Protocol of the Session on October 19, 2007

- Das ist schon entschieden, Herr Kollege. Das wissen Sie auch.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das Kabi- nett hat nie darüber entschieden, Herr Rösler!)

Zweitens hätten wir erwartet, dass Sie sich wesentlich besser in Bundesratsverfahren auskennen; denn in Ihrer wenig erfolgreichen Regierungszeit hätten Sie eigentlich lernen können, dass die Bundesratsausschussanträge in der alleinigen

jeweiligen Ressortverantwortung liegen und sich ein Bundesland erst im Bundesratsplenum endgültig positioniert. Die gute Nachricht ist, dass wir das, was Sie hier momentan als Wissenslücke vorzeigen, eher auf Ihr schlechtes Gedächtnis zurückführen können, Sie dieses Wissen aber auch nie wieder brauchen werden; denn Sie werden nach der nächsten Wahl hier in Niedersachsen definitiv nicht regieren können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mit Ihrem Antrag möchten Sie gerne erreichen, dass es zu einem Entsendegesetz und damit zu einem Mindestlohn im Bereich der Briefzusteller kommt. Wir haben hier im Hause mehrfach - das hat die Frau Kollegin zu Recht gesagt - über Mindestlohn debattiert. Unsere Position als Freie Demokraten hat sich seither überhaupt nicht geändert. Wir lehnen in der Tat einen allgemeinen Mindestlohn ab; denn wir sagen: Wenn er zu niedrig ist, macht er keinen Sinn, und wenn er von seinem Betrag her zu hoch ist, dann vernichtet er alle Arbeitsplätze, die in ihrer Wertschöpfung unterhalb dieses festgelegten Mindestlohns liegen. Das heißt, die Menschen bekommen nicht mehr Geld, Herr Hagenah, sondern weniger Arbeitsplätze, und das ist das Gegenteil von dem, was zumindest CDU und FDP im Landtag wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Enno Hagenah [GRÜNE] meldet sich zu einer Kurzintervention)

- Sie können gleich die Gelegenheit nutzen, dass wir darüber noch einmal diskutieren.

Einig sind sich zumindest die drei großen Fraktionen hier im Landtag - also CDU, SPD und FDP -, dass man von einer Vollzeitstelle in der Tat leben können muss. Deswegen haben wir bereits vor über 15 Jahren unser liberales Modell des Bürgergeldes vorgestellt, das in der Ausgestaltung eine negative Einkommensteuer vorsah, um weg von den reinen Lohnersatzleistungen und hin zu Lohnergänzungsleistungen bei staatlichen Transfers zu kommen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Menschen am Ende keinen Mindestlohn, sondern ein Mindesteinkommen wollen. Dafür ist unser liberales Bürgergeld der beste Weg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber dieses Entsendegesetz macht zum Glück ganz praktisch und anschaulich die Nachteile deutlich, die es bei einem allgemeinen Mindestlohn

gibt; denn wir diskutieren hier ja über einen Betrag von 9,80 Euro, wie es wohl schon angesprochen wurde. Bisher erhalten die Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Briefzustellung in der Region Hannover einen Stundenlohn von ungefähr 8 Euro. Naive Geister könnten jetzt auf die folgende Idee kommen: Das ist ja prima. Wenn wir gesetzlich 9,80 Euro festschreiben, dann bekommen alle diejenigen, die bisher 8 Euro erhalten haben, künftig 9,80 Euro, also 1,80 Euro mehr, und alles wird gut.

Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus - das übrigens hat Herr Hagenah noch nicht ganz begriffen -; denn Tatsache ist, dass das nicht Willkür der jeweiligen Arbeitgeber ist, sondern sehr wohl davon abhängt, ob die Kunden, zu denen wir alle uns dazuzählen müssen, bereit sind, über ihre Gebühren im Endeffekt tatsächlich mehr als diese 8 Euro pro Stunde zu bezahlen. Wenn sie dazu nicht bereit sind - ich meine, dass das momentan zu erwarten ist, weil das der bisherige Marktpreis ist -, führt das nicht dazu, dass die Menschen, die vorher 8 Euro bekommen haben, plötzlich 9,80 Euro bekommen, sondern dazu, dass die Unternehmen ihr Engagement in dieser Branche reduzieren werden.

(Unruhe bei der SPD)

Das Ergebnis wird sein, dass die Menschen nicht mehr als 8 Euro bekommen, sondern weniger Arbeitsplätze vorfinden werden. Deswegen sind wir so vehement gegen Mindestlöhne.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich dachte im Übrigen immer, dass die Sozialdemokraten insbesondere für die kleinen Leute in unserem Land da sind.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Das war einmal!)

Aber wir müssen uns hier eines Gegenteils belehren lassen. Denn die 9,80 Euro, die momentan diskutiert werden, sind ja kein sich am Markt entwickelnder Preis, sondern sind, wie wir schon gehört haben, von der Post AG mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di festgelegt worden, wohl wissend - zumindest von der Post AG -, dass mittelständische Unternehmen hier in Niedersachsen gar nicht in der Lage sein werden, diese 8 Euro oder später die 9,80 Euro zu bezahlen. Die werden sich deshalb völlig aus der Branche zurückziehen. Am Ende bleibt dann ein Unternehmen übrig, nämlich die Post AG. Sie haben dann über das Ent

sendegesetz nicht nur einen Mindestlohn eingeführt, sondern gleichzeitig das alte Postmonopol wiederhergestellt. Künftig wird dann die Post uns als Kunden die Preise wieder diktieren können, und das geht am Ende in jedem Fall zulasten der Verbraucher.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen ist es richtig, dass sich Walter Hirche als Wirtschaftsminister, aber auch als Arbeitsminister gegen dieses Entsendegesetz geäußert hat; denn allein hier in Niedersachsen gibt es ungefähr 5 000 Beschäftigte im Bereich der Briefzustellung. Das alles sind Arbeitsplätze, die Sie leichtfertig aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb kann man zu diesem Antrag Folgendes feststellen: Erstens haben Sie sich lächerlich gemacht, weil er schon längst Geschichte ist. Zweitens macht sich die Sozialdemokratie damit zum Büttel eines Großkonzerns zulasten des Mittelstandes in Niedersachsen. Sie gefährden in unserem Bundesland Arbeitsplätze und schaden am Ende dem Verbraucher. - Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen Ihnen dafür am 27. Januar die Quittung zuschicken werden - übrigens nicht nur per Briefwahl. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gibt jetzt zwei Wünsche für Kurzinterventionen. Die erste wünscht Herr Hagenah, die zweite wünscht Frau Hartmann. Auf jede der beiden Kurzinterventionen kann Herr Dr. Rösler anschließend antworten. Zunächst erteile ich Herrn Hagenah und danach Frau Hartmann das Wort.

Herr Rösler, es zeigt sich, dass man sich nicht vorher eine Rede einprägen sollte, ohne die Argumente, die vorgetragen werden, zu adaptieren. Das, was Sie hier erzählt haben, hatte überhaupt nichts mit den Argumenten zu tun, auf die Sie eigentlich hätten kontern müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben einiges von Ihrem Weltbild lernen können. Markt ist bei Ihnen so etwas wie globalisierter

Markt. Postdienstleistung findet bei Ihnen in China und in Indien, aber offensichtlich nicht hier in Deutschland statt. Die Briefe, die hier transportiert werden, kann niemand anderes als Leute mit Mindestlohn transportieren. Das gilt auch für den Fall, dass Leute aus dem Ausland hierher kommen. Von daher ist das, Bild, das Sie hier vorn dargestellt haben, völlig schräg. Sie müssen noch ein bisschen weiter zur Schule gehen, um Marktwirtschaft nachzuholen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es geht auch nicht um einen allgemeinen Mindestlohn, sondern wir reden hier über einen branchenbezogenen regionalen Mindestlohn - deswegen auch die Tarifvereinbarungen mit unterschiedlichen Mindestgrenzen. Sie haben hier eine Rede gegen allgemeinen Mindestlohn gehalten, sind also auf der völlig falschen Politikbaustelle unterwegs gewesen. Auch in dem Punkt sollten Sie sich noch korrigieren.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: So kennen wir ihn!)

Außerdem habe ich jetzt lernen können, dass es zukünftig offensichtlich zum Prinzip dieser schwarz-gelben Landesregierung wird, die Ressortuneinigkeiten nicht mehr im Kabinett, sondern über unterschiedliche Anträge im Bundesrat zu klären. Ich meine, damit ist Niedersachsen echt auf der Überholspur. - Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu einer Antwort auf die Kurzintervention erteile ich Herrn Dr. Rösler das Wort.

Herr Kollege Hagenah, es ist klar, dass Sie Bundesratsverfahren nicht kennen müssen. Dazu muss man in der Regierungsverantwortung sein. Regierungsverantwortung steht bei Ihnen, den Grünen, aber in den nächsten Jahrzehnten mit Sicherheit nicht zur Diskussion.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Erhard Wolfkühler [SPD]: So etwas Überhebliches! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Ich finde es ganz spannend, dass Sie zumindest nicht zugehört haben. Ich frage einmal die Kollegen, ob sie in meinem Redebeitrag irgendwo das Wort „China“, das Wort „Indien“ oder den Begriff „ausländische Anbieter“ gehört haben. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, diese Worte gesagt zu haben. Wir können das gerne im Protokoll nachlesen. Ich habe lediglich gesagt, dass die bisherigen Anbieter, womöglich als mittelständische Unternehmen, diesen Stundenlohn von 9,80 Euro nicht mehr bezahlen können. Das heißt, sie werden sich aus dieser Branche einfach zurückziehen. Das Ergebnis wird sein, dass wir dort weniger Unternehmen und weniger Arbeitsplätze haben, weil Sie den Mindestlohn für den Bereich der Postdienstleistungen fordern. - Deswegen lehnen wir Ihre Vorschläge ab, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Enno Hagenah [GRÜNE]: Die zahlen 11 bis 16 Euro, Herr Rösler!)

Frau Kollegin Hartmann, Sie haben das Wort für anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Rösler, willkommen in der Realität in Deutschland - das sage ich dazu nur. Der Unterschied zwischen uns und Ihnen besteht wahrscheinlich darin, dass ich als Betriebsratsvorsitzende bei Tarifverhandlungen dabei war und von daher ein bisschen weiß, was in der deutschen Wirtschaft abläuft.

(Zurufe von der CDU: Oh, toll!)

Das, was Sie zu dem liberalen Bürgergeld vorgetragen haben, womit Sie versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen, ist angesichts der Debatte über den Niedriglohnsektor Briefdienstleistungen nun wirklich peinlich. Sie haben von dem Thema offensichtlich überhaupt keine Ahnung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Trauen Sie sich einmal, etwas dazu zu sagen?)

- Herr Dr. Rösler, Sie versuchen, mit Ihren Ausführungen über das Problem hinwegzutäuschen, in dem Sie sich in der Koalition befinden, weil Herr Wulff aus wahlkampftaktischen Gründen seine Alleingänge vollführt und die FDP im Grunde genommen überhaupt nichts mehr zu melden hat. Das ist doch die Realität.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Rösler, der Unterschied zwischen uns und Ihnen ist: Wir gehen davon aus, dass es sich dann, wenn ein Unternehmer entscheidet, Menschen einzustellen und in Vollzeit oder in Teilzeit zu beschäftigen, um eine unternehmerische Arbeit handelt, die im Sinne des Unternehmens entgolten werden muss. Wir sind der Auffassung, dass eine Arbeit, die unternehmerischen Wert hat, tatsächlich auch entlohnt wird. - Danke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu einer Antwort auf die Kurzintervention spricht Herr Dr. Rösler.

Es ist keine Antwort, sondern nur eine Frage. - Wenn Sie der Meinung sind, dass die Arbeitgeber bereit sind, an dieser Stelle mehr zu zahlen, dann stelle ich mir die Frage, wer eigentlich private Postdienstleister in Niedersachsen sind. Wenn man genau hinschaut, stellt man fest: Das sind größtenteils unsere niedersächsischen Zeitungsverlage.