Protocol of the Session on April 26, 2007

Meine Damen und Herren, so können wir nicht miteinander umgehen. Entweder gilt das eine, oder es gilt das andere. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir machen nichts anderes als das, was in allen anderen Ländern Standard ist. Und besser noch: Wir gehen beispielsweise nicht an die Professorendeputate im Universitätsbereich heran, sondern wir wollen, dass diejenigen, die auf der wissenschaftlichen Ebene tätig sind und unbefristete Stellen haben, künftig höhere Lehrverpflichtungen erbringen. Das führt übrigens zu einer Verbesserung der Studienbedingungen. Weiter kann künftig in Berufungsverfahren dafür Sorge getragen werden, dass zu Berufende ein zwölfstündiges anstatt ein achtstündiges Deputat erhalten. Damit haben wir im Prinzip eine weitere Forderung von Ihnen aufgegriffen, nämlich die Forderung nach der Einsetzung von Lecturers.

Meine Damen und Herren, bei allem Respekt: Ich weiß nicht, was die Opposition hier noch zu kritisieren hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die LHK-Kritik zu den Folgen des BolognaProzesses - also zur zugegebenermaßen tatsächlich stattfindenden Absenkung von einigen Kapazitäten - wurde in allen anderen Ländern auch geäußert. Denn auch alle anderen LHKs wissen, dass das keine Angelegenheit ist, die das Land Niedersachsen alleine regeln könnte, sondern dies entspricht den mit den Ländern und dem Bund gefassten Beschlüssen. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Ganz abgesehen davon, meine Damen und Herren, führt der Bologna-Prozess im Ergebnis zu einer erheblichen Verkürzung der Studienzeiten, die sich zum Teil weit überkompensierend im Hinblick auf mögliche Kapazitätsabsenkungen auswirkt.

Liebe Frau Heinen-Kljajić, liebe Frau Andretta, ich empfehle Ihnen zum Abschluss des heutigen Tages als Lektüre einen wunderbaren Artikel aus der Financial Times Deutschland zur niedersächsischen Forschungs- und Hochschulpolitik. Der Artikel trägt die Überschrift: Hohe Kunst des Förderns

und des Forderns. - Entsprechend ist auch der Inhalt. Wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, dann werden Sie, so glaube ich, verstehen, warum wir im Rahmen des hochschulpolitischen Kongresses, der wirklich ein Riesenerfolg für uns war, von fast allen Beteiligten für unsere Hochschulpolitik über den grünen Klee gelobt worden sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 3193 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3203 ablehnen will, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Meine Fraktion würde sich gerne enthalten!)

- Entschuldigung. - Wer möchte sich zu diesem Antrag der Stimme enthalten? - Trotzdem war das Erste die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 24: Besprechung: Kinderarmut und Kindergesundheit in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/3511 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/3710

Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält es die Landesregierung.

Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, liegt mir die Wortmeldung von Frau Elsner-Solar vor. Frau Elsner-Solar, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Es ist wunderbar, wenn ein Kind durch aufmerksame Nachbarn vor Missbrauch, gesundheitlicher Bedrohung und Vernachlässigung oder Schlimmerem bewahrt wird. Aber, meine Herren und Damen, das ist aus politischer Sicht weder genug noch gerecht.

Gesundheitspolitik ist zu großen Teilen Landespolitik. Die Verantwortung dafür aber nehmen Sie, meine Herren und Damen von der CDU, nur unzureichend wahr.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Das stimmt nicht!)

Ihre Weigerung, durch eine regelmäßige Sozialberichterstattung zu einer gesicherten Datenerhebung von Lebenslagen unserer Kinder in Niedersachsen und deren Bedrohung durch Armut und Krankheit zu kommen, ergibt bestenfalls eine Politik nach Gutsherrenart. Die Menschen in Niedersachsen können sich nicht darauf verlassen, dass diese Landesregierung ihre Probleme kennt und sie - vor allem außerhalb von Wahlkampfzeiten ernst nimmt.

Das machen nicht zuletzt Ihre Antworten auf unsere Große Anfrage zum Thema „Kinderarmut und Kindergesundheit in Niedersachsen“ wieder einmal mehr als deutlich. Für Niedersachsen liegen keine gesonderten Daten vor. Die Abhängigkeit vom Sozialstatus wurde nicht erhoben. Die Zuordnung familiärer Migration ist nicht erfasst usw. Wir kennen das schon.

Da freut es uns doch, wenn die Landesregierung selbst zu der Erkenntnis kommt, dass die Datenlage zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen weiter verbessert werden muss, und zwar nicht nur in Bezug auf Krankheiten und Unfälle, sondern insbesondere im Hinblick auf Lebensweise und gesundheitsrelevante Faktoren im Alltag. Das ist auch nicht neu. Aber Sie sind dabei völlig unglaubwürdig. Denn bei der Verabschiedung des Gesetzes über Änderungen im öffentlichen Gesundheitsdienst haben Sie jede Sozialberichterstattung abgelehnt - und Sie tun es immer noch. Doch damit und mit der Hoffnung, dass es die Kommunen mit ihren knappen Finanzmitteln schon richten, kommen Sie hier nicht weiter und erst recht nicht aus dem Schneider.

Gäbe es nicht Shell, Selbsthilfegruppen, Krankenkassen und am öffentlichen Gesundheitsdienst

interessierte Städte- und Gemeindeverbände, hätten wir wohl über weite Strecken nur weißes Papier vorliegen.

Vielen Dank den Mitarbeitenden des Sozialministeriums für ihr fleißiges Zusammentragen von Informationen! Ich bin mir nur nicht sicher, ob die dargelegten Erkenntnisse die eigene Landesregierung zum notwendigen Handeln veranlassen. Meistens beschränken Sie sich doch auf ungenaue Erklärungen und das Verkaufen von fremden Leistungen.

Meine Herren und Damen, auf dem Weg zur Volkskrankheit Nr. 1 im Kindes- und Jugendalter ist der Diabetes. Wir müssen von geschätzten 2 500 Betroffenen unter 19 Jahren in Niedersachsen ausgehen. Die Tendenz ist steigend - jährlich zwischen 3 und 4 % -, insbesondere bei jüngeren Kindern. Im Bereich der Erkrankung Diabetes Typ II, früher zu Recht „Altersdiabetes“ genannt, sehen wir durch weit verbreitete Zunahme von Übergewicht und Fehlernährung im Kindes- und Jugendalter nicht selten eine krankhafte Fettleibigkeit entstehen. Jährlich gibt es allein in Niedersachsen 20 Neuerkrankungen von Jugendlichen. Adipositas ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter.

Signifikant höhere Belastungen weisen hierbei Kinder türkischer Herkunft auf. Außerdem: Je bildungsferner der Familienhintergrund, desto höher der Anteil von entsprechenden Erkrankungen. Leider muss auch hier auf die Datenlage der Vorgängerregierung zurückgegriffen werden. Eine Aktualisierung wäre mehr als sinnvoll.

Wie sinnvoll genauere Kenntnisse des familiären Hintergrundes in Verbindung mit Gesundheitsberichterstattung und darauf fußender Prävention sind, machen die abgefragten Daten zur Zahngesundheit deutlich. Bei der hohen Relation bildungsnahes Elternhaus gleich gute Zahngesundheit gelang es hier schon in den 90er-Jahren, eine gute Gruppenprophylaxe aufzubauen. Die Maßnahmen der Jugendzahnpflege aus dem ÖGD erwiesen sich allen propagierten freiwilligen Vorsorge- und Untersuchungsmaßnahmen überlegen.

Meine Herren und Damen, im Übrigen finden Sie hier zur Zahngesundheit beste Datenlagen über gezielte Maßnahmen, deren Einleitung und Dokumentation, wie man sich das für den Einsatz von Finanzmitteln eigentlich nur wünschen kann. Es ist auch kein Geheimnis, warum das so gut klappt.

Der öffentliche Gesundheitsdienst ist hier nämlich verbindlich eingebunden. Sie haben dem öffentlichen Gesundheitsdienst bei der Neufassung des Gesetzes im letzten Jahr Ihr vollendetes Misstrauen ausgesprochen. Daraus sollten Sie endlich lernen, meine Herren und Damen von den Regierungsfraktionen.

Ich möchte noch ein weiteres Kapitel zum Thema Kinderland Niedersachsen ansprechen, in dem es allerdings stockschwarz aussieht. Es ist ein trauriges Zeichen der Uninteressiertheit dieser Landesregierung an den Lebenslagen von Kindern und steht im Gegensatz zu den Hochglanzbroschüren, die verteilt werden, und zu den Sonntagsreden und Showveranstaltungen, die durchgeführt werden. Das ist das Kapitel der Schulanfänger. Sie führen eine Anhörung nach der anderen durch. Die nächstliegenden Themen aber werden nicht angefasst. So nimmt es die Landesregierung immer noch hin, dass zwei unterschiedliche Systeme zur Erfassung der Schulreife angewandt werden, deren Daten dann erhebliche Lücken aufweisen.

Die Antwort der Landesregierung beginnt mit dem Hinweis auf die nach Landesschulgesetz mögliche Zurückstellung von der Einschulung mit: „Hierzu gibt es keine Erhebungen über Häufigkeit und Gründe.“ Meine Herren und Damen, wie wollen Sie auf solcher Datenlage Schulerfolg organisieren? Die vorliegenden Zahlen gingen zuletzt von 5 312 Kindern aus. Davon sollen 972 einen Migrationshintergrund haben. Sozialstatus oder Kindergartenbesuch wurden aber nicht erhoben. Dadurch werden Entscheidungen zur Förderung von Kindern in Kindergärten und Krabbelstuben im 21. Jahrhundert zu Glaubensfragen.

Psychische Gesundheit bei Kindern ist wohl unbestritten Grundlage einer guten Schullaufbahnentwicklung. Doch auch hier: Fehlanzeige. Nimmt man die Shell-Studie zu Hilfe, muss davon ausgegangen werden, dass 18 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland psychische Auffälligkeiten aufweisen. Bei 10 % soll Beratungs- und Therapiebedarf bestehen. Legt man jedoch Elternangaben zugrunde, sollen sich diese Zahlen im Bereich zwischen 18 und 30 % bewegen. Wenn das kein ausreichender Grund ist, um dort einmal etwas differenzierter nachzusehen, dann weiß ich nicht, was Sie sonst noch mit Statistik wollen.

So ließe sich diese Aussprache stundenlang fortsetzen. Die Bereiche Essstörungen, Sprachentwicklungsstörungen und Impfreport seien Ihrer

Aufmerksamkeit empfohlen. Gleiches gilt für den Bereich der versäumten Prävention.

Festzuhalten bleibt: Überall dort, wo der öffentliche Gesundheitsdienst und verbindliche Dokumentation einbezogen sind, gibt es annähernd vernünftige Entscheidungsgrundlagen und abgesicherte Handlungsanleitungen. Hier und auf Ministeriumsebene sind allerdings nicht die Mitarbeitenden verantwortlich zu machen. Das hohe Interesse an einer besseren Datenlage scheint überall durch. Es bleibt daher nach den vielen Hinweisen unverständlich, unverzeihlich und skandalös, dass die CDU-geführte Landesregierung solide Sozialberichterstattung nur als Datenfriedhof begreift.

Ich stelle fest: Niedersachsens Kinder sind bei CDU und FDP nicht in guten Händen. Darum werden wir mit aller Kraft an Ihrer Ablösung arbeiten.

(Beifall bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Eine böse Unterstellung!)

Jetzt hat Herr Minister Busemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir Kinderarmut und Kindergesundheit in einem Atemzug nennen, müssen wir uns eines vor Augen führen: Schon im Kindes- und Jugendalter werden die Weichen für unseren Lebensstil, für unser Bewegungs-, Freizeit- und Konsumverhalten, für unseren Umgang mit gesundheitlichen Risiken gestellt. Deshalb kommen auch Prävention und Gesundheitsförderung im frühen Lebensalter eine besondere gesundheitspolitische Bedeutung bei.

Unzureichende Startchancen im Kindesalter sind häufig auch mit einem deutlich erhöhten Risiko verbunden, später in Ausbildung und Beruf zu scheitern. Die Folgen tragen zunächst das Kind, die Familie und die Schule. Aber auch die Gesamtheit der Solidarsysteme wird unausweichlich belastet. Dies geschieht z. B. durch Mehrausgaben im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe, wenn nicht effizient gegengesteuert wird. Besonderes Augenmerk benötigen die Kinder, die in ungünstigen sozialen Bedingungen groß werden.

Unsere Aufgabe besteht darin, möglichst allen Kindern einen Lebensraum zu bieten, in dem sie ihre psychischen und physischen Möglichkeiten entfalten können. In der bestmöglichen und nach

haltigen Förderung unserer Kinder und Jugendlichen besteht die wesentliche Chance für unsere Gesellschaft.

Die Antwort auf die Große Anfrage stellt die Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Verhältnissen und Gesundheit heraus. Das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen ist eng mit dem Lebensstil und dem sozioökonomischen Umfeld verbunden, in dem Kinder aufwachsen.

Im ersten Teil der Antwort wird zu 24 Fragen aufgezeigt, welche epidemiologischen Daten zur Kindergesundheit aktuell auf Landesebene zur Verfügung stehen und inwieweit beobachtete Erkrankungen bzw. Risiken mit nachteiligen Lebensumständen verknüpft sind.

Dabei können Zusammenhänge nur näherungsweise dargestellt werden bzw. werden einige Daten von Zahlen auf Bundesebene abgeleitet. Aufschlussreich war dabei der Beitrag des RobertKoch-Instituts, welches Daten aus dem aktuellen Kinder- und Jugendgesundheitssurvey zur Verfügung gestellt hat. Einige Rückgriffe sind der mangelnden Differenzierung der Kriterien in der Fragestellung der Großen Anfrage geschuldet. Weder für den Sozialstatus noch den Migrationshintergrund bestehen eindeutige und allgemein anerkannte Messgrößen.

In vielen der angesprochenen 24 Bereiche, also bei Fällen von akuten und chronischen Erkrankungen, in der Säuglingssterblichkeit, bei der Zahngesundheit, bei Risikofaktoren wie z. B. Übergewicht, bei psychischen Problemen, bei pädagogischem Förderbedarf und ganz allgemein bei Befunden, die im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen erhoben werden, konnte die höhere Belastung von sozial benachteiligten Kindern gezeigt werden.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)