Nun zu der Großen Anfrage. Die SPD-Fraktion hat diese Anfrage gestellt. Ich war eigentlich erstaunt, wie schnell sie letztendlich beantwortet wurde. Trotz Sommerpause lag nach nicht einmal drei Monaten die Antwort vor. Ich habe mich natürlich gefragt, worauf das schließen lässt. Waren die Fragen sehr schlicht und sehr einfach und von daher auch sehr einfach zu beantworten oder gab es auf Fragen kaum oder gar keine Antworten vonseiten der Landesregierung?
Ich glaube, beides ist letztendlich richtig. Die Anfrage ist ganz dünn und die Antwort ist auch sehr dünn. Das macht den Handlungsbedarf mehr als deutlich. Niedersachsen hat für Krippenkinder letztendlich wenig zu bieten. Herr Busemann hat es ja sehr deutlich gesagt: Wir sind das Schlusslicht unter allen Bundesländern, was Krippenplätze angeht. Nur 4,1 % der Kinder in Niedersachsen sind in Krippen oder in altersgemischten Gruppen. Es ist ja eine niedersächsische Besonderheit, dass unter 3-Jährige und Kindergartenkinder gleichzeitig betreut werden. Es gibt also einen großen Nachholbedarf.
Was mich in der Antwort auf die Anfrage gestört hat, ist, dass genau und detailliert dargestellt wurde, wer letztendlich die Verantwortung hat. Es wird gesagt, dass die Gesamtverantwortung für die Schaffung und für den Erhalt einer bedarfsgerechten Infrastruktur bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe liegt. Die Landesregierung macht deutlich, dass sie die Aufgabe hat, in erster Linie Beratung, Förderung und Fortbildung voranzubringen, und dass der Schutz der Kinder in den Einrichtungen für sie wichtig ist. Es ist richtig, solch eine Klarstellung vorzunehmen. Wenn uns allen aber klar ist, dass wir mehr tun müssen, finde ich es doch etwas peinlich, in einer Antwort so zu agieren.
Genauso peinlich finde ich die immer wiederkehrenden Verweise auf die Situation unter der SPDgeführten Regierung vor zehn Jahren und auf die Bilanzen. Wir haben mit dem TAG, dem Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder, und mit
dem KICK, dem Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz, von 2005 doch Vorgaben auf dem Tisch liegen, die erkennen lassen, woran wir arbeiten müssen und was auf der Zielgerade zu tun ist. Wir brauchen bis 2010 ein bedarfsgerechtes Bildungsangebot. Es ist zwar ganz schön, wenn man der Antwort auf die Große Anfrage entnehmen kann, dass sich die Zahl der Krippenplätze um fast 50 % erhöht hat. Man muss sich dann aber auch einmal das Ausgangsniveau anschauen. Das ist alles blanke Statistik. Ich habe es einmal heruntergerechnet. Nehmen Sie einmal eine Krippe mit sechs Kindern unter drei Jahren. Zu den sechs Kindern kommen drei Kinder hinzu. Plötzlich haben Sie neun Krippenplätze. Wahnsinn! Eine Erhöhung der Krippenplätze von sechs auf neun bedeutet statistisch eine Steigerung um 50 %. Das ist nichts. Das ist ein Fliegenschiss. So kommen diese Zahlen zustande.
Ansonsten ist es eigentlich ziemlich traurig, dass Sie versuchen, den Versorgungsgrad mit Krippenplätzen großteils über Tagespflegeplätze sicherzustellen. Frau Vockert, Sie haben von Wahlfreiheit gesprochen. Sie haben auch gesagt, dass Kinder gut betreut sein müssen, dass die frühkindliche Bildung wichtig ist. Ist Ihnen die Abbruchquote bei Tagesmüttern bekannt? Ist Ihnen die Qualität in diesem Bereich bekannt?
Ein halbes Jahr dauert im Durchschnitt der Aufenthalt eines Kindes unter drei bei einer Tagesmutter. Eine solche Fluktuation möchte ich nicht jedem Kind unter drei zumuten.
Diese Fluktuation gewährleistet letztendlich keine frühkindliche Bildung. So ist das Kind nicht gut aufgehoben. Gut aufgehoben ist es nur dort, wo es pädagogische Konzepte gibt, wo das Kind im Vordergrund steht und wo es wenig Fluktuation gibt. Deswegen sollten wir vorrangig auf Qualität und auf Krippenplätze setzen.
Ich finde es fatal, was in Hannover gelaufen ist. Da will die Stadt Hannover 277 Krippenplätze einrichten. Und was macht das Land Niedersachsen? - Es lehnt das ab; vorrangiger Bedarf bestehe an Tagesmüttern. So viel zum Thema Elternwille! Das
kann doch gar nicht wahr sein. Denn der Elternwille ist eindeutig. Er geht in Richtung Krippenplätze. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis!
- Mit dieser Pauschalität, Mister McAllister, haben Sie diesen Antrag abgelehnt! Wenn Wahlfreiheit, dann bitte echte Wahlfreiheit und nicht eingeschränkt in eine Richtung!
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - David McAl- lister [CDU]: Außerdem heiße ich Herr McAllister!)
Es hat auch ein Gespräch mit den Kommunen gegeben. Herr Busemann hat gerade Zwischenergebnisse bekannt gegeben. Sie sind nicht allzu weit gekommen, Herr Busemann. Ich bin erstaunt, wenn ich die Mitteilung lese, dass Sie heute hier konkretere Zahlen nennen können. Die gibt es im Mitteilungsblatt vom 16. Oktober nämlich noch nicht. Heute ist der 19. Oktober. Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, im November, beim nächsten Treffen, das anvisiert ist, endlich die Verteilung der Investitionsmittel im Einvernehmen auf den Weg zu bringen und das nicht weiter auf die lange Bank zu schieben.
Denn konsequente, qualitätsorientierte Krippenpolitik sieht in unseren Augen anders aus. Wenn Sie das Türschild „Kinderland - Familienland“, das Sie sich umhängen, wirklich behalten wollen, dann brauchen wir jetzt echtes Engagement. Dabei unterstützen wir Sie natürlich gerne.
(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Über Familie haben Sie gar nicht geredet, die ganze Zeit nicht! Sie haben nicht ein einziges Mal das Wort „Mutter“ in den Mund genommen!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Kinderbetreuung hat sich eine ganze Menge geändert. Es gibt viele Möglichkeiten. Es ist gut, dass wir heute anlässlich dieser Anfrage Gelegenheit haben, darüber zu reden. Noch vor einiger Zeit bestanden für Frauen nämlich eigentlich nur drei Möglichkeiten, wobei sie immer nur verlieren konnten. Entschieden sie sich, mit Kindern zu Hause zu bleiben, waren sie „dumme Puten“. Wollten sie lieber gar keine Kinder, um besser Karriere machen zu können, wurden sie „Karrieristinnen“ genannt. Taten sie das, was die meisten Frauen heute wollen, nämlich Familie und Beruf vereinbaren, dann hießen sie „Rabenmütter“.
Rabenmütter - dazu hat Frau von der Leyen gerade dieses Jahr eine Postkartenaktion gemacht. Beim FDP-Bundesparteitag gab es eine Aktion mit Rabenmutter-T-Shirts; die „Rabenmütter“ unter uns haben ganz bewusst diese T-Shirts angezogen, um klarzumachen: Das sind wir nicht; wir können sehr wohl Kinder betreuen und gleichzeitig berufstätig sein. Das ist das, was wir brauchen und was die Leute heute wollen.
Übrigens ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich auch immer mehr Väter an der Kinderbetreuung beteiligen wollen. Die sollten dann auch nicht als „Weicheier“ diskriminiert werden, sondern genauso geschätzt werden. Sie erfahren dadurch sogar einen Kompetenzzuwachs. Das sollten wir unterstützen.
Nun zu der Großen Anfrage direkt. Die Zahl der Krippenplätze in Niedersachsen reicht immer noch nicht aus; aber die Lage hat sich erheblich verbessert. Ich finde es sehr gut, dass Minister Busemann darauf hingewiesen hat, dass eine Anfrage nur zu Krippenplätzen eigentlich zu kurz greift, weil es eben nicht nur um Krippenplätze, sondern auch um etwas anderes geht.
oder ob es sich um Betriebskindergärten oder privatgewerbliche Angebote handelt. Die Mischung macht es.
Um es gleich vorwegzunehmen: Wenn Sie von Fluktuation bei der Tagespflege sprechen, dann ist auch darauf hinzuweisen, dass Eltern teilweise nur für einen Übergangszeitraum Betreuung brauchen. Genau dieses Angebot müssen wir schaffen. Das ist passgenau und bedarfsgerecht und entspricht dem Elternwillen.
Jetzt weiter zu der Großen Anfrage. Der Stichtag der Zahlen liegt teilweise in den Jahren 2005 und 2006. Inzwischen hat sich schon eine Menge verbessert. Damals lag der Prozentsatz für die Kinderbetreuung noch in einem wesentlich schlechteren Bereich als jetzt. Es ist gut, dass sich vieles getan hat.
Bei den Krippenplätzen gab es zum Stichtag 10. Oktober 2005 noch weiße Flecken in neun Landkreisen. Ich weiß nicht, inwieweit sich das heute schon verändert hat. Ohne weiße Flecken war jedenfalls auch in diesen Landkreisen das Tagespflegeangebot. Das hat es also auch schon damals überall gegeben. Das heißt, generell weiße Flecken hatten wir nirgendwo.
Auch bei der Frage nach den Öffnungszeiten, die Sie gestellt haben, zeigt sich, dass Sie, wie es Herr Busemann gesagt hat, zu kurz greifen. Denn natürlich sind Kindertagesstätten gar nicht in der Lage, rund um die Uhr zu öffnen. Das werden wir nie erreichen, auch am Wochenende nicht. Deswegen brauchen wir flexible Angebote, die wir ja auch haben.
Herr Robbert, recht haben Sie, was die Gruppengröße angeht. Ich denke, kleine Gruppen brauchen wir nicht nur bei altersübergreifenden Kindergartengruppen, sondern generell. Wir müssen vielleicht dazu kommen, dass wir bei der Bildung der Kleinen kleine Gruppen und bei den Größeren, die schon eigenverantwortlich arbeiten, größere Grup
pen machen. Da müsste man vielleicht eine Umschichtung machen und die Pyramide auf den Kopf stellen.
Weiter zur Tagespflege: Es ist noch nichts dazu gesagt worden, dass wir auch einige Tagesväter in Niedersachsen haben. Zum Stichtag 2006 waren es schon 64. Das finde ich gut.
Übrigens gibt es eine Bundesinitiative zum Ausbau der Kindertagesbetreuung, die ganz bewusst auf ein Drittel Tagespflegeplätze setzt, weil diese gewollt sind und weil es gut ist, dieses flexible Angebot zu schaffen.
Wir haben unser Programm „Familien mit Zukunft“, um die TAG-Ziele noch eher zu erreichen und überzuerfüllen. Es gibt auch ein Bundesprogramm zum Ausbau der Tagesbetreuung. Es ist nur schade, dass auf Bundesebene das Finanzierungskonzept der FDP nicht angenommen wurde. Wir wollten ja den Finanzbedarf durch eine Erhöhung des Anteils der Gemeinden an der Umsatzsteuer nach Vorwegabzug des Bundesanteils decken. Das wäre noch schneller gegangen und wäre verfassungskonform. Wir sind da vorneweg, und die anderen kommen leider erst später. Das ist halt manchmal so; damit müssen wir leben.
Mit diesem Programm „Familien mit Zukunft“ werden keine Doppelstrukturen geschaffen. Das ginge auch gar nicht. Wir haben ganz bewusst die Kriterien so angelegt, dass das, was gefördert wird, etwas Neues sein muss, sodass sich keine Doppelstrukturen ergeben können.