Protocol of the Session on November 14, 2007

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 10: Einzige (abschließende) Beratung: Recht und Ordnung auf dem deutschen Arbeitsmarkt - Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit in deutschen Schlacht- und Zerlegebetrieben verhindern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1828 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/4168

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in geänderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Heiligenstadt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die unhaltbaren Zustände in der niedersächsischen Fleischwirtschaft in Bezug auf

Entlohnung, Unterkunft, Arbeitsbedingungen und letztlich auch in Bezug auf die Produkte und den Verbraucherschutz sind in dieser Legislaturperiode schon mehrfach Thema in diesem Hause gewesen.

Die SPD-Fraktion hat ihren Antrag im April 2005 eingebracht. Davor hatten wir in diesem Hause schon beschlossen, etwas gegen die haltlosen Zustände in dieser Branche und die damit einhergehenden Wettbewerbsverzerrungen für noch

rechtmäßig handelnde Betriebe zu tun.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das haben wir auch gemacht!)

Nur, die Landesregierung hat sich leider nicht an den Beschluss des Parlaments gehalten.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Sie hat gehandelt!)

Meine Damen und Herren, was ist Fakt in dieser Branche? Mit welchen Zuständen müssen die legal arbeitenden Unternehmen - es sind leider nur einzelne Betriebe - kämpfen? Unter welchen Umständen müssen die beschäftigten Männer und Frauen in den Betrieben arbeiten? - Ich glaube, das kann niemand besser sagen als sie selbst - vertreten durch die NGG - bzw. die Staatsanwaltschaft Oldenburg. Danach ist die Anzahl der Verfahren mit Verdacht auf illegale Arbeitnehmerüberlassung,

Beitragsvorenthaltung und Betrug zum Nachteil der Sozialversicherung sowie Lohnwucher 2006 und 2007 auf hohem Niveau - ich betone: auf hohem Niveau - stabil geblieben. Im Bezirk der Staatsanwaltschaft Oldenburg häufen sich Fälle, in denen wegen des Verdachts der Lohnwucherei ermittelt wird. Nach Aussagen der Staatsanwaltschaft konnten dabei Stundenlöhne von 1 bis 3 Euro festgestellt werden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist un- erhört!)

In mehreren Verfahren sind statt erlaubter 8 Stunden pro Tag durchgehende Arbeitszeiten von 13 bis 16 Stunden pro Tag zu verzeichnen gewesen. Das ist Fakt. Meine Damen und Herren, leider hat sich hier seit 2004 nichts, aber auch gar nichts verbessert.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Frau Heiligenstadt, warten Sie bitte, bis es etwas ruhiger geworden ist und diejenigen, die hier nicht zuhören wollen, den Raum verlassen haben. - Ich warte noch, bis Sie leise sind. - Sie können jetzt weiterreden.

Die Staatsanwaltschaft verweist lediglich auf ein Verharren auf hohem Niveau und auf ihre zwei Jahre zuvor abgegebene Stellungnahme. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich hier wirklich nichts verändert hat. Insbesondere betont die Staatsan

waltschaft die Unterbesetzung ihrer eigenen Einrichtungen und verweist auf die Unterbesetzung der Kontrollinstanzen. Meine Damen und Herren, jeder weiß um die unhaltbaren Zustände. Wir haben Vorschläge dafür unterbreitet, wie diese Zustände zumindest besser kontrollierbar gemacht werden können. Dazu gehört ein branchenspezifischer Mindestlohn. Dazu gehören ferner eine Quote für Fremdbeschäftigte, die Unterbindung von Kettenverträgen, die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung, klare Abgrenzungsregelungen zwischen Werk- und Dienstleistung gegenüber der Arbeitnehmerüberlassung und die Einbindung der Branche in das Entsendegesetz. Dazu ist es erforderlich, dass wir klare Mindeststandards festlegen.

Was aber tun Sie? - Sie ändern den SPD-Antrag ab und feiern Ihre angeblichen Erfolge. Aber welche Erfolge, meine Damen und Herren? - In dieser Branche sind diese Zustände in Ihrer Regierungszeit manifestiert worden. Ihr Antrag strotzt nur so von einem „Weiter so!“. Was denn weiter so? Die Situation weiter so hinnehmen? - Wenn es um zusätzliche Arbeit geht, verweisen Sie ausschließlich auf andere Behörden wie z. B. den Bund oder die EU. Meine Damen und Herren, das ist meiner Meinung nach eine ganz billige Methode, sich der Verantwortung zu entziehen.

(Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU)

Sie als Regierungsfraktion tragen hier Verantwortung und müssen sich des Themas ernsthaft annehmen. Gerade die Niedersächsische Landesregierung, die im Vergleich zu anderen Bundesländern mit den höchsten Anteil der Betriebe dieser Branche in ihrem Verantwortungsbereich hat, darf sich hier nicht wegducken. Dieses Wegschieben von Verantwortung hat bei Ihnen aber System. Bloß nicht Farbe bekennen und Verantwortung übernehmen. Aber genau das wäre die Aufgabe des Wirtschafts- und Arbeitsministers Hirche gewesen. Sie sind zum Teil jedoch noch nicht einmal über die einfachsten Sachverhalte in Ihrem Haus informiert.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das stimmt!)

Das ist eigentlich ganz praktisch; denn man muss keine Verantwortung übernehmen, wenn man von nichts weiß.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer nichts weiß, macht nichts falsch!)

Was machen nun die Regierungsfraktionen? - Sie verwässern den Antrag, feiern sich und das Handeln der Regierung wieder einmal ab und lassen die betroffenen Betriebe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen. Bei allen Diskussionen zu diesem Thema haben aber auch Sie durchaus Handlungsbedarf gesehen, jedoch immer nur von schwarzen Schafen gesprochen.

Meine Damen und Herren, die Staatsanwaltschaft sagt selbst, dass es hier nicht mehr um Einzelfälle gehe, sondern um eine Manifestierung des kriminellen Handelns in dieser Branche. Hier brechen Hunderte reguläre Arbeitsplätze durch unfairen Wettbewerb weg. Sie machen dafür das Arbeitsrecht in Deutschland verantwortlich. Es müsse flexibler werden. Ja, wie flexibel muss es denn noch werden, damit die Werkvertragsarbeitnehmer nicht weiter missbraucht werden? Wo sind eigentlich Ihre Untergrenzen im Hinblick auf die Arbeitnehmerausbeutung, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen? Bei 16 Stunden

Schwerstarbeit am Tag? Oder bei 1 bis 3 Euro Stundenlohn oder weniger? - Die Gesetzeslage ist eindeutig: Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer sind zu gleichen Arbeitsbedingungen wie einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit zu beschäftigen. Der Zoll sagt dazu selbst: Bei jeder Überprüfung werden rechtswidrige Zustände festgestellt. Dennoch ist immer nur die Spitze des Eisberges zu überprüfen gewesen.

Meine Damen und Herren, die Zeit zum Handeln ist gekommen. Es geht hier um Arbeitsplätze in Niedersachsen. Hier geht es um Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Ich hoffe, dass Sie dem Antrag noch zustimmen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Hoppenbrock von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Heiligenstadt, es ist leider so: Es gibt Missstände

beim Einsatz von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in deutschen Schlachtund Zerlegebetrieben.

(Zuruf von der SPD: Ist das bei euch auch schon angekommen?)

Da werden Mitarbeiter illegal beschäftigt, schlecht entlohnt und menschenunwürdig untergebracht. Diese Verstöße haben ein großes Medienecho ausgelöst, und sie sind nicht hinnehmbar. Irreführend ist allerdings, wenn die SPD hier versucht, den Eindruck zu erwecken, illegale Beschäftigung sei die Regel und nicht die Ausnahme. Dieses Horrorszenario bezüglich der niedersächsischen Zerlege- und Schlachtbetriebe ist eindeutig falsch. Die überwiegende Mehrzahl der niedersächsi

schen Betriebe arbeitet ehrlich und korrekt. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Basis von Werkverträgen beschäftigt sind, so ist dies zunächst einmal legal und nicht gesetzeswidrig oder gar betrügerisch. Wir und auch die zuständigen Behörden haben nun die Aufgabe, Missstände aufzudecken, anzuprangern und schließlich zu

ahnden. Es gilt, die Ehrlichen vor den schwarzen Schafen der Branche und vor Kriminellen, die auf Kosten von Anständigen und Korrekten ihre Geschäfte machen und gegen die Regeln verstoßen - sei es durch die illegale Beschäftigung von Ausländern, durch Schwarzarbeit oder Leistungsmissbrauch -, zu schützen, Frau Heiligenstadt.

In den vergangenen Jahren hat sich in diesem Bereich aber tatsächlich einiges getan. Meine Damen und Herren, die von der Bundesregierung eingerichtete Taskforce zur Bekämpfung des

Missbrauchs hat bereits sehr erfolgreich gearbeitet. So konnte die Zollverwaltung durch Schwerpunktprüfungen, die immer öfter durchgeführt werden, speziell in der niedersächsischen Fleischwirtschaft Verstöße feststellen - das ist so - und hat diese der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Dabei geht die Bandbreite von Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitslohn über Betrug, Scheinselbstständigkeit und illegale Arbeitnehmerüberlassung bis hin zu Steuerhinterziehung und Lohndumping. Es

wurde jedoch kein flächendeckender Missbrauch festgestellt, wie die SPD hier immer wieder glauben machen will. Trotzdem sind wir der Meinung, dass diese Prüfungen konsequent und systematisch fortgesetzt werden sollen.

Auch das im Juni dieses Jahres geschlossene Bündnis gegen illegale Beschäftigung in der

Fleischwirtschaft wird von der Landesregierung

unterstützt. Hier zeigt sich der feste Wille aller Beteiligten, den Auswüchsen einiger schwarzer Schafe der Branche zulasten der Ehrlichen massiv entgegenzutreten. Bündnispartner sind neben dem Zoll u. a. die Verbände der Fleischwirtschaft und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.

Was ist außerdem zu tun? - Am wirkungsvollsten wäre unserer Meinung nach ein engerer direkter Kontakt zu den Entsendeländern. Dazu brauchen wir allerdings die Hilfe der Bundesregierung. Dann könnte nämlich unbürokratisch, unkompliziert und auf direktem Weg geklärt werden, ob es bei den dortigen Firmen wirklich ein berechtigtes Interesse zur Ausbildung in niedersächsischen Schlachtbetrieben gibt oder ob es sich dabei lediglich um Briefkastenfirmen handelt, die billige Leiharbeiter zum eigenen finanziellen Nutzen vertrags- und gesetzeswidrig in die Hochlohnländer schicken.

Angesichts der derzeitigen Zuständigkeiten stellt sich zudem die Frage, inwieweit das Land im Hinblick auf den Missbrauch der E-101-Bescheinigungen - das sind die Bescheinigungen für die Werkverträge - überhaupt prüfen und eingreifen kann. Hierzu bitten wir die Landesregierung, auf die Bundesregierung und die europäischen Entscheidungsträger einzuwirken, damit zukünftig

sichergestellt ist, dass diese Bescheinigungen nur nach sorgfältiger Prüfung ausgestellt werden. Das ist nämlich die Ursache, und nur so kann man dieses Problem an der Wurzel bekämpfen.

Meine Damen und Herren, einiges ist aber auch richtig: Egal, was wir hier beschließen, alle geforderten und sinnvollen Maßnahmen kurieren letztlich nur an den Symptomen. Die niedersächsische Fleischwirtschaft muss sich im internationalen

Wettbewerb behaupten, und sie steht schon seit Jahren mit dem Rücken zur Wand.

Aber, Frau Heiligenstadt, auch das SPD-Allheilmittel Mindestlohn - Sie haben es eben angeführt führt nicht zum Ziel. Denn es gibt in der Fleischbranche keinen flächendeckenden Tarifvertrag,