Protocol of the Session on April 26, 2007

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im letzten Jahr stimmte die SPD gegen die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule. Auch diesen Antrag lehnt die SPD, wie wir gehört haben, ab, aber aus anderen Gründen als wir. Die SPD will die totale Beliebigkeit in der niedersächsischen Schullandschaft.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Das wollte sie schon im letzten Jahr bei dem Gesetz zur Einführung der Eigenverantwortlichen Schule speziell mit der Ablehnung des § 38 a bewirken, der den Rahmen für die staatliche Verantwortung vorgibt. Das wollen die Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie auch heute noch. Anders sind die Einlassungen von Frau Eckel im Ausschuss und auch heute nicht zu interpretieren. Jede Schule soll tun und lassen können, was sie will. Das absolute Schulchaos wäre bei der Umsetzung der Vorstellungen der SPD vorprogrammiert.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit gingen verloren. Ein Schulwechsel, aus welchen Gründen auch immer, z. B. bei berufsbedingtem Ortswechsel der Eltern, wäre unter der SPD nicht mehr möglich. Chaos auf der ganzen Linie wäre dann an unseren Schulen und im Land die Folge.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, was „Chaos“ auf Deutsch heißt. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „klaffende Leere“. Von Platon und Aristoteles ist damit der Zustand vor der Entstehung des realen, wohl organisierten Kosmos gemeint gewesen. Ich glaube, beide kannten schon die niedersächsische SPD: klaffende Leere in der Bildungspolitik.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in Nordrhein-Westfalen hat es die Entwicklung zur selbstständigen Schule gegeben. Sehr verehrte Frau Eckel, Sie wissen, dass die Sozialdemokraten dort immerhin sieben Jahre gebraucht haben, um eine selbstständige Schule vorzubereiten und zu platzieren. Wenn wir hier in Niedersachsen zu einer kompletten Veränderung des Bildungssystems kommen, dann muss man auch der Eigenverantwortlichen Schule den nötigen Freiraum geben, sich zu entwickeln. Wir müssen das als Prozess begreifen und können an dieser Stelle nicht damit beginnen, komplette Konzepte auf den Tisch zu legen. Ich bin der Meinung, dass wir die Entwicklung ganz genau beobachten müssen.

Unsere Meinungsbildung hat selbstverständlich zu dem Zeitpunkt begonnen, als Ihr Antrag auf dem Tisch lag, Frau Korter. Wir haben diese Meinung aufgrund der Kenntnis aus der Praxis in den einzelnen Schulen entwickelt. Es ist ganz normal, dass die sich von dem unterscheidet, was Sie hier auf den Tisch legen. Bereits in der ersten Beratung habe ich darauf hingewiesen, dass der Antrag im Prinzip überflüssig ist, weil er im Wesentlichen Maßnahmen fordert, die in den Schulen bereits gängige Praxis sind oder bereits definitiv für die Eigenverantwortliche Schule in Niedersachsen vorgesehen sind.

Wer auch immer von Ihnen diesen Antrag vorbereitet hat - er oder sie hat damit jedenfalls den Nachweis erbracht, dass man sich nicht hinreichend mit dem beschäftigt hat, was an unseren Schulen tägliches Geschäft ist.

(Beifall bei der FDP)

Frau Korter, diese meine Auffassung mussten Sie sich im Kultusausschuss auch durch Vertreter des Kultusministeriums nachdrücklich bestätigen lassen. Außerdem haben wir in der Vorbereitung der Schulgesetznovelle alle diese Punkte angesprochen. Insofern kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass dieser Antrag nichts anderes als blanker Aktionismus ist.

(Zustimmung von Joachim Albrecht [CDU])

Nun zu den einzelnen Punkten des Antrags. Im Antrag ist der Punkt „Rhythmisierung des Unterrichts“ angesprochen. Bereits heute gibt es Möglichkeiten, die von den Schulen sehr kreativ genutzt werden. Eine zukünftige Eigenverantwortliche Schule hat selbstverständlich noch mehr Spielraum.

Bereits heute wird an den Schulen unter bestimmten Voraussetzungen fächerübergreifend organisiert - übrigens nicht nur an den Gesamtschulen, sondern auch an Haupt- und Realschulen und auch an Gymnasien. Auch das wird in Zukunft noch wesentlich leichter.

Genauso sieht es bei der Bildung von Lerngruppen aus, die auch jetzt schon unter gegebenen Voraussetzungen flexibel gestaltet werden. Sie gehören als Selbstverständlichkeit zu einer Eigenverantwortlichen Schule dazu.

Bei der Frage der Leistungsbewertung sind wir in der Tat unterschiedlicher Auffassung. Zumindest beim Aufbau einer Eigenverantwortlichen Schule halte ich es für sinnvoller, Ziffernzeugnisse beizubehalten. Zum einen haben wir jetzt schon viel zu viele Dokumentationen. Zum anderen stehen Kinder einer Notengebung viel unverkrampfter gegenüber als Erwachsene. Darüber hinaus werden spürbare Verbesserungen gegenüber heute bestehenden Möglichkeiten nicht erreicht, sondern im Gegenteil. Ich halte es in der Tat für sinnvoller, bei Ziffernzeugnissen zu bleiben. Allerdings sollte eine Begleitung der Noten durch hinreichende Rücksprache mit den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern ergänzt werden.

Bereits heute besteht schon die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler auch dann, wenn das Klassenziel nicht erreicht worden ist, aus pädagogischen Gründen zu versetzen.

Summa summarum: Ihr Antrag gehört in die Kategorie „Gut, dass wir einmal darüber geredet haben“, wenn auch aus meiner Sicht etwas zu ausführlich. Bekanntlich hat sich die FDP-Fraktion bereits im Jahre 2003 in den Koalitionsvereinbarungen auf die Umsetzung der Eigenverantwortlichen Schule verständigt, und zwar mit sehr großem Erfolg. Wir freuen uns darüber, dass Sie von Bündnis 90/Die Grünen uns darin unterstützt haben und dies auch weiterhin tun wollen. Man kann eine Diskussion aber auch dadurch bereichern,

dass man sich an mancher Stelle mit Antragstellungen zurückhält.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Korter gemeldet. Frau Korter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, ein paar Klarstellungen zu Ihrem Beitrag. Sie wissen genau, dass es in unserem Antrag um eine ganze Reihe von Punkten geht. Zu dem einen Punkt, nämlich zu den auf 45 Minuten bemessenen Unterrichtsstunden, hat der Vertreter des Ministeriums in wenigen Details erklärt, dass das schon geht; aber das ist nicht die Regel. Die anderen Punkte - Verzicht auf Sitzenbleiben, Verzicht auf Ziffernzensuren zugunsten von Lernstandsberichten, Jahreswochenstundentafeln, Arbeitszeitkonten, Personalbudgets - wollten Sie nicht. Das geht nach der heutigen Erlass- und Verordnungslage nicht. Das wissen Sie genau. Das hat der GBD bestätigt, und das hat auch das Ministerium bestätigt. Deshalb können Sie nicht sagen, dass das überflüssig sei und dass das alles funktioniere. Es war mir klar, dass Sie dieses Argument heute anführen. Wenn Ihnen die Eigenverantwortliche Schule wirklich wichtig ist, dann machen Sie sich mit uns auf den Weg, sie weiterzuentwickeln. Dazu war unser Antrag eine gute Grundlage. Diese Chance haben Sie gerade aber wohl vertan.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Schwarz möchte erwidern. Bitte schön, Herr Schwarz!

Frau Korter, Sie tun jetzt so, als wäre das nur ein einzelner Punkt gewesen. Herr Bade hat zu den ersten drei Punkten in außergewöhnlich ausführlicher Form vorgetragen. Im Kultusausschuss hat er Ihnen klargemacht, was alles jetzt möglich ist. Ich habe in meinem Redebeitrag betont, dass wir in den Punkten vier und fünf unterschiedlicher Auffassung sind. Das ist aus meiner Sicht nichts Schlimmes. Ich habe auch in der Kultusausschusssitzung gesagt: Da Ihr Antrag im Ganzen behandelt werden soll und Sie ihn auch im Ganzen

aufrechterhalten haben, gibt es für uns absolut keine Möglichkeit, ihm zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Busemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich meine, der ganze Antrag verdient die künstliche Aufregung gar nicht. Ich muss manchmal über diesen Antrag oder ähnlich gelagerte Anträge schmunzeln, weil sich dabei ein gewisses Szenario und ein politisches Katz- und Mausspiel wiederholen. Draußen wird gesagt, z. B. vonseiten der Lehrerverbände: Dieser Kultusminister und sein Haus machen zu viel, das ist zu anstrengend und zu schnell. - Hier drinnen wird von den gleichen Leuten gesagt: Nun machen Sie schneller, nun kommen Sie in die Puschen, es geht bald los, aber es ist noch nichts fertig usw. - Wir nehmen das auf, aber sehen das mit einer konstruktiven Gelassenheit.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU])

Tatsache ist, dass wir hier im Landtag vor knapp einem Jahr mit großer Mehrheit die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule zum August dieses Jahres beschlossen haben. Ich kann nur wiederholen, dass ich dafür dankbar bin, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit der FDP und der CDU abgestimmt hat. Ich weiß auch, dass die Sozialdemokratie die ganze Richtung im Kern mitträgt, auch wenn sie das manchmal nicht so offen sagen mag und hier und dort ein paar andere Befindlichkeiten hat.

Meine Damen und Herren, mit der Gestaltung der Eigenverantwortlichkeit ist natürlich auch eine Veränderung der Schulverfassung verbunden. Zugleich übertragen wir den Schulen schrittweise ab dem 1. August 2007 dienstrechtliche Befugnisse und erweitern ihre Entscheidungsspielräume. Die Erweiterung der Entscheidungsspielräume und die Übertragung von Befugnissen auf die Schulleitungen sind in der Tat wichtige Säulen der Ausgestaltung von Eigenverantwortlichkeit, wie wir sie gerade in Niedersachsen lange diskutiert, lange geplant und jetzt im Anhörungsverfahren mit den Beteiligten auch erörtert haben.

Der umfangreiche Erlassentwurf, der diese Möglichkeiten eröffnet, ist von den Fachleuten des Hauses mehrfach diskutiert worden. 15 Erlasse sollen vollständig entfallen, bei 19 weiteren Erlassen sollen die Schulen selbst entscheiden, welche Spielräume der eigenen Gestaltung sie nutzen und wann sie damit beginnen wollen. Ich glaube, dorthin gehört auch die Entscheidung: Was man machen will, wie viel man machen will, mit welchem Tempo man das machen will. Wir wollen das nicht alles von oben bestimmen. Dazu hatten wir doch einen Konsens. Dann müssen wir es konsequenterweise so laufen lassen, nämlich den Schulen Gestaltungsspielräume zu eröffnen und ihnen gleichzeitig dienstrechtliche Befugnisse zu übertragen. Das ist ein wichtiger Schritt, damit Eigenverantwortlichkeit gelingen kann.

Dabei - das sage ich mit Bedacht - dürfen wir die Schulen nicht überfordern, aber wir dürfen sie auch nicht unterfordern. Eigenverantwortlichkeit als entscheidendes Element zur Qualifizierung unserer Schulen muss in allen unseren Schulen langsam und mit Zustimmung aller Beteiligten heranwachsen. Ich sage das noch einmal: Zur Eigenverantwortlichkeit gehört ja nicht nur die veränderte Rechtslage aufgrund der Schulverfassung, auch mit dienstrechtlichen Befugnissen für die Schulleitungen. Es gehört auch das tolle Unternehmen „Budgetierung“ - am Ende so weit, wie es geht dazu. Es gehören die ganzen Fragen der Unterrichtsorganisation und die Möglichkeit zur Einstellung von Personal - das ist nicht unkompliziert dazu. Wir wollen, dass die Schulen das in Schritten umsetzen, nämlich so schnell, wie sie sich fit fühlen und willens sind, das zu machen. Ich glaube, dass das eine gute Linie ist, wenn sie das Tempo der Reformen selbst bestimmen können.

(Beifall bei der CDU)

Das Einzige, was mir nicht gefallen würde, wäre eine Reduzierung des Tempos auf null. Das würden wir alle nicht wollen. Aber ansonsten: Bitte eigenverantwortlich vor Ort laufen lassen.

Meine Damen und Herren, die Anhörung zu den betreffenden Erlassen hat ergeben, dass es eine grundsätzliche und breite Zustimmung zu unserem Vorhaben gibt. Zu den einzelnen von uns vorgeschlagenen Regulierungsgegenständen gibt es jedoch unterschiedliche Äußerungen; es wäre auch ein Wunder, wenn es nicht so wäre. Wie zu erwarten war, wird von den einen argumentiert, wir gäben den Schulen nicht genügend Freiraum.

Andere, vor allem die Lehrerverbände, fürchten eher, dass der gewährte Freiraum zu einer Unübersichtlichkeit unter den Schulen führe.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Mit dem Ergebnis der Anhörung - das will ich hier gerne sagen - bin ich persönlich durchaus zufrieden. Es ist politisch zunächst immer ein Vorteil, wenn in der Diskussion die eigenen Vorschläge den einen zu weit gehen, während andere sie als zu zögerlich empfinden.

(Unruhe)

Herr Minister, bitte unterbrechen Sie einmal. - Es ist hier entschieden zu laut. - Bitte schön, Herr Minister!

Die einen sagen also: Das ist zu schnell. - Die anderen sagen: Das ist zu zögerlich. - Ich meine aber, unser Tempo ist richtig. Ich teile auch die Sorge nicht, dass unsere Schullandschaft unübersichtlich werde. Die Schulaufsicht wird nicht nur bewahrt, sondern in Niedersachsen gestärkt. Die Verantwortung des Staates für Bildung, die Inhalte und sein Personal bleibt uneingeschränkt bestehen. Die künftig stärkere Vernetzung der Schulen untereinander wird darüber hinaus dazu führen, dass sie ihre Profile abgleichen und dass unsere Schullandschaft als Ganzes farbiger wird. Darüber habe ich soeben in einer großen Tagung mit fast allen Schulaufsichtsbeamten in Niedersachsen völlige Übereinstimmung erzielt.

Weil die Eigenverantwortlichkeit in den Schulen selbst heranwachsen muss, meine Damen und Herren, weil die Schulen selbst Schritt für Schritt, im selbstbestimmten Tempo neue Verantwortung übernehmen - wobei wir die Schulen nicht überfordern wollen -, ist es wichtig, dass die Bildungspolitik in diesem Prozess nun nicht von außen draufsattelt.

Jetzt zu dem Entschließungsantrag der Grünen. Er enthält interessante Ideen, greift aber auch alte bildungspolitische Themen wieder auf. Es ist nicht so, dass das alles völlig neu wäre. Das kennen wir zum Teil schon seit Jahrzehnten aus der Diskussion. Es wäre jedoch verkehrt, unseren Schulen jetzt von außen neue bildungspolitische Perspektiven aufzunötigen. Wir wollen, dass unsere Schulen

selbst in die Eigenverantwortlichkeit hineinwachsen und das entsprechend selbst ausrichten. Jetzt soll die Politik aus gutem Grunde nichts draufpfropfen, weil die Prozesse noch nicht so weit gediehen sind.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])