Protocol of the Session on July 12, 2007

Plant die Landesregierung, Umwelt-Bingo und Prämiensparen zu verbieten?

Mit Urteil vom 28. März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar ist. In ihrem Urteil geben die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember 2007 den Bereich der Sportwetten neu zu regeln.

Möglich sei einerseits eine konsequente Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in der Weise, dass es tatsächlich der Suchtbekämpfung sowie dem Spieler- und dem Jugendschutz dient. Andererseits wäre eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltungen von privaten Wettunternehmen zulässig.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit nur dann als zulässig angesehen, wenn das staatliche Wettmonopol konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämp

fung der Wettsucht ausgerichtet ist und dieser Eingriff als verhältnismäßig und zielgerichtet begründet werden kann.

Der Europäische Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass durch Beschränkungen der Ausübung der Tätigkeiten im Glücksspielsektor durch nationale Regelungen ebenfalls ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit erfolgt (Urteil Gambelli und Placanica). Dieser Eingriff sei nur zur Bekämpfung der Wettsucht oder der Vorbeugung von kriminellen oder betrügerischen Zwecken zulässig.

Hieraus folgern Rechtsexperten, dass in der Bundesrepublik Deutschland aus verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gründen eine Neuordnung des staatlichen Wettmonopols nur mit der konsequenten Bekämpfung der Spielsucht zu begründen ist.

Inzwischen ist in NRW auch ein konkretes Ausführungsgesetz zum Entwurf des Staatsvertrages vorgelegt worden. Hier wird in § 14 ebenfalls eine Definition von Glücksspielen vorgenommen, die unter die Regelungen des Ausführungsgesetzes fallen. Inzwischen gehen Rechtsexperten davon aus, dass hierunter ebenfalls Glücksspiele und Lotterien in Fernsehsendungen wie z. B. die Angebote im DSF, Neun Live oder aber auch Umwelt-Bingo fallen. Als Ausnahme werden allerdings Glücksspielangebote genehmigungsfrei gestellt, wenn das entsprechende Entgelt niedriger ist als 0,49 Euro ist. Experten gehen davon aus, dass dies auch eine für Fernsehangebote zulässige Ausnahmeregelung ist.

Die Landesregierung plant bisher, den Staatsvertragsentwurf auch in Niedersachsen umzusetzen. Dies bedeutet, dass auch in Niedersachsen entsprechende Ausführungsbestimmungen erarbeitet werden müssen.

In Niedersachsen gibt es mit der beliebten Fernsehlotterie Umwelt-Bingo ein Glücksspielangebot, das hiervon betroffen ist. Genauso verhält es sich mit dem beliebten Angebot Prämiensparen oder „Sparen und Gewinnen“ der Sparkassen.

Im Entwurf des Glückspielstaatsvertrages heißt es in § 5:

„Werbung für öffentliches Glücksspiel darf nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 stehen, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Sie darf sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten. Die Werbung darf nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten.

Werbung für öffentliches Glücksspiel ist im Fernsehen (§§ 7 und 8 Rundfunkstaatsvertrag),

im Internet sowie über Telekommunikationsanlage verboten.“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie kann vor dem Hintergrund der Verbotsregelungen im Staatsvertragsentwurf und der vorliegenden Ausführungsbestimmungen aus NRW zukünftig in Niedersachsen eine Genehmigung für Umwelt-Bingo, Prämiensparen oder die SKL-Show erteilt werden?

2. Welche Auswirkungen hat das Verbot von Umwelt-Bingo im Fernsehen für die künftige Förderung von Umweltschutzprojekten in Niedersachsen?

3. Wie kann nach Meinung der Landesregierung eine pauschale Erlaubnisfreistellung unter gewissen Bedingungen, wie sie der Entwurf aus NRW in § 14 Abs. 3 vorsieht, mit dem umfassenden Verbot von Fernseh- und Internetwerbung vereinbart werden, falls die hierunter fallenden Glücksspielangebote im Fernsehen betrieben und beworben werden (Umwelt-Bingo) oder über das Internet vertrieben und beworben werden (Prämiensparen)?

Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber gehalten, bis zum 31. Dezember 2007 verfassungskonformes Recht zu schaffen. Dazu setzt der am 13. Dezember 2006 von 15 Ministerpräsidenten beschlossene Entwurf eines Glücksspielstaatsvertrags (GlüStVE) , dem die Landesregierung von Schleswig-Holstein am 10. Juli 2007 ebenfalls zugestimmt hat, den Rahmen für ein europa- und verfassungsrechtsfestes Glücksspielwesen in Deutschland. Der Staatsvertrag bedarf nach Artikel 35 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung der Zustimmung des Landtages. Der Landesgesetzgeber hat außerdem ein Ausführungsgesetz zu erlassen. Die Landesregierung plant, den Staatsvertragsentwurf auch in Niedersachsen umzusetzen und das Niedersächsische Lotteriegesetz als Ausführungsgesetz neu zu fassen. Die Vorlage ist für den Spätsommer dieses Jahres vorgesehen.

Der GlüStVE enthält Regelungen über die Werbung. § 5 GlüStVE und die dazu vorliegende Erläuterung schließen Werbung nicht aus, sondern beschränken diese nach den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts auf die Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Glücksspiel. Die von den Fragestellern zitierte Regelung in § 5 Abs. 2 GlüStVE ist insofern weitergehend als die derzeit in § 4 Abs. 3 des Lotteriestaatsvertrages von 2004 zu findende Einschränkung der Werbung für öffentliche Glücksspiele.

Werbung für öffentliches Glücksspiel ist nach § 5 Abs. 3 GlüStVE im Fernsehen, im Internet oder über Telekommunikationsanlagen verboten. Aus der Erläuterung des GlüStV ergibt sich zum Bereich des Fernsehens dazu Folgendes:

„Vom Verbot nicht umfasst sind andere Programmteile, die von der Werbung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 Rundfunkstaatsvertrag optisch zu trennen sind, wie die Ziehung der Lottozahlen und Sendungen, die zugelassene Lotterien zum Gegenstand haben.“

Insoweit ist davon auszugehen, dass Sendungen wie „Bingo!“ in N3 weiterhin zulässig sind, wobei gegebenenfalls die darin möglicherweise enthaltenen Elemente außerhalb der Ziehung, der eigentlichen Spieldurchführung mit den Telefon- und Saalkandidaten und den Sachinformationen über die Verwendung der Konzessionsabgaben künftig hinsichtlich ihres Werbecharakters neu zu bewerten sind.

Die dargestellten Regelungen gelten, wie für jedes erlaubnispflichtige Glücksspiel, auch für das Gewinnsparen. Soweit hierfür Werbeaktivitäten in den o. g. Medien erfolgen, sind auch diese nach Geltung des Glücksspielstaatsvertrages an den dargestellten Kriterien zu überprüfen.

Die Süddeutsche Klassenlotterie (SKL) ist die Staatslotterie der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen und insoweit nicht in Niedersachsen konzessioniert. Die „5-Millionen-SKL-Show“ wird von RTL gesendet, dessen Lizenz von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) erteilt wurde. Die Vorschrift im Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages beschränkt sich allerdings auf die glücksspielrechtliche Zulässigkeit. Insoweit liegt die Kompetenz zur glücksspielrechtlichen Zulässigkeit der Sendung bei den genannten Bundesländern. Unbeschadet davon sind selbstverständlich die geltenden medienrechtlichen Vorschriften zu beachten.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Konzession für die Lotterie Bingo läuft derzeit bis Ende 2007 und kann nach geltendem wie voraussichtlich auch nach neuem Recht verlängert oder neu als Erlaubnis erteilt werden. Das Prämiensparen verschiedener Banken und Spar

kassen ist auch nach neuem Recht zulässig, aber z. B. beschränkenden Vorgaben wie z. B. des Verbots der Werbung unterworfen. Für die SKL besteht keine glücksspielrechtliche Zuständigkeit in Niedersachsen. Für die SKL sind die süddeutschen Länder zuständig. Grundsätzlich können auch für Klassenlotterien weiter Erlaubnisse erteilt werden. Die Fernsehsendung für Bingo hat bereits heute überwiegenden Informationscharakter als „Ziehung“ und Information über die Verwendung der Konzessionsabgaben. Solange die Lotterie selbst konzessioniert oder erlaubt ist, besteht für die zuständigen rundfunkrechtlichen Aufsichtsgremien keine Veranlassung zum Tätigwerden.

Zu 2: Da weder die künftige Erlaubnis für die Lotterie Bingo noch die Möglichkeit einer Fernsehsendung grundsätzlich infrage stehen, sind wesentliche Auswirkungen nicht wahrscheinlich.

Zu 3: Wesentliche Einschränkungen für die Lotterie Bingo werden nicht erwartet. Die angesprochene Regelung aus Nordrhein-Westfalen wäre für die derzeit in Niedersachsen ausgestrahlte Sendung zu dieser Lotterie nicht anwendbar. Es handelt sich hier um Programm und nicht um Werbung. Eine Ausnahme vom Internet- und Werbeverbot für das Prämiensparen ist im Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages nicht vorgesehen und wäre entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie der Rechtsprechung des EuGH auch nicht vertretbar. Ob die Regelung in dem sich in der Verbandsanhörung befindlichen Entwurf des § 14 Abs. 3 AG NRW auch in Niedersachsen übernommen wird, bleibt abzuwarten.

Anlage 10

Antwort

des Umweltministeriums auf die Frage 11 der Abg. Dorothea Steiner (GRÜNE)

Umweltminister Sander - ein Planungsrisiko?

Am 27. Juni 2007 hat die Europäische Kommission beschlossen, rechtliche Schritte gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Meldung von EU-Vogelschutzgebieten beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten. In einer Pressemitteilung der Kommission vom 27. Juni 2007 wird u. a. ausdrücklich auf eine unzureichende Gebietsmeldung aus Niedersachsen hingewiesen. Ferner stellt die Kommission in ihrer Pressemitteilung wiederholt klar, dass sie als Referenz zur Beurteilung der Vollständigkeit der Gebietsmeldung die von der internationalen Vogelschutzorganisation

Birdlife International zusammengestellte Liste der „Important Bird Areas“ (IBA) herangezogen hat. Die niedersächsischen Defizite der Vogelschutzgebietsmeldung hat die Kommission zudem in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 10. April 2006 explizit benannt.

Angesichts der auch nach der vom Kabinett am 26. Juni 2007 beschlossenen Nachmeldung von Vogelschutzgebieten bestehenden erheblichen Differenzen zu der IBA-Liste und der von der Kommission im April 2006 ausdrücklich eingeforderten Gebietskulisse ist klar, dass Niedersachsen nach wie vor bei Weitem keine annähernd vollständige Gebietsmeldung zustande gebracht hat. Es fehlen weiterhin wichtige, von der Kommission bereits ausdrücklich eingeforderte Gebiete. Beispielhaft seien Rastund Brutgebiete des Großen Brachvogels in verschiedenen Teilen Niedersachsens benannt. Insgesamt weicht die in der IBA-Liste verzeichnete Fläche potenzieller Vogelschutzgebiete um rund 100 000 ha von der seitens des Landes gemeldeten Gebietskulisse ab.

Es bestehen deshalb auch nach der letzten Nachmeldung weiter in erheblichem Umfang „faktische Vogelschutzgebiete“, die nach der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts deutlich strenger geschützt sind als ordnungsgemäß bei der Kommission gemeldete Gebiete. Dieser Umstand hat bei der Planung des JadeWeserPorts und am Flughafen Braunschweig bereits zu erheblichen Verzögerungen und Mehrkosten geführt. Durch die nach wie vor unvollständige Meldung des Vogelschutzgebiets Norden-Esens sind aktuell Bauvorhaben in Wilhelmshaven und Dornum betroffen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Entscheidung der Europäischen Kommission, trotz der bekannten Nachmeldung Niedersachsens Deutschland wegen unzureichender Vogelschutzgebietsmeldungen vor allem aus Niedersachsen vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen?

2. Aus welchen fachlichen Gründen wurden das bundesweit bedeutendste Brachvogelrastgebiet in der Gemeinde Butjadingen und die wichtigsten Brutgebiete dieser Art in der Grafschaft Bentheim bisher nicht als EU-Vogelschutzgebiet gemeldet?

3. In welchem Umfang sind geplante Investitionen der Firma Statoil in Dornum und der Firma INEOS in Wilhelmshaven durch die nach wie vor unzureichende Abgrenzung des Vogelschutzgebietes Norden-Esens gefährdet?

Am 26. Juni 2007 hat die Landesregierung neun weitere und sechs Erweiterungen bestehender Gebiete mit zusammen ca. 57 000 ha Fläche zu EU

Vogelschutzgebieten erklärt. Hierüber sind das Bundesumweltministerium und die EU-Kommission noch am gleichen Tag informiert worden. Für die noch auszuweisenden Vogelschutzgebiete in der Zwölfseemeilenzone führt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) derzeit zunächst Naturschutzgebietsverfahren durch. Danach sollen diese Bereiche, die ca. 77 500 ha umfassen, zu EUVogelschutzgebieten erklärt und an die EU-Kommission gemeldet werden. Durch diese Nachmeldungen werden die von der Kommission in ihrem Mahnschreiben vom April 2006 für Niedersachsen festgestellten Meldedefizite abgestellt. Eine Verpflichtung, die vom Naturschutzverband Bird-LifeInternational veröffentlichten IBA-(Important-Bird- Area)-Gebiete flächengleich zu Vogelschutzgebieten zu erklären, besteht nicht und wird von der EUKommission auch nicht gefordert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Klageschrift zu der von der EU-Kommission beschlossenen Entscheidung liegt der Landesregierung noch nicht vor. Daher ist eine Bewertung des Inhalts und der Gründe derzeit noch nicht möglich.

Zu 2: Sämtliche niedersächsischen Rastgebiete von internationaler Bedeutung der nach der Vogelschutzrichtlinie zu schützenden Art Großer Brachvogel sind in der Gebietskulisse der Vogelschutzgebiete enthalten. Die Vorkommen im Bereich der Gemeinde Butjadingen gehören aufgrund mangelnder Stetigkeit der Bestände nicht dazu. Die Brutvorkommen des Großen Brachvogels in der Grafschaft Bentheim stellen kein geschlossenes Dichtezentrum für diese Art dar. Die in Niedersachsen bereits für die Art gemeldeten Vogelschutzgebiete sowie das in das Nachmeldeverfahren eingebrachte und zum Vogelschutzgebiet erklärte Gebiet „Niederungen der Süd- und Mittelradde und der Marka“ stellen die geeignetsten Gebiete für den Großen Brachvogel dar.

Zu 3: Die Landesregierung geht davon aus, dass die Abgrenzung des erklärten Vogelschutzgebietes „Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ zureichend ist und deshalb die geplanten Investitionen der Firmen Statoil und INEOS nicht gefährdet sind.

Anlage 11

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 12 der Abg. Heinz Rolfes und Hans-Christian Biallas (CDU)