Eine soziale Demokratie bedarf aber der Freiheit aller Menschen. Deshalb gehören Freiheit und Gleichheit für uns untrennbar zusammen.
Wie weit wir von Gleichheit entfernt sind, wenn es um Bildungschancen geht, zeigt uns einmal mehr die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes. Herr Zielke, auch darauf hätten Sie einmal eingehen können. Die Befunde sind eindeutig: Ob ein junger Mensch in Deutschland ein Studium beginnt, ist nicht allein eine Frage der Begabung, sondern das ist auch eine Frage der sozialen Herkunft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Akademikerkind studiert, ist in Deutschland immer noch um ein Vielfaches höher als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeiterkind studiert.
(Ursula Körtner [CDU]: Ihr habt dieses Land 13 Jahre lang regiert! - Zuruf von der CDU: Sie haben doch jahre- lang das BAföG nicht erhöht!)
Von 100 Akademikerkindern - hören Sie genau zu - schaffen 83 den Sprung an eine Hochschule, aber nur 23 von 100 Kindern aus Familien ohne akademische Tradition. Das ist ein Skandal!
Natürlich wissen wir, dass die sozialen Hürden nicht von den Universitäten aufgebaut werden. Wir leisten uns ein Schulsystem, das die Chancen nach sozialer Herkunft verteilt und nicht nach Leistung, wie uns CDU und FDP glauben machen wollen. Damit das so bleibt, hat diese Landesregierung dafür gesorgt, dass die Selektion an den Schulen noch stärker wird und dass neue Hürden für den Universitätszugang aufgebaut werden.
Herr Zielke verweist in diesem Zusammenhang immer auf diese wunderbaren Kredite. Haben Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, eigentlich eine Vorstellung davon, was die herrliche Aussicht auf einen Schuldenberg für junge Menschen, die gerade einmal 18 oder 19 Jahre alt sind, bedeutet, was es bedeutet, mit 10 000 oder sogar 50 000 Euro Schulden ins Berufsleben zu starten? - Für viele von Ihnen mögen das Peanuts sein. Für viele Familien ist das aber eine enorme Last, die sie davon abschreckt, ihre Kinder an die Hochschulen gehen zu lassen.
Meine Damen und Herren, im Wahlprogramm der FDP konnten wir lesen, dass 500 Euro erst der Einstieg sein sollen. Geht es nach der FDP, soll
jede Hochschule frei über die Höhe der Studiengebühren entscheiden können, damit es einen Wettbewerb geben kann.
So wird der Wettbewerb um Studierende eröffnet, deren Eltern sich gute und teure Unis leisten können. Für die anderen bleiben dann die billigen Fächer an Hochschulen, die niemand besuchen will.
Sie mögen das für zukunftsweisend halten, wir nicht. Zukunft hat ein Land, dem es gelingt, die klügsten Köpfe an die Hochschulen zu bringen und nicht diejenigen, deren Eltern die dickste Brieftasche haben.
Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um Bildungsgerechtigkeit, es geht auch um ökonomische Notwendigkeit. Wir brauchen offene Hochschulen. Herr Rösler, es ist noch gar nicht so lange her, dass auch die FDP das so gesehen hat.
Ende der 60er-Jahre wurde das Hörergeld an den Hochschulen abgeschafft, und die Hochschulen wurden geöffnet. Dieser Öffnung verschlossen sich CDU und FDP damals nicht. Beide sind ja nun völlig unverdächtig, für Chancengleichheit streiten zu wollen. Von dieser Öffnung haben vor allen Dingen junge Frauen und Kinder aus Mittelschichten profitiert, übrigens auch viele, die heute hier im Parlament sitzen, aber die Bildungsleiter für diejenigen, die folgen wollen, jetzt wegstoßen.
Die gleichen Abgeordneten beklagen übrigens lautstark den Nachwuchsmangel und fordern die Zuwanderung von Ingenieuren aus China und Osteuropa. Auch uns sind ausländische Fachkräfte willkommen. Wir können aber gar nicht so viele Fachkräfte ins Land holen, wie wir in Zukunft brauchen werden. Statt über Anreizsysteme, chinesische Ingenieure oder anderes nachzudenken,
sollten wir alles tun, um die Bildungsreserven in unserem Land besser auszuschöpfen. Immer noch verlässt jeder Zehnte die Schule ohne Abschluss. Immer noch bleiben viele ohne Ausbildungsplatz. Die Tatsache, dass die Zahl der Abiturienten wächst, aber - Herr Zielke, das ist übrigens ein Unterschied zu Sachsen-Anhalt - die Zahl der Studienanfänger sinkt, ist für uns ein Alarmsignal.
Die Eltern studierfähiger Kinder, die Hochschulen und die jungen Menschen wissen das, nur Sie und der sich ewig selbst lobpreisende Wissenschaftsminister bestreiten diesen Zusammenhang. Wir werden dafür sorgen, dass der Zugang zu den Hochschulen wieder offen wird.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Zielke, eigentlich schätze ich Ihre Ausführungen zum Thema der Freiheit der Hochschulen ja sehr. Was Sie uns aber hier und heute als hochschulpolitische Verheißung haben verkaufen wollen, ist nichts als Augenwischerei; denn es ist schlicht und ergreifend mit den tatsächlichen Fakten nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Schauen wir uns doch einmal an, was sich für die Studierenden tatsächlich verändert hat, seit die Studiengebühren eingeführt worden sind: Die im Gesetz festgeschriebene Verbesserung der Betreuungsverhältnisse zwischen Lehrenden und Studierenden kann schlicht und ergreifend deshalb nicht umgesetzt werden, weil die Kapazitätsver
ordnung dem entgegensteht. Lieber Herr Professor Zielke, das können Sie nicht wegreden. Was hat die Landesregierung gemacht? - Im Rahmen des Hochschulpaktes ist das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden zumindest an den Fachhochschulen deutlich verschlechtert worden. Stattdessen gibt es jetzt so eine Art „Studium light“. Das heißt, in Zukunft werden noch mehr Studierende in die Hörsäle und Seminare drängen. Um die Durchlaufquote ein Stück weit zu erhöhen, wird davon ausgegangen, dass das Studium möglichst kurz ist. Am besten wäre es, wenn nach dem Bachelor Schluss wäre. Im Rahmen des Hochschulpaktes ist der Aufbau von Masterstudiengängen erst gar nicht vorgesehen.
Das Versprechen, dass mit den Studiengebühren keine Haushaltslöcher gestopft würden, war schon gebrochen, bevor der erste Studierende seine ersten Gebühren bezahlt hat. Der Zukunftsvertrag führt nämlich dazu, dass die steigenden Kosten der Hochschulen nicht abgedeckt werden, was faktisch zu einer Kürzung des Hochschuletats führt - von den Kürzungen im Zusammenhang mit dem HOK mal gar nicht zu reden.
Meine Damen und Herren, alles das sind keine Bausteine für eine erfolgreiche Hochschule, sondern schlicht und ergreifend der Steinbruch, an dem sich der Finanzminister nach Belieben bedienen kann. Was sind die Folgen? - Die Studierendenzahlen sind rückläufig. In absoluten Zahlen mag das vielleicht nicht so dramatisch aussehen, Herr Zielke. Die Dramatik wird einem aber bewusst, wenn man einkalkuliert, dass die Zahl der Abiturienten zeitgleich gestiegen ist. Vor diesem Hintergrund sind diese Zahlen alarmierend.
Die Gebühren werden zu einem großen Teil für Investitionsmaßnahmen verwendet, für die eigentlich das Land aufkommen müsste, sodass Studiengebühren in vielen Bereichen zwar Baulücken, aber keine Bildungslücken stopfen. Herr Zielke, Sie haben gesagt, das System sei optimierbar. Sie gestehen zu, dass es an der einen oder anderen Stelle besser werden könnten, und sagen, die Autonomie der Hochschulen müsse gestärkt werden und die Hochschulen müssten über die Höhe der Studiengebühren entscheiden können; denn dann entstünde Wettbewerb, und dann werde alles gut. - Was für ein bildungspolitischer Unsinn!
Erstens ist Vorraussetzung für Wettbewerb, dass das Angebot höher ist als die Nachfrage. Das kann bei Studiengebühren definitiv nicht der Fall sein. Die reicheren Studierenden werden sich - Frau Dr. Andretta hat es schon beschrieben - die guten und die teuren Hochschulen aussuchen, und die Studierenden aus einkommensschwachen Verhältnissen werden an die - ich sage das in Anführungsstrichen - billigeren Hochschulen gehen. Genau das wollen wir aber nicht. Was Sie vorhaben, führt nicht zu erfolgreichen Hochschulen, sondern immer tiefer in die Bildungsmisere, in der wir schon jetzt drinstecken. Deshalb bedarf es keiner Optimierung des Studiengebührenmodells, sondern seiner Abschaffung.
Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Trost das Wort. - Herr Professor Zielke, Sie sind dann der nächste Redner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Professor Dr. Zielke hat gerade die Vorteile von Studienbeiträgen ausgeführt und gesagt, welche Erfolge mit der Einführung verbunden sind. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Im Namen der CDU möchte ich einige Punkte wiederholen. Sie sollten keine Legendenbildung betreiben. Ich will deutlich machen, unter welchen Bedingungen die Studienbeiträge eingeführt wurden. Wir haben drei Voraussetzungen eingehalten: Sozialverträglichkeit, Verwendung der Mittel zur Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen sowie Garantie für eine gleichbleibend hohe staatliche Zuwendung.
Ich knüpfe bei der Garantie an. Mit dem Zukunftsvertrag, der am 11. Oktober 2005 unterzeichnet worden ist, haben die Hochschulen im Land Niedersachsen erstmalig die Garantie erhalten, dass die staatlichen Zuschüsse gleich hoch bleiben. Das wurde sowohl von der Landesregierung als auch vom Haushaltsgesetzgeber garantiert. 7 % des gesamten Landesetats werden den Hochschulen fünf Jahre lang zur Verfügung gestellt. Das sind 1,45 Milliarden Euro, auf die sich die Hochschulen verlassen können, und zwar unabhängig von den Mehreinnahmen durch die Studienbeiträge.
Kein anderes Bundesland außer Niedersachsen hat seinen Hochschulen in den Zeiten sinkender Steuereinnahmen diese Garantie gegeben. Das ist angesichts der hohen Staatsverschuldung, die wir von den Vorgängerregierungen unter SPD-Führung übernehmen durften, für einen so langen Zeitraum schon einmalig. Das heißt, dass wir diese Bedingung erfüllt haben.
Die zweite Bedingung für die Einführung von Studienbeiträgen bestand darin, dass die Mehreinnahmen wirklich bei den Hochschulen verbleiben, und zwar in Verantwortung der Hochschulen; denn es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Studierende, die Studienbeiträge zahlen, auch unmittelbar davon profitieren sollen.
Frau Heinen-Kljajić, Sie sagen, dass das Geld für Bauten bereitgestellt wird. Ich möchte Ihnen anhand von Listen, die mir vorliegen, sagen, was die Hochschulen mit dem Geld machen. Ich führe es Ihnen am Beispiel der TU Braunschweig vor Augen. Dort werden Gelder bereitgestellt für: Klausurtraining, zusätzliche Sprachkurse, Tutorien, E-Learning-Angebote, Vorkurse in den Naturwissenschaften, Repetitorien, bessere Ausstattung der Lehrwerkstätten, Ausstattung für Bibliotheken und Labore. Das Geld wird für die Bereiche bereitgestellt, in denen wirklich einiges zu tun war, also zur Verbesserung der Situation für die Studierenden.
Auch die dritte Bedingung bzw. Voraussetzung ist erfüllt. Es geht darum, dass die Studienbeiträge sozialverträglich sind. Dabei sind zwei Punkte wichtig.
Erstens haben wir Befreiungstatbestände eingeführt. Befreit werden z. B. Studierende, die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige zu Hause pflegen, und auch Härtefälle werden berücksichtigt und freigestellt. Das Gleiche gilt für diejenigen, die längerfristig erkrankt oder Opfer einer schweren Straftat geworden sind. Ich weiß nicht, ob Ihnen Folgendes bekannt ist: Rund 16 % der Studierenden werden aufgrund dieser Tatbestände von der Entrichtung von Studienbeiträgen befreit.
Zweitens. Es gibt den Anspruch auf ein zinsgünstiges einkommensunabhängiges Studiendarlehen. Wir belasten also weder die Eltern noch die Studie
renden während des Studiums; denn die Rückzahlung erfolgt erst nach Abschluss des Studiums und bei einem garantierten Mindesteinkommen. Dieses Einkommen liegt über der Einkommensgrenze, die für die Rückzahlung von BAföG gilt.
Meine Damen und Herren, mit der Einführung von Studienbeiträgen in Höhe von 500 Euro pro Semester haben wir in Niedersachsen für mehr soziale Gerechtigkeit in der Bildungsfinanzierung gesorgt. Im Ergebnis belasten wir nicht die ärmeren Schichten, sondern die reicheren Schichten unserer Gesellschaft zugunsten der Schwächeren. Das wird auch die Evaluation in 2010 zeigen. Ungeachtet dessen, dass Sie, liebe SPD-Opposition, hier weiterhin bei Ihrer Haltung gegen Studienbeiträge bleiben und bei aller Polemik immer noch meinen, dass das die richtige Position ist, stellt sich ganz klar dar, dass es die CDU ist und immer war, die für die soziale Gerechtigkeit in diesem Land sorgt. - Vielen Dank.