Ich will nur anmerken, dass mir schon zwölf Wortmeldungen für Zusatzfragen vorliegen, obwohl der Minister noch gar nicht geantwortet hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kultusminister hat eben besondere Fanblöcke - auf allen Seiten, Herr Jüttner.
Die Antwort auf die Frage ist allerdings eine sehr ernste. Sie wissen, dass wir die Schulen auf der Basis von Klassenobergrenzen mit Lehrkräften zu beschicken haben. Sie werden sich erinnern, dass wir zu Beginn der Legislaturperiode bei den Hauptschulen aus den bekannten Gründen die Obergrenze von 28 auf 26 Schüler gesenkt haben. Das hat uns durchaus Lob eingetragen, manchmal allerdings nicht genug. Bei den Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen haben wir die Klassenobergrenze auf 32 Schüler erhöht, was teilweise auch kritisch gesehen wird. Auch das gehört zur Wahrheit des Ganzen. Man muss ein Schulsystem halt über solche Stellschrauben entsprechend organisieren und dann auch entsprechend mit Lehrerinnen und Lehrern versehen.
Ich habe vorhin erklärt, was in der Einheitsschule passiert, wenn man die durchschnittliche Arbeitszeitbelastung der Lehrer der Gesamtschulen gewissermaßen auf das ganze System erstreckt. Dann würden wir, wie eben schon erwähnt, 3 400 zusätzliche Lehrer benötigen, die Kosten in Höhe von etwa 170 Millionen Euro verursachen würden. Wenn wir jetzt - ich glaube, das ist Bestandteil
Ihres Papiers, Herr Jüttner - die Klassenobergrenze auf 24 Schüler im Lande festlegen würden, so würde das bedeuten - ich nehme dabei sogar einmal die Förderschulen und die gymnasialen Oberstufen heraus, weil dort eine saubere Erfassung noch nicht erfolgt ist -, dass wir 4 600 zusätzliche Klassen bilden müssten und dass zusätzlich 147 000 Lehrerstunden anfielen, was wiederum bedeutet, dass 6 000 Vollzeitlehrkräfte zusätzlich einzustellen wären. Es würde bedeuten, dass rund 270 Millionen Euro jährlich an Lehrergehältern zusätzlich aufzubringen wären.
Herr Minister, Ihre Äußerungen sind ein schlagender Beweis dafür, dass Sie unser Konzept überhaupt nicht verstanden haben.
Wir sind aber natürlich auch gern bereit, Ihnen in dieser Frage Nachhilfeunterricht zu geben. Sie werden im Übrigen nie in die Lage kommen, das Konzept umzusetzen. Das tun wir dann.
Jetzt aber zurück zum Thema. Der Innenminister hat gerade dargestellt, dass der demografische Faktor bei der Frage von Schulstandorten ein ganz entscheidender Punkt ist. Das ist vom Innenminister - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Minister Busemann - Gott sei Dank klar gesagt worden. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kultusministerium wissen natürlich auch, dass dies so ist. Daher hört man in letzter Zeit mehrfach Äußerungen aus Ihrem Hause, aber auch von führenden CDUPolitikern, dass man Haupt- und Realschulen im Falle eines CDU-Erfolges nach der Wahl durchaus zusammenführen wolle. Warum sagt man das eigentlich nicht vor der Wahl?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wulf, wenn eine gewisse Nichtverstehbarkeit sozusagen Gegenstand Ihres Konzepts einer Einheitsschule ist, haben Sie mit dem Vorhalt recht. Manch einer versteht es wirklich nicht. Ich will Ihnen aber auch auf die grundsätzliche Frage eine Antwort geben und das Haus insgesamt darauf hinweisen, dass wir heute im allgemeinbildenden Bereich einen Schülerberg von knapp 1 Million und eine entsprechende Zahl von Schulstandorten haben. In 15 Jahren werden wir uns darauf einstellen müssen - es sei denn, die familienpolitischen Maßnahmen greifen -, dass die Schülerzahl auf unter 800 000 sinken wird. In den Grundschulen sehen wir schon die ersten Tendenzen; die kann man nicht wegdiskutieren. Wie gesagt, die Vorschläge der Großen Koalition im Hinblick auf Hilfen für Eltern und junge Familien, Herr Jüttner, mögen die Dinge positiv verändern. Aber nehmen wir einmal an, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler auf unter 800 000 sinken wird. Ich weise das Haus darauf hin, dass wir eine solche Situation in den 70er- und 80er-Jahren schon einmal hatten. Wenn wir um 1980 herum unser System mit weniger als 800 000 Schülerinnen und Schülern erfolgreich über die Zeit gebracht haben, dann müsste dies heute auch möglich sein. - Das als grundsätzliche Ansage.
Herr Kollege Wulf, so etwas sagen wir auch nicht erst nach der Wahl. Jederzeit, auch in einer Rede auf einer sozialdemokratischen Veranstaltung habe ich gesagt, dass es hier einen gewissen Handlungsbedarf gibt. Er mag vor Ort dazu führen - merken Sie sich bitte das Stichwort Schulverbund -, dass man sich da und dort zusammentut. Sie haben es in unserem Schulgesetz - 2003, 2004, Abschaffung O-Stufe - schon bemerkt, dass wir einer Hauptschule eine einzügige oder zweizügige Realschule angegliedert haben und umgekehrt. Dies ist im Hinblick auf die Bildungsergebnisse, aber auch die Standortsicherung sehr erfolgreich und wird auch sehr viel wahrgenommen.
Ich sage einmal ganz ehrlich: Was das ganze Gefasel von gemeinsamer Schule angeht, so sind die Kommunalpolitiker vor Ort manchmal viel klüger.
Von unseren knapp 500 Hauptschulen und Realschulen haben sich 230 bis 240 zusammengetan. Da es sich oft um nebeneinander liegende Gebäudekomplexe handelt, geht man dann auch organisatorisch zusammen. Das läuft ganz vernünftig; da brauchen sie keine Beglückung von oben, keine Gesetze oder von Ihnen entwickelte Konzepte, die nicht zu bezahlen sind. Das regelt sich vor Ort.
Das fordert unsere Kraft, aber es geht. Deswegen mein Hinweis auf die Vergangenheit: Was die früher konnten, können wir heute auch.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, es wird häufig davon gesprochen, dass die Stadtstaaten Vorbilder für integrierte Schulsysteme seien. Halten Sie die Vorteile, die man dort nennt, auch für auf ein Flächenland wie Niedersachsen übertragbar?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bäumer, wenn man das ganze Ideologische und vermeintlich Wissenschaftliche zu der Frage, welches System im Hinblick auf die Bildungsergebnisse leistungsfähiger ist, einmal beiseite lässt, dann sage ich Ihnen Folgendes: Wenn das Kriterium eine wohnortnahe Beschulung ist, um das Ziel einer möglichst hohen Bildungsbeteiligung gerade auch in ländlichen Bereichen zu verfolgen, dann mögen die Stadtstaaten das eine oder andere verfolgen können. Das gilt für Hamburg, Berlin, meinethalben auch Bremen; bei Schleswig-Holstein habe ich schon gewisse Bedenken. Es ist aber vielleicht der Großen Koalition geschuldet, dass man dort nicht weiß, welcher Weg der richtige ist, und sich gezwungenermaßen auf irgendetwas verständigt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man - unabhängig von Ressourcen, Kosten und Ideologie - in einem Flä
chenland wie Niedersachsen, das als ein Land des gegliederten Schulwesens gewachsen ist, die wohnortnahe Erhaltung von Schulstandorten richtigerweise nur auf der Basis des Systems des gegliederten Schulwesens vernünftig organisieren kann.
Alles andere, gut gemeint, noch so teuer, bezahlbar oder unbezahlbar, führt dazu, dass Standorte aus der Fläche zurückgezogen werden. Das mag man wollen oder nicht, es muss jedenfalls dazu gesagt werden.
Herr Minister, gerade Ihre letzten Worte zeigen, dass Sie sich zu vielen anderen Schulpolitikern der Bundesrepublik in Gegensatz setzen, die das ganz anders sehen. Ich würde fast meinen, dass Sie sich auch in einem Gegensatz zu einem schulpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion befinden; denn Herr Klare hat am Ende des letzten Jahres gegenüber der Nordwest-Zeitung anders gesprochen. Da wurde er gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass die Verschmelzung von Haupt- und Realschule in Zukunft ein Thema werden könne. Herr Klare hat geantwortet, er könne sich vorstellen, dass es die Möglichkeit und die Notwendigkeit dazu gebe.
Ich betone noch einmal: Die Frage war nicht, ob er sich Verbünde vorstellen könne. Sie lautete: Können Sie sich die Verschmelzung von Haupt- und Realschule vorstellen? Das ist doch weitergehend als das, was Sie hier eben geschildert haben und wobei Sie sehr unbestimmt geblieben sind, als Sie formulierten, das gegliederte Schulwesen müsse sich immer abbilden. Ich glaube, Sie werden es nicht durchhalten können. Aber vielleicht können Sie dazu konkret noch etwas sagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Eckel, wer da politisch, wissenschaftlich mit wie vielen Leuten parallel unterwegs ist oder nicht, das mag jeder so oder so gewichten. Als Verfechter des gegliederten Schulwesens bin ich auch angesichts des Sanierungsbedarfs und weiterer Schritte, die vielleicht noch in der Zukunft kommen müssen, in ganz guter Gesellschaft mit vielen Wissenschaftlern, vielen Verbandsvertretern und vor allem mit vielen Bundesländern, die das gegliederte Schulwesen erfolgreich anbieten. Ich denke hier besonders an Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen. Diese Länder sind uns noch eine Nase voraus; sie sind nahe an Finnland und beweisen, dass es auch im Hinblick auf die soziale Komponente geht. Wenn wir aber erst einmal Bayern eingeholt haben, dann können wir weiter diskutieren.
Was das Interview angeht, so habe ich auch gelesen, dass in ihm der Begriff „Verschmelzung“ vorgekommen ist. Wenn ich Ihnen hier die Grundüberlegung zu Verbundsystemen für kleine, gefährdete Standorte antrage, dann steht das klare Weltbild dahinter, innerhalb des gegliederten Schulwesens technisch-organisatorische Verbünde zu bilden. Eine Verschmelzung wäre etwas anderes. Das geht schon bei der Sekundarschule los, geht bei der KGS ein bisschen weiter und mündet dann in die von Ihnen favorisierte Einheitsschule. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kollege Klare es so gemeint hat, wie es gedruckt worden ist.
Wir versuchen gerade, uns ein Bild davon zu machen, wie die Schullandschaft nicht zuletzt aus haushalterischer Sicht nach einer eventuellen Regierungsübernahme durch die SPD aussehen könnte. Ganz konkret beschäftigt mich dabei die Frage - wobei ich natürlich davon ausgehe, dass es so nicht kommt -, welche Schulstandorte nach den Planungen der SPD von Schulschließungen bedroht wären.
Frau Kollegin, wir bewegen uns auf einem sehr hypothetischen Gelände, weil wir ja gemeinsam davon ausgehen, dass eine Umsetzung der Einheitsschule durch eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung nicht eintreten wird. Das Programm ist auch so, dass der Verfasser offenbar davon ausgegangen ist, dass es nie umgesetzt werden wird.
Wir kennen ja die alte Folklore. Hier haben ein paar 68er einfach einmal das aufgeschrieben, was sie schon immer schön fanden. Nun sind sie mit sich zufrieden, und dann war es das auch.
Aber jetzt muss ich den Herrn Präsidenten um Rat bitten; vielleicht können ja auch die Parlamentarischen Geschäftsführer einen Wink geben. Die Liste der von Herrn Jüttner als gefährdet eingestuften Schulstandorte ist sehr lang. Das geht über 14 DIN-A4-Seiten. Ich bin natürlich pflichtgemäß bereit, die 474 Standorte mit den jeweiligen Kommentierungen, ob stark gefährdet, einfach gefährdet oder überhaupt gefährdet usw., vorzutragen. Dann würden wir allerdings eine Stunde dafür benötigen.
Vielleicht können wir technisch einfach so verfahren, dass ich meine Antwort ausnahmsweise - ich weiß nicht, ob dies nach der Geschäftsordnung möglich ist - in Form der Presseerklärung der SPD zu Protokoll gebe*)