Ich nenne die großräumigen Durchsuchungen und Beschlagnahmungen, Postzensurmaßnahmen in Hamburg, das Abnehmen von Geruchsproben. Das alles hat auch zu einer stimmungsmäßigen Eskalation beigetragen. Plötzlich kam dann der Kurswechsel. Die Bundesregierung erklärte durch Herrn Schäuble und Frau Merkel, Demonstrationen seien erwünscht. Hat man je in Deutschland eine Regierung erlebt, die zu Demonstrationen gegen sich und ihre Gäste aufruft? Hätten das nicht Herr Schäuble und Frau Merkel gesagt, sondern Herr Schily und Herr Schröder, dann wäre ihnen mindestens Spott, aber wahrscheinlich ein harter Verweis vonseiten der CDU sicher gewesen.
Meine Quintessenz: Eine Regierung sollte die Praxis der Grundrechtsausübung dem Souverän überlassen. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Väter unseres Grundgesetzes über den Artikel 8 beraten haben,
haben sie sicherlich nicht an Zustände wie in Heiligendamm oder in Rostock gedacht, ja sie haben wahrscheinlich auch in ihren kühnsten Träumen nicht mit derartigen Zuständen jemals in Deutschland gerechnet. Denn alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln - so formulierten sie damals weise unsere Verfassung. Dieses Recht auf Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut; es ist ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, dass es von allen Bürgern, aber auch von den staatlichen Behörden und Institutionen verteidigt wird. Leider haben wir in der Vergangenheit immer wieder feststellen müssen - in der jüngsten Vergangenheit verstärkt -, dass nicht nur in Heiligendamm oder Rostock, sondern auch bei anderen Gelegenheiten, etwa bei NPD-Demonstrationen oder NPD-Gegendemonstrationen, immer wieder versucht wird, die friedliche Meinungsäußerung und die gewalttätige Randale zu vermischen. Das bringt einerseits das ehrliche und auch wichtige Anliegen friedlicher Demonstranten in Verruf, und es führt andererseits automatisch zu Reaktionen der staatlichen Stellen, die dann nicht allein die gewaltbereiten Randalierer treffen werden.
Wir können dieses Problem, das, denke ich, ein sehr großes ist, nur gemeinsam lösen, und wir brauchen dabei auch die Mitarbeit der friedlichen Demonstranten, die für ihre Sache kämpfen wollen. Wir brauchen die friedlichen Demonstranten, die im Interesse ihres eigenen Anliegens erkennen müssen, dass sie sich sowohl inhaltlich als auch - was noch viel wichtiger ist - räumlich von den gewaltbereiten Chaoten abgrenzen müssen. Denn wer in seinen eigenen Reihen gewaltbereiten Au
tonomen Unterschlupf gewährt und so die Verfolgung von Straftätern durch die Polizei erschwert oder gar verhindert, der schadet seiner eigenen Sache, und er schadet sich damit selbst.
Aber auch die Politiker - es gab da ja in den letzten Monaten einige Äußerungen - sollten sich bei plakativen Forderungen und der öffentlichen Gestaltung von Polizeitaktiken vorsichtiger verhalten. Manchmal ist es auch die verbale Eskalation, die einer polizeilichen Deeskalation im Wege steht. Wir vertrauen darauf, dass die Polizeiführer vor Ort die jeweils richtigen Entscheidungen für ihre Einsätze treffen werden.
„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, so heißt es in unserem Grundgesetz. Aber ein geworfener Pflasterstein oder gar ein Molotowcocktail sind Waffen, es sind gefährliche Waffen. Daher hatten weite Teile der Ereignisse in Rostock mit friedlichen Demonstrationen überhaupt nichts zu tun. Es gibt in unserem Grundgesetz oder in anderen Rechten kein verbrieftes Recht auf Krawall. Der Staat hat die Pflicht, auch zum Schutz des Grundrechtes auf friedliche Versammlungsfreiheit mit aller Entschlossenheit, die ihm zur Verfügung steht, einzugreifen. Denn durch solche Ausschreitungen werden auch die Bürger, die gern bereit wären, für eine Sache mit zu streiten und an friedlichen Demonstrationen teilzunehmen, daran gehindert, weil sie Angst haben müssen, von den Aktionen Autonomer betroffen zu sein.
Es darf in Deutschland auch nicht so weit kommen, dass wir stillschweigend akzeptieren, dass Anwohner einfach schlicht Pech haben, weil sie im Umfeld eines Gipfels leben, dass sie akzeptieren müssen, dass ihre Häuser beschädigt werden, dass ihre Autos angesteckt werden oder ihre Familien in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Ein Rechtsstaat muss seine Bürger vor den Gewalttätern und den Ausschreitungen in jedem Fall schützen.
und zu anderen Demonstrationen gefahren sind und auch künftig werden fahren müssen. Wir fühlen mit den verletzten Polizeibeamten; wir hoffen, dass sie schnell genesen werden. Wir haben das Vertrauen, dass sie und ihre Kollegen diese Herkulesaufgabe mit der erforderlichen Abwägung erledigen werden. Wir wollen ihnen auch bei den schwierigen Entscheidungen in den jeweiligen Einsatzlagen - wenn sie manchmal zu unschönen Mitteln greifen müssen, weil es nicht anders geht den Rücken stärken.
Die Bilder aus Rostock haben uns alle sehr bewegt. Es darf nicht sein, dass sich Polizeibeamte tatenlos mit Steinen bewerfen lassen müssen. Hier werden Grenzen überschritten, was mit dem Grundgesetz und auch mit den liberalen Werten eines Rechtsstaates nichts zu tun hat. Dies lässt sich nicht rechtfertigen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der G-8-Gipfel beginnt morgen in Heiligendamm. Dabei geht es um Klimaschutz und Bekämpfung von Armut. Erstmalig kommen dazu die Präsidenten aus Südafrika, aus Brasilien, aus Mexiko, aus Indien, aus China. Gemeinsam mit ihnen soll darüber diskutiert werden, wie man diese wichtige Aufgabe bewerkstelligen kann. Ich bedauere es sehr, dass bis zum heutigen Tage in der deutschen Öffentlichkeit noch keine sachliche Diskussion darüber geführt worden ist, wie man diese Probleme lösen kann.
Zu einer Auseinandersetzung in der Demokratie gehören auch das Demonstrationsrecht, die Demonstrationsfreiheit. Sie müssen geschützt werden - das ist überhaupt keine Frage -, und das ist in unserer Demokratie Gott sei Dank immer gelungen. Was wir in den letzten Tagen gesehen haben, war: 20 000 bis 30 000 Demonstranten, die bunt und auf nachdenklich machende Weise auf ihr
Anliegen aufmerksam gemacht haben. Sie wollen eine andere Politik; das ist ihr gutes Recht. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, und damit wollen wir uns auseinandersetzen.
Aber spätestens seit Samstag muss klar sein, dass genau dieses Anliegen konterkariert wird, wenn man es zulässt, dass Chaoten, Autonome, Linksextremisten in dieser Art und Weise Straftaten begehen, Chaos anrichten und Menschen bewusst verletzen.
Deshalb muss es auch erlaubt sein, zu sagen, dass es ein Fehler gewesen ist, dass die Veranstalter dieser Demonstrationen ganz bewusst gesagt haben: „Wir wollen einen Pakt mit den Autonomen, mit dem schwarzen Block eingehen“. Es ist ein Fehler, dass sie bis zum heutigen Tage in den Camps Seit an Seit zusammensitzen und sich auch jetzt noch nicht einheitlich davon distanzieren. Mit Autonomen darf man schlichtweg nicht gemeinsam demonstrieren. Ich wünsche mir, dass da wirklich ein Signal kommt.
Die friedfertigen, die friedlichen Demonstranten müssen nun wirklich ein einheitliches Signal aussenden und klar sagen, dass sie jetzt alles daransetzen, mit der Polizei gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, um zu verhindern, dass diese Autonomen ihr Werk vollenden und in den nächsten Tagen weitere Straftasten begehen. Dies ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich bedauere sehr, dass der Veranstalter bisher nicht einheitlich, mit einer Sprache spricht. Dies konterkariert die Botschaften, die von diesen Demonstranten ausgehen sollen.
Eines ist doch klar: Gegen Autonome, Straftäter, Gewalttäter kann man nicht mit Deeskalation vorgehen. Bei denen kann man auch keine Konfliktschlichter einsetzen, die wir in anderen Bereichen in Niedersachsen schon mit hervorragendem Erfolg eingesetzt haben. In diesen Bereichen braucht es nur eines: massive Polizeipräsenz. Wir dürfen diesen Chaoten keinen Millimeter Raum zur Entfaltung geben; denn sonst haben wir wieder solche Bilder wie am Samstag. In diesem Bereich gibt es null Toleranz.
Wir müssen uns auch fragen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Noch ist es zu früh, weil wir erst den Einsatz vor Ort abwarten müssen. Ich bestätige Herrn Bartling ausdrücklich darin, dass man mit der Bewertung durchaus zurückhaltend sein muss. Aber eines ist doch klar: Dies ist eine internationale Bewegung. Der schwarze Block kommt aus anderen europäischen Ländern dazu. Da muss man schon sehen, ob es nicht sinnvoll ist, die Informationen miteinander zu verknüpfen.
- meine fünf Minuten hier -, eines sagen: Es darf weder im Bereich Linksextremismus noch im Bereich Rechtsextremismus, noch in anderen Bereichen des Extremismus irgendeine Diskussion geben, die Augen zu schließen und nicht konsequent dagegen vorzugehen.
Lieber Herr Bartling, ich darf Ihnen vielleicht einmal die Presse aus Lüneburg vom heutigen Tage zitieren:
„Einen Dank richtet die SPD an die Polizei für ihr konsequentes Einschreiten. Dadurch wurde dem rechten Spuk ein vorzeitiges Ende in Lüneburg bereitet."
Meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Wir haben in Lüneburg ganz schnell reagiert. Die Polizei hat hier einen hervorragenden Einsatz gefahren. Nach 49 Minuten hat sie nicht nur den Spuk beendet, sondern auch die 250 Rechtsextreme, die dort ihr Unwesen getrieben haben, dingfest gemacht. Wir haben bis 20 Uhr fast 200 Personen in Unterbindungsgewahrsam genommen. Wir können jetzt Anzeigen gegen diejenigen schreiben, die Landfriedensbruch, die tatsächlich auch Körperverletzung begangen haben. Hier darzustellen, dass die Polizei in Niedersachsen gegen diese Rechtsextremen nicht vernünftig vorgegangen sei, ist schändlich. Das lasse ich mir in keiner Weise sagen. Ich sage Ihnen: Hier ist hervorragend gearbeitet worden.
Meine Damen und Herren, das ganz zum Schluss: Ich glaube, dass wir gut beraten sind, wenn es in diesem Hause um die Bekämpfung von Gewalttaten gerade in den Bereichen Linksextremismus, Rechtsextremismus und Ausländerextremismus geht, wirklich mit einer Sprache zu sprechen und uns nicht auseinanderdividieren zu lassen. Das habe ich bei der Diskussion um Rechtsextremisten gesagt; das sage ich auch hier. Hier dürfen das Parlament und der Staat insgesamt in keiner Weise wackeln. Vielmehr müssen wir denjenigen, die dafür Sorge tragen müssen - den Polizeibeamten, den Sicherheitsbehörden -, den Rücken stärken. Dafür brauchen sie die Unterstützung des gesamten Hauses. Dies war in der Vergangenheit der Fall. Ich gehe davon aus, dass es auch in der Zukunft so sein wird. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, aufgrund der Vereinbarung im Ältestenrat erhalten alle Fraktionen wegen der Zeitüberziehung des Ministers eine zusätzliche Redezeit von anderthalb Minuten.