Herr Kollege Jüttner, es sind immer Ermessensspielräume. Die, die ich Ihnen gestattet habe, habe ich auch den anderen zugebilligt. Mir liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe damit den Besprechungspunkt.
Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Atomare Endlagerkonzepte in der Krise: Desaströse Entwicklung bei „Versuchs“Endlager für Atommüll in Asse II stoppen! Internationales Endlagerhearing einberufen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3706
- Herr Kollege Meihsies, beginnen Sie Ihre Rede bitte erst, wenn es etwas ruhiger geworden ist. Wir warten vielleicht noch einige Minuten. - Herr McAllister, Herr Rickert, Frau Eckel, Herr Schwarz, wir alle warten darauf, dass Herr Meihsies zu Wort kommen kann. - Herzlichen Dank. - Herr Meihsies!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche überschlagen sich die Schlagzeilen zum Atommüllendlager Asse in den Medien. „GAU in der Grube“ titelte der Spiegel in dieser Woche. „Absaufen nicht ausgeschlossen“ schrieb die Braunschweiger Zeitung.
Erinnern wir uns: Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel wurden im Auftrag des Bundes zwischen 1967 und 1978 etwa 125 000 Fässer mit schwach radioaktivem und 1 300 Fässer mit mittelradioaktivem Abfall durch die Gesellschaft für Strahlenschutz und Gesundheit verbuddelt, darunter 11 kg hochgiftiges Plutonium. Angeblich geschah dies zu Versuchszwecken, tatsächlich wurde aber der gesamte damalige deutsche Atommüll in die Asse gebracht.
40 Jahre nach Beginn dieser Einlagerung von Atommüll in die Asse ist deutlich geworden, dass der Betrieb nie hätte aufgenommen werden dürfen. Der Versuch ist dramatisch gescheitert.
Meine Damen und Herren, ich habe die Akten der Genehmigung zum Betrieb der Asse eingesehen. Das hat zu einer für mich und auch für meine Fraktion zentralen Erkenntnis geführt: Man war sich der Gefahren bewusst und hat die Risiken der Einlagerung bewusst ignoriert.
Bereits in den ersten Sicherheitsstudien aus dem Jahre 1966 lassen sich klare Hinweise auf die möglichen Gefahren durch das Eindringen von Wasser finden. Als Quelle dieses Warnhinweises, meine Damen und Herren aus dem Umweltminis
terium, nenne ich nur die Sicherheitsstudien zu den Forschungsarbeiten und der Versuchseinlagerung niedrig radioaktiver Abfälle im Salzbergwerk Asse aus dem November 1966.
Meine Damen und Herren, um Ihnen den gesamten Irrsinn dieser angeblichen Versuchseinlagerung deutlich zu machen, will ich aus einem Vermerk des Oberbergamtes vom 31. Mai 1967 zitieren. Der Verfasser dieses Vermerkes listet Forderungen auf, wie mit dem Müll umzugehen ist, der dort eingelagert werden soll. Er trifft Aussagen zur Beschaffenheit der Fixiermittel. Er beschreibt, welche Anforderungen an die Transportbehälter zu stellen sind und dass sie den chemischen Einflüssen von Salzlaugen der ungünstigsten Zusammensetzung standhalten müssen. Er sagt dann - Zitat, Herr Minister Sander -: Von diesen Forderungen sollten wir nicht abgehen. Ihre Erfüllung müsste nachgewiesen werden. - Dann kommt der entscheidende Satz, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion. Sie haben sich ja auch dem Schutz der Umwelt verschrieben und wollen die Schöpfung bewahren. Ein Zitat dieses Verfassers: Von den Versuchen auf der Asse sind solche Nachweise kaum zu erhoffen. Da bei diesen ersten Versuchen sicherlich bewusst nicht mit den Methoden verstärkter Beanspruchung und künstlich beschleunigter Alterung gearbeitet wird, könnten verwertbare empirische Ergebnisse hier erst nach relativ langen Zeiträumen erwartet werden. Gesicherte Versuchsergebnisse als Nachweise einer der wesentlichen Voraussetzungen für eine säkular sichere Endlagerung radioaktiver Stoffe können meines Erachtens nur aus umfangreichen Versuchsreihen im Labor gewonnen werden.
Meine Damen und Herren, das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das war 1967 bekannt. Der Versuch, der dort stattgefunden hat, war eine Täuschung auch der Öffentlichkeit. Ich glaube, man hat sich auch an wissenschaftlicher Stelle selbst getäuscht. Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, was dort passiert ist.
Schon seit Langem ist die Sicherheit dieses Endlagers nicht mehr gewährleistet. Schon seit Langem wird nur Schadensbegrenzung betrieben. Angeblich ist die Standsicherheit der Grube nur noch bis 2013 gegeben. Genauso dramatisch ist: Seit etwa 20 Jahren sickert eine Salzlösung in das Endlager. Die Herkunft dieser Flüssigkeit ist bis
lang ungeklärt. Der Zutritt ist nicht zu stoppen. Langfristig wird Radioaktivität in das Grundwasser gelangen, meine Damen und Herren. Das ist schon wirklich schlimm.
Herr Minister Sander, hier ist Gefahr im Verzuge. Sie sollten diese Gefahr ernst nehmen und sie nicht weiter ignorieren.
Meine Damen und Herren, die Endlagerung in der Asse ist gescheitert. Bundesumweltminister Gabriel spricht öffentlichkeitswirksam von einem GAU. Er muss auch hier diese Verantwortung übernehmen. Aber er ist in diesem Dreiergespann, das hier Verantwortung zu tragen hat, nicht alleine. Er darf das Thema auch nicht nur seiner Kabinettskollegin Frau Schavan überlassen. Auch sie ist als Bundesforschungsministerin verantwortlich; denn es handelt sich um ein Bundesforschungsendlager. Sie steht auch in einer zentralen Verantwortung des Bundes. Aber auch Sie, Herr Minister Sander, sind an dieser Stelle verantwortlich. Sie müssen Verantwortung für die Menschen in diesem Lande übernehmen. Bislang warten wir auf die Übernahme dieser Verantwortung. Sie haben das bislang nicht eingelöst.
Der Betreiber des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit, GSF, plant, das Endlager bis 2017 endgültig zu verschließen. Dazu soll die Asse mit einem sogenannten Schutzfluid aus Magnesiumchloridlösung geflutet werden. Dieses soll angeblich verhindern, dass die Grube zusammenstürzt. Aber auch dabei wird sogar eingeplant, dass Radioaktivität in das Grundwasser gelangt. Das Prinzip Hoffnung lässt an dieser Stelle grüßen, meine Damen und Herren. Ein Sicherheitsnachweis für die Wirksamkeit dieses Vorgehens hat die GSF bislang nicht beigebracht bzw. nicht beibringen können.
Meine Damen und Herren, Experten zweifeln an, dass die geplanten Maßnahmen das Problem überhaupt wirksam beheben können. Einige gehen sogar davon aus, dass das von der GSF geplante Vorgehen das Gefahrenpotenzial gegebenenfalls noch erhöhen wird; denn das Eintreten von Flüssigkeit in das Endlager ist generell brisant, egal ob Salzlösung oder Magnesiumchloridlauge. Beides wird die Korrosion der Fässer erheblich beschleunigen, meine Damen und Herren. Aus dem Versuch ist an dieser Stelle ein grandioser Irrtum ge
Herr Minister Sander, stimmt es eigentlich, dass der Abschlussbetriebsplan mit Sicherheitsbericht erst nach der Landtagswahl öffentlich ausgelegt werden soll? Können Sie deutlich machen, ob Sie das Problem auf die Zeit nach der Landtagswahl vertagen wollen oder ob Sie uns die Karten auf den Tisch legen?
Meine Damen und Herren, das Endlager Asse wurde seinerzeit lediglich nach der Strahlenschutzverordnung genehmigt, sodass - anders als heute gesetzlich gefordert - der Nachweis der Langzeitsicherheit vor der Inbetriebnahme nicht erbracht werden musste. Erst jetzt im Verfahren für die endgültige Sicherung und Stilllegung muss der Nachweis der Langzeitsicherheit geführt werden. Das Genehmigungsverfahren wird dabei nicht nach dem Atomrecht, sondern nach dem Bergrecht durchgeführt.
Nicht nur für uns bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens. Darüber hinaus widerspricht es heutigen Maßstäben von Partizipation, dass die Öffentlichkeit am Verfahren nicht beteiligt ist. Ihr Angebot zur freiwilligen Beteiligung der Öffentlichkeit ist aus unserer Sicht völlig unzureichend.
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich fordere die Landesregierung auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und für größtmögliche Sicherheit an dieser Stelle zu sorgen. Die Stilllegung von Asse II muss mit einem atomrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit umfassender öffentlicher Beteiligung durchgeführt werden. In diesem Verfahren müssen alle Optionen zum Schutz von Mensch und Umwelt umfassend geprüft werden,
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, die Situation in der Asse II zeigt uns in aller Deutlichkeit, dass die Sicherheitskriterien der Vergangenheit nicht einmal für eine einzige Generation Sicherheit gewähren.
Wir brauchen aber Sicherheit über Millionen Jahre, meine Damen und Herren. Die Atomindustrie ist in Remlingen zum wiederholten Mal gescheitert. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegt jetzt ein Antrag vor, der sich mit Asse beschäftigt. Ich will hier noch einmal ausdrücklich eines feststellen: Das, was in Asse passiert ist, ist der gescheiterte Versuch, zu beweisen, dass Endlagerung in Salz sicher ist. Das Scheitern, glaube ich, wird niemand bestreiten können. Das kriegt nicht einmal dieser Minister hin, der ins Umweltministerium geht.
Meine Damen und Herren, die Asse ist kein Versuchsendlager. Schon allein der Begriff ist Schwindel. Das hat der Kollege Meihsies in einzelnen Punkten angesprochen. Er hat auch die Mengen beziffert, die dort eingelagert sind: 125 000 Fässer mit schwach aktiven Abfällen und - wenn ich es richtig sehe - 1 500 Fässern mit mittel aktiven Abfällen, Plutonium und tonnenweise Uran liegen dort unten. Wenn wir uns das alles vor Augen halten, dann können wir feststellen - das ist im Übrigen auch vom GBD unseres Hauses bestätigt worden -, dass im Grunde bis Ende der 80er-Jahre nahezu alles an Atommüll in diesen Bereich hineingeschmissen worden ist, was in Deutschland angefallen ist. Wer an dieser Stelle behauptet, das sei lediglich ein Versuch - Frau Zachow, Sie können dieses Thema ja gerne ansprechen -, der wird uns wohl ganz klar beweisen müssen, wo die Dinge sind. In dem GBD-Gutachten ist das klar beschrieben worden.
Meine Damen und Herren, es wurde komplett alles hereingekippt. Das erinnert an die alten Zeiten, als jedes Dorf seine Hausmülldeponie hatte. Wer sich das ansieht und die Begriffe hört wie „Verschütttechnik“, „Die Fässer über die Salzkante schmeißen“ und „Salz drüber und dann vergessen“ - so kann es nicht funktionieren. Die Asse ist ein Endlager. Die Asse ist ein schlechtes Endlager. Die Asse ist ein Endlager, das unkontrolliert abzusaufen droht. Als Lösung für diese Probleme will man dann dieses Endlager auch noch fluten, womit auch immer.
Meine Damen und Herren, das kann eigentlich nicht Ihr Ernst sein, dass wir so mit Atommüll umgehen. Deshalb sage ich hier für meine Fraktion klar und deutlich, dass wir dort natürlich das Atomrecht brauchen, damit die Menschen und die Öffentlichkeit anständig beteiligt werden und man nicht nur nach Gutsherrenart vorgeht, wie es sich Herr Sander vorstellt.
- Nein, vor Herrn Oesterhelweg nicht. Ich möchte nur daran erinnern, wie wir bei Petitionen miteinander umgehen. Über die Frage, wer hier Angst vor wem hat, Herr Dürr, machen Sie sich mal keine Sorgen.
- Herr McAllister, es gibt hier ganz offensichtlich einen Unterschied. Wenn wir hier im Parlament miteinander diskutieren, entscheide ich, ob ich eine Zwischenfrage zulasse. Aber in der Verfassung steht, dass diese Landesregierung auf Fragen zu antworten hat. Wenn dagegen verstoßen wird, dann ist das ein Unterschied.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Gehen Sie doch mit gutem Beispiel voran!)
- Das können wir dann machen, Herr McAllister, wenn wir in der Regierung sind. Dann setzen wir uns mit dieser Frage auseinander.