platz in der IGS Franzsches Feld zu erhalten. Insoweit stellt sich die berechtigte Frage, ob die Schule den Anspruch, eine Schule für alle Schülerinnen und Schüler zu sein, gerecht wird. Die Landesregierung wird die Anfrage zum Anlass nehmen, die Aufnahmeverfahren an den Integrierten Gesamtschulen vor diesem Hintergrund durch die Schulbehörden überprüfen zu lassen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Auf die in den Vorbemerkungen ausführlich dargelegte Raumproblematik wird verwiesen.

Zu 2: Auf die aufgezeigte Problematik des Auswahlverfahrens vor dem Hintergrund der entsprechenden schulrechtlichen Vorgaben wird verwiesen.

Zu 3: Vor dem Hintergrund der Vorbemerkungen erschließt sich der Landesregierung nicht die in der Fragestellung angesprochene dienstrechtliche

Dimension. Die Verantwortung für das Gesamtsystem Schule gebietet es jedenfalls, die aufgezeigten Entwicklungen und Probleme kritisch zu hinterfragen.

Anlage 15

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 17 der Abg. Sigrid Leuschner (SPD)

Verhandeln statt Verordnen?

Das Beamtenverhältnis ist von einer einseitigen Festlegung der Dienst- und Rahmenbedingungen durch den Dienstherrn geprägt. Durch die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform hat das Land jedoch auch im Bereich des Beamtenrechts neue Gesetzgebungskompetenzen erhalten. Dies eröffnet gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten, die allerdings aus Sicht der niedersächsischen Beamtinnen und Beamten die Gefahr schwerwiegender und weitreichender Eingriffe in ihre Rechte erhöhen. Es wird befürchtet, dass diese Veränderungen ausschließlich von den Vorgaben des Finanzministers diktiert werden. Ein solches Vorgehen würde verkennen, dass ein moderner, leistungsfähiger öffentlicher Dienst auf Beschäftigte angewiesen ist, die mit hohem Sachverstand eigenverantwortlich handeln und über soziale Kompetenzen verfügen. Vor die

sem Hintergrund erscheint es vielen zunehmend als Anachronismus, dass die Arbeitsbedingungen von Beamtinnen und Beamten noch immer einseitig per Gesetz oder Verordnung bestimmt werden. Es wird gefordert, im Zuge einer Modernisierung des Beamtenrechts Beteiligungsrechte für Beamtinnen und Beamte zu schaffen, die es ermöglichen, wichtige Bereiche, so z. B. Arbeitszeit, Teilzeit, Altersteilzeit, Beurlaubungen, Urlaub, Sonderurlaub, Freistellungen, Versetzungen, Abordnungen, Umsetzungen, über die Grundbesoldung hinausgehende Einkommensbestandteile, Laufbahnen

und Ausbildungen sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz, durch öffentlich-rechtliche Verträge zu regeln. Diese vertraglichen Regelungen

könnten, so wird vorgeschlagen, an die Seite eines stark verschlankten Niedersächsischen Beamtengesetzes treten. Alle Tatbestände, die nicht ausdrücklich durch Vertrag zu regeln sind, sollen auch nach diesen Vorstellungen weiterhin durch Gesetz oder Verordnung geregelt werden. Hierunter könnten z. B. die statusrechtlichen Bestimmungen, das Versorgungsrecht und eine Grundbesoldung fallen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie den Vorschlag, den niedersächsischen Beamtinnen und Beamten in den o. g. Bereichen weitgehende Verhandlungs

rechte einzuräumen?

2. Welche rechtlichen oder gegebenenfalls

praktischen Hürden sieht die Landesregierung, die einem solchen Vorgehen entgegenstehen könnten?

3. Sind der Landesregierung andere „Verhandeln-statt-Verordnen-Initiativen auf Bundesebene bzw. auf Ebene der anderen Bundesländer bekannt, und wie bewertet sie diese?

Die Anfrage greift eine Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf, der im Juli 2007 in Niedersachsen, wie bereits im Oktober 2006 in Bremen, unter dem Titel „Verhandeln statt Verordnen“ ein Positionspapier zu Verhandlungsrechten im Beamtenrecht vorgestellt hat. Die darin enthaltene Grundposition des DBG geht auf Forderungen zurück, die der DGB 1991 unter dem gleichen Motto erhoben hatte und die Gewerkschaft ÖTV im Jahr 2000 in abgewandelter Form präsentiert hatte. Sie sind bis heute weder auf Bundes- noch auf Landesebene umgesetzt worden. Der jetzige Vorschlag soll nach dem Willen des DGB durch eine Änderung des Niedersächsischen Beamtengesetzes verwirklicht werden. Inhaltlich sollen danach nur noch die verfassungsrechtlich vermeintlich

zwingenden Bereiche des Beamtenrechts durch Gesetz oder Verordnung geregelt werden. Für die

überwiegenden Bereiche sollen vertragliche Regelungen ausgehandelt werden.

Mit der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform sind die Gesetzgebungskompetenzen im Beamtenrecht neu verteilt worden. Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes im Beamtenrecht wurde aufgehoben.

Die neu gewonnenen Kompetenzen der Länder sollen in Niedersachsen im Bereich des Dienstrechts mit Schwerpunkt Status- und Laufbahnrecht durch eine umfassende Novellierung des Niedersächsischen Beamtengesetzes umgesetzt werden. Die Landesregierung ist bestrebt, die neuen landesrechtlichen Möglichkeiten mit Umsicht und

Augenmaß auszugestalten. Im Rahmen eines breit angelegten Diskussionsprozesses haben die fachlich zuständigen Ressorts, das Ministerium für Inneres und Sport und das Finanzministerium am 30. August 2007 ein Symposium zur Dienstrechtsreform in Niedersachsen veranstaltet. An diesem Symposium haben 160 Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften und Berufsverbände, der Kommunen mit ihren kommunalen Spitzenverbänden, des Landespersonalausschusses, des Landesrechnungshofes und der Ressorts, aber auch Vertreter des Landtags teilgenommen. Das Thema „Dienstrechtsreform“ wurde dabei zum einen durch Fachvorträge näher beleuchtet, zum anderen hatten die Spitzenverbände Gelegenheit, ihre Erwartungen und Wünsche an eine Reform zu äußern. In diesem Rahmen hat die Vertreterin des DGB die Initiative „Verhandeln statt Verordnen“ nochmals vorgestellt. Diese Vorstellungen werden allerdings nicht von allen Spitzenverbänden und Berufsorganisationen geteilt. So lehnt beispielsweise der dbb Beamtenbund und Tarifunion, Landesbund Niedersachsen, die Schaffung eines sogenannten

Tarifbeamten ab, da dies der Grundidee des Beamtenrechts widerspreche.

Darüber hinaus ist die Landesregierung, der Tradition der konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit folgend, auch in diesem Themenbereich sowohl auf Fachebene als auch auf Leitungsebene mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden im Dialog.

Bei der Nutzung der neu gewonnenen beamtenrechtlichen Kompetenzen haben die Länder allerdings weiterhin das höherrangige Verfassungsrecht zu beachten. So bestimmt Artikel 33 GG, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze

des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie gerade in der aktuellen Entscheidung zur Einstellungsteilzeit vom 19. September 2007 nochmals zum Ausdruck gekommen ist, enthält Artikel 33 Abs. 5 GG einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, d. h. die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses unterliegt der einseitigen Regelungskompetenz des

Beamtengesetzgebers. Dies folgt aus der Eigenart des auf Kontinuität ausgerichteten Beamtenverhältnisses. Dieses ist durch eine fehlende vertragliche Austauschbeziehung geprägt. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung bekräftigt, dass Beamtinnen und Beamten zur Durchsetzung eigener Interessen kollektive Kampfmaßnahmen, wie z. B. das Streikrecht, verfassungsrechtlich verwehrt sind. Schließlich enthält der Beschluss eine erste Aussage zu der durch die Föderalismusreform eingefügten Fortentwicklungsklausel. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, dass zwar das Recht des öffentlichen Dienstes fortzuentwickeln sei, nicht jedoch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums

selbst. Damit erscheinen die in der Initiative aufgezeigten Vorschläge verfassungsrechtlich problematisch.

Ähnlich führt der Staatssekretär im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, Ulrich Lorenz, in seinen Thesen zum Forum V des Schöneberger Forums am 13./14. November 2007 aus, dass die verfassungsrechtlichen Schranken mit den bereits geregelten gewerkschaftlichen Mitbestimmungs

und Mitwirkungsmöglichkeiten weitgehend erreicht sind: