Weil dies nicht bis Ultimo dauern darf, haben wir auch keinerlei Einwände gegen die Überlegungen in Berlin geltend gemacht, mit einem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz dafür zu sorgen, dass diese zusätzlichen Höchstspannungsleitungen zeitnah gebaut werden können. Ich gehe da
von aus, dass dies vom gesamten Haus so gesehen wird; von daher besteht erst einmal Übereinstimmung an einer Stelle.
Ganz spannend war die Debatte im April-Plenum. Hier hat der gegenwärtige niedersächsische Ministerpräsident
- Allgegenwärtig, ja weiß Gott. Rastlos, meine Damen und Herren, war er in den letzten Monaten unterwegs: bei der EU, in Berlin, bei den Kabelproduzenten,
In der letzten Woche haben wir mit der Drucksache 3890 von der Landesregierung den Entwurf einer Verordnung zum Landes-Raumordnungsprogramm zugestellt bekommen. In diesem Text wird der Anspruch „Ich, Wulff, der Freund des Erdkabels“, erneut deutlich gemacht. Ich zitiere den Text von Seite 25. Dort steht:
Das ist eine deutliche Sprache, die klar macht, dass Ausnahmen gut begründet sein müssen und so gut wie gar nicht möglich sind. Das Normale ist das Erdkabel. So ist dieser Satz zu verstehen.
- Das reicht auch für einen Nichtjuristen. Wenn Sie sich den Materialienband anschauen, den uns die Landesregierung zeitgleich zur Verfügung gestellt hat, dann werden Sie feststellen, dass dort die Vorbehalte, die Herr Wulff in seiner Drucksache genannt hat, wann nämlich von der Regel abgewichen werden kann, im Detail beschrieben sind. Das liest sich wirklich ganz spannend.
Die erste Möglichkeit, von der Regel abzuweichen, ist dann gegeben, wenn die unterirdische Verlegung nicht dem Stand der Technik entspricht. Was steht dazu in dem Materialienband aus dem zuständigen Ministerium? Ich zitiere:
„Allerdings entspricht die unterirdische Verlegung von Hoch- und Höchstspannungsleitungen derzeit nicht generell dem Stand der Technik.“
Herr Wulff fällt sich erkennbar schwer in den Rücken. Das ist einfach so. Erdverkabelung immer, aber an dieser Stelle geht es nicht.
Die zweite Möglichkeit, von der Regel abzuweichen, hat mit der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu tun. Im Ausnahmefall kann man abweichen, wenn die Erdverkabelung wirtschaftlich nicht vertretbar, also den Netzbetreibern nicht zuzumuten ist. Ich zitiere aus der Begründung der Landesregierung:
„Die wirtschaftliche Zumutbarkeitsschwelle könnte überschritten werden, wenn die Mehrkosten für unterirdische Übertragungssysteme vom Netzbetreiber nicht auf die Netzgebühren umgelegt werden können.“
Das ist das zweite Einfallstor für Ausnahmen, Herr Wulff. Das ist ganz beeindruckend. In dem Text heißt es weiter - ich zitiere -:
„Dies ist derzeit im 380-kV-Netz nur durch den Bau von Freileitungen zu erreichen. Für die notwendigen Netzausbaumaßnahmen von rd. 850 km bundesweit und davon rund 450 km in Niedersachsen“
„können die Netzbetreiber daher nur Anträge auf Planfeststellung von Freileitungen gem. EnWG stellen.“
Zu gut Deutsch: Diejenigen, die diese Leitungen bauen sollen und bauen wollen, haben keine Rechtsgrundlage, auf der sie beantragen könnten, Erdkabel genehmigt zu bekommen. Einen solchen Treppenwitz der Zeitgeschichte habe ich lange nicht erlebt.
Das Papier von Herrn Wulff kommt deswegen folgerichtig, wie ich finde, zu dem Ergebnis - ich zitiere -:
„Rechtlich kann das Land für diese in der o. g. Studie der Deutschen Energie-Agentur GmbH definierten, notwendigen Netzausbaumaßnahmen keine unterirdische Verlegung von Leitungen durchsetzen.“
Zu gut Deutsch: Im Landes-Raumordnungsprogramm soll etwas festgeschrieben werden, was rechtlich nicht möglich ist, Herr Wulff. Welchen Stellenwert hat diese Anscheinserweckung, die Sie in Ihrem Landes-Raumordnungsprogramm vornehmen?
Die Eindeutigkeit ist unübertroffen. Das Bundesrecht ist klar. Ich sage ausdrücklich „leider“, weil wir nämlich in Niedersachsen ausdrücklich für Erdkabel plädieren.
Jetzt wird es richtig spannend. Im April hat Herr Wulff den Eindruck erweckt, dass alle Fraktionen im Landtag für Erdkabel seien und er seit Jahren rastlos unterwegs sei, um dafür die Rechtsgrundlagen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, sich einmal die Entwicklung in Berlin anzusehen. Das Bundesumweltministerium ist seit zwei Jahren dabei, eine Rechtsgrundlage für Erdkabel zu schaffen und die Netzkosten umlegen zu lassen. Das war in Berlin nicht einfach, übrigens auch deshalb, weil der damalige Bundeswirtschaftminister Clement Vorbehalte geltend gemacht hatte. Wir wollen hier keine Geschichtsklitterung betreiben. Interessant ist, dass diese Debatte beendet werden musste, weil der Bundesrat im Sommer 2005 unmissverständlich deutlich ge
macht hat, dass er keiner Sonderregelung für Erdkabel zustimmt. Einige Länder haben sich der Stimme enthalten. Die Mehrzahl der Länder hat zugestimmt, und es gab einen Scharfmacher. Das war die Niedersächsische Landesregierung. Sie hat zum Teil als einzige entsprechende Anträge im Bundesrat eingebracht.
Zu gut Deutsch: Seit dem Sommer 2005 ist klar, dass es für Erdkabel keine rechtliche Grundlage geben wird. Denn keine Bundesregierung - ob rotgrün oder schwarz-rot - ist in der Lage, dies ohne Zustimmung des Bundesrats durchzusetzen. Herr Wulff, Sie waren einer der maßgeblichen Betreiber dafür, gesetzlich keine Sonderregelung zuzulassen. Das muss hier einmal festgehalten werden.
Bei allem, was seither passiert ist - Formulierungshilfen im Bundeskabinett und Ähnliches; z. B. der Vorschlag, 10 % der Strecke, wenigstens die sensiblen Teile, umlagefähig zu machen - handelt es sich um Hilfskonstruktionen, weil der Bundesrat einer grundsätzlichen Regelung eine Abfuhr erteilt hat.
Vor diesem Hintergrund stelle ich hier fest: Herr Wulff hat dafür gesorgt, dass „Erdkabel“ in Niedersachsen ein Fremdwort bleibt.
Weil sich in den vergangenen Wochen in Niedersachsen unheimlich viel Unmut aufgebaut hat - spätestens das ist der Anlass, aus dem Sie wach und hellhörig werden -, sind Sie auf den grandiosen Gedanken gekommen, mit Modellversuchen oder Pilotprojekten zu arbeiten. Das kann man machen, wenn so etwas noch nicht Stand der Technik ist. Dann gibt es gegebenenfalls sogar jemanden, der das finanziert. Zu diesem Thema liegt seit Jahren schriftlich die Aussage der Europäischen Union vor, dass Erdkabel schon dem Stand der Technik entsprechen und es von daher keinen Bedarf für Modellversuche gibt. Meine Damen und Herren, Sie kennen doch das Schreiben der EU. Sie waren doch vor ein paar Tagen in Brüssel.
Sie machen uns hier also etwas vor, was von vorn bis hinten nicht stimmt, Herr Wulff. Wir sind nicht bereit, das zu akzeptieren. Sie kommen aus dieser
Situation nur heraus - das ist eindeutig, weil wir kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit haben -, wenn das Land Niedersachsen als einer der Hauptbetreiber dieser Fehlentwicklung mit einer Bundesratsinitiative öffentlich dokumentiert, dass die Landesregierung einen Positionswechsel vorgenommen hat. Das wäre ein Signal Richtung Berlin.